Das Elsass - Frankfurter Allgemeine Archiv - E-Book

Das Elsass E-Book

Frankfurter Allgemeine Archiv

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Beschreibung

Welch' schöner Garten!, soll Ludwig XIV. ausgerufen haben, als er von der knapp vierhundert Meter hohen Zaberner Steige erstmals auf die fruchtbare elsässische Rheinebene blickte. Rund neunzig Jahre später begeisterte sich der junge Goethe ebenfalls für dieses "neue Paradies für den Menschen". Seine landschaftlichen Reize haben Das Elsass zu einem lohnenden Reiseziel gemacht. Historische Städte und pittoreske Fachwerkdörfer prägen noch heute Das Elsass. Es bietet darüber hinaus hervorragende Weinlagen, kulinarische Spezialitäten und ausgezeichnete Restaurants. Doch wie jede Medaille hat auch Das Elsass eine andere Seite, die der elsässische Zeichner und Schriftsteller Tomi Ungerer recht treffend beschreibt: "Das Elsass ist wie eine Toilette, es ist immer besetzt." Mal deutsch, mal französisch - vier Mal allein in den letzten hundertfünfzig Jahren mussten Elsässer die Nationalität und das politische System wechseln. Deshalb widmet sich dieses eBook nach den touristischen Besonderheiten des Elsass auch der Entwicklung der kulturellen Identität der Elsässer und der neuen Freundschaft der alten Erbfeinde Deutschland und Frankreich in der Grenzregion. Zum Abschluss des rund 240-seitigen eBooks gibt es Empfehlungen, Das Elsass auch im Buch zu entdecken, sowie Hilfestellung für die Auswahl des richtigen Restaurants.

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Das Elsass

Region zwischen Vogesen und Rhein

F.A.Z.-eBook 39

Frankfurter Allgemeine Archiv

Redaktion und Gestaltung: Birgitta Fella

Key Account Management Archivpublikationen: Christine Pfeiffer-Piechotta, [email protected]: Franz-Josef GastericheBook-Produktion: rombach digitale manufaktur, Freiburg

Alle Rechte vorbehalten. Rechteerwerb: [email protected]© 2015 F.A.Z. GmbH, Frankfurt am MainTitelfoto: Straßburg, von araraadt / Fotolia.de, Bearbeitung: Hans Peter Trötscher

ISBN: 978-3-89843-384-6

Vorwort

Garten und neues Paradies für »Schwob« und »Welche«

Von Birgitta Fella

Welch’ schöner Garten!, soll Ludwig XIV. ausgerufen haben, als er von der knapp vierhundert Meter hohen Zaberner Steige erstmals auf das von ihm durch seine Reunionspolitik in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an Frankreich angeschlossene Elsass blickte. Vor Zabern breitet sich die weite, fruchtbare elsässische Rheinebene aus, hier gedeihen Obst, Getreide und Hopfen, an den sanften Hügeln im Vogesenvorland die guten Weinreben.

Etwa neunzig Jahre nach dem französischen Sonnenkönig kam Anfang 1770 der 21 Jahre alte Jurastudent Johann Wolfgang von Goethe für sechzehn Monate ins Elsass, um sein Studium an der Universität Straßburg fortzusetzen. Seine Begeisterung für dieses »neue Paradies für den Menschen« hat er Jahre später in »Dichtung und Wahrheit« (9. Buch) in leuchtenden Farben dargestellt:

»Und so sah ich denn von der Plattform (des Straßburger Münsters, Anm.) die schöne Gegend vor mir, in welcher ich eine Zeitlang wohnen und hausen durfte: die ansehnliche Stadt, die weitumherliegenden, mit herrlichen dichten Bäumen besetzten und durchflochtenen Auen, diesen auffallenden Reichtum der Vegetation, der, dem Laufe des Rheins folgend, die Ufer, Inseln und Werder bezeichnet. Nicht weniger mit mannigfaltigem Grün geschmückt ist der von Süden herab sich ziehende flache Grund, welchen die Ill bewässert; selbst westwärts, nach dem Gebirge zu, finden sich manche Niederungen, die einen eben so reizenden Anblick von Wald und Wiesenwuchs gewähren, so wie der nördliche mehr hügelige Teil von unendlichen kleinen Bächen durchschnitten ist, die überall ein schnelles Wachstum begünstigen. Denkt man sich nun zwischen diesen üppig ausgestreckten Matten, zwischen diesen fröhlich ausgesäeten Hainen alles zum Fruchtbau schickliche Land trefflich bearbeitet, grünend und reifend, und die besten und reichsten Stellen desselben durch Dörfer und Meierhöfe bezeichnet und eine solche große und unübersehliche, wie ein neues Paradies für den Menschen recht vorbereitete Fläche näher und ferner von teils angebauten, teils waldbewachsenen Bergen begrenzt, so wird man das Entzücken begreifen, mit dem ich mein Schicksal segnete, das mir für einige Zeit einen so schönen Wohnplatz bestimmt hatte.«

All diese landschaftlichen Reize haben das Elsass zu einem lohnenden Reiseziel gemacht. Historische Städte und pittoreske Fachwerkdörfer prägen noch heute das Elsass. Es bietet darüber hinaus hervorragende Weinlagen, kulinarische Spezialitäten und ausgezeichnete Restaurants.

Doch wie jede Medaille hat auch das Elsass eine andere Seite: die politische. Und die beschreibt der elsässische Zeichner und Schriftsteller Tomi Ungerer recht treffend: »Das Elsass ist wie eine Toilette, es ist immer besetzt.«

15 Jahrhunderte lang prägten germanische und alemannische Besiedlung, Sprache und Kultur das Land zwischen Vogesen und Rhein. Mit dem Westfälischen Frieden 1648 wurde es erstmals französisch. Nach dem Krieg zwischen Frankreich und Preußen wurde das Elsass 1871 an das Deutsche Kaiserreich abgetreten. 1918, nach dem Ersten Weltkrieg, wurde es wieder Frankreich angegliedert, 1940 wurde das Elsass von deutschen Truppen besetzt, 1945 war es wieder französisch.

Mit Straßburg als Sitz zahlreicher europäischer Einrichtungen (u.a. Europarat, Europäisches Parlament, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) entwickelte sich das Elsass nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Kernregion der Europäischen Union. Doch angesichts der geschichtlichen Wechselbäder bleibt auch im Vereinten Europa die Frage: Wie funktioniert die neue Freundschaft der alten Erbfeinde Deutschland und Frankreich ausgerechnet in der Grenzregion Elsass, die – mal deutsch, mal französisch –, vier Mal allein in den letzten hundertfünfzig Jahren die Nationalität und das politische System hat wechseln müssen?

Die Entwicklung der kulturellen Identität der Elsässer und der im Elsass gesprochenen germanischen Mundarten waren stark abhängig von der politischen Geschichte. Insbesondere im letzten Jahrhundert wurde das Elsässische restriktiven Maßnahmen unterworfen. Die französische Politik zwischen 1918 und 1940 zielte darauf, die deutsche Sprache bzw. das Elsässische zu unterbinden. Sie führte die französische Sprache als verbindliche Amts- und Schulsprache ein, Deutsch bzw. Dialekt zu sprechen war verboten. Unter der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg wurde die elsässische Bevölkerung der NS-Ideologie und Germanisierung unterworfen, französische Vor- und Familiennamen und Ortsnamen wurden in deutsche umgewandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Französisch wieder zur Verkehrs-, Amts- und Schulsprache, elsässisch wurde mehr und mehr verdrängt und Deutsch in den Schulen überwiegend als Fremdsprache unterrichtet.

Seit den 1968er Jahren haben verschiedene Regionalisierungsbewegungen in Frankreich dafür gekämpft, dass regionale kulturelle und sprachliche Eigenständigkeiten im Zentralstaat Frankreich wieder stärker wahrgenommen und aufgewertet werden. So auch das Elsässische. Bis heute sorgen Theater- und Musikgruppen, Mundartdichter, Heimatvereine und Sprachpfleger dafür, die elsässische Sprache und kulturelle Identität zu erhalten und an jüngere Generationen weiterzugeben.

So ist vielleicht doch wahr, was André Weckmann, einer der wichtigsten Elsässer Dichter, 1975 in seinem Gedicht «’s Elsass» dem Elsässer prophezeite:

« … que le Schwob ne t’a pas eu

que le Welche ne t’aura pas … »

(Der Deutsche hat dich nicht gehabt,

und der Franzos’ wird dich auch nicht kriegen)

Städte mit Kultur und Geschichte

Französisches Übel, gepaart mit deutschem Wahn

Unterwegs am Wochenende: Straßburg, Hauptstadt des Elsass

Von Sigrid Scherer

An der Place de la République steht ein Palast, der in die Geschichte eingehen sollte. Das zumindest wünschten sich die Bauherren des monumentalen Kastens, dessen Fassade einem antiken Tempel ähnelt und der darüber hinaus noch eine wuchtige Kuppel besitzt. Kaiserpalast nannten die deutschen Herren im Reichsland Elsass-Lothringen ihr Werk, das sie zwischen 1883 und 1888 errichten ließen. Straßburg hätte es später gerne vergessen, mitsamt den verhassten deutschen Bauherren. Ironie der Geschichte: Selbst Kaiser Wilhelm I., der in ihm residieren sollte, mochte den Palast nicht, und sein Nachfolger gab ihn zur Besichtigung frei.

Der Zweite Weltkrieg brachte Bomben, die die Rückseite des Baus zwar nur geringfügig beschädigten, der Palast wäre daraufhin aber beinahe abgerissen worden. Doch schließlich haben die Stadtväter anders entschieden, das Gebäude blieb als Palais du Rhin erhalten. Auch die anderen Monumentalbauten der Straßburger Neustadt, mit denen das wilhelminische Deutschland im 1870/71 eroberten Elsass Macht demonstrieren wollte, überstanden die beiden Weltkriege relativ unbeschadet. So kann sich die Stadt heute rühmen, eines der größten und am besten erhaltenen Ensembles wilhelminischer Architektur zu besitzen.

Es erstreckt sich von der Place de la République über die Universität bis hin zum Botanischen Garten. Auch das Zoologische Museum, bekannt für eine der größten Tiersammlungen Frankreichs, und das Gemeindebad, das nach wie vor genutzt wird, zählen dazu. Die beiden letztgenannten Gebäude befinden sich am Boulevard de la Victoire.

»Wer wissen möchte, wie Berlin um die Jahrhundertwende aussah – in Straßburg glaubt man beinahe, dort zu sein«, beschreibt die Stadtführerin. Daher habe das Deutsche Viertel auch schon mehrfach als Filmkulisse gedient. Die Straßburger selbst freundeten sich erst langsam mit der Neustadt an. Viele empfinden sie immer noch als Fremdkörper im Norden der heimeligen Altstadt. »Erst in den vergangenen Jahren ist in Straßburg überhaupt Interesse für dieses interessante Viertel erwacht«, sagt die Stadtführerin.

Ganz anders ist das Verhältnis der Bürger zu ihrem Münster. »Das ist unsere Kathedrale, für mich symbolisiert sie Straßburg«, verrät beispielsweise Chantal Leger. Sie arbeitet im Musée de l’OEuvre de Notre-Dame, in dem einst die Dombauhütte untergebracht war. Es befindet sich an der Südseite der Kathedrale, direkt neben dem Palais Rohan. Heutzutage sind in dem Palais, in dem früher Bischöfe residierten, gleich drei Museen untergebracht: Archäologie, Kunstgewerbe und eine Gemäldesammlung.

Ohne einen Besuch der Bauhütte ist die Besichtigung der Kathedrale eigentlich unvollständig. Denn nicht nur die Baugeschichte wird in dem Museum dokumentiert, auch ein großer Teil der Skulpturen, die im Freien von Umweltgiften bedroht wurden, ist dort ausgestellt. Sie präsentieren sich in ungewohnter Nähe, ähnlich wie einige der Kirchenfenster, die sich ebenfalls auf die Augenhöhe des Betrachters begeben haben.

Die Straßburger Kathedrale »Notre Dame de Strasbourg« hat zwar nur einen Turm, der aber besticht mit seinen 142 Metern Höhe durch Leichtigkeit und Eleganz und war bis ins 19. Jahrhundert hinein der höchste Kirchturm Europas. Die im gotischen Stil gehaltene Turmspitze des heutigen Bauwerks wurde 1439 fertiggestellt. Der Bau der Kathedrale begann im Jahre 1015. Von September 2014 bis September 2015 feiert die Stadt das 1000-jährige Bestehen ihrer Kathedrale (www.cathedrale-strasbourg-2015.fr). Foto: Philippe de Rexel, Office de tourisme de Strasbourg et sa région (Fremdenverkehrsamt Straßburg).

»Unsere Munster« heißt die Kathedrale im Volksmund. Und das mit Recht. Denn in der Mitte des 13. Jahrhunderts übernahmen Bürger der Stadt die Bauhütte. Patrizier, Kaufleute und Zünfte finanzierten die Arbeiten. Eine Stiftung wurde gegründet, die bis heute noch einen nicht unbeträchtlichen Teil der Restaurationsarbeiten – etwa ein Drittel der Kosten – trägt. Mit dem Engagement der Bürger wuchs auch die Kathedrale. Allerdings reichte es letztlich nur für einen der zwei geplanten Türme, der jedoch bis ins 19. Jahrhundert hinein der höchste Kirchturm Europas blieb.

330 Stufen führen auf eine Plattform, neben der sich einsam die Turmspitze erhebt. Hier soll Goethe zum ersten Mal seine Höhenangst überwunden haben, heißt es. Wer die Turmwand genauer betrachtet, entdeckt rechts unten seinen Namen. Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert sei es Mode gewesen, den Turm zu besteigen und sich von einem Steinmetz verewigen zu lassen, sagt ein Wärter. Der augenfällige »Schiller« jedoch, der etwas weiter links zu finden ist, sei wohl nicht der »richtige«.

Von der Plattform bietet sich der vielgerühmte Blick über die Stadt und das Schindelmeer ihrer alten Häuser. Unter den »Biberschwänzen«, wie die Dachziegel wegen ihrer Form heißen, wurden im Mittelalter Vorräte aufbewahrt, da die Keller in der Stadt am Wasser zu feucht waren. Je größer die Zahl der Speicher, erkennbar an den Reihen der Dachluken, um so reicher sollen die Bewohner gewesen sein. Aus der Nähe wirken manche der Fachwerkhäuser mit ihren hervorspringenden Geschossen wie »Knusperhäuschen« – so als wären sie aus süßem Backwerk. Andere drängeln an den engen Gassen, und der Kathedrale scheinen sie erst richtig auf den Leib rücken zu wollen. Wieder andere, wie etwa das Maison Kammerzell am Place de la Cathédrale, in dem sich ein bekanntes Restaurant befindet, beeindrucken mit prächtiger Verzierung.

Nahezu jeder Straßburg-Reisende bestaunt das Kleinod »Petite France« an der Ill. Die Architektur des ehemaligen Viertels der Müller, Fischer und Gerber stammt aus der mittelalterlichen, der deutschen Zeit, während der niedlich klingende Name auf ein damaliges Hospiz verweist, in welchem die sogenannte »Franzosenkrankheit« kuriert wurde, heute besser bekannt als Syphilis. Foto: araraadt / Fotolia.de.

Die schönsten Fachwerkhäuser stehen auf der Petite rance, einem von Seitenarmen der Ill durchzogenen Inselensemble. Es ist das ehemalige Viertel der Müller, Fischer und Gerber, die auf das an ihren Häusern vorbeirauschende Wasser angewiesen waren. Mittlerweile zählt die aufwendig restaurierte Petite France zu dem von der Unesco geschützten Weltkulturerbe. Die Geschichte des Namens ist weniger malerisch als das Viertel selbst – wie es sich dem Besucher präsentiert: Er geht auf syphiliskranke Legionäre zurück, die dort einst gepflegt wurden. Damals wurde die Krankheit noch als das »Französische Übel« bezeichnet.

Wer an einem Samstagnachmittag von der Petite France zurück in das Zentrum der Altstadt geht, sollte nicht versäumen, einen Blick in die St.-Thomas-Kirche zu werfen, mit ein wenig Glück findet gerade ein Konzert auf einer der berühmten Silbermann-Orgeln Straßburgs aus dem 18. Jahrhundert statt. Diese Orgeln, so heißt es, vereinen auf meisterhafte Weise den französischen und den deutschen Orgelbau.

Doch Straßburg ist nicht nur deutsch und französisch geprägt, sondern seit der Gründung des Europarats im Jahre 1949 auch europäisch und vor allem natürlich elsässisch. Einen Eindruck hiervon verschaffen das liebevoll gestaltete Musée Alsacien am Quai Saint-Nicolas oder die zahlreichen Restaurants, Bier- oder Weinstuben der Stadt. Wenn es draußen richtig kalt ist, dann ist ein »deftige Elsässer Baeckeoffe« aus mariniertem Fleisch, das zusammen mit Kartoffeln und Zwiebeln im Steinguttopf serviert wird, sehr zu empfehlen. Bei den »Pfifferbriedern« an der Place du Marché-aux-Cochons-de-Lait steht er häufig auf der Tageskarte und wird in rustikaler, fast bäuerlicher Atmosphäre serviert. Eine der vielleicht unkompliziertesten Weisen, mit der Hauptstadt des Elsass warm zu werden.

Informationen rund um die Stadt

Office de Tourisme de Strasbourg et sa Région. 17, place de la Cathédrale, 67000 Strasbourg. Täglich von 9.00 bis 19.00 Uhr geöffnet. Telefon +33 (0)3 88 52 28 28. Internet: www.otstrasbourg.fr

Museen: Das Musée Alsacien mit Elsässer Volkskunst ist eines der schönsten Museen Straßburgs. Es befindet sich in einem Gebäude aus dem 16. Jahrhundert am Quai Saint-Nicolas, Hausnummer 23-25. Das Palais Rohan an der Südseite der Kathedrale beherbergt gleich drei Sehenswürdigkeiten: das Kunstgewerbemuseum mit den ehemaligen Kardinalsgemächern, das Archäologische Museum des Elsass sowie eine Gemäldegalerie mit Werken vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Direkt nebenan befindet sich das Museum OEuvre Notre-Dame, die ehemalige Münsterbauhütte. Das Zoologische Museum am Boulevard de la Victoire, Hausnummer 29, ist besonders für Kinder geeignet. Kinderbuchillustrationen Karikaturen und Werbezeichnungen soie erotische Darstellungen des 1931 in Straßburg geborenen Zeichners Tomi Ungerer sind im Museum Tomi Ungerer – Internationales Zentrum für Illustration in der Villa Greiner, 2, avenue de la Marseillaise, zu sehen.

Europäische Institutionen: Der Europarat, Telefon +33 (0)3 88 41 20 29, und das Europäische Parlament, Telefon +33 (0)3 88 17 40 01, können besichtigt werden. Beide befinden sich im Palais de l’Europe. Informationen zu Europa in Straßburg: de.strasbourg-europe.eu

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 04.01.1998

Vom Münster sieht man nur die Spitze

Mit Boot und Fahrrad durch Straßburg

Von Daniel Brunner

Sanft umspült die Ill den Quai des Bateliers. Dort, wo die Elsässer Flussschiffer einst ihre Transportkähne festmachten, wartet heute eine Armada von Ausflugsbooten auf Touristen. An Wochenenden durchpflügen die Schiffe im Fünf-Minuten-Takt die Ringkanäle von Straßburg. In Reiseführern wird die Stadt deshalb als »Venedig des Elsass« gepriesen. Das Handbuch für Kanuten dagegen charakterisiert die Ill in diesem Abschnitt nüchtern als »ruhiges Gewässer mit regem Bootsverkehr«. Doch für eine beschauliche Flussfahrt mit Kontrasten ist die Ill keine schlechte Wahl.

Ausgangspunkt für die Tagestour ist das Château de Pourtalès, ein zauberhaftes Schloss mitten in einem alten Park. In Robertsau, nur wenige Kilometer nördlich vom Straßburger Zentrum, fühlt man sich allem Städtischen entrückt. Einst residierte hier Comtesse Mélanie de Pourtalès, eine bewunderte Schönheit und Gastgeberin. In ihren Salons verkehrte die Prominenz des neunzehnten Jahrhunderts, darunter waren König Ludwig von Bayern, Napoléon III. und Franz Liszt. Märchenhaft sieht das von Wiesen und Baumriesen umrahmte Schloss noch immer aus, auch wenn sein Glanz inzwischen etwas verblichen ist.

Nach wechselvoller Geschichte – es wurde unter anderem als Lazarett, Quartier deutscher Wehrmachtssoldaten und Flüchtlingsheim genutzt – ist die Anlage nun im Besitz der Schiller International University. Deren Gründer, der Deutsche Walter Leibrecht, hatte das Schloss 1972 mit seinem Kauf vor dem Verfall gerettet und neu belebt. In den stilvollen Sälen im Erdgeschoss feiert heute die Straßburger Gesellschaft gerne ihre Familienfeste; der weitläufige, öffentliche Park lockt Spaziergänger und Radfahrer mit einem originellen Kunst-Parcours an. Riesige Bronzeohren lauschen im Unterholz, an knorrigen Stämmen klettern urweltliche Baumbewohner hoch – und auf einer Lichtung gibt es eine Balkenhol-Plastik zu bewundern: zwei aus mannshohen Baumhälften herausgeschälte Wolfsmenschen.

Der Parcours auf dem Wasser beginnt hinter dem Straßburger Münster. Nach ein paar Trockenübungen mit dem Stechpaddel werden die Schwimmwesten festgezurrt und die Habseligkeiten in einer Plastiktonne verschraubt. Dann geht es behutsam aufs Wasser, zwei bis vier Personen in einem Boot, die Anfänger nach vorne, die Geübteren als Steuermänner ins Heck. Gemächlich lassen wir uns unter einer alten Steinbrücke hindurchtreiben, argwöhnisch verfolgt von einer Schwanenfamilie. Dann kreuzt auch schon das erste Ausflugsboot den Weg und bringt die Kanus zum Schaukeln. Am Quai du Pêcheurs verzweigt sich die Ill. Unter einer Fontäne hindurch paddeln wir geradewegs auf die verschnörkelte Fassade der Saint-Paul-Kirche zu und biegen links in die Aar.Von nun an bewegen wir uns in stillerem Gewässer. In einem sanften Bogen fließt die Aar Richtung Norden: vorbei an stattlichen Bürgerhäusern mit schön eingewachsenen Gärten und kleinen Privatstegen. Am rechten Ufer schieben Mütter Kinderwagen über eine Promenade, von links grüßt eine Gruppe Boulespieler herüber. Die Szenerie wird zusehends weniger beschaulich. An den Uferbänken blühen die Brennnesseln, Lagerschuppen sind mit Farbparolen beschmiert, im Gebüsch rostet ein Fahrrad. Ist es Zufall, dass gerade hier eine fette Bisamratte unseren Wasserweg kreuzt? In Wacken machen wir halt vor einem rauschenden Wehr, hieven die Boote eine steile Böschung hinauf und tragen sie anschließend eine Staustufe tiefer. Fünf Meter lang sind die Kanadierboote und immerhin dreißig Kilo schwer. Im Wasser dagegen verfügen sie über die gutmütigen Eigenschaften eines stabilen Transportkahns.

Ruhig geht es flussabwärts. Sonnenstrahlen fallen durch das dichte Ufergebüsch und tanzen als Silberflecken auf dem dunklen Wasser. Trauerweiden lassen ihre Zweige wie Engelshaar ins Wasser hängen. Auf einer Wiese mit Pferdekoppel wird Mittagspause gemacht. Noch ehe wir entschieden haben, welches die beste Anlegestelle ist, treibt ein gekentertes Boot heran. Die Besatzung steht bis zu den Hüften im kalten Wasser. Ein überhängender Ast, an dem sie sich festhalten wollte, wurde ihr zum Verhängnis. Die Strömung riss ihnen das querstehende Boot buchstäblich unter dem Hosenboden weg. Im Schutz einer mächtigen Erle werden Kleider gewechselt und Sandwiches verteilt.

Von hier aus fließt die Ill in ihrem natürlichen Flussbett durch die Rheinebene. Wir folgen den Windungen durch eine labyrinthische, menschenleere Welt. Deren Rhythmus bestimmt wie je der Fluss. Lautlos gleiten wir vorbei an Feldern und einsamen Gehöften, auf einem Ast am Ufer sonnt sich eine Wasserschildkröte. Das Besondere an dieser Tour ist die ungewöhnliche Perspektive, der veränderte Blick auf die vertrauten Sehenswürdigkeiten von Straßburg. Vom berühmten Münster sehen wir nur gerade eine Turmspitze. Dafür lernen wir staunend die Vielfalt der Stadtbrücken kennen, die Schönheit der verschwiegenen Vorstadtgärten, das ländliche Flussidyll im Unterlauf der Ill. In Wanzenau legen wir links an und ziehen die Boote aus dem Wasser. Der Rückweg zum Schloss führt auf Radwegen durch den Bois de la Wanzenau, einen heiteren Buchenwald mit aromatisch duftender Krautschicht und zahlreichen kleinen Fischtümpeln.

Zum abschließenden Grillabend werden wir im Tipi-Camp erwartet. Fackeln weisen den Weg in eine veschwiegene Ecke des Schlossparks, auf de Glut brutzeln Rindersteaks, Putenbrust und Barsch. Im Nachthimmel zeichnet sich die Silhouette eines alten Wachturms ab, der heute das Paradestück eines Hochseilgartens ist. Im angrenzenden Interaction-Park kann man mit dem Bogen schießen, Beachvolleyball und Boule spielen. Wir aber halten uns an das üppige Buffet, das alle Strapazen des Tages vergessen lässt. Als die Nacht hereinfällt, erleuchtet ein Feuerwerk den Himmel – Höhepunkt einer Familienfeier nebenan im Schlosspark.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.08.2006

Hundertsechs Köpfe und eine Flasche Wein

La Maison des Têtes in Colmar

Von Michael Bengel

Das Haus ist kein Geheimtipp in der Stadt. Jeder Fremdenführer – und in Colmars schöner Altstadt gibt es davon ungezählte – stellt in der »Rue des Têtes« die Gruppe seiner Schäfchen auf und zeigt zunächst das alte Ladenschild der Charcuterie »Fincker Frères«, obenauf die Gänseliesl, unten den Antonius mit Schwein, eine von den vielen Hinterlassenschaften »Hansis«, wie sich Jean-Jacques Waltz als elsässischer Künstler nannte, der Zeichner, Heimatdichter, Deutschenhasser. Dann aber macht er kehrt und weist bedeutend auf das Haus en face, und wer sich dort als Gast ganz ahnungslos am Fenster blicken lässt, der fühlt sich plötzlich angestarrt. Dabei gilt das Augenmerk der Gruppe unten keineswegs ihm.

Das »Kopfhüs«, heute »La Maison des Têtes«, gehört unter den ungezählten Sehenswürdigkeiten Colmars zu jenen, die man nicht vergisst. Und dennoch kennen die Touristen auch danach nur die Fassade. Das schön geschmiedete Zeichen verrät, dass das Haus ein Restaurant ist. Dass es obendrein auch ein Hotel ist, das gastlichste der ganzen Stadt, das wissen nur die wenigsten – obwohl der Michelin den Umstand rot vermerkt.

Die Fassade sieht weithin noch so aus wie im Jahr 1609, als der »Stettmeister« der Stadt, Colmars Bürgermeister Anton Burger, sich sein neues Haus im Renaissancestil bauen ließ: an die alte Mauer angelehnt, die nun der Stadt zu eng geworden war, quer über den Wallgraben hinweg und, um den Wohlstand des Besitzers darzustellen, auf der Schauseite, rund um den bleiverglasten Erker, mit hundertundfünf Köpfen verziert. Oben auf dem Treppengiebel steht seit 1902 überdies ein Küfer aus Bronze mit einer Flasche Wein, ein Werk von Frédéric Auguste Bartholdi, dem Schöpfer der Freiheitsstatue im Hafen von New York, dem berühmtesten Bürger der Stadt, seit Lazarus von Schwendi, der im sechzehnten Jahrhundert den Pinot Gris nach Colmar geholt hatte und dafür ebenfalls mit einem Brunnendenkmal von Bartholdi geehrt worden war.

Damals, 1902, war das Haus Eigentum der »Bourse aux Vins de Colmar«. Auch das verrät der Fremdenführer auf der Straße seinen Gästen, und wenn er gut gelaunt ist, auch noch, dass der Küfer, warum nur, ein Linkshänder ist. Für den Führer hat die Route gerade erst begonnen: Vom Museum Unterlinden mit dem Grünewald-Altar bis zum Färberviertel und dem Klein-Venedig an der Lauch gibt es viel zu sehen und zu zeigen. Vor allem abends, wenn die Stadt ihr festliches Lichtgewand trägt, das ausgeklügelte Zusammenspiel von Farben und Bewegung, das die baulichen Schönheiten Colmars kurz aus dem Dunkel hebt und ordnet – und wenn die geschickteren der Reiseführer mit ihren kalkulierten Gesten wie die Dirigenten dieses computergenerierten Spektakels erscheinen. Da bleibt auch für das schönste Haus der Stadt nur wenig Zeit.

Glücklich die, die dort verweilen. Das Restaurant ist auch noch heute im Besitz der Stadt, das Haus dahinter, um den schönen Innenhof gebaut und auf verblüffende Weise gleich neben der berühmten Dominikanerkirche gelegen, wo das Hotel an dem alten Gemäuer seinen eigenen Parkplatz besitzt, gehört dem Wirtspaar Marc und Carmen Rohfritsch. Die beiden erwarben das ruinöse Wohnhaus 1996, nachdem es mehr als vierzig Jahre leergestanden hatte, und verwandelten es mit viel Geschmack in ein feines Hotel, das seine Heimat nicht verleugnet. Jetzt, elf Jahre später, denken sie schon laut darüber nach, die achtzehn Räume zu erneuern, und man fragt sich, nicht nur heimlich: Wo? Warum? Wozu? Wo kann man es sich sonst, nicht nur im Elsass, noch so gutgehen lassen wie hier? Le Chef, Marc Rohfritsch, legt morgens so freundlich wie diskret den Schinken vor, und abends empfiehlt er die Speisen, und wenn man irgendwann dazwischen Fragen hat, ist er an der Rezeption zur Stelle. Statt eines Büfetts gibt es das Frühstück an opulent gedeckten Tischen mit allem, was das Herz so früh begehrt, sogar der Käseplatte vom Abend zuvor. Und was es abends gibt, von der Foie gras bis zum feinsten Choucroute, dazu die erlesensten Weine und eine Zabaione mit Marc de Gewurztraminer: Darauf lässt sich, wenn man längst wieder zu Hause ist, das Fundament für eine neue Reiseegen.

Glücklicher nur jene, die solcher Reise nicht bedürfe: Etwa Jean-Alain Caminade aus der »Rue des Marchands« im Schatten des Stiftskirche von Saint-Martin, einst Englischlehrer, heute Antiquar und Freund des Chefs. Er bestätigt uns die Qualität der Küche gerne. Am besten sei es, so verrät er, wenn nicht so viel los sei. Dann sagt man zum Chef einfach: »Koch mir was!«

Hotel Restaurant La Maison des Têtes, 19, rue des Têtes, 68000 Colmar, +33 (0)3 89 24 43 43. Information im Internet: www.la-maison-des-tetes.com

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.12.2007

Vierzehn Zünfte und die Meister des humanistischen Geistes

Im elsässischen Schlettstadt hat jedes Jahrhundert seine Spuren hinterlassen – Mönche, Bürger und gotische Kirchen in den engen Mauern der Festung

Von Daniel Deckers

»La fille de l’eau. Die Tochter des Wassers.« Die erste unter den Städten des Elsass ist Schlettstadt nie gewesen. Auch nie die zweite. Nördlich liegt Straßburg, im Süden Colmar. Wo sich die Wege aus Lothringen und den Vogesen mit dem Fluss Ill kreuzen, der Colmar und Straßburg miteinander verbindet, dort entsteht Schlettstadt (Sélestat).

»Pas de baleine a l’horizon. Kein Wal am Horizont.« Fast berühren die Schatten der Burgen auf den Gipfeln der Berge die Stadt in der Ebene. Auf den Hängen oberhalb der Dörfer am Fuß der Vogesen wächst der Wein. Die Ill hat dem großen Wald flussaufwärts den Namen gegeben, im Osten das große Ried, auch der Rhein ist nicht fern. »Si lente est la rose à s’ouvrir. Wie langsam sich die Rose öffnet.« Aber Schlettstadt gibt sich verschwiegen, seine Bewohner tragen ihr Herz nicht auf der Zunge. Also müssen andere erzählen. Warum nicht die Türme und Häuser, die Plätze und Gassen? Und was wissen die Störche oben am Himmel?

»L’arbre du savoir. Der Baum des Wissens.« Die Pfarr- und Lateinschule Schlettstadts ist die erste, die am Beginn der Neuzeit vom Geist des rheinischen Humanismus durchdrungen wird. Fast ein Jahrhundert lang blüht in der Reichsstadt der Unterricht. Jakob Wimpfeling, der Begründer der deutschen Geschichtsschreibung, der Straßburger Reformator Martin Bucer und Beatus Rhenanus, der Herausgeber klassischer Schriften und Freund des Erasmus von Rotterdam, lernen hier für das Leben.

»Elle meurt, elle naît. Tod und Wiedergeburt.« Die Reformation spaltet die Stadt und ihre Humanisten, die Schule verfällt. Nur deren Bücher gehen nicht verloren, da auch Beatus Rhenanus seine einzigartige Bibliothek der Stadt vermacht. Schlettstadt aber, von Erasmus wegen der aus ihr hervorgegangenen »Meister des Geistes« mit einem Lobgedicht bedacht, wird allmählich wieder zu dem, was es vorher war: eine Stadt der Bauern und Winzer, der Gärtner und Bäcker, der Weber und Gerber, der Schiffer und Fischer.

»La bougie offerte. Die dargebotene Kerze.« Vierzehn Zünfte zählt das mittelalterliche Schlettstadt. Sie prägen das Gesicht der Stadt bis heute. Quai de Tanneurs, Rue du Marteau. Kaum eine enge Gasse, deren Namen nicht den Beruf ihrer früheren Bewohner verrät, Marché aux Poissons, Marché aux Choux, kaum ein Platz, der nicht einst ein Markt war. Manch ein Haus, in dem sie sich der Ordnung nach trafen, ist erhalten. Und noch heute ziehen die Bäcker und Gärtner am Fest ihrer Schutzpatrone durch die Stadt. Auf den alten Zunftstangen, die in der Humanistischen Bibliothek aufbewahrt sind, tragen sie bei der Prozession die Kerzen.

In der Renaissance war Schlettstadt ein Zentrum des Humanismus. Die Lateinschule und ihr Humanistenkolleg, dessen Bibliothek heute noch erhalten ist, waren in ganz Europa berühmt. Die Bibliothek ist heute ein öffentliches Museum. F.A.Z.-Foto / Helmut Fricke.

»Sous la solitude des cloches. Im Schatten der Einsamkeit der Türme.« Auch die Türme erzählen Geschichten aus der Geschichte der Stadt. Der achteckige, steinerne Turmhelm über der Vierung der romanischen Basilika Sankt Fides erinnert an die Benediktinerabtei Sankt Fides im südfranzösischen Conques. Ihr hatte Hildegard von Büren, die Ahnherrin der Hohenstaufen, auf dem Weg nach Santiago de Compostela ihren Besitz in Schlettstadt vermacht. Nur einen Steinwurf entfernt steht die Pfarrkirche Sankt Georg, nach dem Straßburger Münster die bedeutendste gotische Kirche im Elsass. Das Bürgertum wies die Mönche in die Schranken, selbst die Juden waren in Schlettstadt sicher. Dafür kam die Stadt in Reichsacht.

»Je pense, donc je suis. Ich denke, also bin ich.« Der Hexenturm ist der einzige, der von der ersten mittelalterlichen Stadtbefestigung übrig geblieben ist. Seinen Namen verdankt er der vermeintlich so lichten Neuzeit. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist Schlettstadt, wie viele Städte im Elsass, Schauplatz zahlloser Hexenprozesse. In nur dreizehn Jahren werden 91 Personen verbrannt. Auf dem Turm sollen sich heute die Störche ein Nest bauen. Aber sie tun es nicht.

»Le bruit du chapelet. Das Klappern des Rosenkranzes.« Dominikaner und Dominikanerinnen waren in der Stadt, dazu Franziskaner und Jesuiten. Der Abt der Zisterzienser aus dem nahen Ebersmünster ließ sich eine prachtvolle Residenz im Renaissance-Stil erbauen, die Johanniter eine nicht minder ansehnliche Komturei. Aber Kirche und Kloster der Predigerbrüder stehen nicht mehr, von dem Gotteshaus der Franziskaner hat nur der Chor mit dem seitlichen Turm das vergangene Jahrhundert überlebt.

»La vie frémit. Das Leben braust.« Dabei war in Schlettstadt, nachdem sich nach dem Westfälischen Frieden (1648) die Franzosen der deutschen Reichsstadt bemächtigt hatten, die Enge noch größer. Ehemals Kanzleistätte des elsässischen Zehn-Städte-Bundes, wird Schlettstadt nun Garnisonsstadt, eingeschnürt in neue, mächtige Festungsmauern. Der Wohlstand, den der Frieden bringt, kann sich in der Stadt nicht breitmachen. Um so eleganter und kostbarer werden die Häuser, die sich die Bürger bauen. Reich verzierte Türen und Simse, hölzerne Treppen mit edlem Schnitzwerk, an den Decken Stuck.