Cowboy Love - Solange du mich hältst - Jessica Clare - E-Book
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Cowboy Love - Solange du mich hältst E-Book

Jessica Clare

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Beschreibung

Willkommen in Painted Barrel, Wyoming – dem malerischen Städtchen, in dem Herzen zueinanderfinden! Jason & Sage: Ein Soldat, der dringend Hilfe braucht, und ein junges Cowgirl, das ihm zeigt, wo es langgeht …

Endlich ist Jason Clement das Glück gewogen. Nach langer Suche konnte er einen Job als Helfer auf der Price Ranch in Wyoming ergattern. Dumm nur, dass der ehemalige Navy-Soldat noch nie ein Pferd gesattelt, geschweige denn geritten hat. Er braucht dringend einen Cowboy-Crashkurs – doch wo soll er nur anfangen?
Die quirlige Sage Cooper liebt ihre Heimat Painted Barrel über alles, aber nach dem Tod ihres Vaters fühlt sich die familieneigene Farm zu groß für sie an. Sage überlegt, allem den Rücken zu kehren und einen Neuanfang zu wagen. Doch dann stolpert ihr Jason vor die Nase und bittet sie um Hilfe – und liefert ihr ganz nebenbei einen attraktiven Grund, um vielleicht doch zu bleiben …

Die Wyoming-Cowboys-Reihe:
Band 1: Cowboy Love – Wo Herzen sich finden
Band 2: Cowboy Love – Bis wir uns wiedersehen
Band 3: Cowboy Love – Solange du mich hältst
Band 4: Cowboy Love – Wenn Träume wahr werden

Alle Bände können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Seitenzahl: 437

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Buch

Endlich ist Jason Clement das Glück gewogen. Nach langer Suche konnte er einen Job als Helfer auf der Price Ranch in Wyoming ergattern. Dumm nur, dass der ehemalige Navy-Soldat noch nie ein Pferd gesattelt, geschweige denn geritten hat. Er braucht dringend einen Cowboy-Crashkurs – doch wo soll er nur anfangen?

Die quirlige Sage Cooper liebt ihre Heimat Painted Barrel über alles, aber nach dem Tod ihres Vaters fühlt sich die familieneigene Farm zu groß für sie an. Sage überlegt, allem den Rücken zu kehren und einen Neuanfang zu wagen. Doch dann stolpert ihr Jason vor die Nase und bittet sie um Hilfe – und liefert ihr ganz nebenbei einen attraktiven Grund, um vielleicht doch zu bleiben …

Die Wyoming-Cowboys-Reihe bei Blanvalet:

Band 1: Cowboy Love – Wo Herzen sich finden

Band 2: Cowboy Love – Bis wir uns wiedersehen

Band 3: Cowboy Love – Solange du mich hältst

Band 4: Cowboy Love – Wenn Träume wahr werden

Alle Bände können unabhängig voneinander gelesen werden.

Autorin

Jessica Clare lebt mit ihrem Mann in Texas. Ihre freie Zeit verbringt die »New York Times«- und »USA Today«-Bestsellerautorin vor allem mit dem Verfassen prickelnder Liebesgeschichten. Wenn sie aber nicht gerade an ihrem Schreibtisch sitzt, macht sie es sich gern mit einem guten Buch bequem oder spielt Videospiele.

Besuchen Sie uns auch auf www.instagram.com/blanvalet.verlag und www.facebook.com/blanvalet.

Jessica Clare

Cowboy Love

Solange du mich hältst

Deutsch von Christiane Meyer

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »A Cowboy Under the Mistletoe (The Wyoming Cowboys Series Book 3)« bei Berkley, New York.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Copyright der Originalausgabe © Jessica Clare 2019

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2023 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Carina Heer

Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com (ysbrandcosijn, Bob, KaeC’s Images, outdoorsman, M. Arkhipov) und RNC/romancenovelcovers.com

JS · Herstellung: sam

Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss

ISBN 978-3-641-26948-7V002

www.blanvalet.de

Für Kristine!

Kapitel 1

Er war da.

Jason Clements lenkte seinen kleinen Pick-up den Schotterweg zur Price-Ranch hinauf. Das hier würde sein neues Zuhause und sein Arbeitsplatz werden. Auf das Haus warf er nur einen flüchtigen Blick. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Umgebung. Wyoming lag weit und offen vor ihm, und ihm gefiel das. In der Ferne ragten Berge auf, aber die Landschaft, in der die Ranch lag, war eher flach. Er empfand das als sehr beruhigend.

Denn hier gab es keine Verstecke, in denen ein Scharfschütze hätte lauern können.

Er mochte, was er sah: die schneebedeckte Erde, die mit Raureif überzogenen Bäume, die Berge mit den weißen Kappen, die sich am Horizont erhoben. Dazu die frische, kalte Luft. Das alles war sehr schön.

Dann erblickte er die Rinderherde. Und sofort wurde sein Mund trocken. So viele Tiere. Ein wirklich großer Viehbestand. Hier sollte er als Cowboy arbeiten?

Vielleicht war es doch keine so gute Idee.

Andererseits gab es für ihn nicht mehr so viele andere Möglichkeiten. Er parkte seinen Wagen auf der Zufahrt und dachte nach. Zuletzt hatte er als Automechaniker gearbeitet – bis ein Auto auf dem Parkplatz eine Fehlzündung gehabt hatte und er schwitzend in Deckung gegangen war. Seine Kollegen hatten ihn so verwundert gemustert, dass er, als er sich so weit beruhigt hatte, um wieder aufstehen zu können, den Dreck von seinen Klamotten geklopft hatte und einfach gegangen war. Er war nie mehr zurückgekehrt. Vorher hatte er als Lkw-Fahrer gejobbt, aber er hatte die langen Stunden in der beengten Fahrerkabine und die Übernachtungen im Motel gehasst. Er hatte sich nirgends sicher gefühlt. Und davor hatte er eine ganze Reihe von unbedeutenden Jobs angenommen, die er genauso schnell wieder losgeworden war, weil er die Vergangenheit nicht hinter sich lassen konnte.

In manchen angespannten Momenten war sein Kopf noch immer davon überzeugt, in Afghanistan zu sein, wo jener Hinterhalt alles verändert hatte. Und für gewöhnlich bedeuteten solche Momente für ihn das Ende von dem, was er gerade machte.

Doch hier war das Land weit und übersichtlich, und es gab kaum ausladende, mehrgeschossige Gebäude oder hohe Vorsprünge oder sonst etwas, das ihn nervös machte. Es war nur eine kleine Ranch mitten im Nirgendwo … und dazu Hunderte von riesigen Rindern.

Hunderte von riesigen Rindern, über die er eigentlich Bescheid wissen und mit denen er umgehen können sollte.

Während er die Herde betrachtete, kam ein Cowboy auf seinen Wagen zugelaufen. Der Mann trug eine Daunenweste über einem rot karierten Flanellhemd, dazu Jeans und Boots. Er sah definitiv eher nach einem Cowboy aus, als Jason es wohl jemals tun würde.

Aber Jason war hier. Er war den ganzen Tag und die Nacht hindurch gefahren, um hierherzugelangen. Jetzt konnte er seine Scharade ruhig durchziehen.

Der Cowboy nickte Jason zu, als der aus dem Fahrzeug stieg. »Sie müssen Jordys Cousin sein.«

»Genau. Jason Clements.« Er reichte dem Mann die Hand.

»Sie sind größer, als ich gedacht hätte.« Der Cowboy ergriff seine Hand und schüttelte sie kurz und kräftig. »Ich bin Eli. Jordy ist ein netter Kerl.«

Jordy war fast fünfundzwanzig und damit nur fünf Jahre jünger als Jason, doch er hatte noch eine Unschuld an sich, von der Jason hoffte, dass die Navy sie ihm nicht rauben würde. »Das ist er.«

»Die Männer, die er mir bisher empfohlen hat, konnten alle was«, sagte Eli. »Wir freuen uns, Sie bei uns willkommen heißen zu können. Kommen Sie mit hinein. Ich zeige Ihnen alles.«

Das war’s. Jasons Anspannung ließ ein Stück weit nach, und er folgte Eli, als der durch den Schnee zum Haus stapfte. Sein Herz zog sich zusammen, als ein Hund herausgelaufen kam, um schwanzwedelnd zu Eli zu stürmen. Das Tier hatte zwar keinerlei Ähnlichkeit mit seinem Schäferhund Truck, aber der Anblick versetzte ihm trotzdem einen schmerzhaften Stich. Er vermisste seinen Hund, der im letzten Jahr gestorben war, noch immer. Truck hätte es hier ganz bestimmt gefallen.

Als sie zur überdachten Veranda kamen, trat eine Frau mit langen dunklen Locken an die Tür. Sie hatte ein Baby auf dem Arm und warf Jason ein strahlendes Lächeln zu. »Sie müssen Jason sein. Ich bin Cass. Elis Frau und die Haushälterin auf der Ranch.« Sie ergriff eine pummelige Faust des Babys. »Und das hier ist Travis.«

»Nett, Sie beide kennenzulernen«, sagte Jason. Jordy hatte ihm schon von den Babys hier erzählt und ihn vorgewarnt. Anscheinend hatten zwei der drei Cowboys vor nicht allzu langer Zeit geheiratet und waren Väter geworden. Er würde sich also vermutlich viele Geschichten über Windelinhalte und dergleichen anhören müssen. Das machte ihm allerdings nichts aus. Solange er für sich bleiben konnte und ihn niemand aus der Ruhe brachte, war es für ihn vollkommen in Ordnung, sich den Windel-Talk anzuhören. Er lächelte sie an, doch sein Lächeln erstarb, als noch mehr Hunde an die Tür kamen und ihnen um die Beine wuselten.

Er hatte schlicht vergessen, sich nach Hunden zu erkundigen. Es war natürlich klar, dass sie Hunde hatten. In den wenigen YouTube-Videos, die er sich angesehen hatte, um sich auf die Arbeit auf einer Ranch vorzubereiten, waren auch Hütehunde zu sehen gewesen, die mitarbeiteten, die ausgebüxte Rinder zurück zur Herde trieben und die Raubtiere verjagten. Jason hätte allerdings nicht damit gerechnet, dass es auf der Price-Ranch so viele dieser Hunde geben könnte. Und er hätte auch nicht damit gerechnet, dass der Anblick der Tiere ihn so mitnehmen würde.

Er vermisste seinen Assistenzhund schrecklich. Truck war mehr als nur sein Begleiter gewesen, als er in das Alltagsleben hatte zurückfinden müssen. Der Hund war vielmehr ein Lebensretter gewesen. Er hatte gespürt, wenn Jason eine Panikattacke bekam, und hatte ihn vor Orten und Situationen bewahrt, die seine posttraumatische Belastungsstörung hätten triggern können. Ohne Truck an seiner Seite hatte er sich im letzten Jahr verloren gefühlt. Zuerst hatte er seinen toten Freund nicht ersetzen wollen, aber nach einigen Panikattacken und Jobs, die er aufgrund der Störung verloren hatte, hatte er sich nach einem neuen Assistenzhund erkundigt.

Truck war ihm von einer Stiftung geschenkt worden, als er die Diagnose »posttraumatische Belastungsstörung« bekommen hatte. Einen zweiten Assistenzhund bekam man allerdings nicht so einfach. Es hatte sich herausgestellt, dass so ein speziell ausgebildetes Tier mehrere zehntausend Dollar kostete und man mehr als ein Jahr lang auf einen solchen Hund warten musste. Er würde allein zurechtkommen müssen, bis er sich einen neuen Hund würde leisten können. Auch das war ein Grund dafür, warum er diesen Job so dringend brauchte.

Er rieb sich über den Mund und tat sein Bestes, um nicht zu sehr auf die Hunde zu achten, die bei seinem Anblick vor Freude mit den Schwänzen wedelten. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, was Eli sagte.

Wie es schien, lebten sie alle zusammen in dem geräumigen Haus. Als Jason Eli hineinfolgte, achtete er genau auf seine Umgebung. Trotz der Größe wirkte das Haus wie ein Blockhaus. Das rustikale Dekor und die gewebten Teppiche unterstrichen diesen Eindruck noch. Eine riesige karierte Couch und dazu passende Sessel bildeten den Mittelpunkt des Wohnraums. Ein gigantischer Weihnachtsbaum nahm die Zimmerecke gegenüber dem Kamin ein. Am Kaminsims hingen Socken. Im Hintergrund dudelte leise Weihnachtsmusik. Alles wirkte sehr heimelig und charmant. Trotzdem sah er sich zweimal sehr genau um, um sicherzugehen, dass es keine versteckten Ecken gab, keine Nischen, in denen ein Feind hätte lauern können.

Alte Gewohnheit.

Im Wohnbereich lernte er eine Frau mit leuchtend roten Haaren kennen, die auf den Namen Annie hörte und ebenfalls ein Baby auf dem Arm hatte. Auch um ihre Beine strichen einige Hunde herum. Ihr Ehemann Dustin war draußen, um sich um die Rinderherde zu kümmern. Ein weiterer Cowboy namens Old Clyde hatte mehr als vierzig Jahre auf der Ranch gelebt, ehe er im letzten Jahr seine große Liebe Hannah geheiratet hatte und nach Painted Barrel zu ihr gezogen war, um ihr mit ihrem Hotel zu helfen. Also würde er über den Winter mit Eli und Dustin sowie dem einen oder anderen Helfer aus dem Ort die Arbeit auf der Ranch allein erledigen.

Er nickte und bemühte sich, so zu wirken, als hätte er eine Ahnung, wovon die beiden sprachen. Währenddessen nagten das freundliche Lächeln der Frauen und der Anblick der Hunde an seinem Mut. Er vermied es, irgendjemandem in die Augen zu sehen, und hoffte und betete, dass sie ihm nicht anmerkten, dass er ihnen nicht die Wahrheit gesagt hatte.

»Also … Auf welcher Ranch haben Sie vorher gearbeitet?«, wollte Eli wissen.

Verdammt, er hatte geahnt, dass diese Frage kommen würde, doch er war trotzdem nicht darauf vorbereitet. »Quarter Circle in Kansas«, antwortete Jason. Es war eine Lüge. Er war auf seiner langen Fahrt hierher daran vorbeigekommen, und es schien ihm eine gute Antwort auf Elis Frage zu sein. In Wahrheit hatte er noch nie in seinem ganzen Leben auch nur einen Tag auf einer Ranch verbracht. Aber als Jordy ihn angerufen und ihm erzählt hatte, dass er zur Navy gehen würde, und ihn im gleichen Atemzug gefragt hatte, ob er jemanden kenne, der seinen Job übernehmen könnte, hatte Jason die Gelegenheit beim Schopf gepackt.

Gut, was seine Erfahrung auf dem Gebiet betraf, hatte er vielleicht etwas übertrieben.

Okay, nicht nur etwas, sondern sehr.

Doch bisher schienen die anderen seine Lüge nicht zu durchschauen. Eli knurrte leise, verschränkte die Arme vor der Brust und nickte. »Die kenne ich gar nicht. Wie groß ist ihr Bestand?«

Von Rindern? Jason dachte einen Moment lang über eine glaubhafte Antwort nach. »Tausend Stück.« Das klang seiner Meinung nach gut. Wie viele Rinder mochte eine Ranch so im Durchschnitt haben?

Als Eli die Augenbrauen hochzog, wusste er, dass er es vermasselt hatte. »Dann sollte der Job bei uns ja ein Kinderspiel für Sie sein«, war alles, was er darauf erwiderte. »Wir haben vierhundert Tiere.«

»Super«, sagte Jason und fühlte sich wie ein Betrüger.

Eli wies auf Jasons Bein. »Mir ist aufgefallen, dass Sie leicht hinken. Ist das ein Problem?«

Auf diesem Gebiet fühlte Jason sich seltsamerweise sicherer. Er rieb über seinen Oberschenkel. »Ich habe mir in einem Hinterhalt in Afghanistan fünf Kugeln eingefangen. Eine davon hat mein Kreuzband zerfetzt. Das Humpeln heißt aber nicht, dass das Bein nicht funktioniert.« Er lächelte, um sie zu beruhigen.

»Oh, mein Gott«, flüsterte Annie und drückte ihr Baby an sich. »Wie schrecklich. Danke für Ihren Einsatz.«

Er nickte und riss sich zusammen, um nicht zu den Hunden zu sehen, die in der Nähe beieinanderstanden und begierig um Aufmerksamkeit buhlten. »Meine alte Verwundung wird kein Problem darstellen. Versprochen. Ich werde so hart arbeiten, wie ich kann.«

»Da bin ich mir sicher«, erwiderte Eli. Er wies auf den Weihnachtsbaum in der Zimmerecke. »Die Feiertage stehen vor der Tür, und wir werden unterbesetzt sein. Annie und Dustin fahren in einer Woche nach LA, um Weihnachten mit der Familie zu verbringen, und Old Clyde wird seine Töchter besuchen. Das bedeutet, dass nur ich und Cass hier auf der Ranch bleiben … und Sie, falls Sie keine anderen Pläne haben.«

»Nein, keine Pläne«, sagte Jason. Seine Eltern und Brüder lebten an der Ostküste, doch sie wussten, dass er arbeiten musste. Er würde Karten verschicken und an den Feiertagen ein paar Anrufe erledigen, aber im Augenblick waren ein Job und Geld wichtiger als ein Weihnachtsfest mit der Familie.

Außerdem war er in der letzten Zeit so aufgewühlt und durcheinander gewesen, dass er sowieso nicht viel Lust verspürte zu feiern.

»Also gut.« Eli klatschte und rieb die Hände aneinander. »Genug geplaudert. Ich werde Sie mal in Ihr Zimmer bringen, und danach können wir aufsatteln, damit ich Ihnen die Ranch zeigen kann.«

Auf…satteln?

Jetzt? Arbeiten? Er war Soldat, hatte eine Kampfausbildung genossen, vom Krieg zerstörte Länder gesehen und dabei fast sein Leben verloren. Er hatte wirklich jede Menge Mist miterlebt. Und er hatte schwierige Entscheidungen treffen müssen.

Aber jetzt? Ihm brach der kalte Schweiß aus, wenn er daran dachte, auf ein Pferd steigen zu müssen.

»Ich kann gerade nicht«, platzte Jason heraus und tat so, als würde er die überraschten Gesichter der Frauen oder den kühlen, verschlossenen Ausdruck auf Elis Gesicht nicht bemerken. »Ich muss in der Stadt noch dringend etwas erledigen. Ich brauche bis Montag.«

Eli schwieg und musterte ihn unter der Krempe seines Cowboyhuts hervor.

»Oh, ich bin mir sicher, dass Montag auch in Ordnung ist«, sagte Cass und reichte ihrem Mann das Baby. »Ich zeige Ihnen mal das Haus und Ihr Zimmer. Wenn Sie Montag wiederkommen, ist das Bett frisch bezogen und alles vorbereitet.«

»Danke.« Am liebsten wäre er sofort verschwunden, doch er folgte Cass höflich durch das Haus. Sie zeigte ihm den Keller, die Küche, die sie sich alle teilten, den Wohnbereich (der schon weihnachtlich dekoriert war und den er bereits gesehen hatte), das Arbeitszimmer und natürlich die Schlafzimmer. Sein Schlafzimmer war mit einem Einzelbett ausgestattet, auf dem eine Tagesdecke lag. Außerdem stand noch eine alte Holzkommode im Zimmer, auf die man einen kleinen Fernseher gestellt hatte. Zu dem Zimmer gehörte ein eigenes Bad. »Das ist toll«, brachte er hervor. »Aber ich sollte jetzt gehen.«

»Dann sehen wir uns am Montag?«, vergewisserte sie sich freundlich.

»Ja, am Montag.« Er nickte ihr zu und ging zur Haustür. Er nickte auch Eli noch mal zu, der ihn ausdruckslos ansah. »Sie haben meine Nummer, falls etwas sein sollte. Ich bin am Montagmorgen wieder hier.«

»Gut«, sagte Eli schließlich.

Jason gelang es, das Haus zu verlassen und die Hunde und die Weihnachtsmusik hinter sich zu lassen. Er trat in die kalte Luft hinaus und atmete tief durch.

Ihm blieb Zeit bis Montag, um sich zu überlegen, was zum Teufel er jetzt tun sollte – denn er war sich nicht sicher, ob er das hier wirklich bringen konnte.

Cass schwieg, als der hochgewachsene schlanke Mann so schnell das Haus verließ, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Sie schwieg, bis der Truck aus der Zufahrt gerollt war und in Richtung Stadt davonfuhr. Schließlich wandte sie sich um und sah ihren Ehemann an, der ebenfalls keinen Ton gesagt hatte. Er hatte ihren Sohn auf dem Arm, der ihm mit seinen kleinen Händen im Gesicht herumtatschte. Der Ausdruck in Elis Augen ließ sich auf den ersten Blick nicht deuten.

Sie kannte ihren Mann jedoch. Und sie wusste, dass er, wenn er versuchte, nicht zu zeigen, was ihm durch den Kopf ging, besonders aufgewühlt war. »Das lief nicht so gut, oder?«

Eli schnaubte nur und hob das Baby hoch. »Eintausend Rinder, so ein Quatsch.«

Sie biss sich auf die Unterlippe. »Jordy meinte, er hätte Erfahrung. Aber so, wie er sich umgesehen hat …«

»Wenn der Mann weiß, wie man ein Pferd sattelt, fress ich meinen Hut.« Eli ergriff ein Händchen des Babys und tat so, als würde er es aufessen wollen. Travis quietschte vor Vergnügen. Cass’ Sorge schwand ein wenig. Sie lächelte, als Eli weitersprach – dieses Mal waren seine Worte an ihren kleinen Sohn gerichtet. »Er ist kein Cowboy, oder, Travis?«, gurrte er und antwortete sich selbst mit verstellter Stimme: »Nein, Sir, das ist er nicht. Nicht wie mein Daddy.«

Annie trat zu Cass und blickte sie besorgt an. »Ist euch aufgefallen, wie er die Hunde angesehen hat?«

»Nein. Wieso?« Cass war neugierig.

»Es war … irgendwie seltsam. Er hat sie gesehen und dann scheinbar die ganze Zeit versucht zu vermeiden, wieder einen Blick auf sie zu werfen. Und er hat sehr stark geschwitzt.« Als Tiertrainerin ging es Annie immer um das Wohlergehen der Hunde auf dem Hof. »Es muss einen Grund für sein Verhalten geben.«

»Er ist Veteran. Ich bin mir sicher, dass es viele Gründe gibt«, entgegnete Cass beschwichtigend. »Und ich kann mich daran erinnern, dass Jordy ebenfalls ein völliger Neuling war, als er hier anfing. Du hast ihn damals unter deine Fittiche genommen, Eli.«

»Er hat aber keinen Hehl daraus gemacht und uns nicht angelogen«, erwiderte Eli.

»Da hast du recht. Jordy hat allerdings gesagt, dass sein Cousin ein guter Mensch und vertrauenswürdig ist. Und ich glaube ihm das. Jordy ist zwar jung, doch er hat eine gute Menschenkenntnis.« Cass verschränkte die Arme vor der Brust. Sie war sich nicht sicher, warum sie Jason, den Neuankömmling, so vehement verteidigte. Vielleicht lag es daran, dass sie verhindern wollte, dass ihr Mann über den Winter die Arbeit von drei Cowboys erledigen musste und sich damit zweifelsohne überarbeiten würde. Vielleicht lag es auch daran, dass Jason Clements ihr so … allein vorgekommen war. Als würde er nach seinem Platz in der Welt und im Leben suchen – und immer wieder scheitern.

»Wir werden Jordy vertrauen«, erklärte Eli und reichte seiner Frau das Baby. Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Jason kann den Job haben. Aber ich werde ihn sehr genau im Blick behalten.«

Kapitel 2

Es gab wohl kein Fest, das Sage Cooper mehr liebte als Weihnachten. Weihnachten schien das Beste aus allen Menschen herauszuholen. Sie spendeten Geld für Unbekannte. Sie beschenkten einander. Sie sangen Lieder, feierten Feste und gaben Geld aus, das sie nicht hatten, um das Gesicht eines Kindes vor dem Tannenbaum leuchten zu sehen. Es war die Zeit im Jahr, die die Menschen so zusammenbrachte wie keine andere. Sie liebte die Weihnachtszeit und sie liebte den Gemeinschaftssinn.

Vielleicht war das der Grund, warum sie sich an diesem Weihnachten besonders viel Mühe gab – weil es das letzte Weihnachtsfest wäre, das sie in der Gemeinde von Painted Barrel feiern würde.

Sie wollte ihr Bestes geben, damit alle hier die Zeit in vollen Zügen genießen könnten. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass ein Großteil der Weihnachtsdekoration als Papierbögen und nicht fertig ausgestanzt geliefert werden würde … Es war zu spät, um noch etwas anderes zu bestellen. Und so saß sie an ihrem freien Tag auf einem Hocker hinter dem Tresen und drückte Schneeflocke um Schneeflocke aus einem Bogen Tonpapier.

Irgendjemand musste es schließlich tun.

Eigentlich machte es ihr nichts aus. Immerhin war es nicht so, als würde zu Hause eine Familie auf sie warten oder als müsste sie noch dringend Weihnachtsgeschenke besorgen. Was, wenn man darüber nachdachte, ziemlich deprimierend war. Also schob sie den Gedanken eilig beiseite und widmete sich lieber wieder ihren Schneeflocken.

»Ich hätte wissen müssen, dass ich dich hier finde«, erklang eine fröhliche Stimme. »Dir ist schon klar, dass heute Samstag ist, oder?«

Sage blickte hoch und lächelte ihren Freund aus Kindertagen (und ehemaligen Schwarm) Greg Wallace herzlich an. »Ach, das ist mir schon klar. Aber das hier muss ja gemacht werden, und mir macht es nichts aus.«

»Das ist ja immer so.« Greg schlenderte durch das kleine Büro zum Tresen. Er nahm eine der Schneeflocken in die Hand, betrachtete sie und ließ sie wieder auf den Tresen fallen. »Süß.«

»Danke. Wo ist Becca?«

Er grinste sie an. Früher einmal hatte ihr Herz beim Anblick dieses Lächelns vor Sehnsucht wie wild zu pochen begonnen. Sie war so verknallt in Greg gewesen wie in keinen anderen je zuvor. Ihre erste Erinnerung an ihn ging bis in die vierte Klasse zurück, als ihm die Zahnspange entfernt worden war und er sie zum ersten Mal strahlend angelächelt hatte. Vielleicht hatte damals alles begonnen, doch in ihrem Abschlussjahr auf der Highschool war es richtig schlimm geworden. Praktisch ihr ganzes Erwachsenenleben hindurch war sie bis über beide Ohren in Greg Wallace verschossen gewesen. Er hatte hellblondes Haar und ein hübsches Gesicht. Aber was sie am meisten an ihm liebte, war seine Persönlichkeit. Sie hatte davon geträumt, ihn zu heiraten. Sie hatte ihre Namen auf Notizzettel gekritzelt und Liebesbriefe an ihn geschrieben. Eines Tages, da war sie sich sicher gewesen, würde er sie schon bemerken.

Doch stattdessen hatte er sich mit jedem Mädchen aus Painted Barrel getroffen außer mit ihr. Inzwischen war er mit Becca Loftis verlobt. Sie war die einzige Friseurin in dem winzigen Örtchen und der netteste Mensch der Welt. Wie also hätte sie deshalb traurig sein können? Sie war mit Becca befreundet, sie war mit Greg befreundet und sie freute sich aufrichtig für die beiden.

Und auch wenn Greg und Becca mittlerweile seit über fünf Jahren verlobt waren und Sage zwischenzeitlich gedacht hatte, dass Greg Becca gar nicht wirklich heiraten wollte, hatte sie ihre Schwärmerei für Greg doch längst überwunden.

Das hieß allerdings nicht, dass sie sich nicht freute, Greg zu sehen.

Er zuckte mit den Schultern, nahm noch eine Schneeflocke in die Hand und lehnte sich gegen den Tresen. »Sie arbeitet am Samstagvormittag. Irgendjemand hatte einen Schönheitsnotfall, und Becca kümmert sich darum, obwohl wir eigentlich etwas anderes vorhatten.« Er rollte mit den Augen. »Was hast du so vor?«

»Das hier.« Sage wies auf die Schneeflocken, die verstreut vor ihr lagen. »Nächste Woche ist die Weihnachtsfeier, und ich kann mit den Vorbereitungen nicht bis zur letzten Sekunde warten. Heute erledige ich die Sache mit der Dekoration und den Flyern und von Montag bis Mittwoch organisiere ich das Essen, putze den Tagungsraum und schaue, was noch gemacht werden muss.« Sie nahm ihm die Schneeflocke aus der Hand, ehe er sie noch zerknickte. »Lass das liegen.«

»Wir sind anscheinend alle in Festtagslaune.« Er betrachtete den Haarreif mit dem Geweih, den sie auf dem Kopf trug, und den blinkenden Rentier-Pullover. »Ich habe keine Ahnung, wo du solche Sachen findest, aber sie sind echt abscheulich.«

Sie lachte nur. Ihr war klar, dass ihr Outfit nicht sonderlich hübsch aussah, doch die Sachen erregten Aufmerksamkeit und wirkten wie ein Eisbrecher – und in letzter Zeit fühlte Sage sich so einsam, dass sie alles getan hätte, um mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. »Du kennst mich. Ich liebe Weihnachten. Wie laufen die Hochzeitsvorbereitungen?«

Greg und Becca würden in zwei Wochen endlich vor den Altar treten.

»Toll«, sagte Greg und strahlte sie an. »Kommst du zum Probeabendessen?«

»Das lasse ich mir auf keinen Fall entgehen.«

»Bringst du jemanden mit?« Bevor sie antworten konnte, lachte er leise. »Moment, ich habe vergessen, mit wem ich hier gerade rede. Sage Cooper. Sie trifft sich nie mit Männern!«

Das Lächeln gefror ihr auf dem Gesicht. »Stimmt. Ich werde wohl allein erscheinen.«

Sie war sich sicher, dass Greg ihre Gefühle nicht hatte verletzen wollen, doch die Bemerkung hatte ihr einen schmerzhaften Stich versetzt. Es war in Painted Barrel bekannt, dass sie keine Dates hatte. Keiner der jungen Männer im Ort war je an Sage interessiert gewesen. Sie war für alle eher die fröhliche kleine Schwester mit den süßen Grübchen – nicht die umwerfende Frau, mit der jeder Mann zusammen sein wollte. Sie ging zu Softballspielen und hatte ihren Spaß mit den anderen beim Paintball. Sie ging mit den Jungen auf die Jagd. Sie war die Erste, die als Jugendliche eine PlayStation besessen hatte, und alle hatten bei ihr zu Hause abgehangen. Sie war immer mit den Jungen befreundet gewesen – nie mehr.

Und mit neunundzwanzig hatte sich daran nichts geändert. Selbst auf ihre Dating-Profile bei vier verschiedenen Dating-Apps, bei denen sie sich angemeldet hatte, meldete sich niemand. Sie war ein Männerschreck. Sie sahen ihren Namen und flüchteten.

Das war noch ein Grund, warum sie wegziehen wollte.

»Es macht nichts, wenn du allein aufkreuzt«, zog Greg sie auf. Noch immer lächelte er strahlend. »Ich werde allen erzählen, dass du noch immer nach mir schmachtest.«

Sie lachte, denn es lag gar nicht in ihrer Natur, so offen nach jemandem zu schmachten, und sie freute sich wirklich aufrichtig für ihn und Becca. »Mach das.«

Greg lachte leise. Er sah ihr zu, während sie eine weitere Schneeflocke aus dem Bogen drückte. »Ich hätte es fast vergessen … Das ist dein letztes Weihnachtsfest in Painted Barrel, oder?«

»Das letzte«, bestätigte sie gut gelaunt. »Im Frühjahr verkaufe ich Dads Ranch. Die meisten Tiere sind schon weg, und ich muss vor dem Umzug nur noch aufräumen.«

»Wohin willst du ziehen?«

Sie hatte echt keine Ahnung. Auf jeden Fall in eine Stadt, in der es mehr Singlemänner gab als in Painted Barrel, Wyoming, mit seinen insgesamt zweihundert Einwohnern. Sage zuckte die Achseln. »Vielleicht nach Casper. Oder vielleicht in Richtung Osten. Ich wollte schon immer mal nach New York City.«

Greg wurde bleich vor Schreck. »Warum? Dir würden die Berge und die frische Luft hier fehlen.« Er stützte sich wieder auf dem Tresen ab. »Und du würdest mich vermissen.«

Dieser Typ flirtete wirklich für sein Leben gern. Sie wusste, dass er sich nichts dabei dachte, also warf sie ihm nur ein schiefes Lächeln zu. »Ich würde dich vermissen. Ich würde alle meine Freunde vermissen.«

»Deine besten Freunde«, korrigierte er sie und grinste. »Ich und Becca würden dich auch vermissen.«

Und noch ein Grund, um fortzugehen. Abwesend lächelte Sage ihn an und widmete sich wieder der Weihnachtsdeko. »Was wolltest du eigentlich hier?«

»Oh, ich bin nur gekommen, weil meine Post vorbereitet, frankiert und abgeschickt werden muss.« Er zuckte mit den Schultern und zog einen dicken Stapel Papiere hervor. »Werbeflyer, verstehst du?«

Sie verstand. Er tat sein Bestes, um seine Immobilienfirma zum Laufen zu bringen und erfolgreich zu machen, aber in diesem Teil Wyomings war kaum Umsatz mit Immobilien zu machen. Schon früher hatte sie ihm mit seinen Werbeflyern geholfen. »Ich bin noch länger hier. Lass die Sachen einfach hier liegen.«

Er warf ihr einen dankbaren Blick zu und schob die Flyer über den Tresen. »Du weißt, dass ich das zu schätzen weiß, Sage.«

»Oh, das weiß ich«, entgegnete sie lächelnd. Er war ihr dankbar – doch er liebte sie nicht. Und sie war es so leid, immer nur die beste Freundin von allen zu sein. Also würde sie definitiv im Frühling fortziehen.

Greg blieb und plauderte noch etwas mit ihr, aber es war klar, dass er nur die Zeit totschlagen wollte, bis Becca mit der Arbeit fertig war. Als die Friseurin schließlich den Kopf durch die Tür steckte, klopfte Greg zum Abschied noch einmal auf den Tresen und zeigte auf Sage. »Machst du die Briefe dann noch für mich fertig?«

»Das mache ich. Es ist allerdings Samstag. Die Post wird wohl erst am Montag abgeholt.«

»Ich habe gehört, dass die Post in Casper noch länger arbeitet – wegen der Feiertage. Meinst du, du könntest die Briefe vor dem Feierabend noch dort abliefern, damit die Flyer gleich am Montag ausgetragen werden statt erst im Laufe der Woche irgendwann?« Er warf ihr einen flehentlichen Blick zu. »Ich würde es ja selbst machen, aber ich und Becca müssen noch die Hochzeit vorbereiten.«

Sie sollte heute noch ganz nach Casper fahren? Sie zögerte, doch bei dem Dackelblick, mit dem er sie ansah, brachte sie es einfach nicht übers Herz, Nein zu sagen. Seufzend nickte sie schließlich. »Wenn ich in die Richtung fahre, nehme ich die Post mit.« Damit wandte sie sich den Flyern zu. Sie musste sich jetzt sofort darum kümmern, wenn sie sie noch rechtzeitig, bevor die Post zumachte, nach Casper bringen wollte.

Greg zwinkerte ihr zu und eilte hinaus. Leise entschuldigte er sich bei seiner Verlobten.

Und dann war Sage mit ihren Schneeflocken und Gregs Arbeit allein. Sie betrachtete einen der Werbeflyer, auf dem zu lesen war, wie erfolgreich Greg eine Farm in der Nähe verkauft hatte, und zuckte innerlich zusammen, als sie gleich auf der ersten Seite einen Tippfehler entdeckte. Vielleicht könnte sie den überflüssigen Apostroph ja mit einem schwarzen Aufkleber abdecken …

Greg konnte sich wirklich glücklich schätzen, eine Freundin wie sie zu haben.

Bei dem Gedanken fühlte Sage sich unsagbar einsam. Sie nahm ihr Handy und scrollte durch ihre Dating-Apps. Keine Treffer. Nur seltsame Nachrichten, die sie von alten Männern bekam, die Nacktbilder von ihr wollten. Nein danke. Sie sah sich eine App nach der anderen an – vergeblich. Sage Cooper war wirklich ein Männerschreck.

Mit einem tiefen Seufzen warf sie das Handy zurück auf den Tresen und schnappte sich Gregs Flyer. In New York City würde alles anders werden. Also, wahrscheinlich.

Es war Dezember, und Jason schwitzte.

Er stapfte den verschneiten Gehsteig an der Hauptstraße von Painted Barrel entlang. Seine gesamte Aufmerksamkeit war auf die hübschen Gebäude gerichtet, die an der Straße standen.

Es waren sechs Jahre vergangen, seit er aus Afghanistan zurückgekehrt war. Er hätte schwören können, dass es ihm schon besser ging. Doch weil es ein stürmischer Winter und die Stadt klein war, war es draußen ruhig.

Zu ruhig.

Niemand kam aus dem Souvenirshop auf der anderen Straßenseite oder ging in das Hotel. Die Tankstelle am Ende der Straße – die einzige in der Stadt – war menschenleer und verlassen. Die Lichter brannten, und er konnte den Angestellten sehen, der am Tresen saß und eine Zeitschrift las. Painted Barrel besaß eine Bar, die gleichzeitig ein Restaurant war, aber weil es Nachmittag war, war sie geschlossen. Niemand war unterwegs. Es kam ihm vor, als wäre der ganze Ort wie ausgestorben – trotz der festlichen Kränze, die an den Türen hingen.

Er schwitzte immer stärker. Jason spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Adrenalin schoss durch seinen Körper. Der Himmel über ihm war strahlend blau, obwohl Schnee lag, und alles war ruhig. Zu ruhig.

Ruhig war nicht gut.

Es erinnerte ihn an den Tag, als alles passiert war. Damals war er in einem Dorf in der Nähe von Kabul unterwegs gewesen, als ein Schütze das Feuer eröffnet, seinen Kumpel getötet, ihn selbst fünfmal getroffen und ihm fast das Leben genommen hatte.

Seitdem hatte er ein Problem damit, sich an ruhigen, scheinbar verlassenen Orten frei zu bewegen. Kleine Städte machten ihm ebenfalls Angst.

Dann ist es ja eine brillante Idee, einen Job als Cowboy anzunehmen. Er konnte Kirks Stimme in seinem Kopf hören, auch wenn Kirk bereits seit sechs Jahren tot war. Verdammt, vielleicht war es eine blöde Idee, doch Jason glaubte wirklich, dass er seine Probleme im Laufe der Zeit in den Griff bekommen und hier zurechtkommen konnte. Selbst nach dem Tod seines Assistenzhundes Truck hoffte er noch darauf, dass sich alles wieder zum Guten wenden würde. Dass irgendwann einfach der Knoten platzen, dass er eines Morgens aufwachen und wieder »normal« sein würde.

Anscheinend nicht.

Der Schweiß rann ihm den Körper hinunter. Sein Überlebensinstinkt setzte ein. Er musste einen Unterschlupf, ein Versteck finden. Schutz. Irgendwo. Er musste von der freien Fläche weg. Und zwar schnell. Er begann zu laufen. Keuchend hastete Jason den Gehsteig entlang und probierte die erste Tür aus, an der er vorbeikam. Verschlossen. Mit einem frustrierten Knurren rannte er weiter. Als die zweite Tür sich öffnen ließ, stürmte er in das Gebäude.

Die Wärme im Inneren des Hauses traf ihn wie ein Schlag, als er hineinstürzte. Mit den nassen Sohlen seiner Stiefel fand er auf den Fliesen im Eingangsbereich keinen Halt und schlitterte ungebremst gegen eine Wand. Dort blieb er einen Moment lang stehen und versuchte, sich zu beruhigen. Langsam ließ er sich auf den Boden sinken. Der Drang, sich hinzukauern, zusammenzurollen, zu verstecken, war beinahe überwältigend.

Er wollte Schutz suchen. Deckung.

Irgendjemand räusperte sich geräuschvoll. »Hi, kann ich Ihnen behilflich sein?«

Jason schloss die Augen. Im Moment wusste er nicht, wo er sich befand, aber er war sich ziemlich sicher, dass er gerade einiges Aufsehen erregt hatte. Und da Painted Barrel ein winziges Nest war – mit einer sehr, sehr überschaubaren Einwohnerzahl –, würde mit Sicherheit in weniger als vierundzwanzig Stunden jeder hier Bescheid wissen. Das war nicht gut. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass sein neuer Arbeitgeber erfuhr, dass er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litt.

Toll. Einfach toll.

»Wollen Sie … ein Buch zurückbringen?« Die Stimme klang leise, freundlich. Weich.

Er öffnete ein Auge und zwang seinen Pulsschlag, langsamer zu gehen. »Ich brauche noch eine Minute.«

»Lassen Sie sich alle Zeit, die Sie benötigen«, entgegnete die Frau. »Sagen Sie Bescheid, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann.«

Und das war’s. Mehr sagte sie nicht.

Hm. Das war nicht die normale Reaktion auf eine seiner Attacken. Die Leute bekamen Angst vor ihm, wenn er so war – denn sie gingen davon aus, dass es, wenn ein fast zwei Meter großer Mann die Nerven verlor, auch einen triftigen Grund dafür geben musste, die Nerven zu verlieren. Wegen seiner Größe ging Jason nicht in der Menge unter. Wenn er also die Kontrolle verlor und eine Panikattacke bekam, bemerkten es alle.

Er war dankbar dafür, dass die Frau ihn in Ruhe ließ. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und versuchte, sich zu sammeln, wieder in die Realität zurückzufinden. Niemand schoss auf ihn. In den Fenstern der anderen Gebäude waren keine versteckten Heckenschützen zu entdecken. Es war so ruhig, weil es einfach ruhig war – und nicht, weil irgendjemand in einem Hinterhalt lauerte, um ihn anzugreifen.

Also konzentrierte er sich auf Bewältigungsmechanismen und wünschte sich einmal mehr, Truck an seiner Seite zu haben, damit der Hund ihn beruhigte, tröstete. Er zwang sich, sich umzusehen. Die Wände waren mit Holz vertäfelt. Nützliche Metallstühle – zwei Stück – standen ihm gegenüber. Der Raum an sich war klein, und an der Seite standen einige Regale mit Büchern, die alle so aussahen, als wären sie zwanzig Jahre alt und schon oft gelesen worden. In einer anderen Ecke befanden sich ein Computer, vor dem ein unbequemer Stuhl stand, und ein einsamer Tresen. Hinter diesem Tresen erblickte er eine Reihe von Postfächern aus Metall und eine Frau.

Eine Frau, die einen ziemlich hässlichen Weihnachtspulli und einen Haarreif in Form eines Rentier-Geweihs aus Plüsch trug.

Sie lächelte ihn an, als sie bemerkte, dass er sie ansah. »Immer mit der Ruhe. Sie sind nicht der Erste, der hier reinkommt und beim Gedanken an seine unbezahlten Rechnungen in Schweiß ausbricht.« Und sie zwinkerte ihm zu, als wäre das nicht das Lächerlichste, was man in dieser Situation hätte sagen können.

Er lachte und klang dabei nervös. »Ich bin nicht wegen einer unbezahlten Rechnung hier.«

»Dann geht es um Mahngebühren wegen eines ausgeliehenen Buchs?« Sie sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

Jason ertappte sich dabei, dass er wieder lachte. Er nahm seine Baseballkappe ab – die vom Schweiß feucht und kalt war – und fuhr sich mit gespreizten Fingern durch das militärisch kurz geschnittene Haar. »Ist das hier denn die Bibliothek?«

»Sie sind im Rathaus von Painted Barrel, Wyoming«, erklärte sie in einem Tonfall, in dem eine Mischung aus Stolz und Ironie mitschwang. »Wir kümmern uns um die Wasserrechnungen der Bürger. Und um die Post. Und hier befindet sich die Bibliothek.« Sie wies auf die traurigen Regale mit den alten Büchern. »Und das Ordnungsamt – Bereich Tierschutz. Ich muss Sie allerdings warnen: Wenn es um ein Tier geht, das größer ist als ein streunender Hund, brauche ich Hilfe, um es einzufangen.«

Überrascht starrte er die Frau an. Zum ersten Mal sah er sie wirklich – also bis auf den hässlichen Pulli und den Haarreif. Sie war ungefähr in seinem Alter oder ein paar Jahre jünger. Ihr goldbraunes Haar hing ihr über die Schultern. Sie hatte ein rundes Gesicht. Grübchen. Wundervolle Augen, ein wundervolles Lächeln und einen herzlichen Gesichtsausdruck.

Er mochte sie sofort. Und er mochte sie noch mehr, weil sie sich nicht so verhalten hatte, als wäre er ein gefährlicher Irrer. »Sind Sie die Bürgermeisterin?«

»Ich bin Angestellte der Stadt«, erwiderte sie, machte einen Schritt zur Seite und ergriff die Kaffeekanne, die dort stand. Sie schenkte Kaffee in einen Becher, trat dann hinter dem Tresen hervor und näherte sich ihm, um ihm den Kaffee zu bringen. Während sie auf ihn zuging, fiel ihm auf, dass ihr Pulli zwar grässlich und unförmig war, dass ihre Beine jedoch wohlgeformt waren. Sie hatte einen tollen Hintern. Sie sah nicht wie die Frauen aus, mit denen er sich für gewöhnlich verabredete, doch es gefiel ihm, dass sie anders war. Sie wirkte nicht wie eine Frau, die ausgehen und sich betrinken wollte – sie wirkte wie ein Mensch, der sich auch gern mal einen Abend auf der Couch gönnte und damit glücklich und zufrieden war.

Und das gefiel ihm am allermeisten.

»Wie ist Ihr Name, Angestellte der Stadt?«

»Sage. Wie Salbei, das Kraut«, erklärte sie, ging neben ihm in die Hocke und reichte ihm den Becher. »Wenn Sie kein Koffein wollen, kann ich Ihnen auch schnell einen koffeinfreien Kaffee kochen.«

Er nahm den Becher und trank ihn zur Hälfte aus, ehe er darüber nachdenken konnte. Er fühlte sich mit jeder Minute, die verstrich, etwas besser, und Sage-wie-das-Kraut war eine willkommene, eine tolle Ablenkung von seiner Angst. Sie war hübsch, sie war nett und sie hatte offensichtlich Sinn für Humor. »Bieten Sie allen Leuten, die hierherkommen, um ihre Rechnungen zu bezahlen, Kaffee an?«

»Im Winter muss ich manchmal noch einen Schuss von etwas Stärkerem hinzugeben – vor allem, wenn die Leute erfahren, wie hoch ihre Heizkostenrechnung ist.« Sie zwinkerte ihm wieder zu und erhob sich. »War nur ein Spaß. Ich biete nicht jedem einen Kaffee an. Sie sahen nur so aus, als könnten Sie etwas zu trinken vertragen.« Sie legte den Kopf leicht schräg und musterte ihn. »Und Sie müssen … Jason Clements sein, stimmt’s? Jordys Cousin?«

Jason erstarrte. Das gute Gefühl war mit einem Mal wie weggeblasen. »Warum? Weil ich hier völlig derangiert und durcheinander reingestürmt bin?« Sein Ton klang aggressiv und vorwurfsvoll. »Geht das Gerücht schon in der Stadt herum?«

Sie riss die großen braunen Augen auf. »Nein«, entgegnete sie sanft. »Weil Sie nicht wissen, wer ich bin. Painted Barrel ist ein kleines Nest. Und wir haben hier nicht viele neu Zugezogene – vor allem nicht im Winter. Sobald es einmal etwas stärker schneit, ist die Passstraße dicht. Deshalb erkennen wir die Leute, die neu in der Gegend sind. Außerdem meinte Jordy, dass sein Cousin demnächst auf einer Ranch arbeiten würde und dass besagter Cousin ziemlich groß wäre.« Sie lächelte wieder, wenn auch etwas zögerlich, zurückhaltend.

Er kam sich wie der letzte Arsch vor. »Tut mir leid. Ich bin heute etwas neben der Spur.« Er hatte die vergangene Nacht im Wagen verbracht und sie steckte ihm definitiv noch in den Knochen.

»Schon gut.«

»Ich bin ein Idiot.«

Ein Grübchen erschien auf ihrer Wange, als sie schief grinste. »Das haben Sie gesagt.«

Er erwischte sich dabei, dass er auch lächeln musste. »Ich … äh … habe so etwas wie eine Phobie, wenn es darum geht, draußen zu sein, wenn es ganz still ist.« Jason gab es nicht gern zu, aber er wollte nicht, dass sie ihn komisch ansah. Er wollte vielmehr, dass sie weiterhin lächelte. »Manchmal überfällt mich diese Angst.«

Zu seiner Überraschung nickte sie und ging zurück hinter den Tresen. »Ich hatte einen Onkel, der unter Platzangst litt. Ich habe diesen Gesichtsausdruck gleich erkannt.«

Wirklich? Sie verurteilte ihn nicht? Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und trank dann seinen Kaffee aus. Meistens reagierten die Menschen so, als wäre er komplett verrückt, wenn sie erfuhren, dass er seit dem Krieg unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litt. Sie verhielten sich so, als könnte er jeden Moment überschnappen, oder sie warfen ihm mitleidige Blicke zu und behandelten ihn wie einen sabbernden Irren. Er hasste beides.

Jason kam auf die Beine und stellte den Kaffeebecher auf den Tresen. »Ich weiß es zu schätzen, dass Sie Verständnis dafür haben. Ich habe nicht vielen Menschen davon erzählt.«

Die Frau – Sage – warf ihm wieder ein Lächeln zu und nahm einen Stapel Post in die Hand. Sie begann, Weihnachtskataloge zu sortieren und aufeinanderzulegen. »Hier wird niemand verurteilt. Es sei denn«, sagte sie und legte den Kopf mit dem Rentier-Geweih darauf schräg, »Sie sind gekommen, um den Büchereicomputer dazu zu benutzen, Pornos anzuschauen, wie es einige Schüler der Highschool machen. Dann verurteile ich Sie doch.«

Er schnaubte belustigt. »Nein, Ma’am.«

»Miss«, korrigierte sie ihn, und zu seiner Überraschung wurde sie rot. »Es muss Miss heißen. Ich bin nicht verheiratet.«

»Aha.« Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Es war ihr offensichtlich unangenehm. Ihre Wangen waren so rot wie die Rentier-Nase auf ihrem Weihnachtspulli. Sie war hübsch und unglaublich nett, aber ihm war klar, dass er noch weit davon entfernt war, gesund zu sein – also wäre es keine gute Idee, sie um ein Date zu bitten. Im Übrigen hatte sie in einem so winzigen Nest wie diesem bestimmt einen Freund. Er räusperte sich. »Ich schätze, es ist gar nicht so verkehrt, dass ich hier in der Bücherei gelandet bin.«

»Ach?« Sie schob sich eine lange seidige Locke hinter ihr Ohr, und er musste sich zusammenreißen, um dieses wunderbar süße kleine Ohr nicht zu offensichtlich anzustarren. »Brauchen Sie ein Buch?«

»Ja. Über die Arbeit auf einer Ranch. Etwas wie Rancharbeit für Anfänger wäre toll.«

Sie zog die Augenbrauen zusammen und schürzte die Lippen. Ihm fiel auf, dass sie volle pinkfarbene Lippen hatte – perfekt zum Küssen. Im nächsten Moment wurde er wütend auf sich selbst, weil ihm das aufgefallen war. Für einen Mann, der nicht nach einer Freundin suchte, gefiel ihm Sage viel zu gut. »Tut mir leid, haben Sie gerade gesagt, dass Sie ein Buch über die Arbeit auf einer Ranch suchen?«

»Ja.«

»Ich … dachte, Sie wären ein Cowboy? Arbeiten Sie nicht auf der Price-Ranch?«

Er grinste schief. »Sie haben mein Dilemma erkannt. Ich muss jede Menge lernen – und zwar schnell, bevor jemand herausfindet, dass ich keine Ahnung habe, was ich da eigentlich tue.«

Kapitel 3

Sage blinzelte den hochgewachsenen schwitzenden Mann, der vor ihr stand, verwirrt an. Sie musste sich verhört haben. »Sie wollen mithilfe eines Buchs lernen, wie man auf einer Ranch arbeitet?«

Er fuhr sich durch das kurze Haar und wirkte verärgert, als seine Hand anschließend schweißnass war. »Ja«, sagte er und blickte abwesend auf seine feuchte Hand. »Wie gesagt … Ich habe keine Ahnung, was ich da eigentlich tue, und werde wahrscheinlich wieder gefeuert, noch ehe ich meinen ersten Lohnscheck in der Hand habe.« Jason wischte die Hand an seiner Jeans ab und sah Sage aus dunklen Augen unsicher an. »Wenn Sie kein Buch haben, ist das auch in Ordnung.«

»Das hier ist die Bücherei«, zwitscherte Sage munter. »Natürlich haben wir Bücher. Ich … weiß nur nicht, ob wir ausgerechnet das finden werden, was Sie brauchen. Rancharbeit ist ja eigentlich etwas zu praktisch, als dass man es durch ein Buch vermitteln könnte. Es geht darum, all das zu tun, was auf einer Ranch so anfällt.« Sie ging zu den Regalen mit den Sachbüchern (zwei Regale gab es) und sah sich auf der Suche nach etwas, das ihm weiterhelfen könnte, die Buchrücken an. »Ich habe Bücher über Gartenarbeit und übers Einkochen. Und, ach, über Ziegenhaltung.« Sie nahm das Buch aus dem Regal und reichte es ihm.

Jason nickte, wischte sich nervös über die Hose und ergriff das Buch. Stirnrunzelnd betrachtete er es. »Ich glaube, sie haben Rinder – ist das das Gleiche?«

Oje. »Hm.« Sage warf ihm ein gezwungenes Lächeln zu. »Nein, nicht wirklich?«

Er verzog das Gesicht. »Haben Sie denn ein Buch übers Reiten?«

Sie biss sich auf die Unterlippe. »Nein.«

»Darüber, wie man die Gerätschaften auf einer Farm bedient?«

Sie schüttelte den Kopf.

Jason rieb sich über das Kinn. »Tja … Was haben Sie denn hier?«

Sage drehte sich um und nahm ein dickes Buch aus dem Regal. »Wir haben Harry Potter! Das hilft Ihnen zwar nicht bei Ihrem Problem weiter, ist allerdings sehr unterhaltsam.«

Er starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren.

»Das sollte nur ein Scherz sein.« Sie biss sich wieder auf die Unterlippe. »Tut mir leid.«

»Schon okay. Ich … habe gerade etwas zu kämpfen. Ich sitze ziemlich in der Patsche.« Er schwitzte schon wieder, wie ihr auffiel. Der arme Mann war schrecklich nervös und unsicher. Er blickte immer wieder zum Fenster, als würde er damit rechnen, jeden Moment angegriffen zu werden. Vielleicht litt er doch nicht unter Platzangst. Er zeigte vielmehr eine ständige Abwehrhaltung. Dahinter steckte sicher irgendeine Geschichte, aber sie wusste nicht, welche. Sage wusste nur, dass dieser Mensch in Schwierigkeiten steckte und ihre Hilfe brauchte. Und sie war ein hilfsbereiter Mensch.

»Haben Sie schon einmal auf einer Ranch gearbeitet?« Sie drückte Harry Potter und der Orden des Phönix (ihr Lieblingsbuch der Serie) an ihre Brust. »Oder haben Sie mal eine andere Tätigkeit an der frischen Luft ausgeübt? Waren Sie mal campen? Angeln? Irgendetwas?«

»Ich war sechs Jahre lang in der Navy. Bootsmann. Ich kann Ihnen die praktischen Grundlagen erklären, wie oft ein Stützpunkt Patrouillen entsendet und wie Besucher offiziell auf einem fremden Stützpunkt geschützt werden sollten, doch über die Arbeit auf einer Ranch weiß ich einen Scheiß.« Er verzog das Gesicht, als ihm bewusst wurde, dass er geflucht hatte. »Tut mir leid.«

»Ist – mir scheißegal!«, rief sie aus und wurde rot, weil sie wie eine Idiotin klang, obwohl sie nur wollte, dass er sich besser fühlte. »Mir macht ein bisschen verdammtes Fluchen nichts aus.«

Seine Mundwinkel zuckten verdächtig – als würde er jeden Moment anfangen zu grinsen. »Sie können es nicht besonders gut.«

Sie kräuselte die Nase. »Nein, ich schätze, ich muss noch ein bisschen daran arbeiten. Vielleicht schnappe ich ja das eine oder andere Schimpfwort auf, wenn Sie länger hierbleiben – verfluchter Dreck.«

Jason lachte leise. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, und ihr Herz machte einen verrückten kleinen Hüpfer. Trotz des Schwitzens und der seltsamen Situation war Jason Clements, Neuankömmling in der Gemeinde von Painted Barrel, wirklich ein hübscher Kerl. Er war hochgewachsen und drahtig, seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten und sein Blick war durchdringend. Vor allem aber war sein Lächeln einfach atemberaubend.

Und er lächelte sie an. Obwohl sie albern und komisch war und einen fürchterlichen Haarreif in Form eines Rentier-Geweihs trug, lächelte er sie an. Sage Cooper.

Männerschreck.

Es war ein aufregendes Gefühl. Sie wollte ihm helfen, damit er sie noch öfter auf diese Weise anlächelte. Und was auch immer ihn so ins Schwitzen gebracht hatte – sie wollte ihm dabei helfen, es zu überwinden. Sage liebte es, Menschen zu helfen, doch wenn sie Jason ansah, hatte sie ein anderes Ziel vor Augen. Sie wollte, dass er sie wieder anlächelte.

»Sie wissen wirklich nicht, was auf einer Ranch zu tun ist?«, fragte sie.

Er schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf.

»Warum haben Sie gelogen?« Die Arbeit auf einer Ranch kam ihr nicht wie ein Job vor, den man aus einer Laune heraus mal eben annahm. Es gab wesentlich leichtere Aufgaben, als auf einer Ranch zu schuften, und wahrscheinlich wurden diese Stellen auch noch besser bezahlt.

Sage beobachtete fasziniert, wie er die Kiefer aufeinanderpresste. »Ich hatte meine Gründe.«

Das hieß, dass er ein Geheimnis hatte. Na ja, das war in Ordnung für sie. Sie hatte sich selbst immer für einen Menschen gehalten, der für andere wie ein offenes Buch war. Aber im Laufe des vergangenen Jahres hatte sich alles verändert. Waren ihre Dating-Profile nicht ein Geheimnis? Ein demütigendes, schreckliches Geheimnis zwar, über das Greg sich totlachen würde, wenn er es herausfände … und würde er dann Becca davon erzählen? Die es dann jedem anderen Einwohner von Painted Barrel weitertratschen würde?

Ja, Sage wusste sehr genau, dass man manche Dinge besser für sich behielt, um sich selbst zu schützen.

»Ich werde nicht fragen«, sagte sie zu ihm. »Doch ich kann Ihnen helfen.«

Jason sah sie stirnrunzelnd an. Dann dämmerte es ihm allmählich. »Sie können mir Bücher besorgen?«

»Na ja … Eigentlich nicht.« Sie drückte Der Orden des Phönix an ihre Brust, als wollte sie sich damit schützen. »Aber ich habe eine Ranch.«

Seine Augen weiteten sich, und er sah sie neugierig an. Es raubte ihr den Atem. Oh, waren seine Augen grau? Das gefiel ihr. Das gefiel ihr sehr. »Tatsächlich?«

»Jeder hier hat eine Ranch. Um Painted Barrel herum gibt es kaum etwas anderes als Ranches.«

Er wies auf den Postschalter, auf dem Gregs Flyer lagen. »Ich dachte, Sie …«

»Ich bin Angestellte der Stadt. Ja, das bin ich.« Sie wollte sich nervös eine Locke hinter das Ohr stecken und stieß dabei gegen ihr Rentier-Geweih. »Mein Vater war bis zu seinem Tod Bürgermeister von Painted Barrel, und er hat mir den Job als Angestellte der Stadt schon vermittelt, als ich noch ein Teenager war. Und ich bin dabei geblieben und habe seitdem immer hier gearbeitet. Aber, ja, mein Vater hatte auch eine Ranch, und nach seinem Tod habe ich sie geerbt. Ich habe alle Pferde und alle Rinder bis auf zwei verkauft. Sie können zu mir kommen und üben, bis Sie sich etwas sicherer fühlen, wenn Sie möchten.«

Er starrte sie erstaunt an. »Das würden Sie für mich tun?«

Sie strahlte ihn an. »Selbstverständlich. Warum sollte ich das nicht tun?«

»Weil die meisten Menschen nichts aus reiner Herzensgüte tun. Nicht mehr.« Er rieb sich wieder über das Kinn. »Kann ich Sie dafür bezahlen?«

Sage winkte bei dem Vorschlag ab. Sobald sie den Hof und das Land ihres Vaters verkauft hätte, hätte sie so viel Geld, dass sie nicht wüsste, was sie damit anfangen sollte. »Seien Sie nicht albern.«

Doch er sah sie eindringlich an und lehnte sich ein Stückchen vor. Seine Größe war … beeindruckend. Sie blickte ihn an und hatte das Gefühl, als wäre er der größte und schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Oje, es hatte sie wirklich schlimm erwischt. »Ich würde mich besser fühlen, wenn ich Ihnen nichts schuldig wäre«, murmelte er.

Ihr kam eine Idee, und sie drückte das Buch noch etwas fester an ihre Brust. Ob sie es wagen sollte? Ob sie ihn fragen sollte? Ihre Lippen bewegten sich stumm. Und bevor sie es sich noch einmal anders überlegen konnte, platzte sie hervor: »Also gut: Ich brauche ein Date.«

Ein … Date?

Jason starrte die Frau an, die vor ihm stand. Sie hatte ihn erst vor fünf Minuten kennengelernt – schwitzend und kurz davor, sich in einer Panikattacke zu verlieren –, und nun bat sie ihn um eine Verabredung? Er musste zugeben, dass sie süß war, aber sie hatte auch ein fürchterliches Timing. »Sie wollen mit mir ausgehen?«

Sie war knallrot, und ihm fielen ihre Grübchen auf, als sie lächelte. Verdammt, sie hatte echt niedliche Grübchen. »Na ja, nicht direkt ausgehen. Ich brauche jemanden, der mich zum Probeabendessen anlässlich der Hochzeit eines Freundes begleitet. Am Mittwoch. Er heiratet am Samstag in einer Woche, also brauche ich für die Feier wohl auch ein Date. Es ist inzwischen ein Running Gag, dass Sage Cooper niemals einen Mann abbekommt, und ich will allen beweisen, dass sie sich irren.« Sie betrachtete das dicke Buch, das sie in ihren Armen hielt, und strich nervös über den Einband.