Bloodlines - Der rubinrote Zirkel - Richelle Mead - E-Book

Bloodlines - Der rubinrote Zirkel E-Book

Richelle Mead

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Beschreibung

Nachdem ihre geheime Liebe ans Tageslicht gekommen ist, sind Sydney und Adrian nirgendwo mehr sicher. Alchemisten und Moroi haben es gleichermaßen auf sie abgesehen. Da entdeckt Adrian ein magisches Geheimnis, das die Welt der Moroi für immer verändern könnte.

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

Die Autorin

Die Romane von Richelle Mead bei LYX

Impressum

Richelle Mead

Bloodlines

DER RUBINROTE ZIRKEL

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Michaela Link

Zu diesem Buch

Seitdem die Alchemistin Sydney Sage sich verbotenerweise in den Vampir Adrian verliebte, haben es Alchemisten und Moroi gleichermaßen auf sie abgesehen. Selbst am Hof, wo das Paar Zuflucht gefunden hat, begegnet man ihnen mit offener Feindseligkeit. Als Jill Dragomir, Vampirprinzessin und gute Freundin von Sydney und Adrian, spurlos verschwindet, begibt sich Sydney auf der Suche nach ihr zusätzlich in Gefahr. Sie kommt nicht nur einer dunklen Verschwörung im Kreis der Alchimisten auf die Spur, sondern kreuzt erneut den Weg der Hexe Alicia, die ihr noch immer nach dem Leben trachtet. Währenddessen enthüllt Adrian ein magisches Geheimnis, das die Welt der Moroi für immer erschüttern könnte. Gemeinsam geraten er und Sydney in das Blickfeld eines bislang unbekannten Feindes, und plötzlich steht viel mehr auf dem Spiel als das Schicksal der verschleppten Vampirprinzessin. Nun liegt es an Sydney und Adrian, den Frieden zwischen ihren Welten zu wahren, ohne dabei ihr eigenes Glück zu zerstören. Ihre verbotene Liebe muss all ihre Kraft entfalten, um gegen die Bedrohung zu bestehen …

Für Yvonne und Don,

die jeden Tag eine wahre Liebesgeschichte leben

KAPITEL 1

ADRIAN

Das Eheleben war nicht gerade das, was ich erwartet hatte.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe es nicht bereut, diese Frau geheiratet zu haben. Ich liebte sie sogar mehr, als ich je für möglich gehalten hatte. Doch die Realität, in der wir lebten? Na, sagen wir einfach, auch die hatte ich mir anders vorgestellt. Früher hatten wir immer von exotischen Orten und vor allem von Freiheit geträumt. In ein paar Zimmer eingesperrt zu sein war nie Teil eines Fluchtplans gewesen, geschweige denn eines romantischen Wochenendes.

Aber ich war noch nie vor einer Herausforderung zurückgeschreckt.

»Was ist das?«, fragte Sydney verblüfft.

»Alles Gute zu unserem Jubiläum«, sagte ich.

Sie hatte gerade geduscht, sich angezogen und stand nun in der Tür des Badezimmers, um unser Wohnzimmer zu betrachten, das ich umgewandelt hatte. Es war nicht gerade leicht gewesen, so viel in so kurzer Zeit zu tun. Sydney konnte äußerst effizient sein, und das galt auch fürs Duschen. Und ich? In der Zeit, die ich für eine Dusche brauchte, hätte man die komplette Wohnung entkernen und renovieren können. Bei Sydney war kaum Zeit genug gewesen, den Raum mit Kerzen und Blumen zu schmücken. Aber ich hatte es geschafft.

Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht. »Es ist doch nur ein Monat.«

»Hey, sag bitte nicht ›nur‹«, warnte ich. »Es ist trotzdem … gewaltig. Und nur dass du es weißt, ich habe vor, diesen Tag für den ganzen Rest unseres Lebens jeden Monat zu feiern.«

Ihr Lächeln wurde zu einem ausgewachsenen Grinsen, während sie über die Blumen in einer Vase strich. Es zerriss mir das Herz. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal ein so aufrichtiges Lächeln bei ihr gesehen hatte. »Du hast sogar Pfingstrosen besorgt«, sagte sie. »Wie hast du das denn geschafft?«

»Ich habe da so meine Methoden«, erklärte ich hochtrabend.

Obwohl es wahrscheinlich besser ist, wenn sie nichts über diese Methoden erfährt, erklang eine Stimme in meinem Kopf.

Sydney schlenderte umher und begutachtete den Rest meines Werks, das aus einer Flasche Rotwein und einer Schachtel Schokoladentrüffel bestand, die ich auf dem Küchentisch kunstvoll angeordnet hatte. »Ist es nicht noch etwas früh?«, neckte sie mich.

»Kommt drauf an, wen du fragst«, sagte ich und deutete mit dem Kopf auf das dunkle Fenster. »Für dich ist es praktisch Abend.«

Ihr Lächeln verblasste ein wenig. »Ehrlich, ich weiß kaum mehr, welche Tageszeit wir haben.«

Dieser Lebensstil belastet sie, warnte mich meine innere Stimme. Sieh sie dir nur an.

Selbst in dem flackernden Kerzenlicht konnte ich Spuren des Stresses sehen, den Sydney empfand. Dunkle Ringe unter den Augen. Ein ständig erschöpftes Aussehen – geboren eher aus Verzweiflung als aus Müdigkeit. Sie war hier der einzige Mensch, der nicht als Spender für uns Vampire diente. Außerdem war sie der einzige Mensch an einem zivilisierten Moroi-Ort, der einen von uns geheiratet hatte. Das bedeutete, dass sie den Zorn ihrer eigenen Leute auf sich gezogen und den Kontakt zu ihren Freunden und ihrer Familie draußen in der Welt abgebrochen hatte. Und dank der Geringschätzung und der neugierigen Blicke, die sie am Hof trafen, hatte sich Sydney auch so ziemlich von den Leuten hier zurückgezogen und ihre ganze Welt auf unsere Zimmer reduziert.

»Warte, es kommt noch mehr«, sagte ich schnell und hoffte, sie ablenken zu können. Auf einen Knopfdruck hin erklang aus dem Soundsystem des Wohnzimmers klassische Musik. Ich streckte die Hand nach ihr aus. »Da wir keine Gelegenheit hatten, auf unserer Hochzeit zu tanzen.«

Das brachte das Lächeln zurück. Sie nahm meine Hand, und ich zog sie an mich. Dann wirbelte ich sie durch den Raum und achtete darauf, keine der Kerzen umzustoßen. Mit einem belustigten Blick sah sie mich an. »Was machst du da? Das ist ein Walzer. Er hat drei Takte. Hörst du das nicht? Eins-zwei-drei, eins-zwei-drei.«

»Wirklich? Das ist ein Walzer? Hm. Ich hab einfach etwas ausgesucht, das gut klang. Da wir keinen eigenen Song haben oder so.« Ich dachte kurz darüber nach. »Ich glaube, in dieser Hinsicht haben wir als Paar versagt.«

Sydney lachte spöttisch. »Wenn das unser größtes Versagen ist, dann schlagen wir uns doch ganz gut.«

Eine Weile verging, während ich mit ihr durch den Raum tanzte, dann erklärte ich plötzlich: »›She Blinded Me With Science.‹«

»Was?«, fragte Sydney.

»Das könnte unser Lied sein.«

Sie lachte, und mir wurde klar, dass ich ihr Lachen schon sehr lange nicht mehr gehört hatte. Irgendwie ließ es mein Herz gleichzeitig schmerzen und springen. »Na«, erwiderte sie. »Ich finde, das ist jedenfalls besser als ›Tainted Love‹.«

Wir lachten beide, und sie legte die Wange an meine Brust. Ich drückte ihr einen Kuss auf das goldene Haar; der Duft ihrer Seife, in den sich der Geruch ihrer Haut mischte, drang mir in die Nase. »Es kommt mir falsch vor«, murmelte sie leise. »Glücklich zu sein, meine ich. Während Jill da draußen ist …«

Bei diesem Namen sank mir das Herz, und eine schwere Dunkelheit drohte sich auf mich herabzusenken und diesen kleinen Moment der Freude zu zerstören, den ich erschaffen hatte. Ich musste die Dunkelheit mit Gewalt verdrängen und mich zwingen, von dem gefährlichen Abgrund zurückzutreten, den ich in diesen Tagen nur zu gut kennengelernt hatte. »Wir werden sie finden«, flüsterte ich und hielt Sydney noch fester umfangen. »Wo immer sie ist, wir werden sie finden.«

Falls sie noch lebt, sagte diese gemeine innere Stimme.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Stimme, die sich immer wieder in meinem Kopf bemerkbar machte, nicht Teil irgendeiner Denksportaufgabe war. Tatsächlich war es sogar eine sehr deutliche Stimme, und sie gehörte meiner verstorbenen Tante Tatiana, der ehemaligen Königin der Moroi. Sie kam jedoch nicht in Form eines Geistes zu mir. Ihre Stimme war eher eine Einbildung, die daher rührte, dass ich dank der seltenen Art von Magie, die ich verwendete, mehr und mehr dem Wahnsinn verfiel. Ein einfaches Medikament hätte Tatiana zum Schweigen gebracht, aber es hätte mich auch von meiner Magie abgeschnitten, und dafür war unsere Welt im Moment zu unberechenbar. Also waren diese Phantomtante und ich in meinem Kopf zu Mitbewohnern geworden. Manchmal machte mir die eingebildete Präsenz Angst, und ich fragte mich, wie lange es dauern werde, bis ich vollkommen den Verstand verlor. Dann wieder ertappte ich mich dabei, dass ich gut mit ihr klarkam – und die Tatsache, dass ich sie fast schon als normal betrachtete, erschreckte mich noch mehr.

Jetzt gelang es mir erst einmal, Tante Tatiana zu ignorieren, während ich Sydney wieder küsste. »Wir werden Jill finden«, wiederholte ich energischer. »Und in der Zwischenzeit müssen wir weiter unser Leben leben.«

»Ich glaube auch«, seufzte Sydney. Ich merkte, dass sie versuchte, die Fröhlichkeit von eben zurückzugewinnen. »Wenn das unseren versäumten Hochzeitstanz ersetzen soll, fühle ich mich irgendwie zu einfach gekleidet. Vielleicht sollte ich dieses Kleid wieder anziehen.«

»Auf gar keinen Fall«, widersprach ich. »Nicht dass das Kleid nicht toll wäre. Aber ich mag dich, wenn du so einfach gekleidet bist. Ich hätte sogar überhaupt nichts dagegen, wenn du noch viel einfacher gekleidet wärst …«

Ich ließ das Walzertanzen (oder was immer das für ein Tanz war, den ich da zu tanzen versuchte) und senkte meinen Mund auf ihren hinab – zu einer ganz anderen Art von Kuss als vorhin. Hitze erfüllte mich, als ich ihre weichen Lippen spürte, und es überraschte mich, dass sie mit gleicher Leidenschaft reagierte. Angesichts unserer jüngsten Umstände war Sydney nicht nach Zweisamkeit zumute gewesen, und – ehrlich – ich konnte ihr deswegen keinen Vorwurf machen. Ich hatte ihre Wünsche respektiert und Abstand gehalten … bis jetzt – und ohne zu merken, wie sehr mir dieses Feuer in ihr gefehlt hatte.

Einen Moment später sanken wir fest umschlungen auf das Sofa und küssten uns immer noch voller Leidenschaft. Ich hielt inne, um sie zu betrachten, und bewunderte die Art, wie ihr blondes Haar und ihre braunen Augen im Kerzenlicht glänzten. Ich hätte in dieser Schönheit und in der Liebe, die von ihr ausging, ertrinken können. Es war ein wunderbarer, dringend nötiger romantischer Moment … zumindest, bis die Tür aufging.

»Mom?«, rief ich und sprang von Sydney weg, als sei ich ein Schuljunge und kein verheirateter Mann von zweiundzwanzig Jahren.

»Ah, hallo, mein Lieber«, sagte meine Mutter und kam ins Wohnzimmer geschlendert. »Warum ist das Licht aus? Hier drin sieht es aus wie in einem Mausoleum. Hat es einen Stromausfall gegeben oder was?« Sie legte einen Lichtschalter um, und Sydney und ich zuckten zusammen. »Jetzt geht es jedenfalls wieder. Aber ihr solltet wirklich nicht so viele Kerzen anzünden. Das ist doch gefährlich.« Hilfsbereit, wie sie war, blies sie gleich einige aus.

»Danke«, sagte Sydney tonlos. »Schön zu wissen, dass Sie sich um unsere Sicherheit sorgen.« Ihr Gesichtsausdruck erinnerte mich an den Tag, als meine Mutter »hilfsbereit« einen Haufen Klebezettel aus einem Buch herausgezogen hatte, das sie ihrer Meinung nach verstopften. Sydney hatte damit stundenlang in mühevoller Kleinarbeit ihre Lektüre markiert.

»Mom, ich dachte, du würdest ein paar Stunden fort sein«, sagte ich spitz.

»Das war ich auch, aber drüben im Spendersalon ist es einfach zu peinlich geworden. Man sollte meinen, dass alle bei der Ratsversammlung seien, aber nein. Zu viele Blicke. Ich konnte mich nicht entspannen. Also haben sie mir einfach erlaubt, einen mitzunehmen.« Sie sah sich um. »Wo ist er hin? Ah, da.« Sie trat in den Flur zurück und schob einen betäubt aussehenden Menschen herein, der kaum älter sein konnte als ich. »Setzen Sie sich da drüben auf den Stuhl, ich bin gleich bei Ihnen.«

Ich sprang auf. »Du hast einen Spender hergebracht? Mom, du weißt, wie Sydney dazu steht.«

Sydney sagte nichts, erbleichte jedoch beim Anblick des Spenders, der auf der anderen Seite des Raumes saß. Benommen und glücklich von den Endorphinen, die freigesetzt wurden, weil er Vampire von sich trinken ließ, sah er sich mit leerem Blick um.

Meine Mutter seufzte verärgert. »Was erwartest du von mir, Schatz? Ich konnte doch auf gar keinen Fall trinken, während Maureen Taurus und Gladys Dashkov direkt neben mir saßen und tratschten.«

»Ich erwarte von dir, dass du meiner Frau gegenüber etwas mehr Rücksicht an den Tag legst!«, rief ich. Nachdem Sydney und ich geheiratet und am Hof Zuflucht gesucht hatten, hatten sich die meisten Leute – darunter mein eigener Vater – von uns abgewandt. Meine Mom hatte zu uns gehalten und war sogar so weit gegangen, bei uns zu wohnen – was nicht ohne Komplikationen ablief.

»Ich bin mir sicher, dass sie kurz in eurem Schlafzimmer warten kann«, sagte meine Mutter und beugte sich vor, um weitere Kerzen auszublasen. Als sie die Trüffel auf dem Tisch entdeckte, hielt sie inne, um sich einen davon in den Mund zu schieben.

»Sydney braucht sich in ihrem eigenen Zuhause nicht zu verstecken«, wandte ich ein.

»Na ja«, erwiderte meine Mutter, »ich aber auch nicht. Schließlich ist es auch mein Zuhause.«

»Es macht mir nichts aus.« Sydney stand auf. »Ich werde warten.«

Es war zum Haareraufen. Leidenschaft war kein Thema mehr. Alle Spuren des Glücks, die ich gerade bei Sydney gesehen hatte, waren verschwunden. Sie zog sich wieder in sich selbst zurück, zurück in dieses hoffnungslose Gefühl, ein Mensch zu sein, der in einer Welt von Vampiren gefangen war. Und dann, so unglaublich das auch klingen mag, wurde alles noch schlimmer. Meine Mutter hatte eine der Vasen mit Pfingstrosen entdeckt.

»Die sind wunderschön«, bemerkte sie. »Melinda muss so dankbar für die Heilung gewesen sein.«

Sydney erstarrte. »Welche Heilung?«

»Ist nicht wichtig«, sagte ich hastig und hoffte, dass meine Mutter die Andeutung verstünde. Normalerweise war Daniella Ivashkov eine bemerkenswert scharfsinnige Frau. Heute jedoch schien sie in einem Blindheitsmodus festzustecken.

»Melinda Rowe, die Hoffloristin«, erklärte meine Mutter. »Adrian und ich sind ihr begegnet, als wir das letzte Mal bei den Spendern waren. Sie hatte einen schrecklichen Akne-Ausbruch, und Adrian war so nett, die Heilung zu beschleunigen. Im Gegenzug hat sie versprochen, Pfingstrosen zu besorgen.«

Sydney drehte sich zu mir um, sprachlos vor Zorn. Da ich diese Situation unverzüglich entschärfen musste, packte ich sie am Arm und zog sie in unser Schlafzimmer. »Mach schnell«, rief ich meiner Mom zu und schloss die Tür.

Sydney legte sofort los. »Adrian, wie konntest du nur? Du hast es versprochen! Du hast versprochen, keinen Geist mehr zu benutzen, es sei denn, um Jill zu finden!«

»Es war nichts«, beharrte ich. »Es war so gut wie gar keine Macht nötig.«

»Es summiert sich aber!«, rief Sydney. »Und das weißt du genau. Jedes kleine bisschen. Du darfst es nicht auf so was verschwenden … auf irgendjemandes Akne!«

Obwohl ich verstand, warum sie sich aufregte, fühlte ich mich auch ein wenig verletzt. »Ich habe es für uns getan. Für unser Jubiläum. Ich dachte, es würde dir gefallen.«

»Mir würde gefallen, wenn mein Mann nicht den Verstand verliert«, blaffte sie zurück.

»Na, dafür ist es zu spät«, erwiderte ich.

Sie hat ja nicht die leiseste Ahnung, bemerkte Tante Tatiana.

Sydney verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich aufs Bett. »Siehst du? Immer das Gleiche. Du machst aus allem einen Witz. Es ist ernst, Adrian.«

»Und mir ist es auch ernst. Ich weiß, was ich verkraften kann.«

Sie sah mir ruhig in die Augen. »Tust du das wirklich? Ich denke immer noch, dass du besser ganz aufhören solltest, Geist zu benutzen. Nimm wieder deine Tabletten. Das ist am sichersten.«

»Und was ist dann mit unserer Suche nach Jill?«, rief ich ihr ins Gedächtnis. »Was, wenn wir meine Geistmagie dafür brauchen?«

Sydney wandte den Blick ab. »Na ja, bis jetzt war sie uns auch nicht von großem Nutzen. Oder die Magie von jemand anderem.«

Mit dieser letzten Bemerkung verdammte sie sich selbst ebenso wie mich. Unsere Freundin Jill Mastrano Dragomir war vor einem Monat entführt worden, und bisher hatten all unsere Bemühungen, sie zu finden, zu nichts geführt. Es war mir nicht gelungen, Jill in Geistträumen zu erreichen, ebenso wenig wie Sydney – immerhin eine begabte Schülerin menschlicher Hexenkunst – es geschafft hatte, sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Zaubern ausfindig zu machen. Die wichtigste Information, die wir durch Sydneys Magie erhalten hatten, war, dass Jill noch lebte. Aber das war es dann auch. Die allgemeine Auffassung war, dass Jill, wo immer sie sich befand, unter Beruhigungsmitteln stand – was einen sowohl vor menschlicher als auch vor Moroi-Magie wirksam verstecken konnte. Es hinderte uns beide jedoch nicht daran, uns nutzlos zu fühlen. Jill lag uns sehr am Herzen – und meine Beziehung zu ihr war besonders intensiv, da ich sie einmal mit Geistmagie vom Rand des Todes zurückgeholt hatte. Nicht zu wissen, was mit ihr geschah, warf einen Schatten über Sydney und mich – und über jeden Versuch, während unseres selbst auferlegten Hausarrests glücklich zu sein.

»Das spielt keine Rolle«, sagte ich. »Wenn wir sie finden, brauche ich meine Magie. Wir haben keine Ahnung, was ich dann tun muss.«

»Ihre Akne kurieren?«, fragte Sydney.

Ich zuckte zusammen. »Ich habe doch gesagt, es war nichts! Lass es meine Sorge sein, wie viel Geist ich benutzen kann. Das ist nicht deine Aufgabe.«

Sie sah mich ungläubig an. »Natürlich ist es das! Ich bin deine Frau, Adrian. Wenn ich mich nicht um dich sorge, wer dann? Du musst Geist unter Kontrolle halten.«

»Ich kann damit umgehen«, stieß ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Spricht deine Tante immer noch mit dir?«, wollte sie wissen.

Ich wandte den Blick ab und weigerte mich, ihr in die Augen zu sehen. Tante Tatiana seufzte in meinem Kopf. Du hättest ihr nie von mir erzählen dürfen.

Als ich schwieg, sagte Sydney: »Das tut sie, nicht wahr? Adrian, das ist nicht gesund! Das musst du doch wissen!«

Ich fuhr verärgert herum. »Ich kann damit umgehen. Okay? Ich kann damit umgehen, und ich kann mit ihr umgehen!«, rief ich. »Also hör auf, mir zu sagen, was ich tun soll! Du weißt längst nicht alles – auch wenn du das andere Leute noch sosehr glauben machen möchtest!«

Verletzt trat Sydney einen Schritt zurück. Der Schmerz in ihren Augen tat mir mehr weh als ihre Worte von eben. Ich fühlte mich schrecklich. Wie hatte dieser Tag so schiefgehen können? Er hätte ganz wunderbar sein sollen. Plötzlich musste ich raus. Ich konnte diese vier Wände nicht mehr ertragen. Ich konnte die Kontrolle meiner Mutter nicht mehr ertragen. Ich konnte das Gefühl nicht mehr ertragen, Sydney ständig zu enttäuschen – und Jill auch. Sydney und ich waren an den Hof gekommen, um Schutz vor unseren Feinden zu suchen, und hatten uns hier versteckt, um zusammen sein zu können. In letzter Zeit schien es, als drohe dieses Arrangement uns auseinanderzureißen.

»Ich muss raus«, stellte ich fest.

Sydney riss die Augen auf. »Wohin willst du?«

Ich fuhr mir durchs Haar. »Ganz egal, ich will nur frische Luft schnappen. Irgendwohin, nur nicht hierbleiben.«

Ich drehte mich um, bevor sie etwas sagen konnte, und stürmte durchs Wohnzimmer, vorbei an meiner Mom, die gerade von dem Spender trank. Sie warf mir einen fragenden Blick zu, aber ich ignorierte ihn und lief weiter, bis ich zur Tür hinaus war und die Lobby des Gästehauses durchquert hatte. Erst als ich nach draußen kam und die laue Sommerluft spürte, blieb ich stehen, um darüber nachzudenken, was ich getan hatte – und um einen Kaugummi einzuwerfen, meinen gegenwärtigen Ersatz für die Stresszigarette. Ich sah an dem Gebäude hoch und fühlte mich schuldig und feige, dass ich mitten im Streit davongelaufen war.

Du brauchst dich nicht mies zu fühlen, sagte Tante Tatiana. Eine Ehe ist nicht leicht. Deshalb habe ich auch nie geheiratet.

Es ist schwer,stimmte ich zu. Aber das ist keine Ausrede, um wegzulaufen. Ich muss zurück. Ich muss mich entschuldigen. Ich muss die Sache in Ordnung bringen.

Du wirst nichts in Ordnung bringen, solange du hier oben eingeschlossen bist und Jill immer noch verschwunden ist, erklärte Tante Tatiana.

In dem Moment kamen zwei Wächter an mir vorbei, und ich schnappte einen Teil ihres Gesprächs auf, in dem sie über zusätzliche Patrouillen für die Ratssitzung sprachen, die gerade in Gang war. Ich erinnerte mich an die Bemerkung meiner Mom über diese Versammlung und hatte eine plötzliche Eingebung. Ich wandte mich von dem Gästehaus ab und eilte auf das Gebäude zu, das hier bei Hofe als königlicher Palast diente, in der Hoffnung, rechtzeitig zu der Versammlung zu kommen.

Ich weiß, was zu tun ist, erklärte ich Tante Tatiana. Ich weiß, wie ich uns hier rausbekommen und mich mit Sydney versöhnen kann. Wir brauchen eine Aufgabe, ein Ziel. Und ich werde uns eins beschaffen. Ich muss mit Lissa reden. Wenn ich es ihr erklären kann, dann werde ich alles in Ordnung bringen können.

Das Phantom gab keine Antwort, während ich weiterging. Mitternacht hatte die Welt um mich in Dunkelheit gehüllt – Schlafenszeit für Menschen, die beste Zeit für diejenigen von uns, die nach einem vampirischen Zeitplan lebten. Der Moroi-Hof war wie eine Universität aufgebaut: etwa vierzig altehrwürdige Ziegelgebäude, die um schöne Gärten und Innenhöfe herum lagen. Es war Hochsommer, warm und feucht, und eine Menge Leute waren unterwegs. Die meisten waren zu beschäftigt mit ihren eigenen Angelegenheiten, um mich zu bemerken oder zu erkennen, wer ich war. Die wenigen, die es doch taten, warfen mir neugierige Blicke zu.

Sie sind einfach nur eifersüchtig, erklärte Tante Tatiana.

Das glaube ich nicht, antwortete ich ihr. Obwohl ich wusste, dass sie eine Wahnvorstellung war, war es manchmal schwer, nicht auf sie zu reagieren.

Natürlich sind sie das. Der Name Ivashkov hat immer Ehrfurcht und Neid geweckt. Sie sind alle Untergebene, und sie wissen es. Zu meiner Zeit wäre das niemals toleriert worden. Eure kindliche Königin lässt die Zügel schießen.

Ich stellte fest, dass ich meinen Spaziergang trotz der aufdringlichen Blicke genoss. Es war wirklich nicht gesund, so viel im Haus eingesperrt zu sein – nie hätte ich gedacht, dass ich das einmal zugeben würde. Die schwüle Luft kam mir leicht und erfrischend vor, und ich wünschte, Sydney könnte ebenfalls hier draußen sein. Doch im nächsten Moment kam ich zu dem Schluss, dass das nicht stimmte. Sie musste später draußen sein, wenn die Sonne am Himmel stand. Das war die Zeit für Menschen. Nach unserem Zeitplan zu leben war für sie wahrscheinlich genauso schwer wie die Isolation. Ich nahm mir vor, später einen Spaziergang mit ihr vorzuschlagen. Die Sonne war für uns zwar nicht so gefährlich wie für Strigoi – die bösen untoten Vampire –, aber für Moroi war sie auch nicht immer angenehm. Die meisten schliefen tagsüber oder blieben im Haus, und wenn wir unseren Ausflug richtig timten, war es unwahrscheinlich, dass Sydney jemandem über den Weg lief.

Der Gedanke munterte mich auf, als ich ein weiteres Stück Kaugummi einwarf und den königlichen Palast erreichte. Von außen sah er genauso aus wie die anderen Gebäude, aber innen war er mit der ganzen Pracht und Opulenz geschmückt, die man von dem Königshaus einer alten Zivilisation erwarten würde. Die Moroi wählten ihre Monarchen aus zwölf königlichen Familien aus, und die großen Porträts jener erlauchten Gestalten säumten die Gänge, erhellt vom Licht funkelnder Kronleuchter. Auf den Fluren herrschte reger Betrieb, und als ich den Ratssaal erreichte, sah ich, dass ich offenbar zum Ende der Sitzung eingetroffen war. Als ich eintrat, gingen bereits die ersten Leute, und auch von ihnen blieben viele stehen, um mich anzustarren. Ich hörte Getuschel von »Abscheulichkeit« und »menschliche Frau«.

Ich ignorierte sie einfach und konzentrierte mich auf mein wahres Ziel vorn im Raum. Dort, neben dem Ratspodium, stand Vasilisa Dragomir – die »kindliche Königin«, von der Tante Tatiana gesprochen hatte. Lissa, wie ich sie nannte, war von Dhampirwächtern in dunklen Anzügen umringt: Kriegern, die halb Mensch, halb Moroi waren und deren Rasse ihren Ursprung in lang vergangenen Zeiten hatte, als Moroi und Menschen noch ohne Skandal untereinander heiraten konnten. Dhampire konnten miteinander keine Kinder bekommen, aber aufgrund einer genetischen Laune lebte ihre Rasse durch die Fortpflanzung mit den Moroi weiter.

Direkt hinter Lissas Bodyguards drängte sich die Moroi-Presse und rief ihr Fragen zu, die sie auf ihre ruhige Art beantwortete. Ich beschwor ein wenig Geistmagie herauf, um mir ihre Aura anzuschauen, und schon leuchtete sie in meiner Sicht auf. Sie schimmerte golden, was anzeigte, dass Lissa wie ich eine Geistbenutzerin war, aber ihre anderen Farben waren verblasst, und die ganze Aura hatte eine ängstliche Qualität an sich, die mir sagte, dass sie sich unbehaglich fühlte. Ich ließ die Magie los, als ich zu der Menge hinübereilte und mit der Hand in ihre Richtung wedelte. Dann hob ich die Stimme, um mir in dem Lärm Gehör zu verschaffen. »Euer Majestät! Euer Majestät!«

Irgendwie hörte sie mich trotz der anderen und winkte mich herbei, nachdem sie die Frage eines Reporters beantwortet hatte. Ihre Wächter traten auseinander, um mich zu ihr zu lassen. Das löste allgemeines Interesse aus – vor allem, als die Zuschauer sahen, wen sie da in ihre Nähe ließ. Es war ihnen anzumerken, dass sie darauf brannten zu erfahren, worüber wir sprachen, aber die Wächter hielten sie zurück, und es war ohnehin zu laut.

»Na, das ist aber eine unerwartete Überraschung. Hättest du keinen Termin machen können?«, fragte sie mich leise und trug weiter ihr öffentliches Lächeln zur Schau. »Es hätte viel weniger Aufmerksamkeit erregt.«

Ich zuckte die Achseln. »In letzter Zeit erregt alles, was ich tue, Aufmerksamkeit. Ich merke es schon gar nicht mehr.«

Ein Funke berechtigter Erheiterung blitzte in ihren Augen auf, daher fühlte ich mich gut, dass ich zumindest dies bewirkt hatte. »Was kann ich für dich tun, Adrian?«

»Es geht eher darum, was ich für dich tun kann«, entgegnete ich, immer noch begeistert von der Idee, die mir vorhin gekommen war. »Du musst Sydney und mich gehen lassen, damit wir nach Jill suchen können.«

Ihre Augen wurden groß, und das Lächeln verrutschte. »Euch gehen lassen? Vor einem Monat hast du mich angefleht, euch hierbleiben zu lassen!«

»Ich weiß, ich weiß. Und ich bin dir natürlich auch dankbar dafür. Aber deine Leute haben Jill immer noch nicht gefunden. Du solltest eine besondere Hilfe mit besonderen Fähigkeiten hinzuziehen.«

»Wenn ich mich recht entsinne«, sagte sie, »habt ihr – du und Sydney – diese besonderen Fähigkeiten bereits ausprobiert. Ohne Erfolg.«

»Was gerade der Grund dafür ist, warum du uns hier rauslassen musst!«, rief ich. »Damit wir nach Palm Springs zurückkehren und …«

»Adrian«, unterbrach mich Lissa. »Hörst du dir eigentlich selber zu? Ihr seid hergekommen, weil die Alchemisten versucht haben, euch beide zur Strecke zu bringen. Und jetzt willst du wieder da raus und ihnen genau in die Arme laufen?«

»Na ja, nicht wenn du es so ausdrückst. Ich dachte, wir schleichen uns heimlich hinaus, wenn sie es nicht merken – und …«

»Nein«, fiel sie mir wieder ins Wort. »Auf gar keinen Fall. Ich habe schon genug Sorgen, ohne dass ihr zwei von den Alchemisten geschnappt werdet. Du wolltest, dass ich euch beschütze, und das werde ich tun. Also schlag dir aus dem Kopf, dich hier wegzuschleichen – ich lasse die Tore bewachen. Ihr bleibt beide hier, wo ihr sicher seid.«

Sicher und kurz davor, den Verstand zu verlieren, dachte ich und erinnerte mich an den trostlosen Ausdruck in Sydneys Augen.

Liebling, flüsterte Tante Tatiana mir zu. Du hast schon vor langer Zeit angefangen, den Verstand zu verlieren.

»Ich habe gute Leute, die nach Jill suchen«, fuhr Lissa fort, als ich ihr nicht antwortete. »Rose und Dimitri sind unterwegs.«

»Warum haben sie sie dann noch nicht gefunden? Und wenn dich irgendjemand absetzen will, warum hat er dann nicht …?«

Ich konnte den Satz nicht beenden, aber die Traurigkeit in Lissas jadegrünen Augen verriet mir, dass sie wusste, was ich sagen wollte. Dank des Gesetzes, das sie zu ändern versuchte, hing Lissas Thron davon ab, eine lebende Verwandte zu haben. Jeder, der Lissa um ihren Thron bringen wollte, müsste einfach nur Jill töten und einen Beweis dafür vorlegen. Die Tatsache, dass es noch nicht geschehen war, war ein Glück, ließ das Ganze aber noch rätselhafter erscheinen. Warum sonst hätte jemand Jill entführen sollen?

»Geh nach Hause, Adrian«, sagte Lissa sanft. »Wenn du möchtest, werden wir später weiter darüber sprechen – unter vier Augen. Vielleicht fallen uns ja noch andere Möglichkeiten ein.«

»Vielleicht«, stimmte ich zu. Aber eigentlich glaubte ich nicht daran.

Ich überließ Lissa ihren Bewunderern und schlüpfte durch die gaffende Menge zurück, als sich eine dunkle und wohlvertraute Stimmung in mir ausbreitete. Ich war aus einem Impuls heraus zu Lissa gegangen, der mir vorübergehend Hoffnung geschenkt hatte. Als Sydney und ich Zuflucht gesucht hatten, hatten wir keine Ahnung gehabt, was mit Jill geschehen würde. Es stimmte, dass Lissa gute Leute auf die Suche nach Jill angesetzt hatte – und selbst die widerstrebende Hilfe von Sydneys alter Organisation, den Alchemisten. Trotzdem konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass Sydney und ich Jill finden würden, wenn wir dort draußen wären und uns nicht versteckten. Irgendetwas ging da vor, was wir noch nicht verstanden. Sonst hätten Jills Entführer …

»Na, sieh mal einer an, wer da beschlossen hat, sein feiges Gesicht zu zeigen.«

Ich blieb stehen, blinzelte und wusste kaum, wo ich mich befand. Ich war gedanklich so aufgewühlt gewesen, dass ich auf halber Strecke nach Hause nun auf einem gepflasterten Weg stand, der zwischen zwei Gebäuden hindurchführte – einem stillen, abgelegenen Pfad, der perfekt für einen Hinterhalt war. Wesley Drozdov, ein königlicher Moroi, der in letzter Zeit zu meinem Erzfeind geworden war, versperrte mir mit einigen seiner Kumpane den Weg.

»Das sind mehr, als du sonst im Schlepptau hast, Wes«, sagte ich in mildem Ton. »Grab noch ein paar mehr aus, vielleicht hast du dann endlich einen fairen Kampf, um …«

Eine Faust traf mich von hinten ins Kreuz, trieb mir die Luft aus den Lungen und ließ mich vorwärtsstolpern. Bevor ich reagieren konnte, sprang Wesley auf mich zu und erwischte mich mit einem rechten Haken. Undeutlich begriff ich durch den Schmerz, dass die Bemerkung, die ich gerade hatte machen wollen, genau ins Schwarze traf: Wesley war mit einer ganzen Gruppe unterwegs, weil das die einzige Möglichkeit war, wie er gegen meine Geistmagie kämpfen konnte. Als mich jemand mit einem Tritt ans Knie zu Boden zwang, ging mir auf, dass ich ein Idiot gewesen war, mich so öffentlich zu zeigen. Wesley hatte nur auf eine Gelegenheit gewartet, seine alte Schmach zu rächen, und jetzt hatte er sie.

»Was ist los?«, fragte er und trat mich fest in den Bauch, während ich auf dem Boden lag und darum kämpfte, wieder auf die Füße zu kommen. »Ist dein Spenderweib nicht da, um dich zu retten?«

»Ja«, schimpfte ein anderer. »Wo ist denn deine menschliche Hure?«

Vor Schmerz konnte ich nicht reagieren. Weitere Tritte folgten, von mehr Leuten, als ich zählen konnte. Ihre Gesichter schwebten über mir, und zu meinem Erschrecken erkannte ich ein paar von ihnen wieder. Es war nicht nur Wesleys übliche Gefolgschaft. Einige von ihnen waren Leute, die ich kannte und mit denen ich in der Vergangenheit gefeiert hatte … Leute, die ich früher zu meinen Freunden gezählt hätte.

Ein Schlag auf den Kopf ließ mich Sterne sehen, und für einen Moment verschwammen die Gesichter vor mir. Ihr Spott vermischte sich zu einem unverständlichen Geschrei, während ein Treffer auf den anderen folgte. Ich krümmte mich vor Schmerz und hatte Mühe zu atmen. Plötzlich fragte eine klare Stimme durch den Lärm: »Was zur Hölle ist hier los?«

Blinzelnd versuchte ich, wieder scharf zu sehen, und sah undeutlich starke Hände, die Wesley wegrissen und gegen ein nahes Gebäude schleuderten. Erst musste noch einer seiner Schleimer und dann ein zweiter folgen, bevor sie endlich merkten, dass etwas schiefgegangen war. Wie die verängstigten Schafe wichen sie zurück – und plötzlich erschien ein vertrautes Gesicht. Eddie Castile stand über mir.

»Hat sonst noch jemand Lust zu bleiben?«, krächzte ich. »Ihr seid immer noch in der Überzahl.«

Ihre Zahlen waren aber nichts im Vergleich zu einem Eddie, und das wussten sie. Ich konnte sie nicht alle weglaufen sehen, aber ich stellte es mir vor, und das war herrlich. Stille trat ein, und einen Moment später half mir jemand anders aufzustehen. Ich schaute zurück und sah ein weiteres vertrautes Gesicht, Neil Raymond, der seinen Arm unter meinen schob.

»Kannst du gehen?«, fragte Neil mit seinem leicht britischen Akzent.

Ich zuckte zusammen, als ich meinen Fuß belastete, nickte jedoch. »Ja. Gehen wir einfach nach Hause und sehen später nach, ob was gebrochen ist. Übrigens, danke«, fügte ich hinzu, als Eddie mich von der anderen Seite stützte und wir uns in Bewegung setzten. »Schön zu wissen, dass dieser Moroi in Nöten sich auf solch galante Ritter verlassen kann, die ihm folgen.«

Eddie schüttelte den Kopf. »Das war reiner Zufall. Wir sind gerade mit einigen Neuigkeiten auf dem Weg zu dir gewesen.«

Ein Frösteln durchlief mich, und ich blieb stehen. »Was für Neuigkeiten?«, fragte ich.

Ein Lächeln glitt über Eddies Gesicht. »Entspann dich – es sind gute Nachrichten, denke ich. Nur unerwartet. Du und Sydney, ihr habt einen Besucher am Eingangstor. Einen menschlichen.«

Wenn ich nicht solche Schmerzen gehabt hätte, wäre mir der Unterkiefer runtergeklappt. Das waren allerdings unerwartete Nachrichten. Indem sie mich geheiratet und bei den Moroi Zuflucht gesucht hatte, war Sydney von den meisten ihrer menschlichen Kontakte abgeschnitten worden. Dass einer von ihnen hier auftauchte, war seltsam, und es konnte kein Alchemist sein. Ein Alchemist wäre abgewiesen worden.

»Wer ist es?«, fragte ich.

Eddies Lächeln wurde zu einem ausgewachsenen Grinsen. »Jackie Terwilliger.«

KAPITEL 2

SYDNEY

Oh, Adrian.«

Mehr gab es nicht zu sagen, als ich Adrian mit einem feuchten Lappen Blut und Dreck aus dem Gesicht wischte und ihm dabei launische Strähnen kastanienbraunen Haars zurückstrich. Er schenkte mir sein unbekümmertes Lächeln und schaffte es trotz seines mitgenommenen Zustands, immer noch umwerfend auszusehen.

»He, kling nicht so niedergeschlagen, Sage. So hoffnungslos war der Kampf gar nicht.« Er schaute zu Neil hinüber und sagte mit einem lauten Flüstern: »Oder? Sag ihr, dass es kein hoffnungsloser Kampf war. Sag ihr, dass ich mich wirklich gut geschlagen habe.«

Neil brachte ein mattes Lächeln zustande, aber Adrians Mutter fing an zu reden, bevor er etwas sagen konnte. »Adrian, Lieber, das ist jetzt keine Zeit für Scherze.«

Meine vampirische Schwiegermutter und ich waren uns in vielen Dingen uneins, aber bei diesem Thema stimmten wir vollkommen überein. Der Schatten unseres Streits hing noch über uns, und ich hatte leichte Gewissensbisse, dass ich mir vorhin nicht mehr Mühe gegeben hatte, ihn zum Bleiben zu überreden. Zumindest hätte ich ihm sagen sollen, dass er einen Wächter mitnehmen solle, denn schließlich war dies nicht seine erste Begegnung mit Unruhestiftern. Im Allgemeinen begleiteten Wächter Moroi nur draußen in der Welt, wo Strigoi eine echte Gefahr darstellten. Aber hier, wo Adrians Leute uns für Missgeburten hielten, nur weil wir geheiratet hatten, waren wir den Feindseligkeiten praktisch vor der eigenen Haustür ausgesetzt. Wir sind auch schon mit Drohungen und Beleidigungen bedacht worden, aber noch nie mit unverhohlener Gewalt. Es war ein reiner Glücksfall gewesen – wenn auch ein seltsamer –, dass Eddie und Neil ihn gefunden hatten.

Eddie war wieder gegangen und zum Tor geeilt, um Ms Terwilliger zu uns zu begleiten. Es war ein Zeichen meiner Sorge über Adrians Zustand, dass ich kaum darüber nachgedacht habe, was um alles in der Welt meine ehemalige Geschichtslehrerin und magische Mentorin in die königliche Festung einer geheimen Rasse von Vampiren geführt haben könnte. Obwohl ein bekümmerter Teil von mir Angst hatte, dass ihr Besuch keinen erfreulichen Grund haben könnte, freute ich mich trotzdem auf sie. Es war Monate her, dass wir uns gesehen hatten. Ich liebte Adrian, und Daniella machte mir nichts aus – aber ich sehnte mich auch noch nach einer anderen Art von Miteinander.

»Es ist nichts gebrochen«, beharrte Adrian. »Wahrscheinlich werde ich nicht mal eine Narbe zurückbehalten. Echt schade. Ich finde, eine wohlplatzierte Narbe … etwa hier« – er berührte die Seite seines Gesichtes – »könnte meine perfekten Wangenknochen wirklich zur Geltung bringen, während sie meinen Zügen einen Anflug rauer Männlichkeit verleihen würde. Nicht dass ich mehr Männlichkeit bräuchte …«

»Adrian, das reicht«, unterbrach ich ihn erschöpft. »Ich bin einfach nur froh, dass es dir gut geht. Das hätte viel schlimmer ausgehen können. Und sicherheitshalber solltest du trotzdem zu einem Arzt gehen.«

Er machte ein Gesicht, als hätte er eine weitere sarkastische Bemerkung parat, dann antwortete er klugerweise: »Ja, Liebes.«

Er versuchte, eine engelhafte Miene aufzusetzen, was meinen Verdacht nur verstärkte, dass er nicht die Absicht hatte, meinen Rat zu befolgen. Ich schüttelte den Kopf und musste lächeln, dann gab ich ihm einen Kuss auf die Wange. Adrian. Mein Mann. Wenn mir vor einem Jahr jemand gesagt hätte, dass ich heiraten würde, hätte ich gesagt, er mache wohl Witze. Und wenn er mir gesagt hätte, dass ich einen Vampir heiraten würde, hätte ich ihn schlicht für wahnsinnig erklärt. Als ich Adrian nun ansah, stieg trotz der Spannungen vorhin eine Welle der Liebe in mir auf. Ich konnte mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Es war unmöglich. Konnte ich mir ein Leben mit ihm vorstellen, bei dem wir nicht in einer Zimmerflucht zusammen mit seiner Mutter gefangen waren, während seine und meine Leute uns verunglimpften und Pläne gegen uns schmiedeten? Definitiv. Es gab viele Möglichkeiten, was die Zukunft betraf, die ich gern für uns gehabt hätte, aber dies war unser momentaner Pfad, bis etwas Spektakuläres geschah. Außerhalb der Hoftore wollten mich meine Leute einsperren. Innerhalb der Tore wollten seine Leute ihn verprügeln. In diesen Räumen zumindest waren wir in Sicherheit. Und das Wichtigste war, wir waren zusammen.

Ein Klopfen an der Tür bewahrte Adrian vor weiterem Tadel. Daniella öffnete, und Eddie erschien. Sein Anblick brachte immer ein Lächeln auf mein Gesicht. In Palm Springs hatten wir uns als Zwillinge ausgegeben, da wir beide dunkelblond waren und braune Augen hatten. Aber im Laufe der Zeit kam er mir wirklich wie ein Bruder vor. Ich kannte nur wenige andere Menschen mit einem solchen Mut und einer solchen Loyalität. Ich war stolz, ihn meinen Freund nennen zu dürfen, daher tat es mir weh, den Schmerz zu sehen, mit dem Jills Verschwinden ihn erfüllte. Jetzt hatte er immer etwas Gehetztes an sich, und manchmal machte ich mir Sorgen, ob er noch auf sich selbst achtete. In der letzten Zeit rasierte er sich kaum, und ich hatte das Gefühl, dass er sich nur aus dem Grund die Mühe machte, etwas zu essen, um weiter zu trainieren und sich für den Tag in Form zu halten, wenn er Jills Entführer fand.

Aber meine Sorgen um Eddie mussten warten, als ich die nächste Person sah, die unsere Suite betrat. Ich rannte durch den Raum und nahm sie zu ihrer Überraschung stürmisch in die Arme. Ms Terwilliger – ich könnte mich nicht dazu überwinden, sie Jackie zu nennen, obwohl ich nicht mehr ihre Schülerin war. Sie hatte mein Leben in so vieler Hinsicht verändert. Sie hatte die Rolle eingenommen, die früher mein Vater hatte, und mir Geheimnisse über eine sehr alte Kunst beigebracht. Doch anders als bei ihm hatte ich mich durch sie nie schlecht gefühlt. Sie hatte mich ermutigt und unterstützt – und mir das Gefühl gegeben, wertvoll und tüchtig zu sein, obwohl ich nicht immer perfekt war. Wir hatten miteinander telefoniert, seit ich an den Hof gekommen war, aber erst jetzt wurde mir klar, wie sehr sie mir gefehlt hatte.

»Du meine Güte«, sagte sie kichernd und versuchte, die Umarmung zu erwidern. »Ein solches Willkommen hatte ich nicht erwartet.« Ihre Bemühungen gerieten ein wenig unbeholfen, da sie in einer Hand eine Tasche und in der anderen eine kleine Tierbox hielt.

»Werden Sie mir jetzt erlauben, Ihnen das abzunehmen?«, beharrte Eddie und nahm ihr die Tragebox aus der Hand. Endlich konnte sie mich richtig umarmen. Die gemischten Düfte von Patschuli und indischen Räucherstäbchen umgaben sie und erinnerten mich an sorglosere Zeiten, in denen sie und ich die Köpfe zusammengesteckt und an Zaubern gearbeitet hatten. Mir schossen Tränen in die Augen, und ich trat schnell zurück, um sie wegzuwischen.

»Ich bin froh, dass Sie hier sind«, sagte ich und versuchte damit, wieder sachlich zu werden. »Überrascht zwar, aber froh. Das kann keine leichte Reise für Sie gewesen sein.«

»Was ich zu sagen habe, kann nur persönlich gesagt werden.« Sie schob sich die Brille auf der Nase hoch und musterte die anderen Anwesenden. »Neil, schön, Sie wiederzusehen. Und Adrian, ich bin froh, dass Sydney endlich einen ehrbaren Mann aus dir gemacht hat.«

Er grinste und stellte Daniella vor. Sie war höflich, blieb aber ein wenig zurückhaltend. Moroi wie sie, die im Allgemeinen ein abgeschiedenes Leben am Hof führten, hatten nicht viele menschliche Freunde. Das ganze Konzept Magie nutzender Menschen war für Moroi genauso seltsam wie für Alchemisten, aber ich musste Daniella zugutehalten, dass sie versuchte, sich damit abzufinden. Sie mochte ein schreckliches Timing haben und nicht in der Lage sein, während einer zärtlichen Begegnung einen Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen, aber ich konnte nicht leugnen, dass auch ihr Leben im vergangenen Jahr einen großen Umbruch erfahren hatte.

»Kommen Sie rein, kommen Sie doch rein«, sagte ich und winkte Ms Terwilliger weiter. Wir hatten so selten Gäste, dass ich fast schon die einfachsten Gesetze der Gastfreundschaft vergessen hätte. »Nehmen Sie Platz, ich werde Ihnen etwas zu trinken holen. Oder möchte Sie etwas essen?«

Sie schüttelte den Kopf und begleitete mich in die Küche. Die anderen folgten uns, bis auf Eddie, der immer noch unbeholfen die Tier-Tragebox hielt. »Danke, ich möchte nichts«, antwortete sie. »Und wir werden vielleicht keine Zeit haben. Ich hoffe, dass ich nicht zu spät komme.«

Ihre Worte ließen mir die Härchen im Nacken zu Berge stehen, aber bevor ich reagieren konnte, räusperte sich Eddie und hob die Box hoch, die, wie ich jetzt sehen konnte, eine Katze enthielt. »Ähm, wollen Sie, dass ich irgendetwas Bestimmtes mit ihr mache?«

»Mit ihm«, korrigierte Ms Terwilliger. »Und Mr Bojangles wird problemlos darin warten können, während wir uns unterhalten. Außerdem werden wir ihn brauchen, wenn ich recht habe.«

Daraufhin warf mir Adrian einen fragenden Blick zu, aber ich konnte auch nur die Achseln zucken.

Wir alle sammelten uns um den Küchentisch. Ich setzte mich, und Adrian stellte sich hinter mich und legte mir die Hände auf die Schultern. Im Augenwinkel nahm ich das Glitzern der Rubine und das Weißgold seines Eherings wahr. Ms Terwilliger nahm mir gegenüber Platz und zog einen kunstvollen Holzkasten aus der Tasche. Er war mit einem Blumenmuster verziert, das handgeschnitzt zu sein schien. Dann stellte sie den Kasten auf den Tisch und schob ihn zu mir hin.

»Was ist das?«, fragte ich.

»Ich hatte gehofft, dass Sie mir das sagen können«, erwiderte sie. »Irgendjemand hat ihn vor ein paar Wochen vor meiner Tür abgestellt. Zuerst dachte ich, es sei ein Geschenk von Malachi – obwohl das nicht sein Stil ist.«

»Genau«, stimmte ihr Adrian zu. »Granaten, Tarnwesten … das sind die üblichen Geschenke seiner Wahl.« Malachi Wolfe war ein etwas abgedrehter Selbstverteidigungslehrer, bei dem Adrian und ich Kurse gemacht hatten und der unerklärlicherweise Ms Terwilligers Herz gewonnen hatte.

Sie lächelte kurz über Adrians Bemerkung, ließ den Kasten jedoch keinen Moment aus den Augen, während sie weitersprach. »Ich habe bald herausgefunden, dass er magisch versiegelt ist. Dann habe ich alle möglichen Öffnungszauber probiert, gebräuchliche wie seltene, aber ich hatte kein Glück. Wer immer das getan hat, muss etwas äußerst Mächtiges gewoben haben. Ich habe in den letzten Wochen meine Mittel ganz ausgeschöpft und den Kasten schließlich zu Inez gebracht. Sie erinnern sich natürlich an sie?«

»Sie ist schwer zu vergessen«, antwortete ich und dachte an die ehrwürdige und schrullige alte Hexe in Kalifornien zurück, die jeden einzelnen Gegenstand in ihrem Haus mit Rosen geschmückt hatte.

»Allerdings. Sie hat mir gesagt, dass sie über einen mächtigen Zauber verfüge, der den Kasten wahrscheinlich aufsprengen könne. Dass ich mit meinen Mitteln gescheitert sei, liege daran, dass die Verriegelung nur auf eine bestimmte Person anspreche.« Ms Terwilliger wirkte verärgert. »Das war mir entgangen. Diese Person werde natürlich nicht ich sein. Inez hat vermutet, dass der wahre Empfänger den Kasten wahrscheinlich mühelos öffnen könne, und daraus habe ich geschlossen, dass Sie diejenige sein müssen.«

Bei diesen Worten zuckte ich zusammen. »Aber warum sollte man Ihnen denn einen solchen Kasten geben, wenn er für mich ist?«

Ms Terwilliger verzog das Gesicht und blickte sich um. »Es ist nicht gerade leicht, etwas an Ihre Adresse zu liefern. Ich wünschte nur, ich hätte es früher gewusst. Hoffentlich hat der Inhalt kein Verfallsdatum.«

Ich betrachtete den Kasten in einem neuen Licht und spürte, wie mich eine ängstliche Ungeduld überkam. »Was soll ich tun?«

»Ihn öffnen«, antwortete Ms Terwilliger schlicht. »Obwohl ich den anderen raten würde, lieber ein Stück zurückzutreten.«

Daniella gehorchte schnell, aber Adrian und die Dhampire blieben stur dort, wo sie waren. »Tut, was sie sagt«, verlangte ich.

»Und wenn es eine Bombe ist?«, begehrte Eddie auf.

»Den Schaden für Sydney werde ich höchstwahrscheinlich in der Lage sein, so gering wie möglich zu halten, aber bei Ihnen kann ich für nichts garantieren«, stellte Ms Terwilliger fest.

»›Höchstwahrscheinlich‹?«, fragte Adrian. »Vielleicht ist das die Art der Alchemisten, sich endlich an dir zu rächen.«

»Vielleicht. Aber sie sind keine Freunde menschlicher Magie. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sie benutzen.« Ich seufzte. »Bitte. Geht einfach einen Schritt zurück. Mir passiert schon nichts.«

Da war ich mir zwar nicht so sicher, aber schließlich gaben die Männer meinem Drängen nach. Ms Terwilliger zog einen kleinen Beutel hervor und streute ein gelbes, würzig duftendes Pulver auf den Tisch. Dann murmelte sie eine griechische Beschwörung, und ich spürte Magie in der Luft um uns herum brennen – meine Art von Magie. Es war sehr lange her, seit ich sie bei jemand anderem wahrgenommen hatte, und der Rausch, in den sie mich versetzte, überraschte mich. Jetzt, da der Schutzzauber aktiviert war, nickte mir Ms Terwilliger ermutigend zu.

»Tun Sie es, Sydney. Wenn Sie ihn so nicht aufbekommen, dann versuchen Sie es mit einen einfachen Öffnungszauber.«

Ich legte die Fingerspitzen auf den Deckel und holte tief Luft. Als ich ihn anhob, geschah nichts, aber das war schon zu erwarten gewesen. Selbst wenn Ms Terwilliger recht damit hatte, dass der Kasten für mich bestimmt war, bedeutete das noch nicht, dass es einfach werden würde. Während ich die Worte eines Öffnungszaubers heraufbeschwor, nagten die offensichtlichen Fragen an mir: War er wirklich für mich bestimmt? Wenn ja, wer hatte ihn geschickt? Und vor allem, warum?

Ich sprach den Zauber, und obwohl sich der Kasten nicht veränderte, hörten wir alle ein kleines Ploppen. Ich versuchte erneut, den Deckel zu öffnen, und diesmal ließ er sich tatsächlich mühelos anheben. Noch besser, es ging keine Bombe hoch. Nach einem Moment des Zögerns drängten die Männer alle nach vorn, um zu sehen, was der Kasten enthielt. Als ich hineinblickte, sah ich zwei gefaltete Stücke Papier, auf denen ein einzelnes Haar lag. Ich nahm es vorsichtig hoch und hielt es ins Licht. Es war blond.

»Wahrscheinlich von Ihnen«, meinte Ms Terwilliger. »Um einen Zauber wie diesen an eine bestimmte Person zu binden, braucht man etwas, das Teil des Empfängers ist. Haare. Nägel. Haut.«

Ich verzog die Nase, während ich das erste Blatt Papier auffaltete, und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie jemand in den Besitz eines meiner Haare gelangt sein konnte. Das Papier entpuppte sich als Flyer eines Robotermuseums in Pittsburgh. Das wäre komisch gewesen, wenn nicht über dem Bild eines der Museumshighlights, des Raptorbot2000, die Furcht einflößenden Worte gestanden hätten: KOMM SPIELEN, SYDNEY. Mir stockte der Atem, und ich sah auf. Alle anderen wirkten ebenso verwirrt, wie ich mich fühlte. Die Handschrift sagte mir nichts.

»Was steht auf dem anderen Blatt?«, fragte Neil.

Auch dieses Papier war gefaltet und schimmerte, als stammte es aus einer Zeitschrift. Auf den ersten Blick schien es eine Reiseanzeige zu sein. Ich öffnete sie und sah das Bild einer Frühstückspension in Palo Alto. »Was hat das mit einem Robotermuseum in Pittsburgh zu tun?«

Ms Terwilliger versteifte sich. »Ich glaube, Sie sollten sich die andere Seite ansehen.«

Ich drehte die Seite um und stieß einen überraschten Laut aus, als ich sah, was – oder vielmehr, wer – dort abgebildet war.

Jill.

Ich hatte diese Anzeige fast vergessen. Vor einer Ewigkeit – oder zumindest kam es mir so vor – hatte Jill für kurze Zeit als Model für eine Modedesignerin in Palm Springs gearbeitet. Ich hätte es nie erlauben dürfen, da ich ja wusste, dass es ein Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen war. Das Bild, das ich jetzt betrachtete, war heimlich und gegen meinen Wunsch aufgenommen worden. Jill trug eine große vergoldete Sonnenbrille und einen pfauenfarbenen Schal, der um ihre üppigen Locken geschlungen war. Sie blickte in Richtung einer Gruppe von Palmen, und die meisten Leute hätten sie auf dem Foto nicht erkannt. Tatsächlich würde es den meisten Leuten schwerfallen, überhaupt zu bemerken, dass sie eine Moroi war.

»Was zum Teufel ist das?«, fragte Eddie scharf. Er sah aus, als würde er mir die Seite aus der Hand reißen. Nur selten verlor er seine Gelassenheit, etwa wenn es um Jills Sicherheit ging.

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Das weiß ich auch nicht.«

Adrian beugte sich über mich und griff nach dem Flyer. »Es bedeutet aber bestimmt nicht, dass Jill in Pittsburgh in einem Robotermuseum gefangen gehalten wird, oder?«

»Wir müssen gehen«, erklärte Eddie aufgeregt. Er drehte sich um, als wollte er unverzüglich zur Tür hinausmarschieren.

»Ich muss gehen«, korrigierte ich und wies auf den Flyer in Adrians Hand. »Dieser Kasten war für mich bestimmt. Der Prospekt ist sogar an mich adressiert.«

»Du gehst aber nicht allein«, gab Eddie zurück.

»Du gehst nirgendwohin«, sagte Adrian. Er legte das Faltblatt wieder hin. »Vor meinem kleinen, ähm, Zerwürfnis mit Wesley hatte ich ein kurzes Gespräch mit Ihrer Majestät, die sehr deutlich gemacht hat, dass es dir und mir zurzeit nicht gestattet ist, den Hof zu verlassen.«

Kummer und Schuldgefühle erfüllten mich, als ich Jills Profil betrachtete. Jill. Die seit fast einem Monat verschwunden war. Wir hatten verzweifelt auf einen Hinweis gewartet, und nun hatten wir einen erhalten. Aber wie Ms Terwilliger schon vermutet hatte: War es zu spät? Was war geschehen, während dieser Kasten herumgestanden hatte?

»Ich muss es tun«, erklärte ich. »Ich kann diese Nachricht unmöglich ignorieren. Adrian, das weißt du.«

Unsere Blicke trafen sich. So viele Gefühle sprachen aus ihnen, und schließlich nickte er. »Ja.«

»Du glaubst doch nicht, dass Lissa imstande wäre, mich wirklich mit Gewalt von ihren Sicherheitsleuten aufhalten zu lassen?«

Er seufzte. »Ich weiß es nicht. Aber sie hat – korrekterweise – bemerkt, dass es nach dem ganzen Ärger, den sie durch unseren Aufenthalt hier bekommen hat, noch mehr Ärger geben würde, wenn du jetzt gehen und von den Alchemisten geschnappt werden würdest. Wir könnten versuchen, uns heimlich rauszuschleichen … aber es würde mich nicht überraschen, wenn sie an den Toren die Fahrzeuge überprüfen.«

»So etwas habe ich mir schon gedacht«, warf Ms Terwilliger ein. Sie hatte ihren Schreck inzwischen überwunden und schaltete in ihren Machermodus, was ich immens beruhigend fand. »Und deshalb bin ich vorbereitet gekommen. Ich habe eine Möglichkeit, Sie hinauszuschmuggeln, Sydney, falls Sie dazu bereit sind.« Sie hob den Blick zu Adrian. »Aber nur Sydney, fürchte ich.«

»Auf keinen Fall«, gab er prompt zurück. »Wenn sie geht, gehe ich auch.«

»Nein«, widersprach ich langsam. »Sie hat recht.«

Er zog die Augenbrauen hoch. »Hör mal, du riskierst viel mehr als ich, wenn du da rausgehst. Ich werde nicht zulassen, dass du einfach so losziehst und dich in Gefahr bringst, während ich in Sicherheit bleibe, also versuch nicht …«

»Das ist es nicht«, unterbrach ich ihn. Einen Moment später korrigierte ich mich. »Ich meine, natürlich möchte ich, dass du in Sicherheit bist, aber hör dir doch an, was du gerade gesagt hast. Wenn ich dorthinaus gehe, riskiere ich mehr, weil die Alchemisten hinter mir her sind. Nur dass sie im Augenblick die Verfolgung aufgegeben haben, weil sie denken, ich sei sicher mit dir verschanzt. Und solange sie das denken, werden sie nicht aktiv nach mir suchen. Hier bei Hof bekommt mich niemand zu Gesicht, aber dich sehen die Leute ab und zu, wenn du zu Spendern gehst. Wenn wir jetzt plötzlich beide verschwinden, könnten die Alchemisten Wind davon bekommen, dass wir weg sind. Aber wenn die Leute dich nach wie vor sehen …«

Adrian verzog das Gesicht. »Dann werden sie denken, dass du auch noch hier bist und dich nur vor den bösen und gemeinen Vampiren versteckst.«

»Du wärst ein Teil meiner Tarnung«, sagte ich und legte meine Hand auf seine. »Ich weiß, dass es dir nicht gefällt, aber es würde tatsächlich helfen. Ich könnte mich freier bewegen und versuchen herauszufinden, wie das« – ich deutete mit dem Kopf auf den Roboterflyer – »mit Jill zusammenhängt.«

Er brauchte ein bisschen, um zu antworten. Ich wusste, er sah längst ein, dass ich recht hatte – aber er war trotzdem nicht froh darüber. »Mir gefällt nur der Gedanke nicht, dass du allein da draußen bist, während ich herumsitze.«

»Sie wird nicht allein sein«, warf Eddie ein. »Ich habe keinen Auftrag, und hinter mir ist niemand her. Ich kann mich bei Hof frei bewegen und kommen und gehen, wie ich will.«

»Ich auch«, sagte Neil.

»Einer von euch muss bei Adrian bleiben«, wandte ich ein. »Nur für den Fall, dass sich so etwas wie heute wiederholt. Neil, würdest du das übernehmen? Und Eddie, du kommst mit mir nach Pittsburgh.«

Ich ließ es wie eine Bitte klingen, sogar wie einen Gefallen, aber ich wusste, dass Eddie jetzt nichts lieber täte, als nach Jill zu suchen.

»Der Deal sieht folgendermaßen aus«, bemerkte Adrian, nachdem die Dhampire zugestimmt hatten. »Ich werde hierbleiben und dich decken, aber sobald es eine Möglichkeit gibt, zu dir zu stoßen, ohne dass unsere Tarnung auffliegt, werde ich das tun.«

Ich schaute ihm wieder in die Augen und wünschte, ich könnte ihm so vieles sagen. Dass mir unser Streit von diesem Abend leidtat und ich nicht versuchte, ihn zu kontrollieren. Ich machte mir Sorgen. Ich liebte ihn so sehr, dass ich einfach nur wollte, dass er in Sicherheit war. Ich hoffte, dass er das alles wusste. Jetzt konnte ich wegen der vielen Zeugen aber nur zustimmend nicken.

Ms Terwilliger betrachtete uns alle belustigt. »Hat jetzt jeder beschlossen, welch tapfere Rolle er übernehmen wird?«, fragte sie und warf mir ein Lächeln zu. »Sie scheinen sich keine allzu großen Gedanken darum zu machen, wie ich Sie von hier wegbringen will, Sydney.«

Ich zuckte die Achseln. »Ich vertraue Ihnen, Ma’am. Wenn Sie sagen, dass Sie einen Weg haben, dann glaube ich es. Wie wollen sie es denn tun?«

Nachdem sie es mir gesagt hatte, senkte sich Stille über den Raum. Wir alle starrten sie sprachlos an, bis Adrian schließlich das Wort ergriff. »Wow«, murmelte er. »Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich das habe kommen sehen.«

»Das hätte vermutlich keiner«, gab Eddie zu.

Ms Terwilliger konzentrierte sich auf mich. »Sind Sie dazu bereit, Sydney?«

Ich schluckte. »Ich glaube, das muss ich wohl. Und wir sollten keine Zeit mehr verschwenden.«

»Zuerst«, warf Adrian ein, »darf ich ein Wort mit meiner Frau sprechen, bevor der Spaß weitergeht?«

»Natürlich«, antwortete Ms Terwilliger mit großzügiger Geste.

Adrian führte mich zu unserem Schlafzimmer und rief den anderen zu: »Unterhaltet euch miteinander.« Er schwieg, bis sich die Tür hinter uns schloss. »Sydney, dir ist doch klar, dass das verrückt ist, oder? Und das sage ich nicht leichthin.«

Ich lächelte und zog ihn an mich. »Ich weiß. Aber wir wissen auch beide, dass es für mich völlig unmöglich ist, einer Spur, die uns zu Jill führen könnte, nicht nachzugehen.«

Seine Miene verdüsterte sich. »Ich wünschte, ich könnte mehr tun, als dir bloß diese Deckung zu geben«, sagte er. »Aber wenn es sein muss …« Er seufzte. »Und was mir auch verrückt vorkommt, ist, dass du weggehst, nachdem wir so hart darum gekämpft haben, hierherzukommen und zusammen zu sein.«

»Ja, aber …« Ich zögerte und wollte es nicht aussprechen. »Du kannst aber auch nicht unbedingt sagen, dass das hier genau das war, das wir uns vorgestellt haben.«

»Wie meinst du das?«, fragte er, aber ich sah ihm an, dass er die Antwort bereits kannte.

»Adrian, es steht außer Frage, dass ich dich liebe und mit dir leben will. Aber dieses Leben … dass wir uns vor deinen und vor meinen Leuten verstecken müssen … dass deine Mutter ständig um uns herum ist … ich weiß nicht. Vielleicht ist etwas Abstand gar nicht schlecht.«

Er machte große Augen. »Du willst weg von mir?«

»Nein, natürlich nicht! Aber ich möchte es neu bewerten, herausfinden, wie wir zu dem Leben kommen können, das wir uns gewünscht haben.« Ich seufzte. »Und vor allem müssen wir natürlich …«

»Jill finden«, beendete er meinen Gedankengang.

Ich nickte, legte den Kopf an seine Brust und lauschte auf den ruhigen Rhythmus seines Herzschlags. Das frühere Gefühl stieg in mir auf, als ich an das vergangene Jahr dachte und an alles, was wir durchgemacht hatten. Wir hatten unsere Beziehung geheim halten müssen, und als sie schließlich entdeckt worden war, hatten die Alchemisten mich gefangen genommen und versucht, mich mit einer Gehirnwäsche dazu zu bringen, zu ihnen zurückzukehren. Jeder Moment, den ich jetzt mit Adrian hatte, war ein kostbares Geschenk, aber es zu genießen und Jill zu vernachlässigen … das wäre egoistisch gewesen.

»Die Suche nach ihr ist im Moment wichtiger als wir beide«, sagte ich.

»Ich weiß«, erwiderte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. »Und einer der Gründe, warum ich dich liebe, ist der, dass kein Zweifel daran besteht, dass du es tun musst. Und dass du es mir genauso erlauben würdest, wenn unsere Rollen vertauscht wären.«

»Es ist unsere Aufgabe«, sagte ich schlicht.

»Ich schwöre es, sobald ich das Gefühl habe, dass ich mich gefahrlos fortschleichen kann, komme ich nach. Du wirst nicht allein sein.«

Ich berührte mein Herz. »Ich bin nie allein. Ich spüre dich immer hier drin.«

Er senkte die Lippen auf meine und gab mir einen langen, leidenschaftlichen Kuss, der mir bis in die Finger und Zehen brannte und mir die Tatsache bewusst machte, dass hinter uns ein Bett stand. Ich wollte mich jedoch zurückziehen, bevor wir versehentlich hätten abgelenkt werden können.

»Ich bin im Handumdrehen wieder da«, erklärte ich und umarmte ihn ein weiteres Mal. »Und wenn alles nach Plan läuft, ist Jill bei mir.«

»Wenn alles nach Plan läuft«, konterte er, »erhalten wir jeden Moment einen Anruf, dass ihr Entführer sie nach der Gesetzesänderung freigelassen hat und sie auf dem Weg nach Hause ist.«

Ich lächelte über seine Worte, allerdings ohne echte Freude. »Das wäre schön.«

Wir küssten uns noch einmal und kehrten zu den anderen zurück. Dann wurde mir klar, dass wir uns zwar wieder gut verstanden, den Streit von vorhin aber noch nicht ganz beigelegt hatten. Es gab immer noch eine Menge Probleme, die wir lösen mussten – das größte davon war sein andauernder Flirt mit Geist. Ich hatte meine Gelegenheit verpasst, und jetzt konnte ich bei ihm nur auf das Beste hoffen.

In der Zwischenzeit war Ms Terwilliger bereits fleißig damit beschäftigt, unsere Küche in eine Zauberwerkstatt zu verwandeln. Flaschen und Beutel mit Zutaten lagen auf dem Tisch, während sie auf dem Herd emsig Wasser kochte. Sie streute etwas hinein, und bald roch der Dampf nach Sternanis.

»Gut, gut«, sagte sie und schaute kaum auf. »Sie sind zurück. Würden Sie bitte zwei Teelöffel von diesem Rote-Bete-Pulver für mich abmessen?«

Ich trat neben sie und erlebte ein kurzes Déjà-vu. Es war leicht, mich für einen Moment wieder wie in den alten gemeinsamen Tagen zu fühlen. Nicht dass sie stressfrei gewesen wären. Von Ms Terwilliger Magie zu lernen war sowohl mental als auch physisch anstrengend gewesen, und hinzu kam immer der zusätzliche Druck meiner Kämpfe mit Adrian und den anderen. Doch die Vertrautheit war schön, vor allem, da ich diese Art von Magie-Wirken vermisst hatte. Ich praktizierte immer noch, wob hier bei Hofe aber selten etwas von dieser Größe. Für den Zauber, mit dem sie mir zur Flucht verhelfen wollte, waren wir beide und einige Stunden Arbeit nötig. Adrian und die anderen versuchten, sich so gut es ging die Zeit zu vertreiben, und Eddie ging einmal fort, um sich eine Reisetasche zu holen, da keiner von uns genau wusste, was in Pittsburgh geschehen würde.

Jill, hoffte ich stumm. Bitte, lass uns einfach dieses Robotermuseum erreichen und feststellen, dass Jill dort Eintrittskarten verkauft.

Aber irgendwie bezweifelte ich, dass es so einfach sein würde.

Gegen vier Uhr morgens waren Ms Terwilliger und ich mit unserer Arbeit fertig. Nach dem vampirischen Zeitplan war das praktisch immer noch mitten am Tag. Ich war daran gewöhnt, aber Ms Terwilliger zeigte bereits Spuren von Müdigkeit. Ich wusste, dass sie sich nach einem Kaffee sehnte, aber Koffein reduzierte die Wirkung von Magie, und sie hatte während der Arbeit kleine Zauber weben müssen. Der letzte Zauber war jedoch meiner, und als wir uns dem Ende näherten, bekam ich Zweifel an dem, was ich gleich tun würde.

»Vielleicht wäre es leichter, mich einfach im Kofferraum hinauszuschmuggeln«, sagte ich und hielt eine Tasse von dem Gebräu hoch, das wir zubereitet hatten.

»Gut möglich, dass sie die Autos durchsuchen, wenn ihr fahrt«, meinte Adrian. »Vor allem ihren Wagen. Lissa hat klargemacht: Sie wollte wirklich nicht, dass wir gehen.«

Ich trug den Trank zu Ms Terwilliger, die einen Spiegel aufbaute. Eine neue Sorge befiel mich. »Ob sie mich wohl später wieder an den Hof lässt, wenn sie herausfindet, dass ich jetzt fort bin?«

Niemand hatte eine Antwort darauf, bis Ms Terwilliger pragmatisch feststellte: »Wir können Sie immer auf die gleiche Weise hineinbringen, wie wir Sie herausholen.«