Das Blauerhundkonzept 2 - Rolf C. Franck - E-Book

Das Blauerhundkonzept 2 E-Book

Rolf C. Franck

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Beschreibung

Noch immer wird viel zu viel Hundeverhalten mit veralteten Ansichten über "Dominanz" und "Rudelhierarchie" erklärt. Diese Theorien schwirren den meisten Hundebesitzern im Hinterkopf, auch wenn sie sich einen freundschaftlichen Umgang mit ihrem Vierbeiner wünschen und das Training mit positiven Methoden vorziehen. Das Verhalten des Hundes gegenüber seinen Menschen im Alltag und der Trainingssituation aus emotionaler Sicht zu betrachten, bietet endlich eine Alternative zu althergebrachtem Denken."Praxis Familienbegleithund" bietet Anregungen und für viele Übungen konkret formulierte Trainingsschritte, um die Ausbildung des eigenen Hundes zum gelassenen, "blauen" Vierbeiner zu gestalten. Zusätzlich geht es um den verlässlichen Aufbau grundlegender Gehorsamsübungen bis zur Begleithundeprüfung und den Umgang mit Problemverhalten.

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Seitenzahl: 127

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Impressum:Copyright © 2011 by Cadmos Verlag, SchwarzenbekGestaltung und Satz: jb:design – Johanna Böhm, DassendorfLektorat der Originalausgabe: Johanna Esser

Coverfoto und Fotos im Innenteil: soweit nicht anders angegebenMadeleine FranckZeichnungen: Rolf C. Franck

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-EinheitsaufnahmeDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorherigerschriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6416-4

INHALT

Vorwort

Teil 1 – Vom Welpen zum braven Begleiter

Kuck mal, wie schön die spielen

Gutes Sozialverhalten

Die Rolle des Menschen

Die emotionale Ebene

Ist Freispiel gesund?

Ist Freispiel sinnvoll?

Wichtige Grundlagen

Sozialisation

Umweltgewöhnung

Alltagsgestaltung

Kooperationsübungen

Von A nach B

Schnauzengriff

Festhalten lassen und Schmerzresistenz

Begegnungstraining

Hunde begrüßen

Menschen begrüßen

Besuch zu Hause

Aufmerksamkeit unter Ablenkung

Teil 2 – Basisübungen der Hundegrundschule

Selbstkontrolle

Das „It’s your choice“-Spiel

Spielkontrolle

Das Spielwort

Eine weitere Spielregel

Wenn der Hund nicht spielen will

Sicheres Abrufen – die wichtigste Übung im Hundeleben

Der Entfernungsradius

Emotionale Verknüpfungen

Weglaufen oder Verstecken

Abruftraining mit dem erwachsenen Hund

Unterlassungswort

„Nein“ positiv vermitteln

„Nein“ in allen Lebenslagen

Unterlassungswort absichern

Gehen an lockerer Leine

Konsequente Kompromisse

Schritt für Schritt ohne Ziehen

Leinenführigkeit für Profis

Bis zum Futternapf

Verheddern war gestern

Sitz, Platz und Bleib

Das Auflösungswort beendet den Spaß

Sitz

Platz

Bleib

Signalkontrolle

Teil 3 – Lieblingsübungen statt Langeweile

Die Übungen der Begleithundeprüfung

Bei Fuß gehen

Weg vom Locken

Wendungen

Mit und ohne Leine bei Fuß gehen

Abrufen mit Vorsitzen

Das Abrufen

Eine Verhaltenskette aufrechterhalten

Sitz und Platz aus der Bewegung

Platzablage

Prüfungsvorbereitung

Organisation im Training

Belohnungen abbauen ohne Motivationsverlust

Auf Frustrationstoleranz setzen

Schachbrett-Übung

Die „Schweig-still-liebes-Frauchen“-Übung

Teil 4 – Troubleshooting

Unsere Herangehensweise an Probleme

EMRA und das Wohlfühlbudget

Das Wohlfühlbudget

Das Lustprinzip

Was bei Problemen nicht funktioniert

Methoden und Hilfsmittel im Einsatz

Hundeschnuller Kong®

StressAnkerMassage

Kopfhalfter Gentle Leader®

Gewöhnung

Wann tragen?

Trainingsdiscs

Konditionieren.

Sprühhalsband

Typische Problemsituationen

Hetzen und Jagen

Trainingsschritte

Begegnungsprobleme

Trainingsschritt eins

Trainingsschritt zwei

Begegnungshund Nummer zehn

Nachwort

VORWORT

Rolf C. und Madeleine Franck mit ihrer Hundefamilie.

Im zweiten Band des Blauerhund®-Konzepts wird es nun konkreter, denn wir wollen Ihnen Anregungen geben, wie Sie das Training Ihres Hundes gestalten können. Die Auswahl der Übungen orientiert sich an unserem Trainingsziel, Ihren Hund zum „blauen Hund“ zu machen. Nach unserem Verständnis hat ein blauer Hund eine enge Bindung zu seinem Menschen und ist freundlich und angstfrei im Umgang mit Zweiund Vierbeinern. Er ist weltgewandt in dem Sinne, dass er bekannten und unbekannten Umweltbedingungen sehr gelassen gegenübertritt. Dazu braucht er ein gutes Nervenkostüm und eine große Portion Selbstbeherrschung.

Letztere ist für uns die Grundvoraussetzung jeder Erziehung. Um der Verwirklichung dieser Punkte möglichst nahezukommen, geht es in den folgenden Kapiteln um praktische Übungen, aber auch um das Schaffen der passenden Bedingungen. Und so kommen wir um ein bisschen Theorie doch nicht herum, die beim Verständnis der jeweiligen emotionalen Vorgänge hilft. Die Praxisideen eignen sich nicht nur für die Ausbildung eines alltagstauglichen Familienhundes. Die Basisübungen nach unseren Trainingsprinzipien aufzubauen ist gleichzeitig die ideale Vorbereitung für alle Vierbeiner, deren Menschen kleine und größere hundesportliche Ambitionen haben. Am Ende soll das gelassene Verhalten des Hundes selbstverständlich sein und die Übungen sollen zuverlässig klappen, wenn es darauf ankommt. Zu Anfang gibt es deshalb viele, viele, viele Clicks und Belohnungen. Je mehr Sie bereit sind, in Belohnungen und Lob zu investieren, desto schneller und zuverlässiger wird Ihr Hund lernen. Spart man nun schon im Anfangstraining an Leckerchen, geht oft über kurz oder lang die Motivation flöten, wenn der Zeitpunkt kommt, diese wenigen zu reduzieren oder ganz wegzulassen. Haben Sie keine Angst davor, großzügig zu füttern. Erfahrungsgemäß reichen selbst nach entsprechender Vorwarnung die vorbereiteten Leckerchen neuer Kursteilnehmer nur bis zur Hälfte der ersten praktischen Stunde. Wir versprechen, dass es garantiert später ohne klappt.

Madeleine und Rolf C. Franck

TEIL 1

VOM WELPEN ZUM BRAVEN BEGLEITER

TEIL 1VOM WELPEN ZUM BRAVEN BEGLEITER

Zieht ein Welpe in sein neues Zuhause, ist es für den engagierten Neuhundebesitzer inzwischen fast selbstverständlich, mit dem kleinen Knirps zur Hundeschule zu gehen. Eine Ausbildung dort beginnt in der Regel mit der Welpenspielstunde – und endet nicht selten mit so manchen unerwünschten Nebenwirkungen. Im Praxistraining Familienbegleithund nach dem Blauerhund®-Konzept ist wahrscheinlich einiges anders, als Sie es erwarten. Damit Ihr Welpe zu einem braven Begleiter heranwachsen kann, empfehlen wir Ihnen, lieber nicht mit ihm in eine Spielstunde zu gehen! Sie sollten lieber alles dafür tun, ihm die Welt zu zeigen und ihm beizubringen, wie er sich in den verschiedensten Situationen verhalten soll. Spielen Sie Ihre Rolle als Elternfigur so, dass Sie für Ihren Vierbeiner zur beschützenden Anlaufstelle bei jeder Unsicherheit, zum besten Spielkumpel und zur verlässlichen Respektsperson werden. Auf dem Lehrplan unserer Welpenschule steht nicht das freie Spiel mit Artgenossen, sondern das Begegnungstraining. Ihr Hund soll dabei lernen, wie man anderen Vierbeinern freundlich und gelassen begegnet, Konflikten aus dem Weg und oft auch nur einfach entspannt vorbei, statt zu jedem hin geht.

KUCK MAL, WIE SCHÖN DIE SPIELEN

Die beiden spielen schön miteinander, leider geht es nicht immer so friedlich zu. (Foto: majtas/fotolia.com)

Bereits 1975 entstanden in den USA die ersten Welpen-Kindergärten. In Deutschland begann wenig später Heinz Weidt sein Konzept der „Prägungsspieltage“ zu entwickeln und bekannt zu machen. Der berühmte Tierarzt und Hundeexperte Dr. Ian Dunbar startete 1981 in Amerika mit seinem „Sirius Puppy Training“. Alle diese Konzepte, auf denen die meisten heutigen Welpenschulen beruhen, haben eine Gemeinsamkeit: Ein großer Teil der Übungsstunden wird mit Freispiel zwischen den Welpen gestaltet. Durch dieses Spielen mit Gleichaltrigen sollen die jungen Hunde lernen, sich untereinander besser zu verständigen, um späteren Problemen im Umgang mit Artgenossen vorzubeugen. Alle Angebote beinhalteten weiterhin Übungen zur Umweltgewöhnung und Sozialisation, zur Schulung des Selbstvertrauens und Gleichgewichtssinns sowie zur Grunderziehung. Heutzutage ist es schon fast selbstverständlich, dass man als frischgebackener Hundebesitzer eine Welpenspielstunde besucht.

Wir finden es gut und auch richtig, dass besonders unerfahrene Besitzer möglichst früh einen Welpenkurs besuchen. Wir sind jedoch ausgesprochen kritisch gegenüber dem Freispiel, seinen Auswirkungen auf den Welpen, seine Beziehung zu anderen Hunden und zu seinem Menschen.

Statt frei zu toben, sind in der Welpenschule alle kleinen Vierbeiner angeleint.

Gutes Sozialverhalten

Theoretisch sollen Welpen im Freispiel gutes Sozialverhalten erlernen, aber sehr oft kommt genau das Gegenteil dabei heraus. Schauen wir uns einmal an, was nach unserem Modell des Emotionalen Lernens in einem durchschnittlichen Welpen vorgeht, der ein- oder zweimal pro Woche an einer Gruppenspielstunde teilnimmt:

Der optische Reiz „Anblick anderer Hunde“ wird mit zunehmend positiven Emotionen und steigender Erregung verbunden. Mit jeder Stunde wird die Erregung höher und fester verknüpft. Je höher die Erregung wird, desto geringer werden jedoch gleichzeitig die Selbstkontrolle und die Schmerzempfindlichkeit. Dadurch werden feine kommunikative Signale nicht mehr beachtet und das Lernen einer Beißhemmung erschwert. Stattdessen werden grobe Umgangsformen eingeübt und sehr raues Toben gefördert. Je nach Neigung entwickeln sich einige Welpen zu Grobianen, andere fallen immer mehr in die Opferrolle hinein. Sehr häufig werden rassetypische Verhaltensweisen an anderen Hunden geübt. Hütehunde zeigen zum Beispiel ihre typischen Bewegungsmuster wie Anschleichen, Treiben, Stoppen oder Hackenbeißen. Retriever praktizieren begeistert Rempeln und Distanzlosigkeit, während die Terrier eher zu Kampfspielen neigen. All diese und andere Verhaltensweisen werden immer fester mit dem Anblick und der Bewegung von Hunden verknüpft und entwickeln sich zu Standardverhaltensweisen für Hundebegegnungen.

Bei Alltagsbegegnungen geht ein solcher Welpe dann davon aus, dass man immer mit allen Hunden spielt, denen man begegnet. Läuft er frei, galoppiert er begeistert zu jedem Hund hin, ohne vorher auf die Benimmregeln unter Hunden zu achten. Dies führt häufig dazu, dass der kleine Grünschnabel heftig von erwachsenen Hunden in die Schranken gewiesen wird. Da der junge Hund ja schon durch den Anblick der anderen stark erregt ist, wird er entweder selbst mit Aggressionen antworten oder Angst bekommen. Sollte er bei solch einer Begegnung angeleint sein, wird er zunehmend frustriert, weil er nicht gleich zum anderen Hund hinlaufen kann. Frust und hohe Erregung führen in der Folge unweigerlich zu aggressiven Signalen, die dann meist vom Gegenüber missverstanden werden. Genau dies sind die häufigsten Probleme, unter denen Hundehalter leiden, die uns um Rat fragen. In sehr vielen Fällen sind sie eindeutig auf übermäßiges Gruppentoben in Hundeschulen oder -vereinen zurückzuführen.

So hat Frauchen die besten Chancen, für ihren Zwerg wichtiger zu werden als andere Hunde.

Die Rolle des Menschen

Welche Auswirkungen hat das freie Gruppenspiel auf die Beziehung zwischen Mensch und Hund? Schon früh lernen Welpen, dass man mit Hunden viel mehr Spaß haben kann als mit dem eigenen Besitzer. Der Besitzer wird sogar zunehmend zum Spielverderber, weil er das Toben immer gerade dann unterbindet, wenn es am meisten Spaß macht. Dann werden kleine Übungen wie Sitz und Platz gemacht, bei denen der Hund halbherzig mitmacht, ohne seine vierbeinigen Kumpels je aus den Augen zu lassen. Was er lernt, ist etwa Folgendes: „Auf dem Hundeplatz ist es echt super. Man kann dort ganz toll mit anderen toben und endlich mal richtig Dampf ablassen. Okay, zwischendurch muss man an die Leine und soll langweiliges Zeug machen. Dafür bekommt man aber wenigstens Leckerchen. Zum Glück ist der Teil bald vorüber und man kann wieder ganz viel Spaß haben.“

Auch mit einem großen Welpen sollte man das widerstandslose Tragen üben.

Wir wissen durch die moderne Bindungsforschung, dass bei jungen Säugetieren die Bindung hauptsächlich über Spielen und Toben gefestigt wird. Unter den genannten Bedingungen wird also unweigerlich eine stärkere Bindung zu Artgenossen entstehen als zum Menschen. Gerade unerfahrene Welpenbesitzer schaffen es so oft nicht, eine feste, positive Bindung des Hundes zu ihnen zu erreichen. Dies wird noch zusätzlich erschwert, wenn Zerrspiele vom Trainer oder Züchter verboten wurden, damit der Hund nicht „dominant“ wird!

Sehr oft schildern uns Interessenten für unser Kurssystem beim ersten Telefongespräch, dass der Hund alle Übungen recht gut beherrsche, solange keine anderen Hunde dabei seien. Fast ausnahmslos handelt es sich dann um Vierbeiner, die in Hundeschulen oder Vereinen viel zu stark auf Hunde geprägt wurden. Außerdem bekommen wir immer wieder zu hören, dass den Besitzern oft vom Trainer verboten wurde, sich einzumischen, wenn ein Welpe verängstigt war. Man solle den Hund ignorieren, um die Ängste nicht zu verstärken und damit er lerne, sich zu wehren! Wie wir im ersten Buch erklärt haben, sieht der Hund uns als eine Art Elternfigur. Wie fühlt sich ein kleines, verängstigtes Kind, das von seinen Eltern ignoriert wird, wenn es ihm schlecht geht? Können Sie sich einen Kindergarten vorstellen, in dem die Kindergruppen sich selbst überlassen sind, damit sich die Kids gegenseitig gutes Benehmen beibringen? Was dabei herauskommen würde, ist wohl klar. Anstatt die enge Beziehung zwischen Welpenbesitzern und Hund zu fördern, seine Menschen und die Übungen interessant zu machen, passiert in den meisten Welpenschulen wohl in vielen Fällen gerade das Gegenteil.

Die emotionale Ebene

Neben den oben geschilderten Risiken und Nebenwirkungen des Freispiels hat das wiederholte aufgedrehte Toben auch Auswirkungen auf das Nervenkostüm eines Hundes. Besonders für leicht erregbare Typen wie zum Beispiel viele Jagdhunde, sogenannte Gebrauchs- und Hütehunde, bedeutet dies, dass sich ihr Körper generell noch mehr auf das Aktivieren von Erregungszuständen einstellt. Da im Welpenalter auch in diesem Punkt die Weichen für das spätere Leben gestellt werden, entwickelt sich so mancher zum schwer kontrollierbaren Zappelphilipp.Weiterhin wird das für Erziehung und Ausbildung wichtige Grundprinzip der Selbsthemmung zurückgedrängt. Alle Alltagsübungen beinhalten ein mehr oder weniger starkes Element der Selbstkontrolle, da der Hund sich immer entscheiden muss, anderen Verlockungen nicht nachzugeben.

Auch im Zusammenhang mit der Leine entstehen ungünstige Verknüpfungen. Welpen lernen sehr schnell, dass sie brav gehorchen müssen, solange sie angeleint sind, aber machen können, was sie wollen, wenn sie frei laufen. Selbst wenn das Abrufen aus dem Spiel geübt wird, konditioniert sich das Aufklicken des Karabinerhakens der Leine als Reiz für das große Vergnügen mit Rennen und Toben. Da sicher die allermeisten Hundehalter den Wunsch haben, später mit dem unangeleinten Hund spazieren gehen zu können, kann sich dies sehr ungünstig auswirken. Schließlich lernt schon der Welpe, dass die Leine und das Anleinen das Vergnügen beenden.

Die Spielregeln besagen: warten aufs Spielwort ...

... dann beginnt das Spiel mit Frauchen.

Im Sinne der Reizverknüpfung sehen wir noch ein weiteres großes Problem: Welpen lernen im Freispiel, auf Bewegungsreize schnell mit stark positiven Emotionen und dem Instinktverhalten Hinterherjagen zu reagieren. Das Hetzen ist in jedem Hund mehr oder weniger stark angelegt und wird so durch häufige Wiederholung und intensive Lustgefühle zur Standardstrategie bei Bewegungsreizen. Der Welpe wird sich daher noch viel mehr für Jogger, Radfahrer, Autos, Katzen, Vögel, Kaninchen und Rehe interessieren. Sobald er alt genug ist, um sich zu trauen, wird er vermutlich das Hetzen als lustvolles Highlight seines Lebens entdecken. Schon nach wenigen Wiederholungen entwickelt sich ein Suchtverhalten, das zu Entzugserscheinungen führt, wenn man es mit der Leine unterbindet. Diese ungünstige Konditionierung auf Bewegungsreize ist auch für angehende Hundesportler ein Problem. Sie kann große Schwierigkeiten machen, wenn der Hund später zum Beispiel in einer Gruppe Agility trainieren soll. Er wird auf das Rennen und Springen der anderen Hunde mit hoher Erregung reagieren und immer häufiger frustriert sein, wenn er nicht hinterher darf.

Ist Freispiel gesund?

Ein bisher weitgehend unbeachteter Aspekt des Freispiels ist die körperliche Belastung für den noch unreifen Bewegungsapparat eines Welpen. Durch die abrupten Bewegungen, das plötzliche Bremsen und kleinere oder größere Zusammenstöße im Spiel kann es sehr schnell zu Überlastungen und unbemerkten Verletzungen kommen. Werden diese nicht behandelt oder durch Schonung ausgeheilt, können sie leicht zu chronischen Schwächen führen. Besonders absurd scheint es dann, wenn gleichzeitig vor dem Treppensteigen gewarnt wird, welches ganz sicher nicht annähernd so belastend ist.

Ist Freispiel sinnvoll?

So mancher Hundehalter und Trainer wird unsere Kritik übertrieben finden, weil er es selbst anders kennt oder macht. Auf jede gut geführte Welpengruppe kommen aber zahlreiche, die reines Chaos schulen. Wir kennen selbst Trainer, die nicht auf freies Spiel in der Gruppe verzichten und ihre Sache dennoch sehr gut machen. Wir empfehlen dann darauf zu achten, dass nie die ganze Gruppe frei läuft, sondern nur zwei bis drei Welpen. Sie sollten vom Alter, Temperament und von der Körpergröße zusammenpassen.

Alles sollte unter Aufsicht und Kontrolle sowohl eines erfahrenen Trainers als auch eines geeigneten erwachsenen Hundes als Gouvernante oder Etikettelehrer geschehen. Es muss außerdem darauf geachtet werden, dass die Welpen schon eine starke Bindung zu ihren Menschen haben und dass das Freispiel nicht länger als fünf bis höchstens zehn Minuten dauert. Wir haben uns schon vor Jahren dazu entschlossen, auf Freispiel in der Welpenschule komplett zu verzichten. Es hilft uns nicht, unsere Trainingsziele zu erreichen, sondern ist aus unserer Sicht dafür eher hinderlich.

WICHTIGE GRUNDLAGEN

Auch aus einem halbwilden Straßenhund kann mit geduldigem Training noch ein Blauerhund® werden.