Cowboy Love - Wo Herzen sich finden - Jessica Clare - E-Book
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Cowboy Love - Wo Herzen sich finden E-Book

Jessica Clare

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Beschreibung

Willkommen in Painted Barrel, Wyoming – dem malerischen Städtchen, in dem Herzen zueinanderfinden! Eli & Cass: Ein einsamer Cowboy, eine charmante Großstädterin und ein ganz besonderer Winter!

Weihnachten steht vor der Tür, doch dem wortkargen Cowboy Eli Pickett bedeutet das nicht viel. Er stellt sein Leben ganz in den Dienst der Ranch und der Tiere. Großstadtpflanze Cass hingegen sehnt sich nach Ruhe. Sie will sich eine Auszeit vom hektischen Treiben New Yorks nehmen und macht sich auf den Weg nach Wyoming, um die Feiertage in der Hütte ihrer Eltern zu verbringen. Sie ahnt nicht, dass dieser Ausflug alles für sie verändern wird. Auf der Fahrt gerät Cass in einen Schneesturm und verunglückt. Die attraktive Retter mit den grauen Augen, der sie aus dem Wagen zieht, lässt sie fortan nicht mehr los. Und auch Elis Leben wird durch den Sturm durcheinandergewirbelt. Denn die hübsche Frau, die er aus dem Unfallwagen trägt, verursacht bei ihm ungeahntes Herzklopfen …

Die Wyoming-Cowboys-Reihe bei Blanvalet:
Band 1: Cowboy Love – Wo Herzen sich finden
Band 2: Cowboy Love – Bis wir uns wiedersehen
Band 3: Cowboy Love – Solange du mich hältst
Band 4: Cowboy Love – Wenn Träume wahr werden

Alle Bände können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Seitenzahl: 378

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Buch

Weihnachten steht vor der Tür, doch für den schweigsamen Eli Pickett ist auch das Fest der Liebe ein normaler Arbeitstag auf der Ranch. Einer muss sich schließlich um die Tiere kümmern – zudem hat er niemanden, mit dem er die Abende vor dem knisternden Kaminfeuer verbringen kann.

Die New Yorkerin Cass möchte dem Trubel der Großstadt entkommen – und ihrem aufdringlichen Verehrer Ken. Die Feiertage in der Ferienhütte ihrer Eltern in Wyoming zu verbringen scheint für eine solche Auszeit wie geschaffen. Auf der Autofahrt jedoch verunglückt Cass in einem Schneesturm. Als sie wieder erwacht, kann sie sich an nichts mehr erinnern – außer an die blauen Augen des Cowboys, der sie gerettet hat. Ist der gut aussehende Eli vielleicht ihr ganz persönliches Weihnachtswunder?

Die Wyoming-Cowboys-Reihe bei Blanvalet:

Band 1: Cowboy Love – Wo Herzen sich finden

Band 2: Cowboy Love – Bis wir uns wiedersehen

Band 3: Cowboy Love – Solange du mich hältst

Band 4: Cowboy Love – Wenn Träume wahr werden

Alle Bände können unabhängig voneinander gelesen werden.

Autorin

Jessica Clare lebt mit ihrem Mann in Texas. Ihre freie Zeit verbringt die »New York Times«- und »USA Today«-Bestsellerautorin vor allem mit dem Verfassen prickelnder Liebesgeschichten. Wenn sie aber nicht gerade an ihrem Schreibtisch sitzt, macht sie es sich gern mit einem guten Buch bequem oder spielt Videospiele.

Weitere Informationen unter: www.jillmyles.com

Besuchen Sie uns auch auf www.instagram.com/blanvalet.verlag und

www.facebook.com/blanvalet

JESSICACLARE

Cowboy Love

Wo Herzen sich finden

Roman

Deutsch von Christiane Meyer

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel

»All I want for Christmas is a Cowboy« bei A Jove Book,

an imprint of Penguin Random House LLC, New York.

Dieser Roman ist im Oktober 2021 bei Weltbild erschienen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2018 by Jessica Clare

Published in agreement with the author,

c/o BARORINTERNATIONAL, INC., Armonk, New York, U.S.A.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe

© 2022 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Ulrike Nikel

Umschlaggestaltung: Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com (ysbrandcosijn, Matt, Theron Stripling III, nspence) und RNC/romancenovelcovers.com.

JS · Herstellung: sam

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-26946-3V002

www.blanvalet.de

Kapitel 1

Eli Picketts Begeisterung für Feiertage hielt sich in Grenzen.

Es war nicht so, als hätte er speziell etwas gegen Weihnachten. Was Feiertage betraf, war Weihnachten sogar ein ziemlich nettes Fest. Die Lieder waren eingängig. Die Dekoration war festlich, wenngleich kitschig. Das Essen war okay. Was er allerdings an Festtagen überhaupt nicht mochte, war die Tatsache, dass niemand arbeitete.

Er war in einer Pflegefamilie aufgewachsen und verdiente seinen Lebensunterhalt inzwischen auf einer Ranch. Und aus genau diesem Grund war es ihm fremd, nicht durchgehend arbeiten zu müssen. Um die Rinder oder um andere Tiere musste er sich regelmäßig kümmern. Er konnte sie nicht sich selbst überlassen. Sie wollten gefüttert werden, wollten, dass man ihren Stall ausmistete und frische Streu verteilte. Und sie wollten auf die Weide, wenn der Schnee draußen meterhoch lag. Feiertage bedeuteten Rindern überhaupt nichts.

Während er im Wohnzimmer der Hütte saß und seine Stiefel einölte, beobachtete er, wie die anderen sich vorbereiteten, um aufzubrechen. Sie liefen geschäftig hin und her und sammelten noch dieses und jenes ein, was sie besorgt hatten und mitnehmen wollten. Maria, die Haushälterin und Köchin, hatte drei Koffer voller Geschenke für ihre Enkelkinder gepackt und versuchte verzweifelt, schnell noch eine Schachtel mit Keksen in ihrer Handtasche unterzubringen.

Belustigt sah Eli zu, wie sie die Sachen ein-, wieder aus- und dann noch einmal umpackte. »Du hast hoffentlich nicht vergessen, dass du gerade mal zwei Wochen weg bist, oder?«

»Keine Unverschämtheiten, mijo, mein Herz«, erwiderte sie, zog einige Sachen aus ihrer riesigen Handtasche und bemühte sich, die Schachtel hineinzustopfen. »Ich habe ohnehin ein schlechtes Gewissen, weil du allein über Weihnachten hierbleibst.«

Er zuckte die Schultern. Alles war anders auf der Ranch, seit sie verkauft worden war. Die neuen Besitzer hatten den Bestand an Rindern von tausend auf vierhundert Tiere verringert, und der Öl-Tycoon, dem die Ranch jetzt gehörte, wollte auf einem der Hügel in der Umgebung ein Skihotel bauen. Die Ranch war vor allen Dingen ein Abschreibungsobjekt, um Steuervergünstigungen zu erhalten – ein Grund, warum sie verkleinert worden war. Eli durfte seinen Job behalten, doch die Ranch selbst wurde inzwischen nicht mehr von zwölf Mitarbeitern bewirtschaftet, sondern bloß noch von fünf. Nur er, Maria, Old Clyde, Jordy und Dustin waren übrig geblieben. Früher einmal hatte er die Feiertage mit ein paar anderen Helfern zusammen auf der Ranch verbracht, die sich dazu entschieden hatten, sich über Weihnachten um die Tiere zu kümmern, statt nach Hause zu fahren.

Jetzt war er allein. Aber er hatte eine Aufgabe, und er liebte diese Ranch – und das war alles, was zählte. »Ist in Ordnung, wirklich. Es macht mir nichts aus, allein zu sein.«

Missbilligend schnalzte Maria mit der Zunge und schüttelte den Kopf, ehe sie noch mehr Dinge aus ihrer Handtasche zerrte, um die Keksschachtel vielleicht noch unterbringen zu können. »Das gefällt mir nicht. Ein junger Mann wie du sollte Weihnachten zu Hause verbringen. Er sollte die Feiertage über bei der Familie sein. Du könntest mich begleiten. Meine ältere Tochter Alma wird ein wundervolles Festessen zubereiten, und du weißt ja, dass sie gerade Single ist.« Maria warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Sie ist sehr hübsch. Ich habe dir Bilder von ihr gezeigt, weißt du noch?«

Du lieber Himmel. Er erinnerte sich daran. Marias Tochter war wirklich hübsch, doch er war sicher, dass sie nicht die Richtige für ihn war. Erstens lebte sie in Los Angeles, was für ihn die Hölle wäre, und zweitens bezweifelte er, dass sie große Lust verspürte, mit ihm zusammen auf einer Ranch in Wyoming zu leben. »Ich weiß dein Angebot zu schätzen«, sagte er zu der Haushälterin. »Irgendjemand muss aber die Tiere versorgen.«

Sie rollte missbilligend mit den Augen. »Old Clyde sollte hierbleiben. Er ist kein junger Mann mehr, der an die Familie denken muss, und kann die Aufgabe leicht übernehmen.«

»Das habe ich gehört!«, rief Old Clyde mürrisch aus dem Nebenzimmer.

Eli schüttelte stumm den Kopf und widmete sich wieder seinem Stiefel. Maria hatte die vergangenen vier Wochen ständig versucht, Old Clyde zu bewegen, mit Eli zu tauschen, doch der Alte wollte unbedingt seine Tochter in Tucson besuchen. In Elis Leben dagegen gab es niemanden, den er hätte besuchen können. Deshalb hatte er nichts dagegen, dass die anderen über die Feiertage wegfuhren. Das würde ihm Zeit und Gelegenheit geben, seine Gedanken zu sortieren und zur Ruhe zu kommen. Vor allem, weil er sich nicht ständig mit Leuten auseinandersetzen müsste, die ihn über eine Familie ausfragten, die er nicht hatte. Im Januar würden die anderen zurück sein – bereit, um auf der Ranch wieder mit anzupacken –, und alles wäre wieder beim Alten.

Neben dem Kamin hatte Frannie sich ausgestreckt und wedelte mit dem Schwanz. Erwartungsvoll sah sie ihn an.

»Dieser Stiefel ist nicht für dich«, brummte er grinsend. Die Hündin reagierte auf seinen Tonfall, und ihre Aufregung wuchs merklich. Sie erhob sich und trottete schwerfällig zu ihm herüber. Der beachtliche Bauch der trächtigen Hundedame zeichnete sich unter dem flauschigen weißen Fell deutlich ab. Eli stellte seinen Stiefel zur Seite und streichelte Frannies Kopf. Zwei Wochen, in denen er mit den Hunden allein wäre. Sie waren die beste Gesellschaft, die man sich vorstellen konnte. Nein, etwas anderes brauchte er nicht.

»Ich hoffe, sie bekommt die Welpen erst, wenn ich wieder da bin«, sagte Maria zu Eli. »Ich will dabei sein.«

»Okay, ich werde ihr sagen, dass die Geburt warten muss, bis du zurück bist«, schwor er mit einem Grinsen und wusste, dass das nicht klappen würde. Frannie sah bereits aus, als würde sie jeden Moment platzen, und sie war nicht gerade ein kleiner Hund. Pyrenäenberghunde waren treu ergebene Hirtenhunde und passten perfekt auf eine Ranch. Nur wenn sie sich langweilten, knabberten sie alles an, was ihnen zwischen die Zähne kam. Und da Frannie sich in ihrem Zustand höchstens noch im Haus und in dessen unmittelbarer Nähe aufhalten durfte, mussten gerade sehr viele Stiefel dran glauben.

Eli konnte nachvollziehen, wie sie sich fühlte. Bestimmt litt sie unter einem Lagerkoller. Wenn er gezwungen wäre, zwei Wochen an einem anderen Ort als der Ranch zu bleiben, würde er wahrscheinlich auch damit anfangen, auf Stiefeln herumzukauen.

Maria schüttelte verständnislos den Kopf. »Du und die Hunde.« Sie drehte sich um und rief über die Schulter: »Jordy! Dustin! Wir müssen los! Ándale!« Sie wandte sich wieder Eli zu und warf ihm einen mütterlichen Blick zu. »Bist du dir sicher, dass keiner von uns dir über die Weihnachtsfeiertage Gesellschaft leisten soll? Es soll ja noch einen Schneesturm geben …«

»Ja, ich bin mir sicher«, erklärte er zum hundertsten Mal. »Die Kühe bekommen die Kälber erst in zwei Monaten, dann ist Saison. Vorher wird wohl kein Kalb geboren. Alle Kühe sind sicher auf den Weiden neben der Scheune untergebracht, damit ich sie, wenn es kalt wird, mit einem Zusatzfutter verwöhnen kann – mit Extraproteinen und Nährstoffen. Der Sturm wird kein Problem. Die Hunde und ich werden ihn wie immer gut überstehen.«

Zum wiederholten Mal schüttelte Maria missmutig den Kopf. Er war sich ziemlich sicher, dass sie davon enttäuscht war, dass ihm Weihnachten und die Familie nicht so wichtig waren wie ihr, aber dieses Fest war nun mal einfach nicht sein Ding. »Ich bringe dir etwas vom Früchtebrot mit«, versprach sie und hoffte, ihn damit fröhlich zu stimmen.

Im nächsten Moment kamen Dustin, Jordy und Old Clyde die Treppe heruntergestampft. Ihnen folgten die anderen beiden Hunde der Ranch, Jim und Bandit. Als Hirtenhunde arbeiteten sie mindestens doppelt so hart wie die meisten Arbeiter auf der Ranch. Mit Sicherheit jedenfalls härter als Jordy, dachte Eli belustigt. Jordy war noch nicht lange hier, und in den meisten Fällen stand er eher im Weg, als dass er eine große Hilfe wäre. Doch irgendwann würde aus ihm sicher ein guter Cowboy werden. Er brauchte nur noch etwas Zeit.

»Lasst uns aufbrechen«, sagte Maria zu den Männern und hängte sich die Handtasche über die Schulter. Ihr grauer Zopf hüpfte auf und ab. »Wenn der Flughafen gesperrt wird und ich die Feiertage mit euch Knallköpfen verbringen muss, werde ich sehr ungemütlich.« Sie trat an Elis Seite und drückte ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. Dann tätschelte sie sein Gesicht. »Ruf mich an, wenn du dich einsam fühlst, mijo. Mama Maria ist nicht weiter als einen Anruf entfernt.«

»Das mache ich«, versprach er ihr, obwohl er mit zweiunddreißig Jahren eigentlich keine Mama mehr brauchte. Maria mochte ihn einfach und machte sich Sorgen um ihn. Daran war nichts verkehrt.

»Versuch, dir ein paar schöne Tage zu machen«, bat sie ihn inständig.

Eli nickte. Maria würde wohl nie verstehen, dass Weihnachten manchen Menschen nicht so viel bedeutete. Für ihn war es ein Tag wie jeder andere. Ein Tag, an dem er auf der Ranch arbeiten und sich um die Rinder kümmern musste. Bloß dass ihm die anderen Helfer fehlen würden, mit denen zusammen der aufziehende Wintersturm sicherlich leichter zu überstehen wäre.

Es würde still werden. Friedvoll.

Er würde die nächsten zwei Wochen einfach genießen und sich über den Rest keine Gedanken machen.

Kapitel 2

Cassandra Horn saß in ihrem Mietwagen und sang zu einem Song von Bing Crosby – nicht schön, aber laut. Denn je leidenschaftlicher sie mitsänge, desto feierlicher würde ihre Stimmung werden. Das hoffte sie zumindest. Bisher klappte es leider noch nicht ganz so gut, doch sie würde die Hoffnung nicht aufgeben. Es war schließlich noch Zeit. Ihr blieb genau eine Woche, um das richtige Weihnachtsgefühl heraufzubeschwören. Bestimmt würde es ihr bis dahin gelingen, etwas Begeisterung zu entwickeln.

Theoretisch.

Der Wind peitschte gegen die Fenster, und ihr Wagen drohte immer wieder von der glatten Straße gedrückt zu werden. Cass verkniff sich einen ängstlichen Aufschrei, umklammerte das Lenkrad etwas fester und drehte die Musik leiser. Sie musste sich konzentrieren. Mit dem Wagen in den Bergen Wyomings unterwegs zu sein unterschied sich gewaltig von einer Autofahrt durch die Stadt. Ach, wem wollte sie etwas vormachen? Sie lebte in Manhattan, fuhr nie Auto, sondern rief sich ein Taxi, wenn sie irgendwo hinwollte.

Allerdings wimmelte es nicht gerade von Taxifahrern, die sie ausgerechnet in diesen entlegenen Teil des Landes kutschieren wollten, und so hatte sie sich selbst einen Wagen gemietet wie damals, als sie noch auf dem College gewesen war. Das hier war wie einer dieser Roadtrips, die sie zu der Zeit öfter unternommen hatte, nur eben allein. Kein Problem also.

Natürlich war sie, wenn sie sich recht entsann, in jener Zeit nicht unbedingt in einem Blizzard unterwegs gewesen, obwohl sie das bestimmt gemeistert hätte, da war sie sich sicher. Na ja, zumindest ziemlich sicher. Entweder versuchte sie jetzt, irgendwie mit dem Unwetter klarzukommen, oder sie drehte auf der Stelle um und fuhr zurück zum Flughafen, denn Geld für ein Hotel hatte sie nicht.

Gut, sie würde sich also dem Blizzard stellen. Eine andere Lösung hatte sie nicht, da sie unter gar keinen Umständen wieder nach Hause fahren wollte, um dort ihren zweiwöchigen Urlaub zu verbringen. Auf keinen Fall, das kam nicht infrage.

Was sie brauchte, war eine Auszeit vom Job. Nein, genau genommen brauchte sie keine Auszeit von ihrem Job, sondern eine von ihrer Chefin. Dabei liebte Cass ihre Arbeit. Die persönliche Assistentin eines erfolgreichen Models zu sein, war aufregend und machte ihr Spaß. Den lieben langen Tag konnte sie mit ihrer berühmten Freundin, oder zumindest einer Art Freundin, abhängen wie im College.

Einerseits.

Denn seit Cass den Job als Roses persönliche Assistentin angenommen hatte, hatte diese ihr mehr als deutlich gemacht, dass Rose die Chefin und sie die Angestellte war.

Zum Glück machte das Cass meistens nichts aus. Sie nahm es hin, dass Rose in ihrem Modeljob unter enormem Druck stand und das an ihr ausließ. Rose Gramercys Karriere war in den vergangenen zwei Jahren steil nach oben gegangen, und so erledigte Cass stillschweigend alles für sie. Sie kaufte für sie ein, ging für sie zu Starbucks, führte den Terminkalender und aß sogar mit ihren Freunden zu Mittag, wenn das gestresste Model zu viel zu tun hatte. Für sie blieb kaum Zeit, um sich persönlich mit jemandem zu treffen. Sie bewohnte ein hübsches kleines Apartment in Roses Haus, sodass sie immer in der Nähe war, und oft schlief sie gleich bei Rose, falls die sie mal wieder ganz dringend brauchen sollte.

Allerdings war das VKW gewesen. Vor Ken Wallis, seitdem war nämlich alles immer schlimmer geworden.

Dabei war Cass am Anfang total aufgeregt gewesen, Ken Wallis kennenzulernen. Er hatte in einigen ihrer Lieblingsfilme mitgespielt: zum Beispiel im Remake von Titanic, in der romantisch-opulenten Verfilmung von Der Nussknackerprinz und in Die Augen der Königin, ihrem Lieblingsfilm für Zeiten, in denen sie sich einsam fühlte. Als sie erfahren hatte, dass Rose mit diesem Schauspieler liiert war, war sie vor Begeisterung ausgeflippt. Klar, Ken war sehr nett gewesen, freundlich, charmant und aufgeschlossen. Cass hatte ihm sehr gern einen Kaffee mitgebracht, wenn sie für Rose zu Starbucks gegangen war, und sie hatte sich nicht gescheut, anstelle seines Assistenten in die Reinigung zu gehen und seine Kleider abzuholen. Außerdem hatte es ihr absolut nichts ausgemacht, dass er oft bei Rose übernachtete und sie selbst mit ihrer eigenen Wohnung vorliebnehmen musste.

Eine ganze Weile war es einfach toll gewesen – bis irgendwann alles komisch wurde.

Angefangen hatte es mit einer Hochzeit. Rose war zur Eheschließung einer Freundin nach Mailand geflogen, und zwar ohne Cass und ohne Ken, der noch immer wegen eines Filmdrehs in Manhattan war. Er hatte Cass gebeten, ein paar Sachen für ihn einzukaufen, und da sie das öfter für ihn machte, hatte sie sich nichts dabei gedacht. Sie klingelte also mit den gewünschten Zigaretten und dem Bier an seiner Tür und musste feststellen, dass er, als er ihr öffnete, splitterfasernackt war.

Keine Frage, er hatte erwartet, dass sie hereinkommen würde. Und es war außerdem eindeutig gewesen, dass er mehr im Sinn gehabt hatte als irgendwelche Assistentinnentätigkeiten.

Verwirrt und ziemlich befremdet, gelang es Cass, eine Entschuldigung zu stammeln, sich umzudrehen und zu fliehen. Seitdem ging es in ihrem Job weniger darum, für Rose zu arbeiten, sondern mehr darum, Roses Freund aus dem Weg zu gehen. Leider war Ken einfach überall. Er tauchte auf, wenn Rose ein Shooting hatte, und bedrängte dann Cass. Oder er schickte ihr Nachrichten, wenn Rose nicht in der Stadt war. Guter Gott, er schrieb ihr ständig. Jeden Tag quoll ihr Handy praktisch über vor Nachrichten von ihm. Sie reagierte auf alle und achtete sehr genau darauf, dass ihre Antworten neutral klangen und nicht den Eindruck erweckten, sie könnte Rose hintergehen. Sogar das Antworten auf seine Nachrichten war der pure Stress.

Cass hatte versucht, mit Rose darüber zu reden. Doch die Modelfreundin hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass sie Cass nicht für hübsch genug hielt, um Kens Aufmerksamkeit oder gar sein Interesse zu erregen. Rose hatte lachend betont, dass Ken einfach freundlich sei, mehr nicht. Cass solle sich keine Gedanken machen, hatte sie gesagt. Und hinzugefügt, dass sie gar nicht sein Typ sei.

Es schien, dass Kens Frauentyp vor allem eines war: unerreichbar. Je vehementer Cass nämlich Nein sagte, desto aufdringlicher wurde Ken. Es wurde so schlimm, dass sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Ihr ehemals interessanter Job war inzwischen ein absoluter Albtraum geworden, und sie konnte nicht einmal mit Rose darüber sprechen. Denn die war verliebt in Ken und erkannte nicht, dass er sie betrog. Er war einfach ein zu guter Schauspieler, und Cass war eine einfache Angestellte. Verbittert umklammerte sie das Lenkrad fester.

Nachdem Rose ihr eröffnet hatte, über die Feiertage ohne sie an die Riviera zu reisen, war Cass die Weihnachtsstimmung vergangen. So musste sie allein in New York bleiben, wo Ken womöglich auf sie lauerte. Bestimmt ließ er sich die Chance nicht nehmen, bei ihr zu Hause aufzutauchen. Cass überlegte sogar, ob sie nicht zur Polizei gehen sollte. Aber wer würde ihr glauben?

Ja, ich bin die durchschnittlich aussehende Assistentin von Rose Gramercy, und ihr Freund, der Filmstar, baggert mich ständig an.

Sie hatte einigen Leuten gegenüber Andeutungen gemacht, dass Ken sie anbaggerte – sie war regelrecht ausgelacht worden. Auf Bildern sah es nämlich gemeinerweise so aus, als würde Ken Rose verehren, und dank ihrer Romanze verkauften sich die Boulevardblätter wie verrückt. Niemand glaubte Cass, und so erwähnte sie es nicht mehr.

Das bedeutete: Sie würde die Feiertage allein in einer Berghütte verbringen. Ihr Plan, Weihnachten mit ihrer Familie zu feiern, hatte sich in Luft aufgelöst. Ihre Eltern waren irgendwo in Europa, um dort ihre zweiten Flitterwochen zu verbringen, und ihre Schwester war bei der Familie ihres Ehemannes in Idaho, wo es einfach keinen Platz mehr für einen Last-Minute-Nachzügler gab. Deshalb hatte sie resigniert beschlossen, sich einen Wagen zu mieten und zur Hütte ihrer Familie in den Bergen von Wyoming zu fahren. Zwar war sie seit zehn Jahren nicht mehr dort gewesen, doch es war ein schöner Ort, um eine Weile zu bleiben, abzuschalten und sich zu überlegen, was zum Teufel sie nun tun wollte. Der Kofferraum ihres Autos war beladen mit Taschenbüchern und Snacks, ihren E-Mail-Eingang hatte sie geleert, und ihre Mailbox verkündete ihre Abwesenheit. Sie war bereit für eine Auszeit.

Leider hatte Cass ihre Rechnung ohne das Wetter gemacht. Sie hatte schon vermutet, dass es in Wyoming im Dezember kalt und schneereich werden konnte. Nur hatte sie nicht bedacht, was kalt und schneereich in dieser Gegend tatsächlich bedeutete: Innerhalb der einen Stunde, seit sie den Flughafen verlassen hatte, waren die Sicht- und Wetterverhältnisse immer schlechter geworden, und inzwischen konnte sie aufgrund der blendenden Helligkeit so gut wie nichts mehr erkennen und dank der vereisten Straßen nicht mehr richtig fahren, sondern höchstens noch kriechen. Während sie den Wagen also im Schritttempo durch die vereisten Kurven lenkte, beschlich sie der Verdacht, dass das alles keine so brillante Idee gewesen war. Vielleicht sollte sie einfach umdrehen und mit dem nächstmöglichen Flieger nach New York zurückkehren. Doch zu lange auf besseres Wetter zu warten würde ihr schmales Budget sprengen. So gesehen, war es wahrscheinlich klüger, weiter verbissen zu versuchen, diese Limousine die verschneiten Berge hinaufzumanövrieren.

In diesem Moment piepste ihr Handy. Sie hatte eine Nachricht bekommen. Sie nahm eine Hand vom Lenkrad, griff ihr Smartphone und warf einen Blick aufs Display. Ken.

Der Wagen geriet leicht ins Schlingern. Sie warf das Handy auf den Beifahrersitz und konzentrierte sich wieder auf das Lenkrad. Ihr Herz pochte wie wild, und sie suchte nach einer Möglichkeit, kurz anzuhalten. Als sie keine entdeckte, blieb sie einfach mitten auf der Straße stehen und schaltete den Warnblinker ein. Eigentlich nicht gerade eine gute Idee, aber aufgrund des Wetters eine vertretbare Notlösung, zumal die Straße völlig frei und verlassen war. Sie würde ohnehin nur einen Augenblick brauchen.

Schnell checkte Cass ihr Telefon und hatte mal wieder Angst vor dem, was sie lesen würde. Es war wie ein schlimmes Zugunglück, bei dem man wusste, dass man besser wegschauen sollte, aber trotzdem hinsah.

Ken: Du lässt mich über die Feiertage allein? Ungezogene Cass! Wo steckst du?

Cass biss sich auf die Unterlippe und dachte über eine passende Antwort nach. Sie musste ihm gegenüber höflich und freundlich bleiben. Rose würde sonst wütend werden und Ken die Sache so drehen, dass sie auf jeden Fall die Dumme wäre. Sie dachte einen Moment lang nach. Ihr Unbehagen wuchs. Dann tippte sie eilig eine Antwort ein.

Cass: Bin über Weihnachten in einer Berghütte. Schöne Feiertage!!!

Ken antwortete prompt. Die Dreharbeiten sind für diese Woche vorbei. Gibt es in der Berghütte noch Platz für eine weitere Person?

Er hatte einen lächelnden Smiley eingefügt, damit alles nett und harmlos wirkte. In Wirklichkeit bekam sie eine Gänsehaut. Ken beabsichtigte, sie abzuschleppen. Grundgütiger, sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.

Cass: Nein, tut mir leid. Familienfeier! Besuch doch lieber deine Familie!

Sie fügte noch einen Smiley ein, damit es verbindlich aussah.

Ken: Ist deine Familie bereits aus Europa zurück?

Mist. Woher wusste er davon?

Ken: Ich glaube, hier will jemand so tun, als wäre sie schwer rumzukriegen. Sag mir, wo du bist, und ich werde einen Flug buchen. Du solltest an Weihnachten nicht allein sein, wir müssen reden.

Dieses Mal war kein Smiley dabei. Cassandras Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Worüber wollte Ken diskutieren? Über sie beide, selbst wenn da überhaupt nichts zu reden war und es kein »sie beide« gab? Wollte er sich darüber auslassen, wie er sie, nicht gerade dezent, bedrängt hatte? Wollte er über Rose reden? Vermutlich, damit versuchte er regelmäßig, sie zu ködern. Ken war sehr gut in solchen Dingen, doch sie zwang sich, es zu ignorieren. Immerhin konnte sie nicht länger im Leerlauf mitten auf einer Bergstraße halten. Auch wenn gerade niemand kam, war es keine gute Idee. Der Wind und der Schnee wurden immer heftiger, und es wäre dumm, länger als unbedingt nötig hier stehen zu bleiben.

Ich muss los, wir sprechen später, beendete sie das Gespräch ein Ende und warf das Telefon auf den Beifahrersitz, schaltete den Warnblinker aus und setzte den Wagen vorsichtig in Bewegung. Die Reifen drehten auf dem Eis kurz durch, und für einen winzigen Moment hatte sie Angst, dass sie hier mitten im Nirgendwo stecken bleiben würde. Ringsherum nichts als hohe Berge. Blöderweise musste die Straße im Winter wegen der heftigen Schneestürme manchmal sogar gesperrt werden. Mist! Das würde ihr gerade noch fehlen. Sie fragte sich, warum ihr das nicht früher eingefallen war. Sie war zu durcheinander gewesen, zu abgelenkt von dem Gedanken an den schmierigen Ken und seinen noch schmierigeren Annäherungsversuch. Gereizt, wie sie war, dachte Cass ernsthaft darüber nach umzukehren, auf Nummer sicher zu gehen. Aber es wäre erbärmlich, den Schwanz einzukneifen und sich davonzumachen. Außerdem war es nicht mehr weit bis zur Berghütte. Sie musste ganz in der Nähe sein, selbst in ihrem Schritttempo waren es nur noch fünfzehn oder zwanzig Minuten dahin. Es kam ihr albern vor umzudrehen, wenn sie gleich da wäre. Über das Lenkrad gebeugt, richtete sie den Blick in den Himmel. Die Scheibenwischer liefen auf Hochtouren. Es fiel noch immer Schnee, und es sah nicht so aus, als würde sich so bald etwas daran ändern. Na ja, sie hatte Unmengen von Essen dabei und eine ganze Kiste mit Nudelsuppen im Kofferraum. Es wäre also nicht so schlimm, wenn sie zwei Wochen lang in der Berghütte eingeschneit wäre, und wenn ihre Rückkehr nach Hause sich verzögern würde, wäre das auch nicht das Dümmste. Vielleicht sogar etwas Gutes, dann hätte sie mehr Ruhe. Mit diesen Gedanken fuhr Cass im Schneckentempo weiter, denn sie konnte nur wenige Meter weit sehen. Aber außer ihr fuhr niemand sonst auf der Straße. Es war also alles kein Problem.

Sie drehte sogar die Weihnachtsmusik wieder lauter. Als sie den Wagen durch eine verschneite Kurve lenkte, klingelte ihr Telefon.

»Mist«, flüsterte sie und schaltete das Radio aus, das Telefon ließ sie klingeln. Genervt starrte sie durch die Windschutzscheibe in den Schneesturm hinaus und ignorierte das Geräusch, das durch den Innenraum des Wagens hallte. Als das Klingeln endlich aufhörte, stieß sie erleichtert den Atem aus und wartete darauf, dass der Benachrichtigungston für die Voicemail erklang. Stattdessen klingelte ihr Handy wieder.

Und wieder.

Und noch einmal.

Während der Wagen über die Straße schlich und der Schnee vom Himmel fiel, biss Cass die Zähne zusammen und ertrug Refrain um Refrain von Beethovens fünfter Sinfonie, die immer wieder erklang, während jemand offenbar hartnäckig versuchte, sie zu erreichen. Sie beugte sich zum Beifahrersitz rüber, packte ihr Handy und ließ es auf ihren Schoß fallen, doch der Sturm tobte zu sehr, als dass sie einen Blick auf das Display hätte werfen können. Bald würde sie ohnehin an die Weggabelung kommen, die zur Berghütte ihrer Familie führte, und in die andere Richtung zu einer großen Ranch, deren Ländereien sich bis ins Tal erstreckten. Die Weggabelung durfte sie auf keinen Fall verpassen, da sie den Wagen aufgrund des Schnees nicht würde wenden können. Und der Gedanke, rückwärts bergab zu fahren, war beängstigend.

Der Wagen fuhr weiter, ihr Handy klingelte weiter, und die Abzweigung war immer noch nicht zu entdecken. Ihre Nerven lagen blank. Und ihre Fantasie fing an, ihr Streiche zu spielen. Was wäre, wenn es ihre Eltern waren, die sie erreichen wollten, was wäre, wenn irgendetwas passiert war? Oder wenn jemand sie anrief, um sie vor dem Unwetter zu warnen? Was wäre, wenn es Rose war und es ein Problem an der Riviera gab und sie gebraucht wurde? Schließlich war es ihr Job, jederzeit erreichbar zu sein. Auch wenn Rose eigentlich im Urlaub nicht einfach anrufen wollte, weil sie versprochen hatte, Cass eine echte Auszeit zu gönnen. Jedes weitere Mal jedoch, dass das Handy klingelte, wuchs deren Beunruhigung.

Und dann passierte es. Es klingelte einmal, danach herrschte Stille. Es klingelte noch zweimal, danach herrschte wieder Stille.

Wenn es jetzt noch einmal klingelte, bedeutete das: SOS. Als sie begonnen hatte, für Rose zu arbeiten, hatten sie diesen Code vereinbart, um die andere wissen zu lassen, dass sie etwas Superdringendes besprechen mussten. Aus Gewohnheit griff Cass nach dem Handy und hielt es sich ans Ohr, ohne den Blick von der Straße zu wenden, wo der Schneesturm noch schlimmer geworden war und man praktisch nichts mehr erkennen konnte.

»Hallo?«

»Du bist wohl Expertin darin, die Unnahbare zu spielen, wie?« Kens weiche Stimme drang an ihr Ohr.

Entsetzt ließ Cass das Handy fallen. Es gab keinen Notfall. Es war niemand anders als Ken, der ein Nein als Antwort einfach nicht akzeptieren wollte.

Das Handy rutschte zwischen ihre Füße und landete neben ihrem Schuh, der auf dem Gaspedal stand. Sie versuchte, das Telefon zur Seite zu schieben, aber unglücklicherweise verklemmte es sich unter dem Gaspedal. Sie wollte es wegkicken, da sie so etwas nun wirklich nicht gebrauchen konnte. Stumm flehte sie das Handy an, das unter dem Pedal steckte, und als es ihr nicht gehorchte, trat sie frustriert danach …

In dem Moment nahm das Unglück seinen Lauf, denn als sie versehentlich das Gaspedal durchtrat, machte der Wagen einen Satz nach vorn und stieß gegen den Baum, der genau an der Stelle auftauchte, an der die Straße sich gabelte.

Sie hörte das grauenvolle Knirschen von Metall, ehe ihr Kopf gegen das Lenkrad prallte.

Die Welt um sie herum wurde schwarz …

Kapitel 3

Ein Rind fehlte. Verdammt noch mal, fluchte Eli, als er noch einmal zwischen den Rindern hindurchritt. Sein Pferd mochte das Winterwetter zwar nicht, aber es hütete sich davor, zu scheuen und sich zu verweigern. In der Nähe sprangen Bandit und Jim durch den Schnee und rannten am Rand der Herde hin und her, während Eli einen Klicker betätigte und die Rinder zählte. Die Tiere konnten nicht weit laufen, denn diese Weide war höchstens zehn Hektar groß, und Eli hatte Futter und Heu ausgelegt, damit ihnen während des Blizzards nichts fehlte. Wenn die anderen Rancharbeiter zurück wären, würden sie die Kühe auf eine andere Weide hinausbringen, doch für den Moment sollten eigentlich alle vierhundert Rinder in der Nähe der Scheune sein.

Bloß zählte er schon wieder nicht mehr als dreihundertneunundneunzig Tiere. Wenn derzeit Saison wäre, hätte er angenommen, dass eine Kuh sich von der Herde gelöst hatte, um irgendwo ein Kalb zur Welt zu bringen. Da die Saison aber erst in zwei Monaten starten würde, gab es für die Kuh keinen Grund, sich von der Herde zu entfernen, außer es stimmte irgendetwas nicht mit ihr. Eli seufzte, das hatte ihm gerade noch gefehlt.

Den ganzen Tag hatte er nicht allein über die Kuh nachgedacht, sondern auch darüber, was er tun sollte, solange die anderen nicht da waren. Natürlich war das kein großes Problem, denn auf der Ranch war so viel zu tun, dass er sich im Geiste eine Liste anlegen musste, um zu entscheiden, was zuerst zu erledigen war. So würde ihm gar nicht auffallen, wie still es in der Nacht war, wie einsam auf dem Berg, schließlich war er aktuell die einzige Person in der Gegend.

Na ja, das stimmte nicht so ganz. Doc Parsons befand sich wahrscheinlich auf der Swinging-C-Ranch auf der anderen Seite des Bergs. Ein Weg, der für einen kurzen Besuch zu weit war.

Eli stieß einen schrillen Pfiff aus, ein Signal für die Hunde, und ritt mit seinem ungeduldig tänzelnden Pferd den Zaun entlang, um herauszufinden, welches Tier verschwunden war. Es gab eine Kuh, die gern mal ausbüxte. Also suchte er zwischen den schwarzen Rindern nach der vertrauten weißen Blesse auf der Nase. Als er sie nicht entdecken konnte, ritt er in einem Bogen zurück und suchte noch einmal. Schließlich fluchte er. Er hatte es geahnt.

Houdini. Dieses verdammte Rindvieh.

In jeder Herde gab es eine Kuh, die sich nicht mit den anderen vertrug und die immer versuchte, den eigenen Willen durchzusetzen, oder immerzu in Schwierigkeiten geriet. Das war in diesem Fall Houdini. Wenn es einen Zaun gab, dann gelang es ihr, ihn zu überwinden. Und wenn es einen Blizzard gab, dann fand sie einen Weg, dass man sie irgendwo suchen musste. Dieses Rind war einfach eine Katastrophe, und er hatte schon unzählige Male damit gedroht, sie zu verkaufen. Tatsache aber war, dass sie immer kräftige, gesunde Kälber zur Welt brachte, und das allein zählte. Also behielten sie das Tier.

An Tagen wie diesem bereute er ihre Entscheidung manchmal, wenn er in den Schneesturm hinaus und sie wieder einfangen musste. Mit einem unterdrückten Fluchen lenkte Eli sein Pferd in Richtung Gatter. Klar, dass der Zaun an einer Stelle durchgebrochen war. Während die meisten Rinder klug genug waren, um in der Nähe des Heus zu bleiben, unternahm Houdini gern Ausflüge. Je nach Sichtweise war sie die dümmste Kuh, die sie besaßen, oder die klügste. Wie auch immer, jetzt war sie weg, und er würde sie suchen müssen.

Eli richtete den Zaun wieder auf, wobei er unentwegt fluchte, und stieg anschließend erneut auf sein Pferd. »Jim, Bandit, kommt. Lasst uns eine Kuh suchen.«

Eigentlich hatte er sich auf einen ruhigen Abend am Kamin gefreut. Daraus würde wohl nichts werden.

Das Gute daran, eine Kuh im Schnee finden zu müssen, war die Tatsache, dass sie für gewöhnlich eine Spur hinterließ, die kaum zu übersehen war, dachte Eli. Auch Houdini hatte Hufabdrücke hinterlassen, denen er leicht folgen konnte. Glücklicherweise entdeckte er sie rechtzeitig. Wenn es nämlich länger dauern würde, hätte der Schnee die Spuren mit Sicherheit verdeckt. Der Weg führte in Richtung der Bergstraße, was nicht weiter schlimm war, da bei diesem Wetter sowieso niemand die Straße benutzen würde. Wahrscheinlich hatte man die Straßen am Fuße des Berges bereits gesperrt, und die entlaufene Kuh würde irgendwo auf der Straße gesichtet werden. Als neben ihm die Hunde zu bellen begannen, wusste er Bescheid. Bandit und Jim rannten vor dem Pferd her und verschwanden im Sturm. Das bedeutete, dass sie die Kuh gefunden hatten. Eli schickte ein kurzes Dankgebet gen Himmel, weil er allmählich die Erschöpfung zu spüren begann, sowohl geisitg als auch körperlich. Es wurde von Minute zu Minute kälter. Wenngleich er an so schlechtes Wetter gewöhnt war, bedeutete das noch lange nicht, dass es ihm gefiel. Es war schwer für die Hunde, schwer für die Pferde, schwer für ihn.

Außerdem zog es ihn zurück auf die Ranch, um nach Frannie zu sehen und zu schauen, ob die Welpen inzwischen geboren waren. Alle Ranchhunde arbeiteten hart und waren sehr gut ausgebildet, doch mit der Hündin verband ihn etwas Besonderes.

Das Gebell der Hunde wurde lauter, und er konnte das verärgerte Muhen einer Kuh hören. Endlich. Mit seinen Handschuhen packte er sein Seil, vergrößerte die Schlinge des Lassos und lenkte das Pferd in die richtige Richtung. Als er näher kam, sah er, dass die trächtige Kuh im Schutz eines Baums stand und von Jim und Bandit in die Enge getrieben worden war. Es würde ein Leichtes werden, sie einzufangen, nachdem sie nun nicht mehr abhauen konnte. Wenige Augenblicke später hatte er die Schlinge über ihren Kopf geworfen und das Seil an seinem Sattel befestigt. Das Tier hatte allen Widerstand aufgegeben. »Ist schon gut, Houdini«, beschwichtigte er sie. »Wir gehen jetzt zurück zur Scheune, essen was Feines und vergessen solche waghalsigen Unternehmungen mal für ein paar Tage.«

Das Rind blökte und zerrte am Seil, als aber die Hunde hinter Houdini bellten, drehte sie sich gehorsam um und lief mit ihnen zur Ranch zurück.

Eli zog seinen Hut tiefer ins Gesicht und blickte sich um. Selbstverständlich war das Rind zur Hauptstraße gelaufen. »Hauptstraße« war vielleicht etwas übertrieben, genauer gesagt war es ein kurvenreicher Schotterweg, den im Winter so gut wie niemand nutzte.

Und das war vermutlich der Grund, weshalb er zweimal hinsah, als er glaubte, im blendenden Weiß des Schnees einen beigefarbenen Fleck zu sehen. Eine für Dezember ungewöhnliche Farbe, die hier in der Gegend eigentlich kaum zu finden war. Größtenteils war alles weiß, vor allem weißer Schnee, der manchmal gelblich war oder als bräunlicher Matsch daherkam, in dem bisweilen eine schwarze Kuh auftauchte. In dem Moment frischte der Wind auf, und eine eisige Böe wehte ihm direkt ins Gesicht. Er zog den Hut noch tiefer und schloss für einen Augenblick die Augen, um sie vor dem Frost zu schützen. Als er den Blick hob, war der beigefarbene Fleck noch immer zu sehen. Jetzt musste er wohl oder übel nachschauen, was es war.

Er sprang von seinem Pferd, knotete die Zügel an einem Ast fest, prüfte noch einmal das Seil um Houdinis Hals und stapfte durch den dreißig Zentimeter hohen Schnee auf den Farbfleck zu. Die Hunde bellten, stürmten auf den Farbfleck zu, und ihm jagte ein Schauer über den Rücken.

Nach ein paar Schritten erkannte er eine Stoßstange. Ein Auto. Das war wirklich nicht gut.

»Jim! Bandit! Bei Fuß!«, rief er. Das Gebell der Hunde wurde immer lauter und aufgeregter. Er hielt mit seiner behandschuhten Hand seinen Hut fest, als eine Windböe ihn traf und den Hut vom Kopf zu wehen drohte. Entschlossen stemmte er sich gegen den Sturm, und kämpfte sich weiter durch den Schnee zu dem Auto. Der Wagen war halb von Schnee bedeckt und stand offenbar seit einer ganzen Weile hier. Mindestens eine Stunde, wenn man sich ansah, wie schnell seine Fußabdrücke vom Schnee verdeckt wurden. Langsam ging er um das Auto herum. Der Motor lief nicht, der Fahrer war eindeutig mit der Kühlerhaube gegen den riesigen Baum geprallt. Eli kam es vor, als wäre er nicht aufmerksam genug gewesen und geradeaus gefahren, statt nach links abzubiegen. Der rechte Weg hätte ihn direkt zur Price-Ranch geführt, und Eli war sich ziemlich sicher, dass dort kein Besuch erwartet wurde. Überhaupt hörte man aus dem Wagen keinerlei Geräusche. Und Spuren sah man ebenfalls keine. Was er bemerkte, war eine zersprungene Windschutzscheibe. Von innen konnte man einen dunklen Fleck an der Scheibe erkennen. Wahrscheinlich Blut. Vielleicht war die Person im Inneren des Wagens gar nicht ausgestiegen, sondern schwer verletzt liegen geblieben. Wenn im Auto eine Leiche lag, würde sie dort ein paar Wochen länger liegen müssen, stellte sich Eli voller Grausen vor, weil bei diesem Wetter kein Abschleppwagen und kein Rettungswagen den Berg hinauffahren konnten. Dieser Ort war nach einem Schneesturm so gut wie unpassierbar. Eli schluckte schwer und beugte sich vor, um durch die Windschutzscheibe zu blicken. Dabei stellte er zu seinem Erstaunen fest, dass sich der Türgriff noch öffnen ließ und nicht längst zugefroren war. Es überraschte ihn, dass es im Inneren des Wagens sogar noch recht warm war. In diesem Moment erblickte er eine Frau auf dem Fahrersitz.

Dunkelbraunes Haar bedeckte das Lenkrad. Die Frau war schmal, zart und trug einen schwarzen Pullover zu einer Jeans. Der Inhalt ihrer Handtasche lag auf dem Beifahrersitz verstreut. Auf dem Rücksitz entdeckte er Weihnachtsdekorationund Schachteln voller Lebensmittel.

Welcher Idiot fuhr während eines Schneesturms mit einer Limousine in die Berge, fragte Eli sich. Jetzt war die Frau vielleicht tot. Mit einer vorsichtigen Bewegung zog er den Körper an der Schulter zurück, damit er sich das Gesicht ansehen konnte.

Als die Frau auf dem Sitz zurückfiel, stöhnte sie, ein Lebenszeichen.

Sie war Ende zwanzig, vielleicht in seinem Alter, ihr Gesicht war blutverschmiert, und sie hatte eine große Wunde direkt auf der Stirn, wo sie gegen die Windschutzscheibe geprallt war. Oder gegen das Lenkrad oder gegen beides. Er konnte es nicht genau sagen.

Er wusste bloß, dass er sie nicht einfach liegen lassen konnte. Nicht hier draußen in der Kälte, wo sie mit Sicherheit sterben würde.

Eli kniete sich neben das Auto und schüttelte die Frau sacht an der Schulter. »Ma’am?«

Ihr Kopf fiel zur Seite, und sie reagierte nicht.

Nachdem er noch ein paarmal vorsichtig versucht hatte, sie zu Bewusstsein zu bringen, wurde ihm klar, dass er sie zur Ranch schaffen musste. Wie ein verwundetes Kalb wäre sie an einem geschützten, warmen Ort sicherer. »Wir bringen Sie jetzt ins Warme, Ma’am«, sagte er höflich, obwohl er ahnte, dass sie kein Wort von dem hörte, was er sagte. Mit ihr zu reden, gab ihm jedoch ein etwas besseres Gefühl, und er hoffte, dass sie das am Leben erhalten würde.

Er untersuchte den Rücksitz des Wagens und fand eine Tasche mit Kleidung. Nichts, was er dort herauszog, war annähernd warm genug für einen Blizzard in Wyoming. Ihm blieb keine Wahl. In so einer Situation durfte er nicht lange fackeln. Er musste mit den Hunden zurück zur Ranch und sein Pferd, seine Kühe und seine Frau aus dem Sturm bringen. Also nicht »seine« Frau. Diese Frau hier. Er war etwas durcheinander, schließlich fand man nicht alle Tage eine schwerverletzte hübsche Brünette.

Eigentlich hätte er die Feiertage allein verbringen sollen, jetzt hatte er ein Problem. Ein hübsches braunhaariges Problem, aber nichtsdestotrotz ein Problem. Eli stülpte ihr ein paar ihrer dünnen Pullover über den Kopf und zog sie über ihren Oberkörper herunter. Da die Pullis ihm noch immer nicht warm genug erschienen, schnappte er sich die Decke, die offenbar normalerweise unter den Weihnachtsbaum gelegt wurde, und schlang sie ihr um die Schultern. Schließlich hob er sie aus dem Wagen.

»Tut mir leid, dass es so kalt ist«, murmelte er, als er sie an seine Brust drückte. »Ich kann Sie leider nicht hier draußen lassen, und ich kann Ihnen auch keinen Rettungswagen rufen. In der nächsten Zeit wird niemand in diese Richtung kommen. Wir sind also allein. Warten Sie ab. Ich bringe Sie in Sicherheit.«

Sie antwortete nicht. Die Hunde bellten, doch die Frau in seinen Armen rührte sich nicht.

Eli konnte nur hoffen und beten, dass er nicht zu spät gekommen war.

Kapitel 4

Es war nicht ganz leicht, eine bewusstlose Frau, eine trächtige Kuh, zwei Hunde und ein Pferd durch einen Schneesturm zu manövrieren. Aber irgendwie gelang es ihm, zur Ranch zurückzukommen und keinen zu verlieren. Er hatte die Frau vor sich auf den Sattel gesetzt und mit dem Rücken an seinen Oberkörper gelehnt. Die ganze Zeit über hatte sie sich nicht gerührt und regte sich jetzt immer noch nicht. Eli war beunruhigt. Es gab niemanden, der bei diesen Wetterverhältnissen auf den Berg kommen könnte. Sie würden notgedrungen warten müssen, bis das Wetter sich besserte. Falls ihre Verletzungen allerdings schlimmer sein sollten als befürchtet, wäre das in der Tat ein riesiges Problem und vielleicht käme jede Hilfe zu spät.

Zum Glück war sein Pferd wenigstens gut ausgebildet und wusste, wie man durch den Schnee nach Hause fand. Eli musste kaum eingreifen, und so war er erleichtert, als er in der Ferne das Dach der großen Scheune auftauchen sah. Er trieb Houdini zum Rest der Herde, das Pferd brachte er in den Stall, und die Frau trug er ins Haus. Die Hunde folgten ihm auf dem Fuße. Für gewöhnlich sattelte er das Pferd ab und rieb es trocken, bevor er ins Haus ging und sich dort um alles kümmerte, doch das musste heute warten. Zuerst musste die Frau in seinen Armen versorgt werden, sofern das ohne einen Arzt möglich war. Der Rest würde später kommen. Eins nach dem anderen war seine Devise.

Eli trat mit dem Fuß die Tür auf, und Jim und Bandit stürmten ins Haus. Frannie lief Eli zwischen die Füße. »Zurück, Mädchen«, sagte er zu der Hündin, und sie wich zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Aufgeregt wedelte sie mit dem Schwanz. Sie hielt das alles wahrscheinlich für ein lustiges neues Spiel.

Im Haus war es kalt, denn er ließ nicht gern ein Feuer brennen, wenn er als Einziger auf der Ranch war. Behutsam legte er die Frau auf die Couch und zündete den Holzofen an, um für mehr Wärme zu sorgen. Sie machte nach wie vor keine Anstalten, wieder zu sich zu kommen, und er rieb sich das Gesicht, ratlos darüber, was er tun sollte.

An den meisten Tagen machte es ihm nichts aus, allein zu sein. Es gefiel ihm sogar. Heute hingegen nicht. Die Verantwortung lastete schwer auf seinen Schultern. Er hatte das Gefühl, sich um alles gleichzeitig kümmern zu müssen, und jeder brauchte Aufmerksamkeit. Frannie winselte ständig, und ihr Schwanz schlug gleichmäßig gegen sein Bein. Eli blickte sie seufzend an. »Tu mir einen Gefallen und krieg nicht ausgerechnet heute deine Welpen, okay? Viel mehr als das hier kann ein Mensch nicht ertragen.«

Begeistert, dass er mit ihr redete, wackelte Frannie mit dem Schwanz. Sie wirkte wie ein riesiger weißer Berg aus flauschigem Fell. Allein ihr Anblick vermittelte ihm ein gutes Gefühl, und er streichelte ihr über den Kopf, ehe er wieder aufstand. Eins nach dem anderen.

Und das bedeutete, dass er als Allererstes etwas für die bewusstlose Frau tun musste, was jedoch wusste er nicht. In dem Moment meldete sich der Cowboy in ihm und erinnerte ihn, dass er die Ranch nicht vernachlässigen durfte. Im Stall und unter einer Überdachung standen zu viele Tiere, die gefüttert werden mussten. Außerdem würde er ihnen noch mehr Pellets und noch mehr Heu zu essen geben müssen, weil das die Wärmedämmung förderte und den Hunger stillte. Da es draußen zunehmend kälter wurde, brauchten die Rinder mehr Futter. Aber vorher musste er sich vergewissern, dass es der bewusstlosen Frau besser ging.

Eli trat an das Sofa, setzte sich auf die Kante und starrte die Frau an. Er verfügte über einige medizinische Vorkenntnisse, da er mehr Kälbern als jeder andere hier auf die Welt geholfen hatte. Er konnte ein Tier medizinisch versorgen, ohne mit der Wimper zu zucken. Er hatte seine eigenen Wunden genäht und verstauchte Knöchel verbunden, um weiterarbeiten zu können. Er hatte Knochen gerichtet und selbst eine ausgekugelte Schulter wieder eingerenkt. Hier oben in den Bergen musste man sich eigenständig versorgen können; wenn man nämlich bei jeder kleinen Verletzung aufhörte zu arbeiten, schaffte man nichts.

Das Problem war, dass er noch nie bei einer Frau medizinische Hilfe geleistet hatte. Und schon gar nicht bei einer Fremden.

Vorsichtig löste er die Weihnachtsbaumdecke, die er um sie geschlungen hatte, und tastete ihre Arme und Rippen nach gebrochenen Knochen ab. Alles schien in Ordnung zu sein. Er zog die Kleidung ein Stückchen hoch, um sich die Haut darunter anzusehen, die zwar oberflächliche Verletzungen und blaue Flecke aufwies, doch nichts wirkte geschwollen oder aufgerissen, was zweifelsohne ein schlechtes Zeichen gewesen wäre. Sie atmete gleichmäßig und klang normal. Erleichtert seufzte er und strich sich mit der Hand über den Mund. So weit, so gut, dachte er. Es hätte schlimmer sein können.