Brennt! - Margarethe Alb - E-Book

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Margarethe Alb

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Beschreibung

Was haben ein zugelaufener Immigrant und eine großangelegte Verschwörung miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Oder doch alles? In der Wohngemeinschaft der Studierenden Pawel, Lina und Leo herrscht Chaos, beherbergen sie doch seit Kurzem ein junges Krallenfußhaus. Fragt besser nicht. Diese Wesen sind eigensinniger als gedacht. Sogar für die Hexen und Hexer der magischen Universität Prag stellt Antonin, wie sie ihn genannt haben, eine echte Herausforderung dar. Pawel sucht daher den einzigen bekannten Experten für diese Häuser auf, um Hilfe zu erlangen. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn er auf der Heimfahrt nicht zufällig im Zug neben dem Ehemann einer seiner Professorinnen säße. Und der transportiert etwas, das Begehrlichkeiten erweckt. Was als unschuldige Forschungsarbeit begann birgt die Gefahr, eine ganze Wesensrasse auszulöschen. DER HEXENROMAN DES JAHRES!

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Seitenzahl: 260

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Was haben ein zugelaufener Immigrant und eine großangelegte Verschwörung miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Oder doch alles?

In der Wohngemeinschaft der Studierenden Pawel, Lina und Leo herrscht Chaos, beherbergen sie doch seit Kurzem ein junges Krallenfußhaus. Fragt nicht. Die Wesen sind eigensinniger, als gedacht. Sogar für Hexen und Hexer der magischen Universität Prag stellt Antonin, wie sie ihn genannt haben, eine echte Herausforderung dar.

Pawel sucht den einzigen bekannten Experten Europas für diese Häuser auf, um Hilfe zu erlangen.

Das wäre alles nicht so schlimm, wenn er auf der Heimfahrt nicht zufällig im Zug neben dem Ehemann einer seiner Professorinnen säße. Und der transportiert etwas, dass Begehrlichkeiten erweckt. Was als unschuldige Forschungsarbeit begann, birgt die Gefahr, eine ganze Wesensrasse auszulöschen.

Inhalt

Pawel

Pawel

Lina

Lina

Lina

Pawel

Pawel

Pawel

Pawel

Lina

Lina

Pawel

Lina

Lina

Lina

Pawel

Pawel

Pawel

Pawel

Pawel

Pawel

Lina

Lina

Pawel

Pawel

Lina

Pawel

Pawel

Lina

Pawel

Lina

Lina

Lina

Lina

Saulus

Saulus

Saulus

Saulus

Lina

Lina

Saulus

Saulus

Lina

Lina

Lina

Saulus

Pawel

Ich komme von der internationalen magischen Universität in Prag. Dort hat man mich an Sie als ausgewiesenen Experten für mein aktuelles Forschungsobjekt verwiesen.“

Pawel, der seine Aufregung kaum in den Griff bekam, senkte sicherheitshalber den Blick.

Er fürchtete sich davor, dass sein Gegenüber ihm seine Aufregung ansah. Oder, dass in dessen Mienenspiel Ablehnung zu finden sein würde.

Nachdem er mehrere vergebliche Anfragen gestellt hatte, stand er nun endlich vor dem Mann, der als ausgewachsener Experte zum Thema seiner und Linas Abschlussarbeit galt. Und vermutlich als einziger Experte in Europa. Wenn er das verbockte, dann wussten sie wahrhaftig nicht weiter. Im Dunklen fischten sie bereits seit einigen Monaten und es konnte auf keinen Fall so weitergehen, denn dann wären sie nicht nur ihr Forschungsgebiet los, sondern auch in Kürze ihre Wohnung.

Ivan Gregoriov war ein höchst intelligenter Mann, der angeblich nicht nur das Erbe eines Hexers in sich trug.

Was allerdings niemand, den Pawel kannte, nachweisen konnte. Es gab Gerüchte, aber das war es auch schon.

Fakt war, das auch Pawel erkennen konnte, dass die Aura dieses Mannes außergewöhnlich war.

Als Hexer mit nicht den gewaltigsten aller magischen Kräfte sah er sich zwar nicht in der Lage, alles zu identifizieren, aber das war etwas, dass er noch nie so gesehen hatte.

Der hochgeachtete Abgesandte das magischen Rates, welcher gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Leandra Grünwald als Verbindungsoffizier zu den Meerwesen fungierte, klopfte langsam mit seinem Kugelschreiber auf den karierten Zettelblock, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag.

„So. Sie beschäftigen sich also mit der Vitalität von Krallenfußhäusern. Erzählen Sie mir bitte mehr über ihre Arbeit, bevor ich mich entscheide, ob ich sie unterstütze.“ Pawels Hoffnungen schwanden. Er hob den Kopf und schluckte. Gregoriov glaubte ihm nicht, das meinte er ganz genau in dessen Augen zu erkennen.

Was ein für ein Mist. Sein Gegenüber sah nicht gerade zugänglich und absolut nicht begeistert aus.

Allerdings hatte er ihn zu sich in sein Büro vorgelassen.

Und das war noch nicht vielen, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigten, gelungen. Nicht, dass er auch nur eine Person kannte, die sich mit einem passenden Projekt herumschlug. Denn dann hätten sie diese ja längst konsultiert.

Er durfte nur nicht vorschnell aufgeben und atmete erstmal tief durch. Pawel beschloss, ganz von Anfang an zu berichten und Ivan Gregoriov mit den Fakten zu überzeugen, sie zu unterstützen.

„Nun ja. Im Rahmen einer Studienreise, bei der es eigentlich um das Sammeln praktischer Erfahrungen zur Arbeit der Schamanen des Volksstammes der Lappen ging, sind eine Mitkommilitonin und ich in einem Birkenwaldgebiet auf ein ungewöhnliches Gelege gestoßen. Wir hatten eigentlich nur eine kurze Wanderung unternehmen wollen, um einiges Zubehör für eine später geplante magische Unterweisung zu sammeln. Hinter einer Gruppe Findlinge stießen wir dann aber, anstatt die erwarteten Pilze zu finden, auf das Nest.“ Pawel löste die verkrampften Finger. Stocksteif dazuhocken, während er berichtete, würde ihnen auch nichts bringen.

Auch wenn der Druck, dass er es nicht verbocken durfte, ihn niederzudrücken drohte.

„Ob es jetzt von den Eltern, aus welchem Grund auch immer, verlassen worden war, oder aber es sich um eine Art handelte, die keine Brutpflege betreibt, ließ sich auf den ersten Blick nicht feststellen. Auf alle Fälle hatten die Eier eine ungewöhnliche Größe. War doch ein jedes fast hüfthoch.“ Pawel sah Gregoriov fest in die Augen. Erleichtert nahm er ein interessiertes Funkeln darin wahr.

„Wir haben den Schamanen des Dorfes, in dem wir zu Gast waren, am selben Abend dazu befragt. Der ist dann während unseres Berichtes beinahe aus seinem Lehnstuhl gefallen, so flink sprang er auf. Das sich ein alter Mann so schnell bewegen kann, hätte ich nie im Leben gedacht.“ Pawel kicherte leise, als das Bild des Schamanen, der sich hastig eine zerschlissene Strickjacke mit aufgestickten Luftballons überzog, vor seinem inneren Auge auftauchte.

„Wir mussten ihn augenblicklich an die Stelle führen, wo wir das Gelege entdeckt hatten. Beim Anblick des Nestes schwankte seine Miene dann im Sekundentakt zwischen Entsetzen und Begeisterung. „Sie haben es geschafft.“ Das war alles, was der Mann für die nächsten zwei Tage von sich gegeben hat. Mehr war einfach nicht mehr aus ihm herauszubekommen. Einzig, dass unauffällig Wachen in der Nähe des Geleges platziert wurden, machte deutlich, dass unser Fund eine große Bedeutung zu haben schien.“

Da Ivan Gregoriov begann, sich Notizen zu machen, war das, was Pawel zu sagen hatte, schonmal nicht völlig außerhalb seines Interesses. Erleichterung durchströmte ihn.

„Meine Freundin Lina und ich beschlossen, das ganze rein wissenschaftlich zu dokumentieren. Da uns niemand daran hinderte, vermaßen wir die Eier, entnahmen Gewebeproben der Eierschalen und ließen sogar einen Aurenidentifikator kommen. Kennen Sie die Geräte?“ Ivan Gregoriov nickte.

„Allerdings habe ich noch nicht damit gearbeitet. Zeigen sie zuverlässig an? Haben Sie es auch an sich selber getestet?“

Pawel zog sein Smartphone hervor und zeigte Gregoriov drei kurze Videos, in denen zu sehen war, wie erst Lina, dann Pawel und zum Schluss eines der riesigen Eier getestet wurde.

Die Ergebnisse der Hexen waren eindeutig, bei dem des Eis spielte die Aufnahme schlichtweg verrückt.

„Dass es sich um paranormale Wesen Handeln musste, stand auch vor dem Test fest, aber schlauer wurden wir daraus auch nicht. Was immer daraus schlüpfen würde, es war schlichtweg so ungewöhnlich, dass dessen Daten sich nicht in den Dateien des Identifikators befanden. Allerdings hat uns überhaupt nichts auf das vorbereiten können, was in der folgenden Vollmondnacht geschah. Wir hatten schon einige Tage vorher verstärkte Aktivitäten im Inneren der Eier gehört. Die heranwachsenden Wesen hatten gefiept und es knisterte so laut, dass sogar einmal ein Rentier aufschrak und durchging. Manchmal klang es sogar, als würden Türen auf und zuschlagen, oder eben Krallen gegen die Eischale klopfen. Irgend sowas halt.“

Gregoriov hatte aufgehört mit seinem Kugelschreiber zu spielen. Er notierte auch nichts mehr. Seine volle Konzentration schien nun auf Pavels Bericht ausgerichtet zu sein.

„Bevor Sie weiterreden, würde ich gerne ein besseres Bild dieses Geleges sehen, denn ich möchte Ihren Bericht sehr gerne visualisieren, um es besser zu verstehen.“ Pawel öffnete seine große Messenger-Tasche und zog seinen Laptop heraus.

„Ich kann es Ihnen gerne im Video zeigen, habe aber auch Bilder ausgedruckt.“ Während der Rechner hochlief, reichte er seinem Gegenüber eine grüne Mappe, in der er mehrere DIN A4 Ausdrucke vorbereitet hatte.

„Oha. Die Farbe der Eier ist sehr unterschiedlich. Wenn es das ist, was ich nach Ihrer Anfrage vermute, lässt die Farbe auf die spätere Aussehen der Geschlüpften vorausblicken?“ Pawel schlug die Tastatur hinter den Bildschirm, sodass der Rechner wie ein großes Tablet aussah und schob ihn über den Tisch.

„Starten Sie das Video.“

Gregoriov tippte auf einen Button auf dem Touchbildschirm. Pawel wusste nur zu genau, was dein Gegenüber da gerade zu sehen bekam. Er kannte jede hundertstel Sekunde des Videos in- und auswendig. Es war ja nicht nur, dass er dabei gewesen war, er hatte sich die Aufzeichnung mindestens tausendmal angesehen, um auch jede noch so kleine Information aus dem Material zu schöpfen.

Zu Beginn des Filmchens standen Pavel und Lina hinter dem Gelege, das aus drei unterschiedlich gefärbten Eiern bestand. Wiesen diese auf den ersten Blick eine schuppige Struktur auf, relativierte sich dieser Eindruck aber schnell. Die Kamera zoomte näher und anstatt von den klassischen Schuppen verschiedener paranormaler Tierarten hatte man jetzt den Eindruck hölzerner Schindeln. Ein Ei stand aufrecht und reichte dabei Pavel ungefähr bis zum Bund seiner robusten Wanderhose. Das Video lief noch einige Sekunden weiter, bis Gregoriov es stoppte. Er nickte bedächtig.

„Ich verstehe, was Sie mit der Beschreibung von schlagenden Türen und Fenstern meinten. Man möchte förmlich eine Flasche WD40 holen um die Angeln gründlich zu ölen.“

Er ließ das Video weiterlaufen. Wie Pawel ganz genau wusste, wurde es nun im Zeitraffer Nacht und wieder Tag.

Er hatte es extra so zusammengeschnitten, damit niemand sagen konnte, der Zeitrahmen sei nicht ordentlich dokumentiert worden.

Als die Sonne ein weiteres Mal unter ging, was in diesen Breiten zu dieser Zeit ungefähr 3 Uhr nachts war, erschien mit einem unwahrscheinlich lautem Knall ein Riss auf der Schale des ersten Eies. Überraschend laut nackend und knirschend wurde dieser immer größer, bis die Schale längs auseinanderbrach.

Eine der Hälften blieb wie festgeleimt stehen, die andere rutschte aus dem Nest und schlitterte bis zum nächstgelegenen Findling. Auf den ersten Blick war nicht genau zu erkennen, worum es sich bei dem schlüpfenden Wesen handelte.

Es hatte auf jeden Fall eindrucksvolle Krallen, Federn, lederne Haut und Holzbalken? In Pawels Augen war es irgendetwas zwischen riesigem Huhn, Echse und Schildkröte gewesen.

Oder so.

Was allerdings die Balken nicht erklärte.

Vor Gregoriovs Augen entfaltete das Junge sich gerade, wie Pawel genau wusste, leise murmelnd und klackernd.

Während die beiden anderen Eier langsam ebenfalls aufrissen, streckte sich das Erstgeborene. Es machte einen forschen, aber noch wackeligen Schritt aus dem Nest.

Pavel konnte genau beobachten, wie unzählige Emotionen über Gregoriovs Gesicht huschten.

Und da war alles dabei. Glaube, Überraschung, Erkennen und ein Leuchten, das eindeutig glücklich war.

Ivan Gregoriov blickte auf, stoppte das Video, und sah Pavel direkt in die Augen.

„Sie wissen schon, dass diese Aufnahmen wirklich einmalig sind? Ich glaube nicht, dass jemand das schon einmal beobachten konnte, geschweige denn für Außenstehende festhalten. Ich danke Ihnen von Herzen, dass ich diesen Film ansehen durfte. Da ich davon ausgehe, dass es sich hier nicht um eine mittels künstlicher Intelligenz oder anderer Tricktechniken erstelltes Video handelt, gratuliere ich Ihnen ganz herzlich und sichere Ihnen meine volle Unterstützung bei ihrer Abschlussarbeit zu. Zu meinem Bedauern muss ich meine Expertise ein wenig einschränken. Meine persönlichen Erfahrungen beziehen sich ausschließlich auf eine ähnliche Art, aber eben nicht auf diese. Allerdings setze ich voraus, dass Entwicklung und Existenz beide Arten sehr gut miteinander vergleichbar sind.“ Gregoriov deutete auf den Bildschirm.

„Aber ich hätte eine Frage, bevor wir die Details unserer Zusammenarbeit besprechen. Am Ende der Aufnahme verschwinden die Wesen im Wald. Haben Sie danach noch einmal Kontakt zu Ihnen aufnehmen können?“

„Die Familie meiner Lebensgefährtin, Lina Webster, kommt ursprünglich aus Litauen, hat aber russische Wurzeln. Ihr ist es gelungen, eines der Kleinen noch einmal anzulocken. Sie wollte es mit ein paar Brotkrumen anfüttern, aber der Schlingel riss ihr gleich als ganze Toastbrot aus der Hand und verschlang es mitsamt der Tüte.“ Pawel zuckte mit den Schultern.

„Seitdem wird sie ihn nicht wieder los. Egal wohin wir gehen, er ist schon da. Allerdings scheint er sich inzwischen nicht mehr entscheiden zu können, ob er auf sie oder mich steht. Ich beschwöre zwar, dass er sich allein auf sie geprägt hat, aber sie behauptet es andersherum. Das ist aber längst nicht alles, was uns Kopfzerbrechen bereitet. Denn inzwischen gibt es langsam das Problem, dass es in unserer WG zu eng wird. War es anfangs witzig, ihn auf dem Balkon zu halten, oder besser gesagt Leben zu lassen, ist er inzwischen eindeutig zu groß. Das bringt uns dazu, sehr bald eine endgültige Lösung finden zu müssen.“ Pawel grinste sein Gegenüber an.

Er fand es immer wieder lustig sich vorzustellen, wie ihre gutmütigen Streitereien auf Außenstehende wirkten.

Oder allein die Behauptung, man würde ein echtes Krallenfußhaus auf dem Balkon halten.

„Ich bin mir nicht sicher, inwieweit es irgendwann einmal von Erfolg gekrönt sein wird, ihn auszusiedeln. Wenn er auch im Alltagsablauf nicht sehr anhänglich ist, können wir ihn auch nicht zu Linas oder meinen Eltern bringen, obwohl dort mehr Platz ist. Er kommt immer wieder zurück. Nach dem letzten Versuch, ihm in einer kleinen Weihnachtsbaumzucht im hinteren Gartenteil meiner Eltern ein gemütliches Plätzchen zu schaffen, hockte er schon vor unserer Haustür, als wir nach Prag zurückkamen. Wir sind schon froh, dass er Lina oder mir nicht auf Schritt und Tritt durch die Stadt und an die Uni folgt. Daheim wird es aber langsam echt problematisch. Vor allem, wenn ich mich Lina nähern will. Offenbar ist sein Beschützerinstinkt sehr ausgeprägt und eifersüchtig ist der Gauner auch noch.“

Ivan Gregoriov, der mit fortlaufendem Bericht zusehends unruhig geworden war, sprang mit entrüsteter Miene auf.

„Stopp. Sie wollen mir jetzt hier nicht wirklich weiß machen, dass eines dieser Kleinen bei Ihnen in der Wohnung lebt? Die gehören in die Wälder!“ Was genug war, war genug. Bei aller Freude, einen Termin bei dem Experten bekommen zu haben, hatte der Pawel nicht zugehört? Bei allen guten Göttern, sprach er chinesisch, oder was?

„Als ob wir das nicht selber wüssten. Ich habe es Ihnen doch eben erklärt. Allerdings sind wir so langsam mit unserem Latein am Ende. Wir haben schon unterschiedliche Varianten ausprobiert, ihn in ein artgerechteres Umfeld zu verbringen, sind aber jedes Mal krachend gescheitert. Wie ich ja bereits ausführte.“

„Ich habe es verstanden. Ich entschuldige mich für die Anschuldigung. Bei manchen Dingen habe ich eine zu kurze Hutschnur. Das meint meine Partnerin jedenfalls regelmäßig zu mir.“

„Vielleicht kennen Sie jemanden, der uns Tipps im täglichen Umgang geben kann? Oder, wie man die Häuschen eben in die Natur verfrachtet? Das Problem ist ja, das ganz allgemein betrachtet nicht sehr viel über sie bekannt ist. Das meiste, was sich finden lässt, sind Beschreibungen in russischen Märchen. Es scheint nirgendwo wissenschaftlich fundierte Beschreibungen zugeben. Und aus genau diesem Grund habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, alles zusammen zu tragen, was mir möglich ist. Vor allem, da wir ja eben zufällig den Beginn von allem dokumentieren konnten.“ Gregoriov lehnte sich zurück, atmete geräuschvoll aus und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Pawel konnte seinen musternden Blick förmlich unter der Haut spüren. Sein Gegenüber kniff schließlich die Augen zusammen und nickte langsam.

„Da haben Sie sich aber etwas vorgenommen. Und Sie haben wirklich einen Professor gefunden, der diese Arbeit betreuen würde?“ Pawel atmete erleichtert auf. Es war noch nicht alles den Bach runtergegangen.

„Na ja es war nicht ganz einfach. Irgendwie scheint einem diese Geschichte ja niemand wirklich zu glauben. Erst der Bildbeweis hat einen von ihnen überzeugt.“ Was sich im Nachhinein als das Kleinste seiner Probleme herausgestellt hatte.

„Die größte Schwierigkeit ist nicht, dass es kaum fundiertes Wissen darüber gibt, sondern dass sie eben der russischen Tradition und Geschichte entstammen. Wie Sie wahrscheinlich selber am besten wissen, ist es derzeit recht kompliziert, wenn nicht gar unmöglich, in dieser Richtung zu arbeiten und zu forschen.“ Pawels Gegenüber neigte zustimmend den Kopf.

„Der Punkt geht an Sie. Es war früher schon mehr als kompliziert, die erforderlichen Genehmigungen zu bekommen und noch schwieriger, Wissende zu finden. Die Russen haben zu Zeiten Stalins und auch später unter Putin, versucht, alles Paranormale zu unterdrücken. Ich werde Sie unterstützen.

Ich werde mit Ihnen teilen, was ich selber weiß. Das ist allerdings nicht viel. Durch Ihren Fund des Nestes und das Beobachten eines Junghauses haben Sie sehr viel mehr elementare Erfahrungen gesammelt, als ich jemals hätte bekommen können. Noch dazu reden Sie und ich über andere Arten. Sie werden vielleicht das Thema ihrer Arbeit vielleicht noch einmal ein wenig überarbeiten müssen. Ich glaube eher, das wird sogar notwendig sein, da ich mir sicher bin, dass sich letztendlich eher ein Vergleich zwischen beiden Arten ergeben wird. Allerdings bin ich absolut nicht in der Lage, etwas über das Fortpflanzungsverhalten beizusteuern. Ich habe ausschließlich Erfahrungen mit dem adulten Zustand. Was geschieht, wenn sie heranwachsen, das kann ich nur erahnen. Sie sind im erwachsenen Zustand schon nicht immer ganz einfach zu nehmen. Was in der Pubertät geschieht, das möchte ich mir gar nicht vorstellen.“ Ivan Gregoriov schüttelte schmunzelnd den Kopf.

„Aber vermutlich werde ich es demnächst erfahren.“ Gregoriov schlug die Hände auf seine Oberschenkel und erhob sich.

„Als erstes möchte ich ihn kennenlernen.“ Wow. Das lief ja besser als gedacht. Pawel strahlte über das ganze Gesicht.

Seine Laune musste achtgeben, dass sie nicht wie ein Luftballon in den Himmel stieg.

Er würde alles tun, den einzigen Mann der, soweit er wusste, in der gesamten westlichen Hemisphäre Erfahrungen mit diesen speziellen Wesen hatte, als ihren Unterstützer zu erhalten.

„Möchten Sie zu uns kommen oder sollen wir ihn herbringen?“ Ivan Gregoriov lachte leise.

„Immer mit der Ruhe, mein junger Freund. Ich gebe Ihnen hier eine Adresse.“ Pawel griff beinahe ehrfürchtig nach der schlichten Visitenkarte aus einem dicken, handgeschöpften Büttenpapier.

„Ich bitte Sie, am Freitagabend pünktlich um 18 Uhr dort zu erscheinen. Wäre es möglich, mir den Film zu kopieren?“ Gregoriov deutete auf Pawels Laptop.

„Ich würde gerne mit einigen mir bekannten Kennern der paranormalen Gemeinschaft Russlands darüber reden, auch wenn diese keine persönlichen Erfahrung mit dieser Art von Wesenheiten haben, können sie uns aber bestimmt einige gute Tipps geben.“ Das hörte sich verflucht gut an.

Augenblicklich zog Pawel einen vorbereiteten USB-Stick aus der Tasche. Es war ja nicht so, dass Lina und er nicht auf einen solchen Verlauf des Gespräches gehofft hatten. Genau wie er, würde Lina für jeden Hinweis dankbar sein, da das kleine Biest ihr Alltagsleben doch ganz schön verkomplizierte.

Pawel

S chatz, es hat geklappt! Ivan Gregoriov persönlich wird uns betreuen.“ Pawel ließ beinahe das Handy fallen, als er gerade noch rechtzeitig einem entgegenkommenden Radfahrer auswich.

„Hat er etwas gesagt, ob wir uns seins auch mal ansehen dürfen? Weiß er wie schnell sie sich entwickeln und folgen sie einem automatisch immer überall hin? Haben wir was verkehrt gemacht?“ Pawel lachte leise. Auch, während er sich nach dem Beinahe Crash mit dem rasenden Radler gerade erst wieder sortierte, war Linas aufgeregte Stimme klar und deutlich zu verstehen gewesen. Vermutlich hatte man sie bis in den vierten Stock der Mietshäuser auf der anderen Straßenseite vernommen.

„Immer mit der Ruhe, meine Beste. Ich verspreche dir, ich werde jedes Wort wiederholen, dass er gesagt hat, aber du wirst abwarten müssen. Jetzt lass mich erstmal die Station erreichen, damit ich noch vor Mitternacht wieder Zuhause bin. Der nächste Zug geht in einer halben Stunde und das dürfte ich gerade so noch schaffen, wenn nichts mehr dazwischenkommt. Drück mir die Daumen. Ich flitzte jetzt los und melde mich aus dem Express dann nochmal.“ Pawel legte einen kurzen Zwischensprint ein, um die grüne Phase einer Fußgängerampel noch zu erreichen.

Natürlich hatte Lina das Gespräch noch nicht beendet und ihm lieber beim Schnaufen zugehört, als aufzulegen. Dann konnte er auch noch eine winzige Bombe platzen lassen.

„Nur so viel noch, wir haben einen Termin mit dem Kleinen zusammen bei Herrn Gregoriov. Dann werden wir in aller Ruhe alles besprechen und du kannst auch deine Fragen höchstpersönlich an ihn stellen.“

Am anderen Ende der Leitung quietschte Lina vor Begeisterung auf. Pawel verdrehte die Augen, aber so war sie nun einmal, seine Lina, immer spontan und von allem begeistert. Sie war der fröhlichste und impulsivste Mensch, dem er je begegnet war.

„Alles klar. Dann schreibe ich schonmal einen Zettel. Ich gehe meine Notizen holen!“

„Nun immer ruhig mit den jungen Krallenfußhäusern. Hab Geduld. Am Freitagabend wissen wir dann mehr. Er hat mir eine Adresse gegeben, wo wir ihn treffen sollen. Vielleicht haben wir Glück und dort ist auch sein Haus. Ich habe keine Ahnung, ob es hier oder nicht vielleicht doch irgendwo in Russland steht. Immerhin ist er ja angeblich dort aufgewachsen. Aber darüber müssen wir uns bis Freitag keine Gedanken machen, wir werden es erfahren. Wenn alles klappt, bin ich in drei Stunden zu Hause und dann werden wir erstmal feiern. Sag Leo, er soll einen guten Met besorgen.“

Lina

Lina hob triumphierend eine Faust gen Zimmerdecke, wo einige eingetrocknete Wasserflecken, die Überreste eines Wasserschadens in der Wohnung über der ihren, eine Art schattierter Weltkarte bildeten. Nicht der hiesigen, aber irgendeiner Welt bestimmt.

Pawel hatte es doch tatsächlich geschafft.

Endlich würden sie vorankommen.

Natürlich war die Beschäftigung mit russischen Krallenfußhäusern, egal ob Krähenfuß- oder Hühnerfußhaus, nicht das Thema, um eine große, magische Kariere anzustoßen. Aber ihr Antoninchen, wie sie das Häuschen, dass auf dem Balkon leise vor sich hin schnarchte, genannt hatten, würde es ihnen ganz gewiss danken.

Oder auch nicht, war er doch sehr eigenwillig. Vor allem in seinen Unmutsbekundungen. Man wusste einfach viel zu häufig nicht, woran man mit ihm war.

Lina legte den Hörer des nostalgischen, klassischen Schnurtelefons aus den 1920er Jahren des letzten Jahrhunderts auf die Gabel und deutete mit der Spitze ihres linken Zeigefingers auf die Kaffeemaschine.

Das Gerät erwachte augenblicklich röchelnd aus der Ruhe und begann schnaufend, ihr einen Kaffee zuzubereiten.

Gleichzeitig blinkte die Heißluftfritteuse hektisch und heizte sich auf.

Nur wenige Minuten später duftete das Zimmer nach frisch gebackenen Zimtschnecken und starkem, aromatischem Kaffee. Sie holte ihr Lieblingsgeschirr, das mit dem Rosenmuster und der angeschlagenen Ecke bei der Tasse, aus dem Schrank und suchte sich einer der hübschen Kuchengabeln aus der Schublade, die Leo letztens auf einem Flohmarkt gefunden hatte. Den Gabenstiel zierte ein kleiner, geschliffener Amethyst.

Allerdings war Lina nur ein kurzer Augenblick des Schwelgens vergönnt, denn die Wohnungstür schlug auf und Leo, ihr anderer Mitbewohner erschien.

Und das war wörtlich zu nehmen. Er tauchte aus einem grünlichen Nebel einfach im Türrahmen auf. Nur, weil sie die Wohnung magisch abgesichert hatten, musste Leo überhaupt die Tür mit seinem Schlüssel öffnen. Ansonsten zog er es vor, einfach aus dem, für seine Art typischen, Qualm zu treten. Der Halbdämon mit hexerischen Wurzeln wischte sich ein wenig Asche vom Ärmel und richtete die Frisur. Irgendwie schien er in ein, wie auch immer geartetes Chaos, geraten zu sein. Er wirkte leicht desolat in seiner doch normalerweise so perfekten Erscheinung.

„Hattest du eine unruhige Reise?“ Grinsend zog Lina einige Späne aus Wurzelholz aus Leos niedrig gebundenem Zopf und legte ihm diese mit einer übertriebenen Geste in die Hand.

Leo Schmauch geriet immer und überall in Schwierigkeiten, was bei einem Hexendämon auch kein Wunder war.

Er gehörte ja irgendwie nirgendwo so richtig hin und das ließen ihn nicht nur die Mitstudierenden nicht selten spüren. Für die Hexen dachte er zu direkt und ohne die Raffinesse, die für Hexen so typisch war. Die wenigen Dämonen, die sich für eine Ausbildung an der Hochschule eingeschrieben hatten, empfanden ihn nun wieder als zu raffiniert und feingeistig. Er konnte es daher niemandem wirklich recht machen.

Also, nicht, dass das Leo etwas auszumachen schien, aber Lina wurde jedes Mal fuchsteufelswild, wenn sie mitbekam, wie sich wieder jemand abwertend über ihren Mitbewohner ausließ.

Dabei war er das korrekteste Wesen der gesamten Universität.

„Ich habe gerade Zimtschnecken gebacken und Kaffee gekocht. Willst du auch was?“ Leo schüttelte den Kopf.

„Ich komme eben von einem Lunch mit meiner Großmutter, also nein danke. Wenn ich nur an Essen denke, wird mir schlecht. Allein der Geruch macht, dass sich mein Magen verschließt. Bis in die Speiseröhre hoch.“

„Und ihr habt unter welchem Wald gespeist?“ Lina zupfte weitere Späne vom Rücken seiner Jacke.

„Mach dich nur über den armen Halbdämon lustig. Wir haben richtig mondän in Paris in einem überaus netten Lokal getafelt. Drei Sterne, wenn du verstehst. Aber der Daimonexpress hatte ein kleines Problem. Bei Düsseldorf hat irgendein Hornochse von Magier das Wurzelwerk seines Apfelbaums in die Tiefe gelenkt, damit der bei dem angekündigten Sturm in der nächsten Nacht nicht kippt. Dabei hat der Baum sich bis in die Strecke des Expresszugs gegraben und die Lok hat sich drin verheddert. Du kennst doch die alte Maschine, die den Pariszug zieht. Fast schon so dünn wie billiges Kopierpapier ist das Blech von dem maroden Teil. Die Lokomotive gehört endlich ausgetauscht. Großmutter sieht es jetzt auch endlich ein und will die Zugmaschine in irgendein Museum überstellen. Immerhin ist es ein Original aus der Anfangszeit der Eisenbahn.“ Lina kicherte.

„Sei froh, dass es eine Lok gibt. Pawel ist doch heute Morgen nach Eisenach gefahren. Den Zug ziehen auf der Strecke ab Nürnberg diese schwarzen Rappen aus der vierten Hölle mit den gruseligen Augen. Du weißt doch, wie das ruckelt.“ Lina schüttelte sich allein bei dem Gedanken an die Viecher. Wenn etwas ihr das Fürchten lehren konnte, dann diese.

„Okay, du hast gewonnen. Die Biester sind gemeingefährlich. Das Luzifer die nicht längst in den Ruhestand geschickt hat, verstehe ich auch nicht.“

Leo warf seinen dunkelroten Mantel über den Garderobenständer und schob die Glastür zum Balkon auf. Prompt kam Leben in Antonin.

Er klapperte erwartungsvoll mit dem Schnäbelchen, dass über einem Fensterchen im Giebel aus der Holzverkleidung wuchs. Immerhin wusste jeder, dass Leo den Kleinen hemmungslos verwöhnte. Auch, wenn Antonin ihn deshalb trotzdem nicht leiden konnte. Oder er zeigte es nicht. Lina hatte, wie so oft, keine Ahnung, was wirklich in ihm vorging.

Leo griff in die Tasche seines schwarzen Hoodies und warf ihm ein halbes Vollkornbrot zu.

Antoninchen schnappte danach und schlang seinen Lieblingssnack im Ganzen herunter. Leo schob noch einige Müsliriegel hinterher, die Antonin förmlich inhalierte.

„Du verdirbst ihn noch völlig. Irgendwann wird er wie ein abgerichteter Hund und reagiert nur noch auf Bestechung.“ Lina schüttelte grinsend den Kopf.

„Das geht gar nicht. Großmutter sagt, dafür leben die Häuser zu direkt. Immer nur von einem Augenblick zum Nächsten. Mit wiederholt gespendeten Leckereien kann man sich nur versichern, dass man später nicht kurzerhand den Zutritt verwehrt bekommt.“ Oha. Das war Lina neu. Und Pawel wusste es ganz gewiss ebenso wenig.

„Luzifer hat Erfahrungen mit Krallenfußhäusern? Das wusste ich gar nicht. Ist die nicht auf russischen Gebieten eine Persona non grata? Also, für die Ewigkeit unerwünscht?“ Leo zuckte mit den Achseln.

„Großmutter ist nun einmal die Luzifer. Die Lichtbringerin, Eine der Obersten der Dämonie. Wenn sich jemand mit allem möglichen Kram auskennt, dann sie. Es ist egal, wo sie willkommen ist. Du kennst sie doch. Aber davon abgesehen geht sie oft die Wege, die auch normale Wesen nehmen, um an Informationen zu kommen. Sie hat nämlich während des Desserts eine Nachricht von eurem Doktor Gregoriov bekommen, in der es um Krallenfußhäuser ging. War Pawel heute nicht bei dem?“

„Ja, er hat vorhin angerufen, dass alles gut gelaufen ist. Aber davon kann er uns ja selber berichten, wenn er dann kommt. Er wollte den letzten Express für heute nehmen. Jetzt erzähl aber. Was hat Luzifer noch zu den Krallenfußhäusern gesagt? Wie gut kennt sie sich aus?“

Das war ein Weg, den sie bislang völlig übersehen hatten. Lina machte sich im Kopf eine Notiz, sich von Leo zur Herrin der Höllen bringen zu lassen.

Es war immer besser, nicht nur auf ein Pferd zu setzen, wenn man in der wissenschaftlichen Arbeit vorankommen wollte. Und hier handelte es sich nicht nur um diese.

Klar, es war ein Ansatz für weiterführende Forschungen, die ihnen beiden hoffentlich eine Promotionsstelle einbringen würden.

Aber andererseits waren es recht schlichte Beweggründe, mehr zu lernen. Denn ewig konnte Antonin nicht mehr auf dem Balkon hausen.

Er wuchs schlichtweg einfach zu schnell. Sie brauchten dringend mehr Informationen, wie sie in Zukunft mit dem anhänglichen Haus umzugehen hätten. Davon abgesehen, dass sie über kurz oder lang umziehen mussten. Auch dafür benötigten sie mehr Wissen über den Umgang mit den Häusern. Immerhin war es in Europa üblich, dass Häuser statisch an einem Ort blieben und nicht davonliefen, wenn sie Lust darauf hatten.

Während Lina ihre Zimtschnecken verdrückte und auch Antoninchen seinen Anteil von der duftenden Leckerei abbekam, schrieben Leo und sie jeweils an einer Hausarbeit, die eigentlich schon gestern hätte abgegeben werden sollen. Allerdings standen sie beide mit „Theoretischer Elementarmagie auf der Basis von Ektoplasma“ auf dem Kriegsfuß.

Pawel, der Streber, hatte seine Arbeit bereits fristgerecht eingereicht. Der Abkömmling von Hexen, in deren Stammbaum auch die ein oder andere Voodoopriesterin zu finden war, kannte sich in dieser Materie seit Kinderzeiten aus. Seine Mutter beherrschte sogar noch den Umgang mit diesen kleinen Voodoopuppen.

Auch wenn dieser eigentlich verboten war. Aber sie hatte eine Technik entwickelt, durch das gezielte Setzen von Schmerzreizen zu heilen.

Das funktionierte ähnlich wie eine Akupunktur, nur, dass die Nadeln in der Puppe steckten und nicht im Menschen.

Natürlich hatte Pawel seinen Freunden bei der Ausarbeitung des Inhalts Hilfe angeboten, aber schreiben mussten sie ihre Arbeiten trotzdem allein.

Lina

Lina kämpfte sich gerade durch die abschließende Zusammenfassung, als sich der innensteckende Schlüssel im Schloß der Wohnungstür drehte.

Gleichzeitig begann der erst vor Kurzem installierte Rauchmelder in dem winzigen Flur lautstark zu piepen.

Dann schellte es. Sie runzelte kurz irritiert die Stirn.

Das lief irgendwie verkehrt herum. Da hatte der Neuankömmling doch glatt die gesellschaftlich akzeptierte Reihenfolge verwechselt. Trotzdem erschien niemand im Wohnzimmer. Also konnte das Wesen zwar die Türen öffnen und den Rauchmelder aktivieren, aber die Schwelle konnte es nicht übertreten. Das versprach, interessant zu werden.

Lina sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu Leo, der erst die Augen verdrehte und dann zur Tür schlappte.

„Hallo Großmutter.“ Aus Luzifers Ohren konnte Lina beinahe Qualm herausstieben sehen.

Die Lichtbringerin hasste diese Bezeichnung, weshalb Leo sie natürlich immer wieder gern so rief. Aber sie war offenbar bereits vorher schon geladen gewesen und hatte Zeit gehabt, sich in ihren Ärger hineinzusteigern.

„Ich will es sehen.“

„Hallo Luzifer. Schön, dass du da bist.“

Lina verneigte sich übertrieben tief vor der sauren Herrin aller Höllenfeuer. Diese winkte unwirsch ab.

„Ja, danke, danke, dir auch liebe Grüße. Genug vom Austausch der falschen Höflichkeiten. Jetzt führt mich zu diesem Antonin. Aber zackig. Ich habe nicht ewig Geduld.“ Leo, der Mistkerl, verzog sich mit der Ausrede, den Rauchmelder zum Schweigen bringen zu müssen.

Ein zarter Duft nach Schwefel folgte Luzifer, die zielstrebig durch die Balkontür trat und sich augenblicklich vor Antoninchen hockte.

Dieser klapperte genervt mit dem Schnabel und scharrte missbilligend mit den Krallen.

„Er mag dich offenbar nicht.“ Lina konnte das Amüsement kaum aus ihrer Stimme heraushalten, während sie beobachtete, dass Antoninchen sich förmlich gegen die Wand presste, die den Nachbarbalkon von dem ihren trennte.

Luzifer streckte, trotz des Unbehagens des Häuschens, eine Hand aus und strich mit den Fingerspitzen über die feinen Schnitzereien, die Antonins Tür umrahmten.

Antonin scharrte mit den Krallen. Sein Schnabel klapperte entrüstet, als Luzifer ihn auch noch über das Verandageländer strich.

„Man sollte nicht glauben, dass das gewachsen und nicht von kundigen Handwerkern hergestellt ist. Ich habe noch nie solch ein junges Exemplar gesehen. Das ist Wahnsinn. So hübsch und schon so eigenwillig.“ Sie erhob sich.

„Gebt ihr mir einen Kaffee aus? Ich habe noch ein paar Worte mit euch zu besprechen und hasse es, wenn dabei die Kehle austrocknet.“

Während Lina mit einem schlichten Winken die Kaffeemaschine wieder neu mit Wasser und Kaffeebohnen füllte und startete, räumte Leo das Sofa mit dem verschlissenen Bezug frei.