Corporate Strategy - Günter Müller-Stewens - E-Book

Corporate Strategy E-Book

Günter Müller-Stewens

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Beschreibung

Führungskräfte haben verstärkt der Forderung nach nachhaltiger Wertsteigerung im Einklang mit Gesellschaft und Umwelt nachzukommen. Mit Hilfe des Corporate-Management- Modells (CMM) zeigen die Autoren die zehn Werttreiber auf, mit denen Führungsteams in diversifizierten Unternehmen einen nachhaltigen Mehrwert sowohl für das Gesamtunternehmen als auch für die einzelnen Geschäfte schaffen können. Die Neuauflage wurde umfassend überarbeitet und aktualisiert mit dem thematischen Fokus auf den spezifischen Aufgaben und Herausforderungen, mit denen sich ein professionelles und verantwortungsvolles Management zu beschäftigen hat. Die mehr als 200 Fallbeispiele veranschaulichen "Best Practices", aber auch "diskussionswürdige Practices" und sollen somit zu einem besseren inhaltlichen Verständnis beitragen und gleichzeitig als praktische Gestaltungshilfe dienen. Ausgezeichnet mit dem VHB-Lehrbuchpreis 2022.    

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[17]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumVorwort zur 2. AuflageVorwort zur 1. AuflageTeil A Strategiearbeit auf der Corporate-Ebene1 Corporate Management im diversifizierten UnternehmenExecutive Summary1.1 Zentrale Akteure im Mehr-Geschäfts-Unternehmen1.1.1 Strukturelemente eines Mehr-Geschäfts-Unternehmens1.1.2 Das Corporate Management als Mittler1.2 Aufgabenfelder eines Corporate Managements1.2.1 Das Streben nach Mehrwert1.2.2 Vom Nutzenversprechen zum Corporate-Wettbewerbsvorteil1.3 Schlussbetrachtungen2 Das Corporate-Management-ModellExecutive Summary2.1 Ein Bezugsrahmen für das Corporate Management2.1.1 Kernaktivitäten und Wertsteigerungshebel2.1.2 Von den Kernaktivitäten zum Modell2.2 Entwicklungsstufen eines Corporate Managements2.3 Schlussbetrachtungen3 Corporate Management und VerantwortungExecutive Summary3.1 Die Verantwortung des Corporate Managements3.1.1 Der Ruf nach mehr Verantwortung3.1.2 Verantwortung gegenüber wem?3.2 Formen der Verantwortungsübernahme durch das Corporate Management3.2.1 Ansätze legalistischer und ökonomischer Verantwortung3.2.2 Ansätze utilitaristisch sozialer Verantwortung3.2.3 Ansätze philanthropisch sozialer Verantwortung3.3 SchlussbetrachtungenTeil B Normativer Rahmen4 Mission und WerteExecutive Summary4.1 Mission4.1.1 Eigenschaften und Funktionen4.1.2 Adressaten und Typen4.1.3 Entwicklung und Implementierung4.2 Werte4.2.1 Eigenschaften und Funktionen4.2.2 Adressaten und Typen4.2.3 Entwicklung und Implementierung4.3 Schlussbetrachtungen5 Vision und ZieleExecutive Summary5.1 Vision5.1.1 Eigenschaften und Funktionen5.1.2 Adressaten und Typen5.1.3 Entwicklung und Implementierung5.2 Ziele5.2.1 Eigenschaften und Funktionen5.2.2 Adressaten und Typen5.2.3 Entwicklung und Implementierung5.3 SchlussbetrachtungenTeil C Corporate Strategy 6 Konzept und GeschäftsmodellExecutive Summary6.1 Eigenschaften und Funktionen eines strategischen Konzepts6.2 Entwicklung eines strategischen Konzepts6.2.1 Das Geschäftsverständnis: Kundenbedürfnisse im Fokus6.2.2 Die Leitidee: Auf der Suche nach Einzigartigkeit6.2.3 Das Corporate-Geschäftsmodell: Das Zusammenspiel der Geschäfte6.3 Weiterentwicklung eines strategischen Konzepts6.4 Schlussbetrachtungen7 Konfiguration und Portfoliomanagement Executive Summary 7.1 Portfoliomanagement als Corporate-Aufgabe7.2 Analyse der Konfiguration7.2.1 Einzelbetrachtungen: Analyse der strategischen Geschäftseinheiten7.2.2 Gesamtbetrachtung: Analyse der Portfoliokonfiguration7.3 Herleitung einer Konfigurationsstrategie7.3.1 Stoßrichtungen der Portfolioentwicklung7.3.2 Dimensionen von Wachstumsstrategien7.3.3 Rückzug als Grundlage zukünftigen Wachstums7.4 Umsetzung der Konfigurationsstrategie7.4.1 Rollenvereinbarungen 7.4.2 Management der Ressourcenallokation 7.5 Schlussbetrachtungen8 Koordination und Synergiemanagement Executive Summary 8.1 Über Synergien zu Wettbewerbsvorteilen8.2 Synergietypen 8.2.1 Operative Synergien8.2.2 Managementsynergien 8.2.3 Finanzielle Synergien8.2.4 Marktmachtsynergien8.3 Strategien zur Realisierung von Wachstumssynergien8.3.1 Koordinierte Marktdurchdringung8.3.2 Gemeinsame Produktentwicklung8.3.3 Koordinierte Marktentwicklung8.3.4 Kombinatorische Diversifikation8.4 Entwicklung und Umsetzung einer Koordinationsstrategie 8.4.1 Kosten der Synergierealisierung8.4.2 Herausforderungen bei der Umsetzung von Synergieinitiativen 8.5 SchlussbetrachtungenTeil D Corporate Organization 9 Interaktionsstil Executive Summary 9.1 Die Suche nach dem strategiegerechten Interaktionsstil9.2 Interaktionsstile: Zwischen Autonomie und Zentralisierung9.2.1 Der Portfoliomanager 9.2.2 Der vertikale Optimierer 9.2.3 Der horizontale Optimierer 9.2.4 Portfoliointegrator 9.3 Schlussbetrachtungen10 OrganisationsstrukturenExecutive Summary10.1 Die Gestaltung einer strategiegerechten Organisationsstruktur10.1.1 Herausforderungen10.1.2 Typen strategischer Organisationseinheiten10.2 Das Corporate Management als Spitzenorganisation10.2.1 Zweck und Aufgabenfelder10.2.2 Ausgestaltung10.3 Corporate Center und Zentralbereiche10.3.1 Zweck und Aufgabenfelder10.3.2 Ausgestaltung10.4 Strategische Geschäftseinheiten10.4.1 Zweck und Aufgabenfelder10.4.2 Ausgestaltung10.5 Strategische Sekundäreinheiten10.5.1 Zweck und Aufgabenfelder10.5.2 Ausgestaltung10.6 Schlussbetrachtungen11 Managementsysteme Executive Summary 11.1 Managementsysteme zur Unterstützung des Strategieprozesses 11.2 Die Unterstützung der strategischen Planungsfunktion durch ein Corporate-Planungssystem (CPS)11.2.1 Der Zweck eines CPS 11.2.2 Wichtige Teilsysteme11.2.3 Kritik und Entwicklungstendenzen11.3 Die Unterstützung der strategischen Steuerungsfunktiondurch ein Corporate-Controlling-System (CCS)11.3.1 Der Zweck eines CCS 11.3.2 Wichtige Teilsysteme11.3.3 Kritik und Entwicklungstendenzen11.4 Die Unterstützung der strategischen Personalfunktion durchein Corporate-Human-Ressourcen-System (CHRS)11.4.1 Managemententwicklung 11.4.2 Anreizsysteme 11.5 SchlussbetrachtungenAnhangAnhang 1: Leitfragen zur Entwicklung eines Booklets zum Corporate ManagementAnhang 2: Die Strategie der Migros-GruppeLiteraturverzeichnisAnmerkungenAbkürzungsverzeichnisAbbildungsverzeichnisTabellenverzeichnis Stichwort- und Organisationsverzeichnis Stichwort- und Organisationsverzeichnis
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Verfasser:

Prof. em. Dr. Günter Müller-Stewens, Universität St. Gallen;

Prof. Dr. Matthias Brauer, Lehrstuhl für Strategisches und Internationales Management, Universität Mannheim.

Die Illustrationen auf den Seiten 22, 94, 146, 268, 386 stammen von der Künstlerin und Grafik-Designerin Anette Olbrich. Sie lebt und arbeitet in München. Neben der Werbegrafik liegen ihre Schwerpunkte auf der Konzeptart und der freien künstlerischen Arbeit.

www.olbrich-art.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-4462-0

Bestell-Nr. 20386-0002

ePub:

ISBN 978-3-7910-4464-4

Bestell-Nr. 20386-0100

ePDF:

ISBN 978-3-7910-4463-7

Bestell-Nr. 20386-0151

Günter Müller-Stewens/Matthias Brauer

Corporate Strategy

2. Auflage, Januar 2021

© 2021 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © Erik Witsoe/EyeEm, gettyimages

Lektorat: Isolde Bacher

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[7]Vorwort zur 2. Auflage

Wenn wir die Arbeiten an diesem Buch jetzt Mitte 2020 abschließen, dann könnten wir dies im Prinzip mit den gleichen einleitenden Sätzen tun wie im nachfolgenden Vorwort zur 1. Auflage aus dem Jahr 2009: »Wir schließen dieses Buch ab in einem Jahr, in dem sich die Weltwirtschaft in ihrer größten Krise seit der großen Depression im Jahr 1929 befindet. Die Billionen-Euro-Grenze bei den Abschreibungen wurde längst überschritten und die Politik verschuldet ihre Bürger mit eilig geschnürten Hilfspaketen auf Generationen.« So hat die Corona-Krise in der ersten Hälfte des Jahres 2020 auch die Arbeiten zu dieser Neuauflage beeinflusst. Es brauchte also nur eine Dekade, um die Weltwirtschaft erneut in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Das zentrale Motiv für dieses Buch ist das gleiche geblieben: Wir beobachten einerseits, dass jedes große Unternehmen und auch die große Mehrzahl der mittleren heutzutage diversifiziert ist. Andererseits gibt es immer noch kaum Fachliteratur, die sich dezidiert mit der strategischen Führung und den verschiedenen Wertschöpfungsoptionen von diversifizierten Unternehmen auseinandersetzt. Wir meinen, dass die Kernfragen, die sich auf der Corporate-Ebene eines Mehr-Geschäfts-Unternehmens (MGU) stellen, ganz anderer Natur sind als die auf der Ebene der einzelnen Geschäftsfelder. Entsprechend bedarf es aus unserer Sicht auch eines spezifischen Ansatzes für ein strategisches Management auf der Ebene des Gesamtunternehmens – unser Corporate-Management-Modell (CMM).

Zur Positionierung und zu den Besonderheiten des Buches sei auf das untenstehende Vorwort zur 1. Auflage verwiesen.

Die Notwendigkeit zur Vermittlung eines solchen Ansatzes zur Führung und Wertsteigerung in diversifizierten Unternehmen scheint uns insbesondere in der heutigen Zeit gegeben zu sein, da die Legitimation der Diversifikation insbesondere bei börsennotierten Unternehmen und unabhängig von deren Erfolg mehr denn je hinterfragt wird. So haben aktivistische Investoren in den letzten Jahren den Druck auf diversifizierte Unternehmensgruppen erhöht. 2019 wurde laut Activist Insight global die bisher höchste Anzahl an »Activist Attacks« gegen diversifizierte Unternehmen verzeichnet. Aber auch der Druck aus der Politik auf die Topmanager ist gewachsen, so dass CEOs auch immer mehr auf der politischen Ebene und in der Öffentlichkeit als »CEO-Aktivisten« agieren müssen.

Die Tatsache, dass diversifizierte Unternehmen einerseits die Norm bilden, aber andererseits oft angreifbar sind, zeigt, dass das Corporate Management von diversifizierten Unternehmen eine starke Berechtigung zu haben scheint, aber zugleich mit vielen nicht trivialen Herausforderungen und Dilemmata verbunden ist. Darüber lohnt es sich weiterhin zu reflektieren und theoretisch sowie praktisch fundierte Ansätze zu diskutieren, wie diesen Herausforderungen und Dilemmata begegnet werden kann.

[8]In diesem Zuge versuchen wir auch, in dieser zweiten Auflage nicht einfach ein weiteres Buch über das Einmaleins der strategischen Führung zu veröffentlichen, sondern ein Buch, welches gezielt auf die spezifischen Aufgaben, Herausforderungen und Dilemmata eingeht, mit denen sich ein professionelles Corporate Management in der jüngeren Vergangenheit beschäftigen musste und heute und wohl auch zukünftig beschäftigen sollte.

Über die elf Jahre, die seit der ersten Auflage vergangen sind, konnten wir in der Arbeit mit dem in diesem Buch dargestellten Corporate-Management-Modell (CMM) viele Erfahrungen in der universitären Lehre, der Executive Education, der Unternehmensberatung und bei Vorträgen vor Managern sammeln. Dabei hat sich das Corporate-Management-Modell mit seinen zehn Wertsteigerungshebeln klar bewährt. Aber durch die Arbeit mit diesem Modell im Dialog mit Führungskräften aus Unternehmen und unseren vielen verschiedenen Full-time-, Part-time- und Executive MBA-Kursteilnehmern haben auch wir dazugelernt und neue Einsichten gewonnen. Das haben wir genutzt, um die erste Auflage grundsätzlich zu überarbeiten, zu kürzen und zu aktualisieren. Wir hoffen, so unseren eigenen Lernprozess auch an unsere geschätzten Leserinnen und Leser weitergeben zu können.

Zur besseren Illustration der Herausforderungen auf der Corporate-Ebene beginnt nun jedes Kapitel mit einem umfangreicheren Fallbeispiel. Auch haben wir insgesamt die über das ganze Buch verteilte große Anzahl von mehr als 200 Fallbeispielen nochmals erweitert und aktualisiert und hoffen, damit genügend Anschauungsmaterial über »Best Practices«, aber auch »diskussionswürdige Practices« bieten zu können. Bei diesen Beispielen haben wir bewusst einen europäischen Fokus gesetzt, der aber durch Beispiele aus dem asiatischen und US-amerikanischen Bereich flankiert wird.

Wo Personen verschiedenen Geschlechts vorkommen können, wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet. Dies dient ausschließlich der Verbesserung des Leseflusses, wobei die maskuline Form als stellvertretend für alle Geschlechter verstanden werden soll.

Dass ein Buch entwickelt, abgeschlossen und auf den Markt gebracht werden kann, verdankt sich dem kraftvollen Zusammenwirken vieler. Hier sind insbesondere die Studierenden und Teilnehmer an unseren Kursen mit ihren kritischen Feedbacks zu erwähnen, die an unseren Praxisprojekten beteiligten Führungskräfte mit ihrer vielfältigen Erfahrung, aber natürlich auch der Schäffer-Poeschel Verlag, der mit einem sehr tüchtigen Team um Frau Marita Mollenhauer und Frau Claudia Knapp dafür sorgte, dass das Buch in einer professionellen Form seinen Weg in den Markt findet. Frau Isolde Bacher hat auch mit viel Sorgfalt das Manuskript sprachlich verbessert. Ihnen allen gilt unser aufrichtiger Dank. Herzlich danken wollen wir aber auch Frau Anette Olbrich, deren Graphiken wieder so künstlerisch und treffend die jeweiligen Teile des Buches einleiten (www.olbrich-art.de).

[9]Ergänzendes Material zum Buch

Für Leserinnen und Leser, die mit dem Buch fachlich arbeiten wollen, bieten wir folgende ergänzende Dienstleistungen auf der Website https://smartstrategizing.com/buecher/ oder https://www.sp-mybook.de (mit Buchcode) an:

Abbildungen aus dem Buch als Powerpoint-FoliensatzVorschläge zu Workshops auf der Basis des Corporate-Management-ModellsReflexionsfragen zu den Inhalten des Buches
St. Gallen und Mannheim im August 2020Günter Müller-Stewens/Matthias BrauerUniversität St. Gallen/Universität Mannheim

[11]Vorwort zur 1. Auflage

Als wir im Jahr 2003 die Arbeiten zum Corporate Management aufnahmen, hatte die Weltwirtschaft gerade das Tal durchschritten, das ihrer letzten Krise folgte, die durch das Platzen der »Dotcom-Blase« im März 2000 ausgelöst wurde. Die Hoffnung war groß, dass aus dieser Krise die richtigen Lehren gezogen werden. Doch ist dem so? Wir schließen dieses Buch ab in einem Jahr, in dem sich die Weltwirtschaft in ihrer größten Krise seit der großen Depression im Jahr 1929 befindet. Die Billionen-Euro-Grenze bei den Abschreibungen wurde längst überschritten und die Politik verschuldet ihre Bürger mit eilig geschnürten Hilfspaketen auf Generationen. Vielleicht befindet sich die westliche Welt am Ende einer nach dem Zweiten Weltkrieg begonnenen langen Phase wachsender Prosperität, wo wir uns nun genauer fragen müssen, was wir eigentlich unserer Nachwelt hinterlassen wollen.

Aufgrund der Ereignisse hat das Ansehen des Berufs des Managers massiv gelitten. Die dringlichen Apelle an die Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik, aber auch an alle Bürger, sich ernsthafter mit ihrer Verantwortung für Gesellschaft (Stichwort »Verteilungsgerechtigkeit«) und Umwelt (Stichwort »Klimawandel«) auseinanderzusetzen, nehmen spürbar zu. Im Kern geht es wohl darum, dass die gesellschaftlichen Teilsysteme wieder dialogisch aufeinander zugehen müssen, denn sie benötigen einander auf lange Sicht. Das heißt sich wechselseitig akzeptieren und respektieren, statt zu versuchen, sich wechselseitig zu beherrschen.

Wir haben dieses Buch thematisch auf die Arbeit des Managements auf der Gesamtunternehmensebene in diversifizierten Unternehmensgruppen fokussiert. Warum? Hierfür gab es zwei wesentliche Gründe: Erstens ist die Diversifikation des Geschäfts (in Produktlinien, in Länder etc.) unabhängig von der Unternehmensgröße heutzutage eher der Normal- als der Ausnahmefall. Auch Familiengesellschaften, die nicht direkt dem Druck der Börse ausgesetzt sind, versuchen ihr Risiko über verschiedene Geschäfte zu streuen. Das Corporate Management einer solchen Unternehmensgruppe muss sich gegenüber den Eigentümern legitimieren, indem es, bezogen auf deren Ziele, einen Mehrwert durch die Gruppenebene schafft.

Zweitens haben die Anforderungen an die Arbeit auf der Corporate-Ebene in den letzten Jahren massiv zugenommen. Aus vielen Richtungen baute sich Druck seitens der Anspruchsgruppen gegenüber der Unternehmensleitung auf: Seien es globale Aktivistengruppen (z. B. NGOs), Agenten der Eigentümer (wie z. B. die institutionellen Investoren) oder gegenüber dem Unternehmen emanzipierte Mitarbeiter. Diesem Druck gilt es seitens des Corporate Managements zu begegnen und die eigene Arbeit zu legitimieren. Wie dies geschehen kann und sollte, ist allerdings bisher noch nicht in einer umfassenden Art und Weise behandelt und diskutiert worden.

Aus unserer Sicht gibt es bislang nur zwei englischsprachige Bücher, die sich einerseits umfassend und integriert, andererseits aber auch fokussiert mit dem Thema »Strategisches Management des Mehr-Geschäfts-Unternehmens« beschäftigen (Goold/Campbell/Alexander, Erstauf[12]lage 1994 sowie Collis/Montgomery, Erstauflage 1998). Es erschien uns daher notwendig sich einmal aus der heutigen Sicht und aus der Perspektive des deutschsprachigen Europas gezielt mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

Das Buch wendet sich somit vor allem an drei Zielgruppen: Erstens sind dies natürlich die Corporate Manager und die Mitarbeiter im Corporate Center, mit deren Arbeit wir uns hier beschäftigen; zweitens sind es aber auch die Führungskräfte aus den Geschäftsbereichen, von denen angesichts der Vernetztheit ihres Wirkens ein umfassendes Verständnis zum »Funktionieren« ihres Unternehmens erwartet wird; und drittens sind es Studierende des Faches Strategisches Management im Sinne einer Ausdifferenzierung der Lehre in diesem spannenden Fachgebiet.

Hinsichtlich der inhaltlichen und didaktischen Konzeption des Buches sind folgende Aspekte hervorhebenswert:

(1) Aufbau auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und ihre Einordnung in den Gesamtzusammenhang: Wir haben uns für dieses Buch sehr intensiv mit dem Stand der wissenschaftlichen Diskussion zur Thematik auseinandergesetzt und im Team auch selbst eine Vielzahl von Forschungsarbeiten durchgeführt und in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Beides floss stark in das Buch ein. Doch dabei wollten wir es nicht belassen. Dazu ist die Thematik »Corporate Management« zu komplex. Sie lässt sich nicht einfach in viele, immer kleinere wissenschaftliche Detailfragen zerlegen und dann wieder zusammensetzen. Auch wenn der in den Wirtschaftswissenschaften bestehende Trend zur Spezialisierung und Verengung im Sinne der Wissensverfeinerung und -akkumulation seine Berechtigung hat, darf sein Gegengewicht, das Denken in den stattfindenden Gesamtzusammenhängen dadurch nicht verdrängt werden. Im Gegenteil: Je mehr diese Spezialisierung greift, desto intensiver muss auch – teilweise auf dem gewonnenen Spezialisierungswissen aufbauend – der integrierende Blick auf das Ganze gelenkt werden. Mit der Entwicklung des St.Galler Corporate-Management-Modells, welches das Zusammenspiel der verschiedenen Gestaltungsoptionen auf Corporate-Ebene beschreibt und betont, versuchen wir der Notwendigkeit der integrativen Betrachtung Rechnung zu tragen.

(2) Umfassende und gleichzeitig fokussierte Themenabdeckung: Unser Buch ist umfangreicher geworden, als ursprünglich geplant. Dies hat einmal damit zu tun, dass wir, wie oben angesprochen, versucht haben, den Zusammenhang zwischen den Einzelthemen herauszuarbeiten. Konsequenz der Absicht auf die Gesamtzusammenhänge einzugehen war, dass eine große Anzahl von Teilthemen anzusprechen war. Um das Buch nicht noch umfassender werden zu lassen, mussten wir uns innerhalb der Teilthemen auf besonders relevant erscheinende Aspekte konzentrieren oder auf Aspekte, zu denen es bislang wenig Nachlesbares gibt. Eine Orientierung an aktuellen und gleichzeitig dauerhaften Entscheidungsproblemen der Corporate Manager hat uns dazu angeleitet, bestimmte Teilthemen besonders zu vertiefen. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass wir beispielsweise der Ausgewogenheit kurz- und langfristiger Aspekte einen besonderen Stellenwert einräumen. Auch haben wir dem Thema der Verantwortung des Cor[13]porate Managements weit mehr Raum beigemessen, als dies in bisherigen Publikationen zur Thematik üblich ist. Dabei versuchen wir die ökonomische und soziale Verantwortung integrativ zu betrachten; wir betonen die Bedeutung geteilter Werte für die Verwirklichung einer menschengerechten und freiheitlichen Gesellschaft – hoffentlich ohne dabei moralistisch zu sein. Zielsetzung eines Corporate Managements sind in unserem Ansatz »nachhaltige Vorteile gegenüber den Wettbewerbern im Einklang mit Gesellschaft und Umwelt«.

(3) Neu- und Weiterentwicklung bestehender Konzepte aus Theorie und Praxis: Wir haben versucht, zu jedem der behandelten Themenblöcke den wissenschaftlichen »state-of-the-art« zusammenzufassen als auch bewährte »best practices« aus der Unternehmenspraxis zusammenzutragen. Wir haben aber vor allem auch versucht, selbständig zu einer Weiterentwicklung bestehender Konzepte und Methoden aus Theorie und Praxis beizutragen, indem wir zahlreiche neue Typologien, Werkzeuge und Methoden zum Corporate Management entwickelt haben. Die meisten dieser Typologien und Methoden haben sich bereits im Einsatz in der unternehmerischen Praxis bewährt; bei anderen hoffen wir, dass sie sich in ähnlicher Art und Weise bewähren werden, das Corporate Management in seiner Arbeit wirkungsvoll zu unterstützen.

Im Zuge unseres Versuchs, zur Neu- und Weiterentwicklung der Corporate-Management-Thematik beizutragen, haben wir auch auf Basis unserer Praxiserfahrung versucht, für spezifische Themen Entwicklungstendenzen zu skizzieren. Diese »Prognosen« haben nicht den Anspruch mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit einzutreffen, sondern sollen dem Leser vor allem auch im Sinne einer Langfristorientierung als Denkanstoß über mögliche Zukunftsszenarien bzw. zur Vorbereitung auf die mögliche Zukunft dienen.

(4) Praxisbezug: Zur Illustration der teils etwas abstrakten Thematik »Corporate Management« wurde eine Vielzahl von Beispielen aus der Unternehmenspraxis in das Buch eingearbeitet. Diese Fälle sollen und können nicht als Beispiele für erfolgreiches oder nicht erfolgreiches Management dienen, da Erfolg und Misserfolg deutlich vieldimensionaler sind, als es hier dargestellt werden kann. Die Kürze der Beschreibungen bringt auch mit sich, dass sie der tatsächlichen Komplexität des Falles nie ganz gerecht werden; oft gibt es auch im Unternehmen selbst sehr unterschiedliche Wahrnehmungen, wie mit bestimmten Themen umgegangen wird. Daher sollen die Praxisbeispiele dem Leser vor allem Impulse für mögliche Gestaltungsoptionen geben. Manche Unternehmen wurden dabei bewusst zur Illustration immer wieder herangezogen, um für den Leser ein möglichst umfassendes Bild in Hinblick auf das Spektrum und das Zusammenspiel der verschiedenen Gestaltungsoptionen entstehen zu lassen.

(5) Sprache und Stil: Wir haben versucht das Buch in einer Form zu verfassen, die den Bedürfnissen aller drei oben genannten Zielgruppen möglichst weitgehend gerecht wird. Zentrale Definitionen haben wir stets an den Anfang des jeweiligen Themenblocks gestellt, um von Beginn an Begriffsklarheit zu schaffen. Des Weiteren haben wir in den einzelnen Themenblöcken stets versucht durch Untergliederungen den Gedankengang und die Struktur möglichst einfach nachvollziehbar zu halten. Wir haben auch bewusst davon Abstand genommen, in der [14]Unternehmenspraxis gängige Anglizismen (z. B. Conglomerate Discount) zwanghaft »einzudeutschen«. Das Vokabular im Bereich Corporate Management ist vor allem im amerikanischen Kultur- und Wirtschaftskreis entstanden. In den Fällen, in denen uns keine sinngetreue oder einprägsame deutsche Formulierung möglich erschien, haben wir uns daher für den englischen Ausdruck entschieden.

Zu den Inhalten dieses Buches gelangten wir auf vielen verschiedenen Wegen: Intensive Auswertung der internationalen Literatur, Durchführung einer großen Anzahl Forschungsarbeiten, Durchführung mehrerer Unternehmensberatungsprojekte, vielfache Erprobung der nach und nach entwickelten Inhalte in Seminarveranstaltungen mit Führungskräften aus den verschiedensten Branchen sowie mit unseren Studierenden und nicht zuletzt aus unzähligen Gesprächen mit Kollegen und erfahrenen Corporate Managern. Ihnen allen gebührt unser aufrichtiger Dank. Ohne ihren Beitrag wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Hervorzuheben sind an dieser Stelle die Kollegen am Institut für Betriebswirtschaft. Mit ihrem Wissen, ihrem Ideenreichtum und den Gästen, die sie an die Universität St. Gallen brachten, entstanden immer wieder wertvolle Impulse für diese Arbeit.

Seinen formellen Anfang nahm dieses Buchprojekt am 16.4.03 mit der Auftaktsitzung zum Forschungsprojekt »The International Corporate Strategy Research Project«. Die Leitung hatte Dr. Sascha Schmidt inne (in 2005 gefolgt von Dr. Matthias Brauer). Universitäre Partner waren Prof. Dr. Jean-Paul Thommen (European Business School) und Prof. Dr. Martin Welge (Universität Dortmund). Zum Kernteam der Universität St. Gallen gehörten am Anfang folgende Doktoranden: Dr. Dominik Domnik, Dr. Sebastian Frankenberger, Dr. Florian Ibe, Dr. Sebastian Knoll, Dr. Sonja Rösel und Dr. Manuel Seyferth. Später stießen noch Dr. Alexander Alscher, Frank Haupenthal, Sven Kunisch, Dr. Markus Menz, Markus Schimmer, Dr. Torsten Schmid und Dr. Inga Voss hinzu. Im Zentrum stand am Anfang die Frage nach dem »Word-Deed-Alignment«: Warum weicht das Corporate Management in bestimmten Phasen der Unternehmensentwicklung bei seinen Ressourcenallokationsentscheidungen von der erklärten Strategie ab? Aus dem Projekt ergaben sich eine große Anzahl wissenschaftlicher Publikationen und natürlich der Impuls, die Arbeit zum Thema Corporate Strategy zu vertiefen und zu verbreitern. Das Projekt wurde großzügig und mehrfach durch den Schweizerischen Nationalfonds und den Grundlagenforschungsfonds der Universität St. Gallen unterstützt. Allen Beteiligten sei an dieser Stelle nochmals herzlich für ihre konstruktive Mitwirkung gedankt.

Unser Dank gilt auch der Universität St. Gallen, die uns optimale Rahmenbedingungen für die Durchführung eines solchen Buch- und Forschungsprojektes gibt. Dies betrifft nicht nur das Zurverfügungstellen der notwendigen Ressourcen, sondern auch die Art des Umgangs miteinander. Auch geht unser Dank an den Schäffer-Poeschel Verlag und dort speziell an Frau Marita Mollenhauer mit ihrem Team für die professionelle Betreuung unseres Buchprojektes.

Wir hoffen nun, dass dieses Buch die »Strategie Professionals« – egal, ob sie als CEOs, Geschäftsleitungsmitglieder, Verwaltungs- oder Aufsichtsräte, Führungskräfte im mittleren Management, [15]Mitarbeiter in Strategieabteilungen oder Strategieberater tätig sind – in ihrer Strategiearbeit zu unterstützen vermag. Auch wenn man derzeit vielerorts noch mit der Anpassung der (Kosten-) Strukturen an die teilweise drastisch veränderte Marktsituation beschäftigt ist, so ist längst auch die Zeit gekommen, wo parallel am intellektuellen Grundgerüst der unter den veränderten Rahmenbedingungen zukünftig erfolgreichen Unternehmen gearbeitet werden muss.

St. Gallen und Mannheim im Juli 2009Günter Müller-Stewens/Matthias BrauerUniversität St. Gallen
[22]

[23]Teil A Strategiearbeit auf der Corporate-Ebene

Abb. A-1 Das Corporate-Management-Modell

[24]Die meisten Unternehmen sind heute diversifiziert in verschiedene Geschäfte. Wir sprechen hier von Mehr-Geschäfts-Unternehmen (MGU). Die Mehrzahl dieser MGUs verfügt zwar über Strategien für ihre einzelnen Geschäfte, seien es Produktlinien, Märkte oder Marken. Doch bei Weitem nicht alle MGUs verfügen auch über eine Strategie für die Ebene des gesamten MGUs (Corporate-Ebene). Allerdings obliegt dem für diese Ebene verantwortlichen Corporate Management genau diese Aufgabe und Verantwortung. Das heißt, dass es auf der Corporate-Ebene eine eigenständige Strategiearbeit braucht.

Die für das MGU zu entwickelnde Strategie (Corporate Strategy) ist deutlich mehr als nur die Summe der einzelnen Geschäftsstrategien. Es sind ganz andere Fragen zu beantworten als auf der Ebene der Geschäfte. Mittels der Corporate Strategy gilt es insbesondere aufzuzeigen, wie aus der Gesamtheit der Geschäfte – im Vergleich zu Ein-Geschäfts-Unternehmen – zusätzlich Wert generiert werden kann, denn der Wert des MGUs muss größer sein als die Summe seiner Teile. Das heißt, das Corporate Management eines MGUs muss sich legitimieren, muss belegen, dass es in der Lage ist, aufgrund seiner Aktivitäten und Fähigkeiten mehr Mehrwert zu erzeugen, als durch das Betreiben einer Corporate-Ebene Managementkosten anfallen (Koordinations- und Kontrollkosten).

Ein Corporate Management, das nicht in der Lage ist, einen solchen Mehrwert (Corporate Surplus) zu erzeugen, vernichtet zuerst einmal Wert, was auf lange Sicht gesehen nicht Sinn und Zweck eines Unternehmens sein kann. Es schwächt damit indirekt auch die Geschäfte des MGUs bzw. versäumt es, ihnen zu Vorteilen in ihrem Wettbewerbsumfeld zu verhelfen. Ist das MGU an der Börse notiert, dann wird es sogar der Gefahr ausgesetzt, übernommen und zerschlagen zu werden.

Da das Corporate Management von MGUs oft nicht in der Lage ist, diesen Mehrwert zu erzeugen, wird MGUs von Investoren aus vielerlei Gründen viel Skepsis entgegengebracht und sie werden an der Börse oft sogar mit einem Konglomerats- und Holdingabschlag bestraft: Es wird argumentiert, dass ihre Diversifikation oft mehr kostet, als dass sie nutzt.1 Die Investoren würden lieber direkt in die einzelnen Geschäfte investieren, soweit sie diese als attraktiv empfinden, als nur indirekt über die Holding.

Eine zentrale Frage, die sich damit bei MGUs immer stellt, ist die Frage nach der Performance: Ist das MGU in der Lage, seine Ressourcen und Fähigkeiten über die Diversifikation in einer Art und Weise zum Einsatz zu bringen, dass die einzelnen Geschäfte in dieser Form zusammen erfolgreicher sind, als sie es alleine wären?

Man könnte sich nun angesichts der schlechten Performance vieler MGUs und der Investorenskepsis fragen, ob denn die MGUs eine »aussterbende Spezies« sind. Das sehen wir jedoch nicht so. Vielmehr sollte man den Fokus auf diejenigen MGUs richten, die nachhaltig in der Lage sind, ein signifikantes Corporate Surplus zu erzielen. Denn sie sind es, die ihren Geschäften zu Wettbewerbsvorteilen verhelfen, die Ein-Geschäfts-Unternehmen nicht erzielen können. Sobald [25]Geschäfte in der Lage sind, über ihre Corporate-Ebene zu solchen Vorteilen zu gelangen, kommen die Wettbewerber unter Druck.

Auch dienen MGUs der Risikodiversifikation (in Länder, Produkte, Marken, Technologien, Kundengruppen etc.), über die gerade in Krisenzeiten manch ein Unternehmen froh war, wenn Teile seines Portfolios stark in Mitleidenschaft gezogen waren. Zudem haben sich die Rahmenbedingungen verändert, unter denen heutige MGUs operieren. So erleichtern die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien eine Kollaboration über Geschäfts- und Ebenengrenzen hinweg. Letztlich sind die Märkte für Unternehmenskontrolle effizienter geworden, die Portfoliokonfigurationen der Geschäfte lassen sich den Gegebenheiten besser anpassen.

MGUs sind damit keine »Dinosaurier«, vielmehr müssen sie sich in ihrer Logik und ihren Integrationsmechanismen immer wieder neu erfinden. Sogar viele der wertvollsten Unternehmen unserer Zeit sind diversifizierte MGUs. Allen voran die »Digital Conglomerates« wie z. B. der stark integrierte Apple-Konzern, aber auch Alphabet (Google, Deep Mind, Wymo etc.), Amazon oder die Alibaba Group, die derzeit größte B2B-Handelsplattform der Welt mit Geschäften wie amap.com, einem Onlinekartendienst, ele.me, einem Auslieferdienst für Nahrungsmittel, oder Alibaba Cloud.

Das heißt, wir sehen in der Struktur eines MGUs auch zukünftig eine große strategische Chance. Voraussetzung ist allerdings, dass das Corporate Management sein Aufgabenspektrum auf der Corporate-Ebene kennt, annimmt und beherrscht. Es gibt durchaus genügend MGUs, die in der Lage sind, aus ihrer Diversifikation klare Vorteile auch gegenüber fokussierten Unternehmen zu ziehen. Erfolgsbestimmend ist demnach weniger der Grad der Diversifikation als vielmehr die Kompetenz des Corporate Managements, mit seiner Strategiearbeit auf der Corporate-Ebene einen wertschaffenden Unterschied zu machen.

Wie dies erreicht werden kann, soll in diesem Buch aufgezeigt werden. Dazu bieten wir in Kapitel 2 einen integrierenden Bezugsrahmen an, das Corporate-Management-Modell. Doch vorab wollen wir in Kapitel 1 noch mehr Einblick in die in dieser Einführung dargestellten Gedankengänge und Begriffe geben.

Die Strategiearbeit der Corporate Manager ist allerdings nicht als reine Analytik und Technik zu verstehen; zu groß ist die Vieldeutigkeit der strategischen Problemstellungen, zu häufig befinden sie sich in nicht einfach zu lösenden Dilemmasituationen. Auch hat der Umgang insbesondere vieler Konzerne mit sozialen Themen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit oder Schutz der Privatsphäre zu einem Vertrauensverlust der Öffentlichkeit geführt.2 Das heißt, Corporate Manager sind neben aller konzeptionellen Kompetenz auch in ihrem Charakter und ihren ethischen Einstellungen gefordert. Deshalb schließen wir Teil A mit einem Kapitel zur Verantwortung, die ein Corporate Management bei seiner Tätigkeit trägt.

[27]1Corporate Management im diversifizierten Unternehmen

Executive Summary

1.1 Zentrale Akteure im Mehr-Geschäfts-Unternehmen

1.1.1 Strukturelemente eines Mehr-Geschäfts-Unternehmens

1.1.2 Das Corporate Management als Mittler

1.2 Aufgabenfelder eines Corporate Managements

1.2.1 Das Streben nach Mehrwert

1.2.2 Vom Nutzenversprechen zum Corporate-Wettbewerbsvorteil

1.3 Schlussbetrachtungen

[28]Executive Summary

Wir zeigen in diesem Kapitel auf, wer die zentralen Akteure eines Mehr-Geschäfts-Unternehmens (MGUs) sind und welche Aufgabenfelder ihnen zuzuordnen sind. Dabei setzen wir uns vertieft mit dem Corporate Management, dem Hauptakteur in einem MGU, auseinander. Zum Corporate Management zählen die Unternehmensleitung und deren Aufsichtsgremium, das Corporate Center sowie die Leiter der strategischen Geschäftseinheiten (SGEs).

Das Corporate Management hat die Rolle des Mittlers zwischen den Erwartungen und den Interessen bedeutsamer Anspruchsgruppen wie z. B. den Eigentümern einerseits sowie den Intentionen der SGEs hinsichtlich ihrer Positionierung und Entwicklung andererseits. In dieser Rolle hat sich das Corporate Management gegenüber den Beteiligten und Betroffenen zu legitimieren. Dies gilt insbesondere auch gegenüber den einzelnen SGEs des MGUs, denn die Gefahr, dass die Corporate-Ebene unter dem Strich eher Wert vernichtet als Wert schafft, ist nicht unerheblich. Im Zentrum steht dabei der Auftrag des Corporate Managements, das MGU so zu führen und zu entwickeln, dass dessen Wert größer ist als die Summe des Werts der einzelnen SGEs.

Dazu gibt das Corporate Management gegenüber den Geschäften ein Nutzenversprechen ab, in dem folgende Frage zu beantworten ist: Wie kann das Corporate Management durch seine Tätigkeit einen Mehrwert für die Geschäfte generieren, den diese in dieser Form und diesem Umfang alleine nicht generieren können, und kann das Corporate Management dies wertschöpfender tun, als dies andere Eigentümer dieser Geschäfte tun könnten?

Dabei vertreten wir die Auffassung, dass es weniger das Ausmaß der Diversifikation ist, das den Erfolg des MGUs bestimmt, sondern vielmehr die Kompetenz seines Corporate Managements, Diversifikation zu managen.

Ein MGU im Dilemma: Weiter wie bisher oder Professionalisierung der Corporate-Ebene?

Ein großes MGU stand schon seit Jahren in der Kritik seiner Eigentümer. Man kam einfach nicht weiter. Die meisten Geschäfte erwirtschafteten nicht einmal ihre Kapitalkosten. Es fehlte auch an einer tragfähigen Idee, wohin es mit dem MGU gehen sollte. Die Aktivitäten des Vorstands beschränkten sich im Wesentlichen darauf, Druck auf die Leiter der strategischen Geschäftseinheiten auszuüben mit dem Ziel, dass diese die Performance ihrer Geschäfte verbesserten. Der Aufsichtsrat hatte nun folgende Optionen: Entweder arbeitete man weiter wie bisher oder man suchte nach neuen Geschäftsleitern oder die Arbeit des Vorstands wurde grundsätzlich hinterfragt. Man entschied sich für Letzteres. Der Aufsichtsrat gab eine externe Bewertung der Arbeit [29]der Geschäftsleitung in Auftrag. Diese Studie kam zu folgendem kritischen Ergebnis (Auszug):

»Die Corporate Strategy ist im Wesentlichen nicht mehr als die Summe der einzelnen Geschäftsstrategien. Daher ist in Zukunft eine detailliertere Beschreibung der Gruppenstrategie erforderlich.Die Zuverlässigkeit der langfristigen Planung wird kritisch gesehen. Grundsätzlich wird es als notwendig erachtet, bei den Geschäftsstrategien vor dem Hintergrund der auf das MGU wirkenden Megatrends zwei bis drei Szenarien zu entwickeln und zu diskutieren. In dieser Hinsicht erscheint eine gemeinsame Entwicklung von strategischen Szenarien und Optionen zwischen dem Vorstand und der Bereichsleitung als vorteilhaft.Die Geschäftsstrategien werden im Planungsprozess nicht mit den Strategien der Gruppenfunktionen (z. B. HR, IT) verzahnt. Dementsprechend sind die Anforderungen der Geschäfte hinsichtlich der Gruppenfunktionen und umgekehrt in eine zu entwickelnde Gruppenstrategie aufzunehmen.Ein neues Format zur Diskussion der wesentlichen Schlüsselthemen der Gruppe ist erforderlich, um mögliche kulturelle Barrieren zu überwinden, die eine offene und kritische Diskussion sowie das Realisieren von Synergien behindern.Es fehlt eine Konzentration auf weniger, aber besonders wichtige strategische Initiativen. Dazu müssen messbare quantitative und qualitative Schlüsselindikatoren und -ziele, die mit den zentralen strategischen Initiativen verbunden sind, definiert und verfolgt werden.«

Zunächst einmal ist an diesem realen Fall bemerkenswert, dass es seitens des Aufsichtsrates die Bereitschaft und Einsicht gab, die Qualität der Arbeit der Vorstandsebene des MGUs überhaupt zu hinterfragen. Wichtig war aber auch, dass man sich folgender Tatsache bewusst wurde: Die Corporate-Ebene benötigt eine eigene Strategie, bei der es andere Fragen zu beantworten gilt als auf der Ebene der Geschäfte und die damit auch mehr ist als nur die Summe der Geschäftsstrategien.

Im vorliegenden Fall fehlte es offensichtlich an einer eigenen Corporate Strategy, die z. B. die Entwicklungsperspektiven der Portfoliokonfiguration aufzeigte. Auch wurden nicht mithilfe von Instrumenten der strategischen Vorausschau die größeren Veränderungen im Umfeld mit ihren Konsequenzen auf das Geschäftsmodell des MGUs untersucht. Strategische Initiativen zu konzernübergreifenden Themen taten sich schwer mit den »Silo«-Kulturen, wurden aber auch nicht professionell geführt. Die Strategien der Zentralbereiche wurden nicht mit denen der Geschäfte verzahnt. Dies alles sind Aufgabenfelder, die zur Arbeit einer Corporate-Ebene gehören.

1.1Zentrale Akteure im Mehr-Geschäfts-Unternehmen

Wie jede Organisation, so ist auch ein MGU durch seine zentralen Akteure und die Strukturen, in denen sie agieren, wesentlich geprägt.

[30]1.1.1Strukturelemente eines Mehr-Geschäfts-Unternehmens

Um die Eigenschaften und Funktionsweise eines MGUs zu verstehen, nähern wir uns ihm am besten über seine typische Organisationsstruktur. Wie in Abbildung 1-1 vereinfacht dargestellt, unterscheiden wir drei zentrale Akteure: die Unternehmensleitung und deren Aufsichtsgremium, das Corporate Center mit seinen Fachabteilungen sowie die strategischen Geschäftseinheiten (SGEs). Vertiefend wird eine solche Organisationsstruktur eines MGUs in Kapitel 10 besprochen.

Abb. 1-1 Strukturelemente eines MGUs

(1) Unternehmensleitung und Aufsichtsgremium: Je nach Land kann ein unterschiedliches Leitungsmodell angetroffen werden. Im zweistufigen Modell, das man primär in Deutschland vorfindet, gibt es die Unterscheidung in den die Eigentümerinteressen vertretenden Aufsichtsrat, dessen Mitglieder meist von außerhalb des Unternehmens kommen3, sowie den Vorstand bzw. die Geschäftsleitung. Dem Vorstand steht ein Vorstandsvorsitzender vor. Im einstufigen Modell steht das Board of Directors an der Spitze des Unternehmens. Dieses Board setzt sich aus Senior Managern des Unternehmens als Executive Directors und aus Non-Executive Directors, die wiederum meist von außerhalb des Unternehmens kommen, zusammen. Den Vorsitz des Board of Directors hat der Chairman oder Präsident. Meist ist die Zahl der Non-Executive Directors größer als die der Senior Manager im Board. Dem Executive Board of Directors bzw. der Konzernleitung steht der Chief Executive Officer (CEO) vor. In einigen MGUs wird die Funktion des CEO und des Chairman durch eine Person im Doppelmandat (CEO Duality) wahrgenommen, was eine einheitliche und [31]schnellere Entscheidungsfindung erleichtert, aber auch eine große Machtballung mit sich bringt.4 Wissenschaftliche Studien, die versucht haben, den Zusammenhang zwischen CEO Duality und finanziellem Unternehmenserfolg zu untersuchen, sind daher zu keinen einheitlichen Ergebnissen gekommen, ob eher die positiven oder die negativen Effekte überwiegen.5

Wichtige Aufgabe der Executive Directors ist es, die anderen Board-Mitglieder mit Informationen zu den wichtigsten Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Eigentümerinteressen zu versorgen.6 Umgekehrt müssen die Non-Executive Directors, die von außerhalb des Unternehmens kommen, sich ein Bild über die Entwicklung des Unternehmens und seiner Senior Manager machen und dafür Sorge tragen, dass die Interessen der wichtigsten Anspruchsgruppen (Stakeholder) gewahrt werden.

Von besonderer Bedeutung sind dabei die Eigentümer, denn eine Unternehmensleitung handelt im Auftrag der Eigentümer. Die Eigentümer treten nicht immer direkt gegenüber der Unternehmensleitung auf, sondern legen ihr Geld auch bei institutionellen Investoren an (z. B. Private Equity Fonds), die dann dieses Geld der Eigentümer als deren Agenten in Unternehmen investieren. Institutionelle Investoren sind in den letzten Jahren aufgrund des ihnen zur Verfügung stehenden investierten Kapitals sowie verbesserter Kooperationsmöglichkeiten zu großem Einfluss gelangt. Auch wenn sie keine Eigentümer im klassischen Sinne, sondern Agenten der Eigentümer sind, muss ihren Anliegen daher große Beachtung geschenkt werden.

BlackRock: »Fink for Future«

BlackRock, der weltweit größte unabhängige Vermögensverwalter, hat 7 Bio. USD angelegt. Bei Unternehmen wie Allianz, RWE, Siemens, Bayer oder BASF ist BlackRock der größte Einzelaktionär. Als wesentlicher Eigentümer ist BlackRock dazu übergegangen, Richtungswechsel in den Unternehmensstrategien und der Unternehmensentwicklung einzufordern. Vor dem Hintergrund eines wachsenden gesellschaftlichen Bewusstseins für Nachhaltigkeit und Klimarisiken (u. a. »Fridays for Future«) forderte BlackRock-CEO Larry Fink in seinem jährlichen CEO-Brief Anfang 2020 auch ein Umdenken auf Unternehmensseite ein: »Künftig werden wir Nachhaltigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Portfoliokonstruktion und unseres Risikomanagements machen. Wir werden uns von Anlagen trennen, die ein erhebliches Nachhaltigkeitsrisiko darstellen, wie zum Beispiel Wertpapiere von Kohleproduzenten. Wenn wir der Meinung sind, dass Unternehmen und ihre Führungsgremien keine aussagekräftigen Informationen zur Nachhaltigkeit bereitstellen und kein Rahmenwerk für den Umgang mit diesen Themen implementieren, werden wir die Unternehmensführung zur Rechenschaft ziehen.« Wird Fink den Worten nun Taten folgen lassen? Denn BlackRock ist noch stark engagiert in Unternehmen, die fossile Brennstoffe produzieren. Was bereits geschieht, ist, dass Druck auf die Führungsgremien ausgeübt wird. So erwartet man von den Unternehmen, in die man investiert ist, die Vorlage einer überzeugenden Nachhaltigkeitsstrategie. Wird diese innert einer gewissen Frist nicht offengelegt, würde man »… beispielsweise gegen die Wiederwahl des Verwaltungsrats stimmen.«, sagt Mirjam Staub-Bisang, CEO von BlackRock Schweiz.7 Dabei würde man sich auch genau die ESG-Faktoren anschauen.

Auch Agenten des Kapitalmarkts prägen stark die Wahrnehmung der Eigentümer, obgleich es sein kann, dass sie ganz andere Absichten verfolgen als die Eigentümer. So bewerten z. B. – [32]meist bei Banken beschäftigte – Analysten oder Ratingagenturen die Performance und Aussichten von Unternehmen.

Aber auch die Erwartungen anderer Anspruchsgruppen wie Kunden, Mitarbeiter, Aufsichtsbehörden oder Öffentlichkeit müssen für eine erfolgreiche Unternehmensführung bei den Leitungsgremien angemessen Gehör finden.

(2) Corporate Center: Es unterstützt das Board in seiner koordinierenden Arbeit und berichtet an das Executive Board. Räumlich ist es meist zusammen mit der Unternehmensleitung in einer Unternehmenszentrale (Corporate Headoffice/Headquarters) angesiedelt. Dabei nimmt es i. A. folgende Aufgaben wahr:8 (1) Erledigung der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen hoheitlichen Aufgaben (z. B. die Erstellung einer konsolidierten Bilanz); (2) Erfüllung von zentral(isiert) en Aufgaben (z. B. Corporate Finance oder Rechtsdienste); (3) Betreiben eigenständiger Shared-Services-Zentren (z. B. Immobilienmanagement) oder (4) Kompetenzzentren (z. B. Big Data Management). Mit den Center-Ansätzen ist ein wesentliches Dilemma verbunden. Es betrifft das Abwägen zwischen dem Nutzen aus der Zentralisierung (z. B. Kosteneinsparungen) und dem Verlust an Flexibilität und Lokalität (aufgrund der meist auch räumlichen Zentralisierung).

(3) Strategische Geschäftseinheiten: Aufgrund der strategischen Unterschiedlichkeit der Geschäfte eines MGUs (Wettbewerber, Kunden etc.) werden die Geschäfte normalerweise in eigenständigen strukturellen Einheiten, oft Divisionen genannt, geführt. Wir sprechen hier auch von strategischen Geschäftseinheiten (SGEs). Sie bilden die Dimension ab, nach denen ein Unternehmen in seine Geschäfte diversifiziert ist. So können sie z. B. nach Produktbereichen oder Marken strukturiert sein. In Großunternehmen sind die SGEs aufgrund einer vielleicht immer noch bestehenden strategischen Heterogenität noch weiter segmentiert. SGEs sind heutzutage meist für ihre Geschäftsstrategien eigenverantwortlich (Profit-and-Loss Center). Eine Herausforderung für den Leiter einer Division ist es, das Dilemma zwischen den divisionalen Geschäftsinteressen und den Interessen des Gesamtunternehmens zu handhaben.

UBS: Organisation und Struktur einer Großbank9

Oberstes Organ der Schweizer Großbank UBS ist die Generalversammlung der Aktionäre. Unter der Leitung seines Präsidenten entscheidet der Verwaltungsrat (VR) auf Empfehlung des Group Chief Executive Officer (Group CEO) über die Konzernstrategie, ist für die Überwachung des Managements verantwortlich und ernennt die Mitglieder der Konzernleitung. Der VR-Präsident hat den Vorsitz bei allen Generalversammlungen und arbeitet mit den Vorsitzenden der Ausschüsse (Committees) zusammen, um deren Arbeit zu koordinieren. Abbildung 1-2 verdeutlicht diese Struktur.

Der VR delegiert die operative Führung an die Konzernleitung, die – unter Leitung des Group CEO – die Steuerung des Konzerns und dessen Geschäft verantwortet. Somit ist die Konzernleitung auch für die Entwicklung der Strategien des Konzerns und der Unternehmensbereiche sowie die Umsetzung der genehmigten Strategien zuständig. Die Funktionen VR-Präsident und Group CEO sind im Fall der UBS auf zwei verschiedene Personen übertragen, um eine Gewaltentrennung zu gewährleisten.

[33]

Abb. 1-2 Die Organisation und Struktur der UBS

Die operative Struktur der UBS setzt sich aus den vier Regionen, vier Divisionen sowie dem Corporate Center zusammen. Das Corporate Center besteht aus (a) Services, (b) Group Asset and Liability Management (Group ALM) sowie (c) Non-core und Legacy Portfolio. Services beinhaltet (aa) konzernweite Kontrollfunktionen wie Finance, Risk Control (einschließlich Compliance) und Legal, (ab) sämtliche Logistik- und Supportfunktionen einschließlich Operations, IT, Human Resources, Regulatory Relations and Strategic Initiatives, Communications und Branding, Corporate Services, physische Sicherheit und Datensicherheit sowie (ac) Outsourcing, Nearshoring und Offshoring. Group ALM ist zentral verantwortlich für Liquiditätsmanagement, Finanzierung sowie Bilanz- und Kapitalbewirtschaftung. Non-core und Legacy Portfolio umfasst die Non-core-Aktivitäten und Legacy-Bestände, die vor der Restrukturierung der Investment Bank angehörten. Im Corporate Center arbeiten rund 20.000 Mitarbeiter.

Zusammenfassend kann ein MGU mit seinen wesentlichen strukturellen Elementen wie folgt charakterisiert werden:

Es ist diversifiziert in verschiedene Geschäfte (SGEs).Diese Geschäfte werden meist mittels einer multidivisionalen Organisationsstruktur geführt. Die Geschäftsverantwortung ist dabei normalerweise auf der Ebene der Geschäfte angesiedelt.Drei zentrale Akteure sind charakteristisch für ein MGU: Unternehmensleitung und Aufsichtsgremium, Corporate Center (SGEs).

1.1.2Das Corporate Management als Mittler

Formell wird das MGU durch das Corporate Management – auch »Corporate Parent« genannt10– gesteuert, das sich aus den drei zentralen Akteuren zusammensetzt: (1) Unternehmensleitung und Aufsichtsgremium, (2) Corporate Center sowie (3) die Leiter der SGEs. Seine wichtigste Auf[34]gabe ist es, einen Mehrwert zu schaffen, d. h., dass der Wert des MGUs größer ist als die Summe des Werts seiner SGEs (Sum-of-the-Parts).

Um einen solchen Mehrwert zu erzielen, entwickelt das Corporate Management eine Corporate Strategy und stellt für deren Umsetzung eine entsprechende Führungsorganisation (Corporate Organization) bereit. Einerseits muss es dabei die Interessen der Eigentümer und anderer externer Anspruchsgruppen wahrnehmen, andererseits geht es darum, den strategischen Absichten der Geschäfte gerecht zu werden, denn ohne erfolgreiche Geschäfte kann auch das Corporate Management nicht erfolgreich sein. Man kann also argumentieren, dass das Corporate Management als Mittler (Agent) zwischen den Interessen der Anspruchsgruppen (und dort insbesondere der Investoren) und den Intentionen und Möglichkeiten der Geschäfte agiert).11 Dazu ist eine stabile Interaktion mit den wichtigsten Stakeholdern aufzubauen, die über Dialogarenen zumindest zum Ziel hat, die Interessen und Erwartungen der Anspruchsgruppen in Erfahrung zu bringen und zu verstehen und die eigenen Entscheidungen zu kommunizieren. Aufgabe ist es hier, Vertrauen aufzubauen und Feedback aufzunehmen. Die Interaktion mit den Anspruchsgruppen kann aber auch weitreichender sein. So können sie z. B. in die Strategieentwicklung (Open Strategy) und in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen (Open Innovation) einbezogen werden.

Damit kann nun definiert werden, was wir unter der Funktion eines Corporate Managements verstehen: Das Corporate Management entwickelt den Gesamtplan für eine normativ geleitete strategische Entwicklung eines diversifizierten Unternehmens und stellt die dazugehörige Corporate Organization sicher.

Ein MGU sollte also niemals Selbstzweck sein. Vielmehr sollte sich ein Corporate Management seiner Nutzenversprechen gegenüber den verschiedenen Stakeholdern klar bewusst sein. Es sollte erklären können, warum es ihm mittels seiner Aktivitäten und Ressourcen möglich ist, einen Mehrwert für die Geschäfte zu realisieren, den diese alleine nicht realisieren könnten. Im Kern ist es die Frage nach dem Portfolio seiner Geschäfte und den damit verfolgten Motiven, den dabei anvisierten Synergien und den daraus erwarteten Wettbewerbsvorteilen auf der Corporate- und der Geschäftsebene.

Natürlich interessiert nun die Frage, ob es denn eine Art »Patentrezept« gibt, das dem Corporate Management vorgibt, wie eine überdurchschnittliche Performance bei einem MGU langfristig erzielt werden kann: Was sind die Ursachen, die es manchen MGUs ermöglichen, einen größeren Mehrwert zu generieren als andere? Folgt man Grant (2002, S. 90), dann scheint es darauf keine einfache Antwort zu geben: »Empirische Untersuchungen zeigen, dass es keine allgemein überlegenen Unternehmensstrategien gibt. Entscheidend ist, dass die Ressourcen und Fähigkeiten eines Unternehmens mit seiner Unternehmensstrategie, seiner Organisationsstruktur und seinen Managementsystemen in Einklang gebracht werden.«12

[35]Verfügt ein Corporate Management jedoch über eine Corporate Strategy, die mit wirtschaftlichem Erfolg verbunden ist, werden die Leitungen konkurrierender MGUs versuchen, diese Corporate Strategy zu imitieren. Je nachdem, wie gut sie imitierbar ist, diffundieren ihre Inhalte mit der Zeit zu den Konkurrenten und der Corporate-Wettbewerbsvorteil geht verloren. Ist sie nicht überzeugend und wertschaffend, so werden die Investoren den Druck auf das Corporate Management erhöhen, um einen Wechsel zu erzwingen. Entsprechend muss die Corporate Strategy durch das Corporate Management kontinuierlich weiterentwickelt, verfeinert und auch hinsichtlich ihrer zukünftigen Gültigkeit hinterfragt werden.

Amazon: Das Corporate Management ist gefordert

Amazon ist heute ein digitales Konglomerat. Während der Corona-Krise hat das Unternehmen nochmals einen gewaltigen Wachstumsschub erfahren, um der gestiegen Nachfrage nach Onlineversand gerecht zu werden: 175.000 zusätzliche Mitarbeiter wurden eingestellt, alle Mitarbeiter wurden mit 34 Mio. Handschuhen ausgestattet, 12 neue Frachtflugzeuge wurden zu den bestehenden 70 geleast etc. Eigentlich könnte sich Gründer und CEO Jeff Bezos zufrieden zurücklehnen. Doch von mehreren Seiten steht er immer mehr unter Druck: Erstens wird die Aufspaltung von Amazon gefordert. Diese Forderung bekam mit einem Tweet von Elan Musk von Tesla im Juni 2020 einen prominenten Fürsprecher: »Es ist an der Zeit, Amazon aufzuspalten. Monopole sind unrecht!«13 Es wird argumentiert, dass das Unternehmen inzwischen ein Monopolposition einnehme, weshalb man das Unternehmen aufspalten müsse. 2019 hatte Amazon einen Anteil von 40 % am US-amerikanischen E-Commerce und 6 % an allen Einzelhandelsumsätzen, was mit einem Monopol allerdings noch wenig zu tun hat.

Zweitens wird die Ausgliederung von AWS Amazon Web Services insbesondere von den Regulierungsbehörden gefordert, da auch viele Wettbewerber dort ihre Daten verwalten lassen. Doch AWS ist mit einem Umsatzanteil von 43 % und einer operativen Marge von ca. 20 % mit Abstand die Ertragsperle des Konzerns. Angesichts sinkender Margen im Onlinehandel würde man AWS sicher gerne im Konzern halten.

Und drittens hat die Konkurrenz im Onlinehandel massiv zugenommen. So haben etablierte Unternehmen erfolgreich eigene E-Commerce-Kanäle eingerichtet, es sind aber auch regionale Konkurrenten in allen Teilen der Welt entstanden. Die These »The winner takes it all« scheint nicht mehr gültig zu sein.

So sitzt Bezos mit seinem Corporate Management etwas zwischen den Stühlen, denn an einer Aufspaltung hat er vermutlich wenig Interesse.14 Zu seiner Verteidigung betont er auch immer wieder, dass Amazon mit einem Börsenwert von etwa 1,3 Bio. USD (Juni 2020) mehr wert sei als die Summe seiner Teile. Dies wurde aktuell durch die Ratingagentur Morningstar bestätigt.15 Dieser Mehrwert hat viele Quellen: Skalenvorteile, Verfügbarkeit und Nutzung von Transaktionsdaten oder Mitgliedschaften. »Prime« ist im Prinzip zu Amazons zentralem Nervensystem geworden, das alles im Unternehmen miteinander verbindet und gleichzeitig Amazon den Weg zur Expansion in neue Märkte ebnet. »Es kann kein eigenständiges Unternehmen sein, weil es vollständig in unser Verbraucherangebot eingebunden ist«, sagt Bezos.16 Kunden werden irgendwo in Amazons Ökosystem hineingezogen und dann dazu verführt, noch mehr Geld in anderen Bereichen auszugeben. Aber auch das Franchising der starken Marke Amazon ist wertgenerierend. So kann angenommen werden, dass ein Geschäft, das auf Amazons E-Commerce-Kerngeschäft aufbauen kann, deutlich mehr wert ist, als wenn es auf sich allein gestellt wäre.

[36]1.2Aufgabenfelder eines Corporate Managements

Hauptakteur im MGU ist das Corporate Management. Es wird daran gemessen werden, ob es in der Lage ist, den angesprochenen Mehrwert zu realisieren. Bei diesem Streben nach Mehrwert kann es sich einer ganzen Reihe wertsteigernder Aktivitäten bedienen. Basis seiner strategischen Überlegungen ist das Nutzenversprechen, das es gegenüber seinen wichtigsten Anspruchsgruppen abzugeben und einzulösen hat. Wir sprechen hier auch von der Stakeholder Value Proposition.

1.2.1Das Streben nach Mehrwert

Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es die primäre Aufgabe eines Corporate Managements, das MGU so zu führen, dass letztendlich der Wert des Unternehmens größer ist als die Summe des Werts seiner SGEs. Gelingt dies, dann wurde unter dem Strich ein Mehrwert geschaffen. Man spricht hier auch von einem Corporate Surplus (oder Conglomerate Surplus bzw. Diversification Surplus). Der Mehrwert generiert sich aus SGE-übergreifenden Aktivitäten, die durch die Corporate-Ebene angestoßen, begleitet oder durchgeführt werden. Auf längere Sicht gesehen muss dieser Mehrwert größer sein als die durch die Koordination des MGUs entstehenden Managementkosten. Das Corporate Management steht dabei vonseiten des Kapitalmarkts unter einem spezifischen Legitimationsdruck, denn es muss die Frage beantworten können, warum es für einen Investor besser sein soll, in das diversifizierte MGU zu investieren, anstatt in gleichartige fokussierte Einzelunternehmen. Liegt jedoch der Gesamtwert des Unternehmens unter dem Wert der Summe der Teile, so bezeichnen wir dies als Corporate Discount (oder Conglomerate Discount bzw. Diversification Discount).17Abbildung 1-3 veranschaulicht diesen Effekt.

Abb. 1-3 Das Corporate Surplus/der Corporate Discount

[37]Besonders in den europäischen und US-amerikanischen Kapitalmärkten besteht eine weitverbreitete Skepsis gegenüber MGUs, weshalb sie oft schon vorab mit einem sogenannten Konglomeratsabschlag belegt werden. Sie tun dies aus verschiedenen Gründen: (a) Fondmanager wollen ihr Portfolio selbst optimieren, d. h., sie bevorzugen »Pure Plays«, die sie nach ihrer gewünschten Sektorallokation optimieren; (b) sie bemängeln die schlechte Transparenz vieler MGUs, d. h., Segmentberichte können einen Geschäftsbericht nicht ersetzen (Holdingabschlag); (c) MGUs dulden oft lange Zeit »Wertvernichter« in ihrem Portfolio und subventionieren sie quer mit Erträgen aus den anderen Geschäften, wodurch es zu ineffizienten Ressourcenallokationen von erfolgreichen Geschäften zu weniger erfolgreichen Geschäften kommt; (d) MGUs sind aufgrund der vorherrschenden Sektorspezialisierung der Analysten und der Komplexität eines MGUs schwieriger zu beurteilen (sog. Analyst Mismatch); (e) manche Ausbildungsinstitute (z. B. CFA) schlagen einen Konglomeratsabschlag von bis zu 40 % vor; (f) es herrschen Zweifel an der Kompetenz und dem Willen der Unternehmensleitung, das MGU nachhaltig wertsteigernd zu führen.

Conglomerate Discount: Thesen und Hintergründe

Der Conglomerate Discount beruht auf der Annahme, dass Finanzmärkte Unternehmen für einen zu starken Diversifikationsgrad mit einem Abschlag auf ihren Aktienkurs belegen. Ein Indikator für einen solchen Conglomerate Discount ist die schlechtere Bewertung eines Unternehmens am Kapitalmarkt, obwohl seine Ergebnislage (z. B. EBIT-Marge) gleich gut ist wie die seiner Konkurrenten. Begründet wird dieser Abschlag damit, dass die Koordinations- und Kontrollkosten bei Überschreitung des optimalen Diversifikationsgrads exponentiell ansteigen.18 Darüber hinaus wird argumentiert, dass mit zunehmender Diversifikation das Ausmaß an Missallokationen bei der Ressourcenvergabe stark zunimmt (sog. Misallocation Hypothesis) und somit die Vorteile des internen Kapitalmarkts verschwinden.19 Eine weitere häufige Erklärung für den Conglomerate Discount sind die angeblich eingeschränkten zukünftigen Wachstumsmöglichkeiten von diversifizierten MGUs gegenüber fokussierten Einzelunternehmen.20

Kritisch betrachtet sind aber sowohl die Determinanten des Conglomerate Discounts als auch dessen eigentliche Existenz umstritten. Viele Studien kommen zu dem Ergebnis, dass diversifizierte Unternehmen mit einem signifikanten Abschlag gehandelt werden.21 Andere Studien haben hingegen gezeigt, dass Unternehmen teilweise schon vor der Entscheidung, zu diversifizieren, mit einem Abschlag auf ihren Börsenkurs gehandelt wurden.22 Wieder andere Studien zeigen, dass diversifizierende Unternehmen sich den Discount teilweise zusätzlich einkaufen, indem Objekte akquiriert werden, die schon mit einem Abschlag bewertet worden sind.23 Konträr zur Misallocation Hypothesis zeigen einige Studien aber auch, dass Diversifikation unter Umständen sogar wertsteigernd sein kann, weil man »Überinvestitionen« in das Kerngeschäft vermeidet.24

Diese Ergebnisse verdeutlichen auch, dass die Conglomerate-Discount-Diskussion und ihre methodische Untersuchung einem Endogenitätsproblem unterworfen sind: So mag es sein, dass nicht die Diversifikation zu schlechter Performance führt, sondern die schlechte Performance zur Diversifikation.25

Studien in diesem Bereich werden oftmals dafür kritisiert, dass sie mit einer verzerrten Grundgesamtheit von Unternehmen operieren und zudem Einschränkungen in der Datenqualität aufweisen – insbesondere im Hinblick auf die Validität des Reportings für die einzelnen Unternehmenssegmente (sog. Strategic-Accounting-Erklärung).26

Das Konzept des Corporate Discounts ist auch strittig, weil es stets auf mehr oder weniger präzisen Bewertungsmodellen beruht, die sehr sensitiv auf Veränderungen der ihnen unterliegenden Annahmen reagieren. Zum Beispiel sind die sogenannten Sum-of-the-Parts-Analysen, in denen der Wert der einzelnen Unternehmensteile dem Gesamtunternehmenswert an der Börse gegenübergestellt wird, [38]nur so gut oder schlecht wie die Schätzmodelle in Bezug auf zukünftige Cashflows der Stand-alone-Unternehmensteile außerhalb der Unternehmensgruppe. Dabei müssten sogenannte Cross-Selling-Potenziale, von denen der jeweilige Unternehmensteil als Teil der Unternehmensgruppe profitiert, herausgerechnet werden, was oftmals nur sehr schwer möglich ist.

Sowohl die potenziellen Ursachen als auch die eigentliche Existenz des Conglomerate Discount sind somit auch heute noch Gegenstand einer kontroversen Debatte sowohl in der Wissenschaft als auch der Unternehmenspraxis.27 Ähnlich wie bei der Frage nach dem optimalen Grad an Verbundenheit ist es wahrscheinlich, dass es auch in dieser Hinsicht nicht nur die eine Wahrheit geben wird. In Zukunft braucht es mehr Untersuchungen, die nicht nur den Diversifikationsgrad sowie die finanzielle Unternehmensperformance in die Überlegungen einschließen, sondern auch die Fähigkeit des Managements zur Steuerung einer Unternehmensgruppe.

Dass die Arbeit eines Corporate Managements positive Effekte auf die Performance eines MGUs haben kann, wurde in vielen Studien gezeigt.28 Man spricht hier auch vom »Corporate Effect«, der sich aus der gemeinsamen Nutzung bestimmter Ressourcen durch mehrere Geschäfte eines MGUs ergibt, die über eine gewisse Verwandtschaft untereinander verfügen.29 Doch sind bei Weitem nicht alle Corporate-Management-Teams in der Lage, ein »Corporate Surplus« zu erzielen. Der Normalfall ist eher das Gegenteil, ein »Corporate Discount«. Eine Studie der Boston Consulting Group zusammen mit der HHL Leipzig konnte zeigen, dass bei den im Jahr 2000 weltweit – über den Zeitraum von zwölf Jahren (1998–2009) – untersuchten diversifizierten Unternehmen im Durchschnitt ein Corporate Discount von 6 % bestand, also Wert vernichtet wurde. Bei einem Viertel der untersuchten Unternehmen belief sich der Corporate Discount sogar auf mindestens 49 %. Bei entsprechenden Rahmenbedingungen (Eigentümerstruktur, Satzung usw.) gefährdete sie dies für eine Übernahme. Umgekehrt gab es aber auch in der Stichprobe ein erfolgreiches Viertel an Unternehmen, das ein Corporate Surplus von mindestens 34 % zu erzielen vermochte.

Eine Anschlussstudie aus dem Jahr 2004 zeigt ein ähnliches Bild: Über den Zeitraum von 1990 bis 2012 betrug der Discount im Schnitt sogar 13,9 %. Dabei war er in keinem dieser Jahre weggefallen, oszillierte aber stark zwischen ca. 2 % und 21 %. Eine der wesentlichen Ursachen eines hohen Discounts war oft eine ineffiziente Kapitalallokation, bei der Investitionen anstatt nach dem zukünftigem Wertsteigerungspotenzial der Geschäfte nach deren Größe oder schlechter Performance verteilt werden.30

Damit wird deutlich, dass der Wille sowie die Fähigkeit eines Corporate Managements zur Erzielung eines Mehrwerts in MGUs offenbar in sehr unterschiedlichem Ausmaß vorhanden ist. Unterstützende Hinweise, dass dem so ist, lassen sich zur Genüge finden. So ist die Unterscheidung zwischen der Corporate- und der Business-Ebene in Europa zwar – zumindest oberflächlich – wohlbekannt, aber mit den praktischen Auswirkungen wird zu wenig konkret umgegangen. Die Führung hat oftmals Mühe, zwischen den Ebenen zu unterscheiden und ihr Fachwissen und ihre Managementkompetenz auf beiden Ebenen stufen- und interessenbezogen einzubringen und aufeinander abzustimmen. Sehr häufig ist z. B. bei vielen MGUs die Corporate Strategy nichts als eine Aggregation der Geschäftsstrategien, ohne auf spezifische Corporate-Ebene-[39]Fragestellungen einzugehen.31 Auch geht das Verständnis der Corporate-Ebene mit ihren Verknüpfungen und Synergien, in einem gesamtheitlichen, die Corporation betreffenden Sinne verstanden, oftmals verloren. Partikularinteressen dominieren dann das Verständnis.

Sollte nun das Corporate Management eines MGUs nicht in der Lage sein, ein Corporate Surplus zu realisieren, so gerät es in Gefahr, durch andere Unternehmen übernommen zu werden. Besteht ein signifikanter Corporate Discount, so ist die Kontrolle über dieses Unternehmen durch andere Investoren mit Blick auf die Einzelwerte der Geschäfte relativ günstig zu erhalten. Man bietet dazu den Aktionären für den Erwerb des Unternehmens eine attraktive Prämie auf den aktuellen Börsenkurs. Hat man die Kontrolle über das Unternehmen erworben, so wird es im Extremfall zerschlagen, die einzelnen Geschäfte werden optimiert und dann teilweise verkauft.

Diese Entwicklung wird durch einen zunehmenden Shareholder-Aktivismus verstärkt, der inzwischen zum europäischen Alltag geworden ist. Während früher Investoren im Falle von Unzufriedenheit mit dem Management mit ihrem Geld »stumm« weiterzogen, bleiben sie heute oft dann, wenn sie Wertsteigerungspotenziale sehen. Sie üben dann Einfluss auf das Topmanagement und dessen Strategie aus. In etwa zwei von drei Fällen gehen solche Attacken von Hedge-Fonds aus, die sich über eine kleine Beteiligung (meist zwischen 5 und 15 %) in eine Ausgangsposition gebracht haben, von der aus sie alleine oder in Kooperation mit anderen aktiven Investoren Einfluss ausüben können. In mehr als der Hälfte der Fälle, die in Europa stattgefunden haben, hatte der Aktivist zumindest teilweise auch den Sieg davongetragen.

Wie kann ein möglicherweise betroffenes Corporate Management mit dieser Form des Aktivismus umgehen? Folgende Schritte bieten sich an: (1) die eigene Verletzlichkeit in Form darauf hinweisender Frühwarnsignale genau analysieren; (2) zügige Beseitigung möglicher Angriffspunkte und (3) Ausarbeiten eines Vorbeugungsprogramms, um solchen Attacken zuvorzukommen, bzw. eines Reaktionsplans für den Fall einer Attacke (Defense Manual). Typische Frühwarnsignale sind (a) eine fehlende bzw. unklare strategische Ausrichtung des Gesamtunternehmens, (b) die Unterstellung eines Conglomerate Discount, (c) die Existenz besserer Eigentümer mit höherem Synergiepotenzial, (d) eine seit Längerem andauernde schlechtere Performance im Vergleich zu den Peers, (e) angespannte Beziehungen zu wichtigen Investoren, (f) zu große Cash-Bestände oder (g) ein relativ hohes Leverage-Potenzial für Finanzsponsoren.

Doch auch ein Corporate Surplus schützt nicht vor Übernahmen, denn es könnte andere Eigentümer und Managementteams geben, die mit den Ressourcen des MGUs ein noch höheres Corporate Surplus zu erzielen vermögen. In einem effizienten Kapitalmarkt sollte es deshalb oberstes Ziel eines Corporate Managements sein, sich als der beste mögliche Eigentümer seiner Geschäfte zu beweisen. Das heißt, dass das Corporate Management in der Lage sein muss, ein Corporate Premium zu realisieren. Das Corporate Premium ist die Differenz zwischen dem selbst erzielbaren Mehrwert und dem durch konkurrierende MGUs erzielbaren Mehrwert. Man vergleiche dazu die vereinfachte Darstellung in Abbildung 1-4. Dort wäre der Eigentümer 2 der bessere Eigentümer.

[40]

Abb. 1-4 Das Corporate Premium

Die Schaffung von Mehrwert für die Geschäfte ist streng genommen also nur die notwendige Bedingung für die Legitimation eines Corporate Managements. Die hinreichende Bedingung, um langfristig als legitimer Akteur gesehen zu werden, ist, dass man als Corporate Management in der Lage ist, einen größeren Nutzen für die Geschäfte zu erzielen als alle konkurrierenden Corporate-Management-Teams. Man spricht dann auch vom besten Eigentümer (»Clear best owner«). Ist dies nicht der Fall, sollte sich der derzeitige Besitzer die Frage stellen, ob er dieses Geschäft nicht besser verkaufen sollte. Tut er es nicht, besteht die Gefahr, dass er letztlich im Wettbewerb unterliegt, da seinem Wettbewerber wesentliche Vorteilspotenziale zur Verfügung stehen, die ihm selbst offensichtlich nicht zugänglich sind. Es geht hier also um einen relativen Wettbewerbsvorteil des Corporate Managements.

Wird einem MGU ein Corporate Discount unterstellt, so besteht also nicht nur Druck auf das Corporate Management, die Lücke zwischen dem Gesamtwert und der Summe der Einzelwerte zu schließen, sondern auch der Druck zu zeigen, dass das Unternehmen über seine strategische Weiterentwicklung in der Lage ist, ein Corporate Surplus bzw. sogar ein Corporate Premium zu generieren. Daran bemisst sich schlussendlich die Kompetenz eines Corporate Managements.

Wie nun ein solches Corporate Surplus oder sogar ein Corporate Premium erzielt werden kann, lässt sich aufgrund der Unterschiedlichkeit und Komplexität von MGUs nur fall- und situationsspezifisch beantworten. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es nicht basierend auf wissenschaftlichen und praktischen Einsichten möglich ist, die wichtigsten Wertsteigerungshebel zu identifizieren, um ein Corporate Surplus zu realisieren. Wie kann ein Corporate Management also durch die Nutzung ihm zur Verfügung stehender Wertsteigerungshebel einen Mehrwert zu dem leisten, was die Geschäfte bereits tun? Dieser Frage soll in Kapitel 2 gegangen werden.

[41]1.2.2Vom Nutzenversprechen zum Corporate-Wettbewerbsvorteil

Die interne Anspruchsgruppe, die für das Corporate Management von besonderer Bedeutung ist, sind die einzelnen Geschäfte der Gruppe. Ohne deren Unterstützung und Akzeptanz wird es zu keinem Mehrwert im MGU kommen.

Mittels eines Nutzenversprechens an die Geschäfte (Business Value Proposition) sollte klar gemacht werden, welchen Mehrwert die Corporate-Ebene für die einzelnen Geschäfte schaffen will. Es verspricht den Geschäften konkret wahrnehmbare und positive Ergebnisse wie z. B. Vorteile aus der gemeinsamen Nutzung einer Außendienstorganisation, aus synergetischem Wachstum, aus standardisierten Prozessen oder aus zentralisierten Funktionen. Eine realisierte Business Value Proposition stärkt somit die Position der Geschäfte in ihren jeweiligen Wettbewerbsumfeldern. Dabei muss immer auch erklärbar sein, warum das Corporate Management zu der mit dem Nutzenversprechen verbundenen Tätigkeit besser in der Lage sein soll als die jeweiligen Geschäfte. So sollte es einem Corporate Management also nicht nur um die Frage gehen, was die Geschäfte dem Corporate Management bringen, sondern auch darum, was das Corporate Management den Geschäften bringt.32

Mit einem Nutzenversprechen an die Geschäfte können auch Alleinstellungsmerkmale (Unique Selling Propositions [USPs]) verbunden sein, die dem Unternehmen zu einem Corporate-Wettbewerbsvorteil verhelfen. Dies ist ein Vorteil, den das MGU im Vergleich mit konkurrierenden MGUs bzw. seinen Hauptwettbewerbern, den Peers, zu erzielen vermag.

Wir gehen also davon aus, dass es – genauso wie auf der Ebene der Geschäfte – einen Wettbewerb auf der Ebene des Gesamtunternehmens gibt. So dürfte sich z. B. Siemens aus der Corporate-Perspektive im Wettbewerb mit ABB und General Electric (GE) sehen. Das heißt, auch auf dieser Ebene sucht ein Corporate Management nach Quellen für Einzigartigkeit. Dabei sind die Faktoren, über die die Differenzierung auf der Corporate-Ebene erfolgt, i. A. andere als die auf der Ebene der Geschäfte.

Danaher: Differenzierung durch Integrationskompetenz bei M&A

Wird die Wachstumsstrategie eines MGUs ausgeprägt über Akquisitionen durchgeführt, dann ist die Fähigkeit des Corporate Managements im Hinblick auf den Erwerb und die Integration von Unternehmen ein entscheidender Erfolgsfaktor. Da insbesondere die Fähigkeit zur Integration relativ selten ist, bietet sie Potenzial zur wirksamen Differenzierung gegenüber anderen »Corporate Parents«.

Danaher ist ein in den USA beheimateter, diversifizierter Konzern mit etwa 20 Mrd. USD Umsatz. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren über 400 Unternehmen in Bereichen wie Medizintechnik oder Messtechnik übernommen. Dabei akquirierte man um definierte strategische Wachstumsplattformen herum. So investierte Danaher in medizintechnische Akquisitionen wie z. B. die Dentalplattform mit den Dentaltechnikherstellern Kavo Dental (D/Biberach) und Sybron Dental (USA) im Zentrum. In Washington D. C. gibt es eine schlanke Konzernzentrale. Etwa 8 der 20 dortigen Mitarbeiter beschäftigen sich mit M&A, 12 weitere wirken vor Ort bei den Plattformen mit; 5 weitere sind in Europa und Asien tätig, um die dortigen M&A-Aktivitäten zu unterstützen. Die Integration der Akquisitionen [42]wird nach dem weitgehend standardisierten DBS (Danaher Business System) vorgenommen, über das man die akquirierten Unternehmen in einen ewigen Kreislauf der Veränderung und Verbesserung ihrer Geschäftsabläufe treibt. Dabei lässt man die Beteiligungen auch teilweise gegeneinander konkurrieren. Mit den Geschäftsleitungen werden strategische Meilensteine in der Umsetzung ihrer Strategien vereinbart, die dann auch kontrolliert werden.

Im Extremfall kann die Situation, dass ein MGU nicht der »beste Eigentümer« seiner Geschäfte ist, dazu führen, dass ein konkurrierendes Corporate Managementteam mittels einer Übernahme das bestehende Corporate Management aus seiner Position verdrängt. Um die Kontrollrechte zu erwerben, bietet es den Aktionären eine Prämie auf die aus seiner Sicht unterbewerteten Aktien des Unternehmens an. Die Prämie legitimiert es gegenüber den eigenen Investoren über die bislang noch nicht ausgeschöpften Wertsteigerungspotenziale.

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