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Buch 2 in der Serie - Sex in Seattle Der erfolgreiche Geschäftsmann Daniel Derenzo lebt nur für seine Arbeit. Doch dann wird er durch seinen sterbenden Vater daran erinnert, wie kurz das Leben ist. Daniel setzt seine Prioritäten neu und macht eine überraschende Entdeckung – er fühlt sich zu seinem Geschäftspartner und besten Freund Nick hingezogen, obwohl er immer davon ausgegangen war, ein absolut normaler, heterosexueller Mann zu sein. Auf seine typisch perfektionistische Art erkundet Daniel diese neue Entwicklung mit Hilfe der Experten von 'Expanded Horizons', einer Sexklinik. Und anschließend geht er das Problem an, wie er es aus dem Geschäftsleben kennt – mit dem festen Entschluss, sich das Geschäft nicht durch die Finger rutschen zu lassen. Nick Ross war vor vielen Jahren in Daniel verliebt, als sie sich ein Zimmer im Studentenwohnheim teilten. Aber Nick wusste schon damals, dass Daniel nicht schwul ist. Er reparierte sein gebrochenes Herz durch eine Heirat mit Marcia. Vierzehn Jahre und zwei Kinder später gleicht ihre Ehe zwei Schiffen, die sich nachts begegnen. Da Nick seine Kinder über alles liebt, verzichtet er auf eine Scheidung. Er hat Angst davor, dass Marcia das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekommt. Aber wenn er seinem eigenen Herzen und den Gefühlen, die in Daniel erwacht sind, vertrauen kann, gibt es vielleicht doch noch ein glückliches Ende für sie beide.
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Seitenzahl: 282
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Von Eli Easton
Buch 2 in der Serie – Sex in Seattle
Der erfolgreiche Geschäftsmann Daniel Derenzo lebt nur für seine Arbeit. Doch dann wird er durch seinen sterbenden Vater daran erinnert, wie kurz das Leben ist. Daniel setzt seine Prioritäten neu und macht eine überraschende Entdeckung – er fühlt sich zu seinem Geschäftspartner und besten Freund Nick hingezogen, obwohl er immer davon ausgegangen war, ein absolut normaler, heterosexueller Mann zu sein. Auf seine typisch perfektionistische Art erkundet Daniel diese neue Entwicklung mit Hilfe der Experten von ‚Expanded Horizons‘, einer Sexklinik. Und anschließend geht er das Problem an, wie er es aus dem Geschäftsleben kennt – mit dem festen Entschluss, sich das Geschäft nicht durch die Finger rutschen zu lassen.
Nick Ross war vor vielen Jahren in Daniel verliebt, als sie sich ein Zimmer im Studentenwohnheim teilten. Aber Nick wusste schon damals, dass Daniel nicht schwul ist. Er reparierte sein gebrochenes Herz durch eine Heirat mit Marcia. Vierzehn Jahre und zwei Kinder später gleicht ihre Ehe zwei Schiffen, die sich nachts begegnen. Da Nick seine Kinder über alles liebt, verzichtet er auf eine Scheidung. Er hat Angst davor, dass Marcia das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekommt. Aber wenn er seinem eigenen Herzen und den Gefühlen, die in Daniel erwacht sind, vertrauen kann, gibt es vielleicht doch noch ein glückliches Ende für sie beide.
Inhalt
Zusammenfassung
Widmung
Teil I: Marleys Geist
1
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Teil II: Feindliche Übernahme
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Teil III: Der Vertragsabschluss
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Epilog
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Copyright
Für alle, die jemals in einer unglücklichen Beziehung waren und sich danach sehnten, sich daraus zu befreien.
DUE DILIGENCE (GEBÜHRENDE SORGFALT, PROSPEKTPRÜFUNG)
(1) Die Umsicht, mit der eine Person vermeidet, anderen Menschen oder deren Eigentum Schaden zuzufügen.
(2) Analyse und Bewertung eines Unternehmens oder einer Organisation zur Vorbereitung eines Geschäftsabschlusses (beispielsweise einer Fusion oder Auftragsvergabe).
Seattle, Juni 2014
DANIEL PARKTE seinen Lexus vor der Klinik und schaute mit einer Mischung aus Furcht und Abscheu auf die Eingangstür. Durch diese Tür zu gehen, war das Letzte, was er wollte - mit Ausnahme der Idee, sich die Hoden enthaaren zu lassen. Mit Wachs. Von einer Drei-Zentner-Matrone namens Helga. Aber in diesem Gebäude, Zimmer 605, lag sein Vater. Keine Entschuldigung der Welt war Rechtfertigung genug, diesen Besuch zu verschieben oder zu umgehen.
Er klappte den Lichtschutz nach unten und studierte sich in dem kleinen Spiegel. Sein kurzer Bart war so perfekt geschnitten, wie es mit einem Zafiro Iridium Rasierer nur möglich war. Seine Haut war klar und frisch. Seine dunklen Augen litten etwas darunter, die Farbe eines billigen Rosé angenommen zu haben. Ausschlafen war ein Luxus, den sich Daniel nur selten erlauben konnte. Er fuhr sich über die dunklen, kurzen Haare, richtete seinen Schlips – Dolce & Gabbana! – und stieg aus dem Auto. Dann holte er seine Anzugjacke vom Rücksitz, wo sie auf einem fellbezogenen Kleiderbügel aus Holz an der Tür hing, und zog sie an.
Als er die Klinik mit seinem gewohnten, entschlossenen Schritt betrat, teilte sich das Meer von Krankenschwestern und Besuchern vor ihm, als wäre er Moses persönlich. Normalerweise war es vorteilhaft, diese Wirkung auf Menschen zu haben. Heute bedeutete es unglücklicherweise nur, dass er umso schneller vor der Tür von Zimmer 605 stand. Er holte tief Luft und redete sich ein, einem Heer von feindlichen Aufsichtsratsvorsitzenden und Anwälten gegenübertreten zu müssen. Er konnte das schaffen. Daniel öffnete die Tür.
Als er das Zimmer betrat, saß sein Vater im Bett. Frank Derenzo war bis vor sechs Monaten ein gesunder, imposanter Mann gewesen mit den silbernen Strähnen in seinen dunklen Haaren, dem durchdringenden Blick seiner dunklen Augen und der maßgeschneiderten, makellosen Kleidung. Aber die Krankheit hatte ihn ausgelaugt. Er war nur noch ein halber Mensch, sein Körper ausgemagert und sein Gesicht bleich.
Verdammt. Daniel hasste es, den Mann aus Stahl so zu sehen. Es war … einfach falsch. Falsch und verstörend.
Er zwang sich zu einem Lächeln, obwohl ihm der Magen irgendwo in die Nähe der Knie gerutscht war.
„Hallo, Vater.“
Daniel ging zum Bett und schüttelte ihm resolut die Hand. Sein Vater ließ nicht los, musterte ihn von oben bis unten und schüttelte dann enttäuscht den Kopf. Zap. Daniels gesundem Ego wurde ein Schlag versetzt. Er hasste es, auf die missfallenden Blicke seines Vaters immer noch so anfällig zu reagieren. Er entzog ihm seine Hand.
„Du hast dich also endlich dazu durchgerungen, mich zu besuchen“, sagte Frank. „Schön, dass du doch noch so etwas wie Gefühle für deine Familie in dir hast.“
„Natürlich bin ich gekommen, Vater. Wie geht es dir?“
Frank verzog das Gesicht. „Was glaubst du wohl? Ich habe nur noch einige Monate zu leben. Sagen sie. Die Schmerzen sind erträglich. Noch. Ich bringe meine Angelegenheiten in Ordnung. Das heißt nicht, dass ich nicht stocksauer wäre. Ich habe es nie gemocht, wenn man mich beim Spielen stört, und das Leben ist das beste Spiel von allen.“
„Es tut mir wirklich leid, Vater“, erwiderte Daniel. Und es stimmte. Sein Vater war erst sechzig Jahre alt. Er war immer ein starker Mann gewesen und verdiente es nicht, dass ihm so der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Das Leben konnte eine sehr launische Geliebte sein.
Frank sah ihn schicksalsergeben an. „Ich weiß, dass du schon wieder auf die Uhr schaust. Also wollen wir es hinter uns bringen. Eine von den Angelegenheiten, die ich noch regeln muss, bist du, Daniel.“
Daniel blinzelte überrascht. „Ich bin bei bester Gesundheit, Vater. Es geht mir gut und mir fehlt nichts.“
„Doch, Dan, dir fehlt etwas. Setz dich.“
Daniel hasste es, Dan genannt zu werden. Es war so … profan. Aber es war sinnlos, mit seinem Vater darüber zu streiten. Der Mann gab Anweisungen. Er nahm sie nicht entgegen.
Daniel zog den Stuhl am Bett etwas zurück und überlegte, ob er seine Jacke ausziehen sollte. Normalerweise machte er das, bevor er sich setzte. Er wollte nicht, dass sie Falten bekam. Aber dann würde es vielleicht so aussehen, als wollte er länger bleiben. Da waren ein paar Falten in der Jacke das kleinere Übel. Oder etwa nicht? Andererseits hatte er in zwei Stunden einen wichtigen Geschäftstermin. Da wollte er nicht aussehen, wie …
„Gott, du bist so nervös wie ein Kolibri auf Speed! Setz dich jetzt hin, verdammt“, beschwerte sich Frank.
„Hast du mich deshalb hierher bestellt? Um mir zu sagen, dass ich nervös bin?“, fragte Daniel steif, ließ seine Jacke an und platzierte seinen Hintern auf dem Stuhl.
„Natürlich nicht. Das hätte ich dir auch übers Telefon sagen können.“ Franks Augen blitzten amüsiert.
Wollte er etwa einen Witz machen? Jetzt? Daniel räusperte sich und schaute gewohnheitsmäßig auf die Uhr, ohne sie richtig zu sehen. „Was ist also los, Vater?“
Frank atmete tief durch. Sein Gesicht entspannte sich. „Richtig. Es hat keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden. Ich muss dir etwas sagen, Daniel, und ich erwarte, dass du mir gut zuhörst. Du musst dein Leben ändern, mein Sohn. Du bist auf dem falschen Weg. Mache nicht den gleichen Fehler wie ich.“
„Wie bitte?“
„Ich sehe dich an und habe das Gefühl, in den Spiegel zu schauen. Und ich glaube nicht, dass du an meiner Stelle sein solltest.“
Daniel lachte schnaubend. „Worüber redest du da? Haben sie dir zu starke Pillen gegeben?“
„Hör mir zu, verdammt!“ Franks Stimme wurde laut. Daniel war mit seinen vierunddreißig Jahren ein erwachsener Mann, aber wenn sein Vater diesen Ton anschlug, wimmerte der fünfjährige Junge in ihm wie ein kleines Mädchen. „Ich bin weder high noch verrückt. Weiß du, wer ich im Moment bin, Daniel Meyer Derenzo?“
Daniel sah ihn fragend an.
„Ich bin der Geist von Marley, verdammt. Das bin ich.“
„Ich …“
„Ich bin das, was du in fünfundzwanzig Jahren sein wirst. Und ich sage dir, Daniel, du willst am Ende deines Lebens nicht in meiner Lage sein.“
Daniel wollte etwas über die Fortschritte in der Medizin sagen, dass er sehr gesund aß und regelmäßig trainierte. Aber er schloss den Mund wieder. Es kam ihm unhöflich vor, vor einem Mann, der an Krebs starb, so anzugeben. Und außerdem war es wahrscheinlich nicht das, was sein Vater ihm sagen wollte.
„Na gut“, erwiderte er stattdessen in einem Ton, als müsste er einen bissigen Hund besänftigen. „Immer mit der Ruhe.“
„Lisa hat dich vor drei Jahren verlassen. So lange ist es doch her, oder? Und warum?“
Zap. Noch ein Schlag fürs Ego. Daniel drückte die Schultern durch. „Wir haben uns auseinandergelebt.“
Frank schüttelte ungeduldig den Kopf. „Das ist kompletter Unsinn. Sie hat dich aus dem gleichen Grund verlassen, aus dem deine Mutter mich verlassen hat. Ich habe mich nicht um sie gekümmert und sie wollte einen Mann, der mehr ist, als die Unterschrift auf ihren Rechnungen. Und genau das habe ich getan. Ich habe sie in die Ecke gestellt und für meine Arbeit gelebt. Und als sie mich verlassen hat, war ich noch so dumm, ihr dafür Vorwürfe zu machen Und bevor mit aufgefallen ist, was ich für ein Idiot war, ist sie gestorben.“
Daniel mochte nicht daran erinnert werden. Er war noch ein Teenager gewesen, als seine Eltern sich scheiden ließen. Frank war niemals zuhause gewesen und Daniel hatte Verständnis dafür, dass seine Mutter davon genug hatte. Aber Daniel wollte auch nicht darüber reden, weil er sich immer noch manchmal schuldig fühlte, kein besserer Sohn gewesen zu sein. Vielleicht wäre sein Vater dann öfter zuhause geblieben. Das wäre er doch, oder?
Trotzdem konnte Daniel nicht verstehen, was das mit seiner eigenen Scheidung zu tun haben sollte. „Es tut mir leid, dass du dich nicht mehr mit Mutter aussöhnen konntest. Das ist der Unterschied zwischen dir und mir. Ich mache Lisa keine Vorwürfe. Sie ist ein guter Mensch. Die Scheidung war unsere gemeinsame Entscheidung. Ich bin einfach nicht der Typ für … feste Beziehungen.“
„Und genau das ist das Problem, Dan“, sagte Frank seufzend. „Glaub mir, ich sage das nicht, weil es meiner Vorstellung von Spaß entspricht, meinen erwachsenen Sohn so zu piesacken. Ich sage es, weil ich mir wünschte, dass mir jemand so die Leviten gelesen hätte, als ich in deinem Alter war.“
Daniel rieb sich über die Oberlippe und war erleichtert, dass er noch keinen Schweiß an den Fingern fühlen konnte. Aber sein Herz schlug schon schneller und der Stress rollte am Horizont heran wie eine Gewitterfront. „Es tut mir leid, dass du von mir so enttäuscht bist. Es geht mir gut. Besser als gut. Es geht mir sogar sehr gut.“
„Aha. Bist du mit jemandem zusammen? Bist du seit deiner Scheidung auch nur ein einziges Mal mit einer Frau ausgegangen?“
„Ja! Ich … ich … Das geht dich nichts an.“ Daniel kam sich vor, als hätte ihm jemand ein Zeichen auf die Stirn gebrannt: Versager.
„Richtig. Du musst so viel arbeiten, dass du keine Zeit findest, um auszugehen. Wann hast du das letzte Mal Urlaub gemacht? Einen Strandspaziergang? Mit deinen Freunden gepokert? In einer Hängematte gelegen?“
„In einer Hängematte? Ehrlich? Wo sind wir denn hier?“
„Halt den Mund! Ich versuche, meine Perlen der Weisheit mit dir zu teilen!“
Da war er wieder, dieser spezielle Tonfall. Daniel atmete schwer und zwang sich zur Ruhe. Er machte leise Atemübungen und entspannte sein Gesicht. Wenn er sich jetzt von seinem Vater so aufregen ließ, würde er den Rest des Tages mit Kopfschmerzen im Bett liegen. Das konnte er sich nicht leisten. Er musste die Akten zu Mojambo durchgehen, noch mindestens drei wichtige Telefonate erledigen wegen des Geschäfts mit Liptec und …
„Schau dir doch an, was es aus uns gemacht hat“, sagte Frank heiser und runzelte frustriert die Stirn. „Du bist mein einziger Sohn. Und wie oft haben wir uns in den letzten zehn Jahren gesehen? Vielleicht einmal jährlich. Selbst während deiner Kindheit war ich nie ein Teil deines Lebens. Bin ich auch nur einmal zu einem deiner Spiele gekommen?“
Daniel brach in lautes Gelächter aus. „Na ja, das wäre dir auch schwergefallen. Ich habe nie Sport getrieben.“
Frank winkte müde ab. „Siehst du, was ich meine? Ich war ein grauenhafter Vater. Ich hätte mit dir übers Wochenende zum Zelten fahren oder Ausflüge machen sollen. Wir hätten viel mehr Zeit miteinander verbringen sollen.“
Daniel fiel dazu nichts mehr ein. Als Junge hatte er sich genau das gewünscht. Aber er hatte schon lange aufgegeben, sich nach der Aufmerksamkeit seines Vaters zu sehnen. Er wollte nur noch raus aus diesem Zimmer und vergessen. Vergessen, dass sein Vater an Krebs starb. Vergessen, dass sie dieses Gespräch geführt hatten. Er suchte verzweifelt nach einer gefälligen Antwort. „Ich, äh … ich habe dich immer bewundert. Du warst so erfolgreich. Du warst ein ganz großer Fisch. Du warst mir immer ein Vorbild.“
„Erfolgreich!“ Frank schüttelte den Kopf. „Ich habe Unmengen Geld. Na und? Es hat nicht verhindern können, dass ich jetzt hier liege. Und selbst wenn ich mir das luxuriöseste Krankenzimmer leisten kann … Es ist leer. Leer, Daniel.“
„Es tut mir leid, Vater. Ich wollte schon früher kommen, aber …“
„Es ist nicht deine Schuld. Man kann nicht sein Leben lang Menschen ignorieren und dann erwarten, dass sie plötzlich für einen da sind. Das weiß ich. Nein, du musst mir jetzt zuhören. Ich liege hier und erlebe den letzten Akt meines Lebens. Bald senkt sich der Vorhang, und was habe ich dann? Ein riesiges Bankkonto, das ich nicht mitnehmen kann. Du bist mein Erbe, Daniel. Du bist das einzige, was von meinem Leben übrigbleibt. Und du bist unglücklich. Also, sage mir: Wofür das alles? Warum habe ich das getan?“
„Gott … Du … Ich bin nicht unglücklich!“ Daniel wurde langsam sauer, weil sein Vater nicht anerkennen wollte, wie erfolgreich er war. Würde es den Mann denn umbringen, wenn er auch nur ein einziges Mal stolz auf seinen Sohn wäre?
Frank sah ihn lange an, dann wurde sein Gesicht wieder weich. „Schon gut, ich verstehe dich. Du siehst gut aus.“
Das wurde auch langsam Zeit. „Vielen Dank.“
„Ein hübscher Schlips“, sagte Frank und deutete auf Daniels Brust. „Und diese Schuhe! Welche Marke ist das? John Lobb’s?“
Daniel sah auf seine Füße und freute sich, als er die Schuhe betrachtete. „Ja, die neue Kollektion. Ich habe sie …“
„Sie sind wunderbar. Zeig mir einen.“
„Was?“
„Komm schon.“ Sein Vater streckte ungeduldig die Hand aus.
Daniel runzelte die Stirn, öffnete aber einen der Schuhe, zog ihn aus und gab ihn seinem Vater. Frank betrachtete ihn genau. „Nett.“ Dann warf er ihn durch das geöffnete Fenster nach draußen.
„Hey!“
Daniel sprang auf und lief zum Fenster. Sein Schuh lag auf dem Vordach des Erdgeschosses. „Bist du wahnsinnig?“, rief er. „Warum hast du das getan?“
„Weil es lächerlich ist! Du schuftest dir Tag und Nacht den Arsch ab – ich kenne dich, Daniel! – und was hast du davon? Ein Paar Schuhe zu fünfzehnhundert Dollar? Daniel, das istkein Leben!“
Daniel warf ihm einen wütenden Blick zu.
Sein Vater seufzte. „Pass auf. Ich weiß, du denkst, du hättest alle Zeit der Welt. Aber das ist ein Irrtum. In einem Wimpernschlag bist du vierzig, im nächsten fünfzig, und dann … dann liegst du auf dem Sterbebett und stellst fest, dass all die Geschäfte, die dir so wichtig waren, nur heiße Luft sind, Dan. Niemand erinnert sich daran, niemand kümmert sich darum. Genauso wenig, wie um deine schicken Schuhe. Sie sind einen Scheißdreck wert. Ich … ich will doch nur, dass du ein besseres Leben hast.“
Frank hört sich so ehrlich an. Für einen Augenblick teilten sich die Vorhänge in Daniels Kopf und ließen einen Blick frei auf das, was sein Vater ihm sagen wollte. Sein Magen krampfte sich zusammen und ein merkwürdiges Gefühl durchfuhr ihn, das er nicht beschreiben konnte, das ihm aber den Atem nahm. Er schob es entschlossen zur Seite und schüttelte den Kopf. „An meinem Leben ist nichts falsch. Ich fühle mich ausgefüllt. Ich bin … glücklich.“ Daniels Stimme brach. Er presste die Lippen zusammen und ärgerte sich darüber, dass sie ihn so verraten hatte.
Sein Vater lächelte traurig. „Es reicht, Daniel. Das Geld, das du verdient hast. Es reicht. Liebe einen Menschen. Erfreue dich am Sex. Geh auf Reisen. Setz dich irgendwo im Wald auf eine Terrasse und lies ein Buch. Aber lass die Zeit nicht nutzlos verrinnen, Daniel. Weil die Zeit unendlich viel mehr wert ist, als jede Aktie, die du an der Börse kaufen kannst. Lass dir das von einem Mann sagen, der nicht mehr lange zu leben hat. Lebe dein Leben, Daniel.“
Daniel stand immer noch am Fenster, ein makellos gekleideter Mann mit nur einem Schuh, und starrte seinen Vater an. Er konnte sehen, dass der alte Mann es ernst meinte. Der Anhänger der Kirche des Allmächtigen Dollars hatte eine tiefe Glaubenskrise. Wer konnte ihm dafür einen Vorwurf machen? Es kam Daniel seltsam vor, wie einer der skrupellosesten Geschäftsmänner, die er jemals gekannt hatte, jetzt plötzlich über Ehe, Kinder und Zeit philosophierte. Aber Daniel musste auch zugeben, dass sein Vater nicht ganz unrecht hatte. Er hatte selbst schon darüber nachgedacht, in Zukunft etwas kürzer zu treten. Um ehrlich zu sein, er dachte schon seit einigen Jahren darüber nach, hatte aber nie damit ernst gemacht. Und hatte ihm Nick nicht immer das Gleiche gesagt?
Doch es lag nicht in Daniels Natur, sich vorschreiben zu lassen, wann er das Spiel aufgeben sollte.
Er holte tief Luft und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. „Ich, äh … ich denke darüber nach. Reicht dir das, Vater? Und jetzt muss ich jemanden suchen, der mir meinen verdammten Schuh von dem Vordach holt.“
Hongkong, zwei Wochen später
„ZWEI SAKE, bitte.“ Daniel zog die Anzugsjacke aus und hängte sie über einen Barhocker. Dann nahm er auf dem Hocker daneben Platz.
Nick setzte sich an seine Seite. Er warf seine Jacke ebenfalls über einen freien Hocker. Im Gegensatz zu Daniel lockerte er auch seinen Schlips und knöpfte die oberen Knöpfe seines Hemdes auf. Es war ihre Standardroutine. Daniel konnte sich erst dann richtig entspannen, wenn er wieder auf seinem Zimmer war. Man wusste nie, ob nicht ein Bekannter in die Bar kam, und dann wollte er perfekt aussehen, auch wenn er Nick dafür bewunderte, darauf keinen Wert mehr zu legen.
Sie waren schon seit zwei Wochen in Honkong und arbeiteten rund um die Uhr, um die Übernahme von Mojambo abzuschließen. Aber an diesem Freitag, es war schon Nachmittag, hatten sie endlich alles unter Dach und Fach. Daniel war erschöpft. Er wollte jetzt nur noch eine kurze Pause mit seinem besten Freund machen, bevor er in einer Stunde seine E-Mails und die gespeicherten Anrufe durchging, um die wichtigsten noch beantworten zu können. Und er sollte sich wirklich bei Gwen, seiner Sekretärin in Seattle, melden. Danach konnte er dann endlich diese engen Schuhe loswerden, seine abendlichen Kniebeugen und Liegestützen absolvieren und etwas Warmes essen, bevor er sich schlafen legte.
Gott. Er unterdrückte mühsam ein Gähnen.
„Es wird kein Problem sein, alles zu organisieren“, meinte Nick. „Wir können Nakamura von TechMod damit beauftragen. Die Umstrukturierungen, die sie dort vorgenommen haben, lassen sich hervorragend auf Mojambo übertragen. Das erspart uns viel Zeit und …“
Nick redete noch weiter, aber Daniel war abgelenkt. Eine wunderschöne Chinesin hatte sich auf den Barhocker auf der anderen Seite von Nicks Jacke gesetzt. Sie bemerkte, dass Daniel sie beobachtete, und lächelte ihm verführerisch zu.
Mist. Prostituierte. Daniel wendete den Blick ab und machte auf cool. Obwohl er sie nicht mehr ansah, hatte sie sich in seine Retina eingebrannt wie ein kurz bevorstehender Frontalzusammenstoß. Sie trug ein enges, schwarzes Kleid und ihr Interesse an ihnen blinkte wie eine Neonreklame in ihrem Gesicht. Zwei gut gekleidete amerikanische Geschäftsmänner in einer Hotelbar … Daniel schaute sich unauffällig um. Es waren noch andere Gäste hier, aber niemand schenkte ihnen Beachtung. Er wusste, wie paranoid das war, doch er wollte nicht von seinen Geschäftspartnern gesehen werden. Man konnte zwar immer behaupten, es wäre nichts gewesen. Aber er schwamm in einem Haifischbecken, in dem solche Skandale mit Schlagsahne und Schokostreuseln serviert wurden. Alles, um sich einen geschäftlichen Vorteil zu verschaffen.
„… Was hältst du davon, Jameson zeitig anzusprechen?“, sagte Nick. „Nur, um rechtzeitig … Oh.“
Daniel drehte sich zu ihm um. Die Prostituierte hatte Nick den Arm um die Schultern gelegt. Sie lehnte sich zur Seite, presste ihre knackige Brust an ihn und ihre Lippen berührten fast sein Ohr. „Möchtest du mich zu einem Drink einladen?“, schurrte sie kokett.
Daniel hätte fast laut gelacht. Diesen Ausdruck hatte er bei Nick lange nicht mehr gesehen. Es war wie damals, als sie während ihres Studiums in Mexico Urlaub machten und Nick sich in einem billigen Restaurant etwas, das wie Ketchup aussah, auf seinen Burrito schüttete. Es war aber eine scharfe Salsa. Damals war Nick auch so feuerrot geworden und seine Augen hatten panisch geglänzt.
„Äh … Nein. Nein, danke“, stammelte Nick.
Die Dame schmollte enttäuscht und verschwand.
Daniel kicherte. „Hey, Nick. Du musst sie meinetwegen nicht wegschicken.“
Es war scherzhaft gemeint, aber Nick lachte nicht. Es starrte in die Tasse mit dem Sake, als ob darin der Sinn des Lebens verborgen läge. Dann leckte er sich nervös über die Lippen, nahm seine Jacke vom Barhocker und legte sie über seinen Schoß. Daniel hatte kurz zuvor noch nach unten gesehen und … Nick hatte eine Erektion. Nein, Nick hatte den Mount Everest aller Erektionen, der ihm die graue Hose ausbeulte.
Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in Daniel breit. War es Verlegenheit? Sein Mund wurde so trocken, als wäre plötzlich sämtliche Flüssigkeit aus Daniels Körper verdampft.
Nick sah ihn an. Daniel zog eine Augenbraue hoch. Nick wurde noch röter.
„Gott, ich … Es ist lange her“, sagte Nick und lachte abschätzig. Dann trank er einen Schluck Sake.
Daniel trank ebenfalls einen Schluck, um seine Zunge wieder kooperativer zu stimmen. „Wie lange, Nick?“, fragte er ruhig.
Nick sah ihm nicht in die Augen. „Marcia hat mich seit drei Jahren nicht mehr in ihre Nähe gelassen.“
Daniel klappte die Kinnlade nach unten. „Du hast seit drei Jahren keinen Sex mehr gehabt?“ Es hörte sich unerträglich laut an und er sah sich erschrocken um, aber niemand beachtete sie. Daniel beugte sich vor und wiederholte flüsternd seine Frage. „Du hast seit drei Jahren keinen Sex mehr gehabt? Willst du mich verarschen?“
„Sex? Ich kann mich dumpf erinnern, dass es so etwas geben soll“, erwiderte Nick mit einem Zittern in der Stimme. „Nein, Daniel. Keine Umarmung, kein Kuss auf die Wange. Nichts. Das meine ich.“
„Warum hast du mir das nie erzählt?“
„Warum sollte ich? Es ist peinlich und demütigend. Und sinnlos.“
„Verdammt, Nick. Du musst dich von Marcia trennen. Das ist nicht richtig.“ Daniels Meinung nach gab es schon seit Jahren Dutzende von Gründen, warum Nick Marcia verlassen sollte. Aber das … Daniel wurde plötzlich fürchterlich wütend.
Nick war ein so guter Kerl. Er war der beste Mensch, den Daniel jemals gekannt hatte. Er war klug und loyal und großherzig. Deshalb arbeiteten sie so gut zusammen bei DRE – Derenzo & Ross Enterprises. Nick war das umgängliche Gegenstück zu Daniels Skrupellosigkeit. Er war es, der sich um die Firmen kümmerte und sie wieder auf die Beine stellte, nachdem Daniel sie für DRE übernommen hatte. Er freundete sich mit den Menschen an, führte eine mitarbeiterfreundliche Geschäftspolitik ein, beruhigte aufgeregte Nerven und machte alle glücklich. Er machte die Firmen wieder so gesund, dass man sie mit Gewinn weiterverkaufen konnte. Manchmal stritten sie sich darüber, weil Daniel dachte, Nick würde es mit seinen Zugeständnissen an die Mitarbeiter zu weit treiben; oder wenn er Arbeitsplätze erhalten wollte, die nicht mehr produktiv waren. Aber Daniel musste zugeben, dass Nick meistens recht behielt. Und außerdem war Nick noch ein junger Mann. Und ein verdammt gutaussehender obendrein, mit seinen rostbraunen Haaren und braunen Augen. Nicks Augen hatten Daniel schon immer fasziniert. Sie hatten genau die gleiche Farbe wie seine Haare. Wie Herbstlaub. Es war fast, als hätten Nicks Gene nur eine Farbe zur Verfügung gehabt. Dass Daniel selbst sich nicht die Mühe machte, mit Frauen auszugehen und eine neue Beziehung einzugehen, war die eine Sache. Nick war die andere. Er hatte eine Frau zu Hause – eine wunderschöne Frau –, die ihn absichtlich am ausgestreckten Arm verhungern ließ. Scheiß auf Marcia.
„Was zum Teufel ist ihr Problem?“, wollte Daniel wissen.
Nick schüttelte seufzend den Kopf. „Keine Ahnung. Sie war noch nie sehr begeistert von Sex. Sie mag es, aus der Ferne bewundert zu werden; aber sie will nicht, dass man sie anfasst. Ich wollte sie überreden, sich in Behandlung zu begeben, aber sie hat immer wieder neue Ausreden gefunden, es nicht zu tun. Mittlerweile ist es mir egal.“
„Mein Gott, Nick.“
Nick war normalerweise gut darin, Daniels Stimmungen vorauszuahnen. Wenn Daniel sich aufregte, fand er immer einen Weg, ihn abzulenken und zu beruhigen. Aber heute war ihm Daniels Wut nur peinlich, und das sah man ihm an. „Komm schon, Daniel. Jenny ist gerade erst in die achte Klasse gekommen und Sylvan ist erst acht Jahre alt. Ich … ich kann es einfach nicht tun. Ich hätte es dir nicht sagen sollen. Ich will nicht darüber reden.“
Nick kippte seinen Sake in einem Zug ab. Er war offensichtlich erschüttert von seinem Geständnis.
Daniel sah ihn an und wandte den Blick dann wieder ab. Er hätte gerne etwas Aufmunterndes gesagt oder – noch besser – etwas Lustiges, Ablenkendes. Aber sein Kopf war wie leergefegt. Er war so leer wie weißes Blatt Papier, das den gesamten Horizont einnahm. Unheimlich leer.
Dann fielen ihm die Worte seines Vaters ein. Lebe dein Leben, Daniel. Er hatte in letzter Zeit oft darüber nachgedacht, mehr als ihm guttat. Da war etwas in ihm – eine Art schwarzes Loch –, das seit dem Gespräch mit seinem Vater immer mehr Raum einnahm. Daniel konnte nicht sagen, was es war. Aber er wusste jetzt, dass er nicht der einzige war, der nicht lebte. Nick erging es nicht viel besser. Wie verdammt gleichgültig war er nur all die Jahre gewesen, dass ihm Nicks Unglück nicht aufgefallen war? Daniel mochte sich nicht allzu viele Sorgen um sein eigenes Leben machen, aber Nick … Nick hatte es verdient, glücklich zu sein.
Er dachte ernsthaft darüber nach, Nick dazu zu ermuntern, die Gelegenheit im schwarzen Seidenkleid wahrzunehmen, die immer noch am anderen Ende der Bar saß. Wirklich. Er konnte es irgendwie witzig verpacken. Was in Hongkong passiert, bleibt in Honkong. Oder vielleicht diese dummen Klischees sein lassen und etwas wirklich Passendes sagen.
Aber Daniel kam nicht mehr dazu, etwas über die Prostituierte zu sagen, denn in diesem Augenblick geschah es. Er verspürte plötzlich eine merkwürdige Hitze und Übelkeit im Magen und fragte sich noch, ob er versehentlich Shrimps gegessen hatte. Davon wurde ihm immer schlecht. Aber dann merkte er, dass es sich nicht um eine körperliche Übelkeit handelte. Es war eine emotionale Übelkeit. Er war … eifersüchtig. Er wollte nicht, dass diese Frau Nick berührte, dass sie ihn küsste.
Er warf Nick einen scharfen Blick zu. Die Zeit schien still zu stehen. Daniels Sinne waren merkwürdig geschärft. Er fühlte die glatte Oberfläche der Bar unter seine Hand und nahm jede Nuance der schummrigen Beleuchtung wahr. Er starrte seinen Freund an und versuchte, damit klarzukommen, was in seinem Körper vor sich ging. Nick war so … attraktiv, so … sexy? Und in diesem Moment schlug es ein wie der Blitz: Er begehrte Nick. Er wollte nicht, dass die Prostituierte Nick berührte, weil er ihn selbst berühren wollte. Er wollte Nick an der Hand nehmen, hier und jetzt. Er wollte ihn auf sein Zimmer führen, ihn sanft aufs Bett stoßen, seinen Gürtel öffnen und … Er wollte diesen Schwanz in seinem Mund fühlen und saugen. Er wollte Nick nahe sein, so nahe wie nur irgend möglich. Wollte Nick Freude geben. Wollte, dass sie sich beide gut fühlten.
Oh Gott. Verdammt.
Ein unfreiwilliges Zucken seiner rechten Hand ließ die Saketasse durch die Luft fliegen. Sie zersprang hinter der Bar auf dem Fußboden.
„Daniel?“ Nick legte ihm besorgt die Hand auf den Arm.
„Ich …“ Daniel war wie erstarrt vor Schock. Er bemerkte plötzlich, dass er ebenfalls erregt war. Sein Schwanz war so hart wie eine Eisenstange. Er sprang vom Barhocker, schnappte sich seine Jacke und zog sie – mit dem Rücken zu Nick – an. „Ich habe ganz vergessen, dass ich, äh … Ich muss noch … noch jemanden anrufen“, sagte er erstickt. „Wir sehen uns später.“
IN SEINEM Hotelzimmer angekommen, verschloss Daniel hinter sich die Tür und verriegelte sie zusätzlich mit der Sicherheitskette. Dann lief er unruhig auf und ab und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, als könnte er dadurch seinen Verstand wieder in die Normalität zurück massieren.
Was war das? Verdammt, was war das?
Er hatte noch nie so für Nick oder einen anderen Mann empfunden. Noch nie. Er hatte kein solches Verlangen mehr gespürt, seit … seit lange vor seiner Scheidung. Wenn er ehrlich war, sogar während seiner gesamten Ehe nicht. Nur in den ersten paar Monaten mit Lisa. Wenn überhaupt. Aber eben in der Bar … Das war verdammt überwältigend gewesen. Und er spürte es immer noch. Es juckte ihn in den Fingern, Nick anzurufen und auf sein Zimmer einzuladen, vielleicht mit einer Ausrede über irgendwelche Akten, die sie noch zusammen durchgehen mussten.
Nein.
Immer noch steinhart, zog er sein Laptop aus der Tasche und fuhr es hoch. Er googelte, bis er einige Einträge in Foren fand, aber es war alles Müll. Nur unerfahrene Leute, die ihre ‚Gefühleʻ beschrieben oder anderen laienhafte und unsinnige Ratschläge gaben. Hier gab es nur Verlierer. Nein, wenn Daniel Derenzo etwas wissen wollte, konsultierte er Experten. Er nahm nur die Besten. Daniel änderte seine Suchbegriffe, und dann … fand er es.
‚Expanded Horizonsʻ. Es war die am besten bewertete Sexklinik im Nordwesten der Vereinigten Staaten. Und sie war in Seattle, nicht allzu weit von ihrem Büro entfernt. Daniel informierte sich etwas genauer über ihr Programm und die Therapeuten, dann brummte er zufrieden. Na also. Das war doch genau das, was er brauchte. Er sah auf die Uhr. In Seattle war jetzt Freitagvormittag. Er benutzte sein Handy, um einen internationalen Anruf zu machen.
„Expanded Horizons. Hier spricht Loretta. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Hallo, Loretta. Mein Name ist Daniel Derenzo. Ich komme am Sonntag auf dem Flughafen an und brauche den ersten Termin, den sie am Montagmorgen frei haben. Nein, ich möchte Halloran sprechen. Dr. Jack Halloran.“
„SAGEN SIE, Dr. Halloran, wie kann es sein, dass ein Mann vierunddreißig Jahre alt wird, ohne zu merken, dass er schwul ist?“
Daniel beobachtete Dr. Halloran aufmerksam, um dessen Reaktion einzuschätzen. Er legte seinen iPad so auf Dr. Hallorans Schreibtisch, dass der Videorekorder die Sitzung genau aufzeichnete, falls er sie sich später genauer ansehen wollte. Hallorans blaue Augen blickten ihn scharf an. Sie wollten nicht zu dem Eindruck des blonden, liebenswerten Nachbarjungen passen, den der Doktor auf den ersten Blick vermittelte.
Ja, Halloran war in Ordnung. Daniel hatte schon vielen hochrangigen Wirtschaftsvertretern gegenübergesessen und vertraute seinem Bauchgefühl. Der Doktor wusste, was er tat. Gott sei Dank. Vielleicht konnte Daniel ja wenigsten für fünf Minuten seine Panik vergessen.
„Das ist durchaus möglich“, sagte Halloran. „Aber sagen Sie mir doch … Wodurch wurde dieses neue Selbstverständnis ihrer Sexualität ausgelöst?“
Daniel überlegte, wie er es am besten erklären sollte. Es war ihm wichtig, die richtigen Worte zu finden. Eine gute Datengrundlage war die Voraussetzung für eine zuverlässige Analyse. Und er wollte die beste Diagnose, die der Doktor ihm geben konnte.
„Wissen Sie, manche Dinge werden einem Menschen nur langsam bewusst. Zum Beispiel, dass er Hunger hat. Angenommen, Sie sind den ganzen Tag über sehr beschäftigt, weil sie ein wichtiges Geschäft zum Abschluss bringen wollen, ja? Sie nehmen sich einen Vertrag nach dem anderen vor und merken nicht, wie spät es schon geworden ist. Sie spüren einen gewissen Hunger, aber Sie arbeiten weiter. Dann wird der Hunger stärker, aber Sie wollen noch diese eine Sache erledigen. Plötzlich ist es vier Uhr nachmittags und Sie könnten einen ganzen Ochsen verschlingen.“
„Okay“, sagte Halloran und nickte zustimmend.
„Nun, mir ging es vollkommen anders.“
Halloran zog fragend eine Augenbraue hoch.
„Es war eher so, als würde ich auf einem vertrauten Pfad durch den Wald laufen. Ich laufe und laufe und höre dabei vielleicht Musik mit meinen Ohrhörern, ja? Und dann … Wham! Plötzlich schlägt vor mir ein Meteorit ein und der ganze Wald geht in Flammen auf.“
Halloran schürzte die Lippen. „Ich verstehe, dass es sehr plötzlich passiert ist. Was ich nicht verstehe, ist der Vergleich mit dem flammenden Inferno und der Zerstörung.“
„Gut. Vergessen Sie diesen Teil.“ Daniel strich sich mit einem Finger über die Augenbraue. Er fühlte sich gestresst und fragte sich, ob Halloran ihm vielleicht Xanax verschreiben konnte.
„Es ging so plötzlich, als ich es das erste Mal gemerkt habe. Es kam wie aus dem Nichts und ist mit einem lauten Knall in meinem geordneten Leben gelandet. Hmm. Vielleicht passt der Vergleich mit der Zerstörung ja doch.“
„Warum erzählen Sie mir nicht, wie es das erste Mal war?“ Halloran lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als würde er sich auf eine längere Geschichte einstellen. Na gut. Daniel war bereit, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Er konnte reden bis zum Weltuntergang, wenn es ihm nur helfen würde, zu verstehen, was in ihm vorging.
Er erzählte Halloran von dem Nachmittag in der Bar in Hongkong und wie sehr er seinen Geschäftspartner begehrt hatte. Seinen männlichen Geschäftspartner.
„Ich wollte mich an seinem … an seinem Glied festsaugen wie ein verdammter Blutegel. Das macht mich doch schwul, oder?“