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Die Zeiten ständigen realen Wirtschaftswachstums in der westlichen Welt sind vorbei. Wir stehen an einer säkularen Wende. Trotz immer weiterer Erfindungen und technischen Fortschritts, trotz ständig weiter steigender Arbeitsproduktivität wird es zukünftig vermutlich kaum weiteres reales, wohlfahrtssteigerndes Wirtschaftswachstum für den Großteil der Bevölkerung geben. Oder wir werden sogar eine Schrumpfung unseres realen Wohlstandes für den größten Teil der Menschen der westlichen Welt und vieler anderer Länder erleben. In einigen Ländern findet dies bereits seit Jahren statt. Die westliche Welt befindet sich derzeit in einem rasch fortschreitenden Prozess der Bürokratisierung, Verknöcherung, Überwachung und kämpft mit ständig steigenden Zivilisationskrankheiten sowie zunehmender Ungleichverteilung. Langsam, aber sicher wird die Wirtschaft immer schwerer mit Ballast beladen, so dass ihr irgendwann die Luft ausgeht. Die Phase des Aufstiegs dürfte vorbei sein. Mit etwas Glück können wir das erreichte Niveau vielleicht noch ein paar Jahrzehnte halten.
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Seitenzahl: 216
Veröffentlichungsjahr: 2023
Christian Kreiß
Das Ende des Wirtschaftswachstums
Die ökonomischen und sozialen Folgen mangelnder Ethik und Moral
© 2023 Christian Kreiß
Website: www.menschengerechtewirtschaft.de
Covergrafik von: https://www.freepik.com/free-photo/3d-render-arrow-chart-going-down-coins-stacks_34503740.htm#page=2&query=economic%20crisis&position=48&from_view=search&track=ais
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany
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ISBN
Paperback
978-3-384-00465-9
Hardcover
978-3-384-00466-6
e-Book
978-3-384-00467-3
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Einleitung
Die Kernthese
Beispiele, die die Kernthese belegen
Großbritannien
Italien
Brasilien
Südafrika
Japan
Mexiko
Deutschland
USA
Wohin fließen die hohen Produktivitätszuwächse?
Entwicklung der Stundenproduktivität, der Reallöhne und der Einkommensverteilung in Deutschland seit 1991
Produktivitätsentwicklung
Steuerliche Begünstigungen von hohen Einkommen und von Vermögen
Entwicklung der Reallöhne
Haushaltseinkommen entwickeln sich auseinander
Entwicklung der Arbeitszeit in Deutschland seit der Wiedervereinigung
Warum arbeiten wir eigentlich so viel?
Haben oder Sein?
Unnötige Arbeit
Intelligente Rück-Verlagerung von sinnlosen Tätigkeiten in sinnvolle
Ursachen für das Ende des Wirtschaftswachstums
1) Abnehmende Gesundheit, zunehmende Zivilisationskrankheiten
2) Zunehmende Ungleichverteilung
3) Zunahme sinnloser, unproduktiver oder schädlicher Tätigkeiten
Beispiel: Steigende Kriminalität
Entwicklungen in den USA
Negative ökonomische und soziale Auswirkungen
Zunehmender Egoismus führt zu abnehmender Produktivität
Klagen über „die Jugend von heute“
Woher kommen hohe Löhne, Wirtschaftswachstum und Wohlstand?
Drei Rahmenbedingungen für Wachstum, Wohlstand und hohe Löhne
Erstens: Rechtliche Rahmenbedingungen
Zweitens: Sozial-ökonomische Rahmenbedingungen
Drittens: Freie Bildung und Wissenschaft, ethische Mindeststandards
Freie Bildung, Wissenschaft und Forschung
Ethisch-moralische Mindeststandards
Vorliegen aller drei Rahmenbedingungen erforderlich?
Trennung der drei Bereiche
Anwendung der Kriterien zur Erklärung des „Arabischen Frühlings“
Kommt nun der Verfall? Indizien des Niedergangs
Gesundheit
Kinder und Jugendliche
Zivilisationskrankheiten
Depressionen und depressive Verstimmungen
Drogenopfer
Drogen für die Eliten
Alkoholopfer
Umwelt, Klima und internationale Spannungen
Umwelt und Klima
Internationale Spannungen
Ungleichverteilung
Analyse der Brookings Institution
Analyse des World Economic Forum Davos
Ökonomische Auswirkungen der steigenden Ungleichverteilung
1) Steigende Schuldenlast und Gefahr einer Schuldenkrise
2) Breite Bevölkerungsschichten partizipieren nicht am Wirtschaftswachstum
Sinkende Moral- und Ethikstandards
Überwachungs- und Security-Ausgaben
Steuerberater
Die Aufgabe der Steuerberater: Steuerlast von den Reichen auf die Armen verschieben
Volkswirtschaftlicher Schaden durch Steuerberater
Ethikstandards und Steuerberater
Fazit
Wirtschaftsprüfer
Ethikstandards in den Führungsetagen der Wirtschaft
Rechtsanwälte
Geplanter Verschleiß macht uns ärmer
Klassische Form des Kundenbetrugs
Immer wieder Prozesse gegen apple
Verbreitung und gesamtwirtschaftliche Auswirkungen
Werbung macht uns ärmer
Werbung informiert nicht
Keine gesamtgesellschaftliche Wertschöpfung durch Werbung
Werbung hat hohe negative externe Effekte
Sinnlosigkeitsgefühl der Werbefachleute
Markenwerbung als Kundenbetrug?145
Umfang des Werbemarktes
Bürokratie, Zertifizierung, Akkreditierung
Gesundheitswesen
Industrie und Handwerk
Bauwirtschaft
Landwirtschaft
Hochschulen
Fazit
Wichtige Treiber in den Niedergang: Die tieferen Ursachen
Gesundheit
Beispiel Diabetes
Verbreitung und gesundheitliche Auswirkungen
Ökonomische Auswirkungen
Ursachen und Prognosen
Fehlernährung
Die Lebensmittelindustrie174
Filz und Deep Lobbying in Politik, Wissenschaft und Aufsichtsbehörden
Landwirtschaft
Pestizideinsatz
Externe Kosten der industriellen Landwirtschaft
Einfache Gegenmaßnahmen
Ergebnis
Die moralische Dimension
Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen
Die eigentlichen Ursachen: Deep Lobbying und Korruption
Erwartungen und Einschätzungen unserer Jugend
Ungleichverteilung: Die Ursachen
Mercedes-Benz
Jahrhundertgewinne bei Mercedes-Benz
Wohin flossen die ungewöhnlich hohen Dividendenauszahlungen?
Wer hat Gewinn und Wertschöpfung erarbeitet?
Lohn- und Gehaltsabschläge für die Beschäftigten
Rechtfertigung für leistungslose Einkommen
Vonovia
Wir haben kein Mietproblem, sondern ein Bodenverteilungsproblem
Die Gretchenfrage: Die Bodenrenten
Monopoly im Alltagsleben
John Maynard Keynes über „funktionslose Investoren“
Ein Lösungsvorschlag
Payday Loans
USA
Martin Luther zu Wucherzinsen und leistungslosen Einkommen
Fazit: Mangelnde Ethik- und Moralstandards, Egoismus und Übervorteilung sind die eigentlichen Ursachen der Ungleichverteilung
Sinkende Moral- und Ethikstandards
Moral und Medien
Verbreitung von Smartphones und Social Media
Auswirkungen des hohen Medienkonsums
Mediennutzung und seelische Belastungen von jungen Mädchen
Die dunkle Seite von Facebook, Instagram und Marc Zuckerberg
Der Leiter des US-Gesundheitswesens empfiehlt: Keine Nutzung von Social Media unter 16
Auswirkungen der Mediennutzung auf unsere Jungs
E-Sport-Verharmlosung
Fazit
Porno
War Games, Ego-Shooter, Gewaltvideos, dark music
Gaming-Industrie
Was kommt auf uns zu? Klagen über die „Jugend von heute“
Gegenmaßnahmen
Unser Erziehungs-, Schul- und Hochschulsystem
Unser Krippensystem
40-Stunden-Woche für unsere Kleinkinder
Problematische Auswirkungen des KiTa-Wesens
Fazit: Der Umgang mit unseren Jüngsten schwächt ihre Resilienz
Frühkindliche Sexualisierung und Desorientierung
Fazit
Die Debatte um Geschlechtsumwandlung von Minderjährigen und Pubertätsblocker
Fazit
Unser Schulsystem
Fazit
Unser Hochschulsystem
Egoismus, Altruismus und die unsichtbare Hand
Weltfremde Ansichten von Adam Smith
Milton Friedman: Sozial handelnde Manager sind Betrüger
Wirtschaftsethiker Lütge und Uhl: Jesus würde heute Eigenliebe predigen
Vergiss alle Religionen und alle Moral: Altruismus ist out, Egoismus ist in
Friedrich Nietzsche, der Vordenker der heutigen Wirtschaftsethik?
Nützlichkeitsethik, Utilitarismus und Gewinnmaximierung
Fazit
Konstruktionsfehler im System und ihre Überwindung
Übergriffe von Konzernen in die Politik
Übergriffe von Konzernen und Kapitalmacht in das Kultur- und Geistesleben
Werbung
Werbung verteuern
Werbung in Teilbereichen verbieten
Kapitalmacht und Pressefreiheit298
Die erste Verzerrung: Verfälschung durch Einschalt- und Lesequoten
Die zweite Verzerrung: Rücksichtnahme auf die Interessen der Werbegeldgeber
Die dritte Verzerrung: Rücksichtnahme auf die Eigentümer
Die vierte Verzerrung: Das Oligopol der internationalen Nachrichtenagenturen ap, reuters-thomson und afp
Fazit zu Pluralität und Objektivität unserer Medien
Kapitalmacht, Social Media und Kriegsspiele
Staat und Bildung
Unser Schulsystem
Staatliche Hochschulen
Fazit
Zusammenfassung und Schluss
Zusammenfassung
Die Kernthese
Gründe
Rahmenbedingungen für Wohlstand
Indizien des Niedergangs
Gesundheit und Umwelt
Ungleichverteilung
Sinkende Moral- und Ethikstandards
Die tieferen Ursachen für den Niedergang: mangelnde Moral und Ethik
Ursachen für sinkende Moral- und Ethikstandards
Konstruktionsfehler im System
Schluss
Literaturverzeichnis
Bücher und Aufsätze
Internetquellen
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Einleitung
Literaturverzeichnis
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Einleitung
Seit der Erfindung der Dampfmaschine Ende des 18.Jahrhunderts erleben wir in der westlichen Welt eine Phase noch nie dagewesenen Wirtschaftswachstums. Ausgehend von England griff die Industrialisierung zunächst auf Nordwest-, Mitteleuropa und die USA über, später auf fast ganz Europa. In Asien gelang es Japan, Südkorea, Taiwan und zuletzt China, das westliche Wachstumsmodell zu übernehmen.
Worauf beruht dieses in der Menschheitsgeschichte einzigartige Wirtschaftswachstum, das den betroffenen Ländern einen noch nie dagewesenen materiellen Wohlstand breiter Bevölkerungskreise gebracht hat? Auf den technischen und sozialen Erfindungen des menschlichen Geistes. Neue Technik, bessere Maschinen führen zu steigender Arbeitsproduktivität. Diese führt zu höheren Löhnen und wachsendem materiellen Wohlstand. Das Wachstumsmodell hat über die letzten etwa 200 Jahre unglaublich gut funktioniert, hat die Menschen in den Industrieländern aus Armut und Not gerissen.
Was wir bei dieser Darstellung meistens übersehen, sind die sozialen und ethischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer diese Entwicklung stattgefunden hat. Gesellschaftliche Normen, Regeln, Verhaltensweisen, insbesondere bestimmte Moralstandards, die wie selbstverständlich eingehalten werden, sind eine zwingende Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und gesamtgesellschaftliches Gedeihen. In dem Maße, in dem die Rahmenbedingungen nicht mehr erfüllt werden, versagt das Erfolgsmodell. Das ist meiner Einschätzung nach jetzt der Fall.
Die Kernthese
Die Zeiten ständigen realen Wirtschaftswachstums in der westlichen Welt sind vorbei. Wir stehen an einer säkularen Wende. Trotz immer weiterer Erfindungen und technischen Fortschritts, trotz ständig weiter steigender Arbeitsproduktivität wird es zukünftig vermutlich kaum weiteres reales, wohlfahrtssteigerndes Wirtschaftswachstum für den Großteil der Bevölkerung geben. Oder wir werden sogar eine Schrumpfung unseres realen Wohlstandes für den größten Teil der Menschen der westlichen Welt und vieler anderer Länder erleben.
Die westliche Welt befindet sich derzeit in einem rasch fortschreitenden Prozess der Bürokratisierung, Verknöcherung und Überwachung und kämpft mit ständig steigenden Zivilisationskrankheiten. Langsam, aber sicher wird die Wirtschaft immer schwerer mit Ballast beladen, so dass ihr irgendwann die Luft ausgeht. Die Phase des Aufstiegs dürfte vorbei sein. Mit etwas Glück können wir das erreichte Niveau vielleicht noch ein paar Jahrzehnte halten.
Beispiele, die die Kernthese belegen
Dass viele Länder in oder vor einer Phase realer Wohlfahrtsstagnation oder gar -schrumpfung stehen sollen, klingt auf den ersten Blick vielleicht sehr unplausibel. Daher ein paar empirische Belege anhand von Ländern, in denen die prophezeite Entwicklung bereits seit einigen Jahren weitgehend eingetreten ist:
Gemessen am offiziell ausgewiesenen kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf gab es in Großbritannien, Südafrika, Mexiko und Japan in den letzten 14 Jahren praktisch kein Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum mehr. Brasilien stagniert seit 10 Jahren und die Menschen in Italien sind heute laut Regierungsangaben ärmer als vor 20 Jahren. 1 Die Zahlen im Einzelnen:
Großbritannien
In Großbritannien, der Wiege der industriellen Revolution, betrug das kaufkraftbereinigte (PPP) BIP pro Kopf 2021 44.979 US-Dollar. 2007 belief es sich auf 44.302 US-Dollar.2 Das heißt seit 2007, seit 14 Jahren, gab es pro Kopf für die 67,5 Millionen in Großbritannien lebenden Menschen so gut wie kein reales Wirtschaftswachstum mehr: kumuliert waren es nur 1,5 Prozent insgesamt über 14 Jahre.
Italien
In Italien ist das reale BIP heute niedriger als 2007.3 Das BIP pro Kopf war 2021 mit 31.506 US-Dollar um 2,4 Prozent niedriger als 2000, als es 32.350 betrug,4 das kaufkraftbereinigte (PPP) BIP pro Einwohner war 2021 mit 41.929 USD um 2,7 Prozent niedriger als 2000 (43.053 US-Dollar).5 Kurz: Die etwa 59 Millionen Menschen in Italien haben seit über 20 Jahren kein reales Wirtschaftswachstum mehr gesehen. Ganz offiziell sind die Menschen in Italien im Durchschnitt pro Kopf heute ärmer als vor 20 Jahren.
Brasilien
Im riesigen Brasilien mit seinen etwa 215 Millionen Einwohnern betrug das BIP pro Kopf 2013 9.216 Dollar. 2021 waren es 8.538.6 Das entspricht einer Schrumpfung von über 7 Prozent in den letzten acht Jahren. Das kaufkraftbereinigte (PPP) BIP pro Kopf belief sich 2013 auf 15.701 Dollar, 2021 waren es 14.592,7 ebenfalls ein Rückgang von gut 7 Prozent. Seit fast 10 Jahren schrumpft also ganz offiziell die Wirtschaftskraft pro Einwohner in Brasilien.
Südafrika
In Südafrika, das etwa 60 Millionen Einwohner hat, betrug das kaufkraftbereinigte (PPP) BIP pro Kopf 2021 13.312 Dollar. Den höchsten Stand erreichte es 2013 mit 14.017 Dollar, 2007 betrug es 13.326.8 Gegenüber dem Spitzenwert von 2013 ist der Wohlstand pro Einwohner also um fünf Prozent gesunken. Seit 2007 gab es keinen Zuwachs an Wohlstand mehr. Das Land stagniert, ökonomisch betrachtet, was die Wohlfahrt der einzelnen Menschen angeht, statistisch seit 14 Jahren.
Japan
Das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf der etwa 125 Millionen Menschen in Japan stieg in den 14 Jahren von 2007 bis 2021 um insgesamt 3,8 Prozent von 39.291 auf 40.784 US-Dollar.9 Also auch die Wirtschaftskraft pro Einwohner in Japan stagniert de facto weitgehend seit 14 Jahren.
Mexiko
In Mexiko lag das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf 2021 bei 19.086 US-Dollar. 2018 betrug es 20.278, 2007 18.610 Dollar.10 Gegenüber 2018 ist es also um fast sechs Prozent gesunken, gegenüber 2007 um insgesamt 2,6 Prozent gestiegen. Also auch für die 126 Millionen in Mexiko lebenden Menschen stagniert die reale, kaufkraftbereinigte Wirtschaftskraft pro Einwohner weitgehend seit 14 Jahren.
Deutschland
In Deutschland ist das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf von 2007 bis 2021 offiziell um insgesamt 11,6 Prozent gestiegen.11 Das klingt eigentlich nicht schlecht. Allerdings kommt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung von 2016 für einen etwas weiter zurückliegenden Zeitraum zu ganz anderen Ergebnissen. Die gewerkschaftsnahen Wissenschaftler stellten dem BIP einen eigenen Wohlfahrtsindikator gegenüber, den Nationalen Wohlfahrtsindex (NWI). Dieser ergänzt das BIP unter anderem um Verteilungskomponenten, ehrenamtliche Beschäftigung und es werden Tätigkeiten zur Schadensminderung wie Kosten durch Kriminalität, Umweltbelastung, Lärmbelästigung usw. abgezogen.12
Von 1991 bis 2014 stieg demnach das reale BIP in Deutschland um insgesamt 34,3 Prozent. Der Wohlfahrtsindex NWI erhöhte sich im gleichen Zeitraum jedoch lediglich um 4,4 Prozent. Das ist ein dramatischer Unterschied. Demnach stieg die reale Wohlfahrt für den Großteil der Menschen in Deutschland in diesen 25 Jahren so gut wie gar nicht, obwohl ein realer BIPZuwachs um ein Drittel ausgewiesen wurde. Das ist ein beeindruckendes Ergebnis, das einige Fragen aufwirft.
Vermutlich dürfte die von der Hans-Böckler-Stiftung entwickelte Wohlfahrtsmessung für Deutschland zwischen 2007 und 2021 statt eines Wirtschaftswachstums von 11,6 Prozent eine reale Schrumpfung ausweisen. Die 2016 von der Gewerkschaftsstiftung veröffentlichten Ergebnisse unterstreichen die oben gemachte Aussage, dass wir möglicherweise in Wahrheit schon längst in eine Phase der Stagnation beim realen Wohlstandzuwachs für den Großteil der Bevölkerung eingetreten sind. Nur lassen es uns die offiziellen Statistiken nicht wissen.
Aber die Menschen fühlen es dennoch. Viele Leute fragen sich beispielsweise, weshalb es heute zahlreichen jungen Familien nicht mehr möglich ist, dass nur ein Elternteil arbeitet, um die Familie zu finanzieren, warum aus ökonomischen Gründen sehr häufig beide Elternteile arbeiten müssen, während das vor einer Generation, als wir offiziell viel ärmer waren, häufig nicht nötig war.
In jüngster Zeit, seit Anfang 2021, hat die deutlich gestiegene Inflationsrate auch offiziell zu einem deutlichen Rückgang der statistisch ausgewiesenen Reallöhne geführt. Zwischen dem ersten Quartal 2020 und dem ersten Quartal 2023 sind die Reallöhne laut Statistischem Bundesamt um 5,3 Prozent zurückgegangen.13 Seit acht Jahren sind die Reallöhne in Deutschland nicht mehr gestiegen, sie sind heute selbst nach offiziellen Angaben ebenso hoch wie im ersten Quartal 2015. In Wirklichkeit dürfte der Reallohnrückgang jedoch noch viel dramatischer sein.
USA
Auch in den USA gibt es eine verblüffende Diskrepanz zwischen den offiziell ausgewiesenen Zahlen und der tagtäglichen Lebensrealität des Großteils der Bevölkerung. Offiziell ist die reale Wirtschaftskraft pro Kopf in den USA von 1990 bis heute sehr stark gestiegen - um über 62 Prozent14 auf zuletzt 63.670 Dollar pro Einwohner 2021.15 Dennoch führt das Wall Street Journal den starken Geburtenrückgang von US-amerikanischen Frauen um etwa 25 Prozent seit 2007 bis heute auf „ökonomische und soziale Schwierigkeiten“ zurück.16 Junge Erwachsene könnten es sich heute nicht mehr leisten, „so ein hübsches Haus zu kaufen wie ihre Eltern“. Vielen Männern „fehlt heute die Einkommenskraft, eine Familie zu ernähren, weil Fabrikarbeiter (blue-collar jobs) heute weniger gut bezahlt sind als früher“.
Das sind bemerkenswerte Aussagen. Nach einer Generation äußerst starken Wirtschaftswachstums mit einer Steigerung der Pro-Kopf-Wirtschaftskraft um über 60 Prozent können sich heute junge Familien schlechter ein Haus leisten als ihre Eltern und Arbeiter verdienen weniger als früher. Wie kann das sein? Warum sind heute trotz jahrzehntelangen fabelhaften Wirtschaftswachstums „ökonomische und soziale“ Schwierigkeiten“ in einem solchem Umfang vorhanden, dass die Geburtenquote des ganzen Landes sinkt? Was war das für ein Wirtschaftswachstum, wenn es bei einem großen Teil der Menschen nicht ankommt? Wohin ist das ganze Wirtschaftswachstum gegangen? Oder hat es in Wirklichkeit in deutlich geringerem Umfang oder gar überhaupt nicht stattgefunden?
Laut offiziellen Angaben der US-Regierung verdiente 2021 ein männlicher Vollzeitarbeitnehmer, der das ganze Jahr über arbeitet und über 15 Jahre alt ist, mit 61.180 Dollar MedianJahresverdienst inflationsbereinigt, also real praktisch genau so viel wie 1974.17 Männliche Arbeiter in den USA hatten also in den letzten 47 Jahren laut amtlicher Statistik real keinen Cent Lohnerhöhung.
Die sechs zuerst genannten Länder (Großbritannien, Italien, Brasilien, Mexiko, Japan und Südafrika) befinden sich also bereits seit vielen Jahren ganz offiziell in einem Zustand weitgehender ökonomischer Stagnation oder gar Schrumpfung des tatsächlichen materiellen Lebensstandards. Deutschland ist vermutlich de facto ebenfalls seit vielen Jahren in einer Phase der Stagnation des realen Wohlergehens. Ähnliches gilt offenbar für viele US-Bürgerinnen und Bürger.
Würde man die Methode des Nationalen Wohlfahrtsindex der Hans-Böckler-Stiftung auch auf die sechs erstgenannten Länder anwenden, kämen höchstwahrscheinlich sehr viel schlechtere Ergebnisse heraus als die oben geschilderten offiziellen BIPZahlen. Vermutlich sinkt in diesen sechs Ländern für den Großteil der Bevölkerung der reale Wohlstand seit langem. Wenn man sich mit Menschen aus Italien unterhält, bestätigen sie dies normalerweise. Ähnliches gilt für Gespräche mit Menschen aus Südafrika oder Mexiko. Viele Menschen haben die Empfindung, dass die Lebensqualität dort deutlich abgenommen hat.
Wohin fließen die hohen Produktivitätszuwächse?
Entwicklung der Stundenproduktivität, der Reallöhne und der Einkommensverteilung in Deutschland seit 1991
Produktivitätsentwicklung
Von 1991 bis 2022 ist das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 47% gestiegen.18 Im gleichen Zeitraum ist das Arbeitsvolumen aller beschäftigten Arbeitnehmer, also die gearbeiteten Stunden, von 52,2 Milliarden Stunden um gut 3% auf 53,9 Milliarden gestiegen. Allerdings hat sich die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer in diesem Zeitraum von 35,3 Millionen auf 41,7 Millionen deutlich um gut 18 % erhöht. Das Arbeitsvolumen verteilt sich heute also auf mehr Beschäftigte, pro Kopf werden daher etwa 14% weniger Stunden gearbeitet als vor einer Generation. Das liegt im Wesentlichen daran, dass sich die Teilzeitquote, der Anteil der Beschäftigten, die nicht Vollzeit arbeiten, von 18% 1991 auf 38,7% 2022 stark erhöht hat. 19 Von 1991 bis 2022 ist offiziell die Produktivität je Erwerbstätigenstunde in Deutschland real um 45 Prozent gestiegen.20 Das heißt, ein Erwerbstätiger erzeugt heute pro Arbeitsstunde beinahe eineinhalb Mal so viel wie vor einer Generation.
Steuerliche Begünstigungen von hohen Einkommen und von Vermögen
Wie wurde der offizielle Wohlstandszuwachs verteilt? Arbeitnehmerentgelte und Unternehmens- bzw. Vermögenseinkommen haben sich in den letzten 30 Jahren in etwa gleich entwickelt, sodass die Bruttolohnquote praktisch gleichgeblieben ist.21 Allerdings wurden in den letzten Jahrzehnten die Gewinnsteuern stark gesenkt – sie wurden von 59% 1995 auf 30% 2022 praktisch halbiert22-, sodass netto die Einkommen der wohlhabenderen Menschen stärker gestiegen sind. 2021 beliefen sich Körperschafts-, Gewerbe- und nicht veranlagte Steuern vom Ertrag gemeinsam auf 15,7% aller deutscher Steuereinnahmen, während Lohn- und indirekte Steuern wie Mehrwertsteuer insgesamt 65,5% aller Steuereinnahmen darstellten.23
Dazu kommt, dass höhere Einkommen wegen der Beitragsbemessungsgrenzen für die Sozialversicherung eine geringere Abgabenquote haben als mittlere und niedrige Einkommen, die in voller Höhe der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Ab etwa 60.000 Euro Jahreseinkommen müssen keine weiteren Beiträge zur Krankenversicherung, ab etwa 88.000 keine weiteren Beiträge zu Renten- und Arbeitslosenversicherung gezahlt werden.24 Diese Regelung begünstigt hohe Einkommen und belastet mittlere und niedrige Einkommen umso stärker.
Außerdem werden Einkommen aus Vermögen, Zinsen und Wertzuwächsen meist vergleichsweise niedrig besteuert, sodass wohlhabende Haushalte mit Vermögen de facto häufig einen recht niedrigen Steuersatz zahlen. Beispielsweise ist die Abgeltungssteuer von 25% vergleichsweise niedrig und schont Vermögenseinkünfte.25
Ein weiterer, die Ungleichverteilung vorantreibender Faktor ist, dass die Erbschaftssteuer in Deutschland sehr niedrig ist. Sie lag bis 2017 de facto bei lediglich etwa ein bis zwei Prozent vom vererbten oder verschenkten Vermögen, sodass große Vermögen fast steuerfrei weitervererbt werden können.26 Seit der Erbschaftssteuerreform 2016 haben sich die Steuereinnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer von 7 Milliarden Euro 2016 auf 9,23 Milliarden 2022 erhöht.27 Bei einem geschätzten Erbschafts- und Schenkungsvolumen von bis zu 400 Milliarden Euro pro Jahr28 entspricht das einem effektiven Erbschaftssteuersatz von 2,3%. De facto ist Erben in Deutschland weiterhin fast steuerfrei. Das zementiert die ungleiche Vermögensverteilung.
Entwicklung der Reallöhne
Das reale, inflationsbereinigte Medianeinkommen stieg in Deutschland nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung von 1991 bis 2019 um 25% von gut 19.000 auf etwa 24.000 Euro im Jahr, also deutlich weniger als die Stundenproduktivität.29 Laut Bundeszentrale für politische Bildung sind die Reallöhne in Deutschland von 1991 bis 2019 um lediglich 12,3% gestiegen.30 Vom ersten Quartal 2019 bis zum ersten Quartal 2023 sind die realen Stundenlöhne nach Angaben des Statistischen Bundesamts erst wegen der Corona-Maßnahmen, dann wegen der Inflationswelle ab 2021 um insgesamt 5,2% gesunken.31 Verknüpft man die beiden Zahlen, erhalten wir einen Zuwachs der Reallöhne zwischen 1991 und dem ersten Quartal 2023 von 6,5%, Das ist nicht gerade viel angesichts eines Produktivitätszuwachses von 45% im selben Zeitraum.
Haushaltseinkommen entwickeln sich auseinander
Die verfügbaren realen Haushaltseinkommen der untersten 20% der Bevölkerung wuchsen in den letzten 30 Jahren deutlich schwächer als die der mittleren oder oberen Einkommensgruppen, sodass sich eine deutliche Einkommensschere innerhalb der Arbeitnehmerhaushalte aufgetan hat: Die Haushaltseinkommen der untersten 10% der Bevölkerung stiegen zwischen 1995 und 2019 um insgesamt 5%, die des zweitärmsten Zehntels (Dezil) um 8%, diejenigen des fünften bis achten Dezils (obere Mittelschicht) um 25% und die Einkommen der obersten 10% um 42%.32
Zu der besonders schwachen Entwicklung der untersten 10% der Bevölkerung hat laut DIW Berlin deutlich die starke Migration beigetragen. Das Berliner Wirtschaftsforschungsinstitut schreibt dazu: „So nimmt der Anteil der ausländischen Bevölkerung allein im Zeitraum 2007 bis 2019 um 66 Prozent (oder 4,4 Millionen) auf insgesamt 11,2 Millionen Personen zu.“ Darunter sei „eine große Zahl mit geringem oder keinem Bildungsabschluss. Allein im ersten Einkommensdezil [den ärmsten 10% in Deutschland] beläuft sich der Anteil der Personen mit direktem oder indirektem Migrationshintergrund im Einkommensjahr 2019 auf 44 Prozent. Im Jahr 1995 lag dieser Wert noch bei 32 Prozent.“33
Insgesamt hat die Ungleichverteilung der Einkommen in Deutschland in den letzten 30 Jahren also deutlich zugenommen. Die Einkommensarmut, der Anteil derjenigen Menschen, die weniger als 60% vom Durchschnittseinkommen haben, ist von 1991 bis 2019 von 11 auf 16% gestiegen.34 Die Armutslücke, der Abstand der durchschnittlich verfügbaren Einkommen zur Armutsgrenze, hat sich in den letzten 30 Jahren erheblich vergrößert.35 Der Gini-Koeffizient Deutschlands, ein Maß für die Ungleichverteilung, stieg von 0,245 1991 auf einen neuen Höchstwert von knapp 0,3 2019 und zeigt damit seit der Wiedervereinigung eine stark gestiegene Ungleichverteilung an.36
Dieser Prozess der sich verstärkenden Ungleichverteilung dürfte durch die seit 2021 laufende Inflation noch verstärkt werden. Denn besonders stark stiegen vor allem 2022 die Preise für Energie und Lebensmittel, also Grundlebensbedürfnisse. Deren Verteuerung wird gerade die Unterschichten besonders hart treffen, sodass die Einkommensverteilung ungleicher werden dürfte.37
Kurz: Die Einkommensschere hat sich in Deutschland in den letzten 30 Jahren stark geöffnet. Von den hohen Produktivitätszuwächsen ist demnach bei den Beschäftigten im Mittelfeld und insbesondere bei den unteren Einkommensgruppen in der Lohntüte wenig hängen geblieben. Von dem amtlich vermeldeten Wirtschaftswachstum kommt selbst laut offiziellen Zahlen bei einem großen Teil der Bevölkerung nur wenig an. Bringt man dann noch zum Abzug, dass ein guter Teil des offiziellen BIP-Wachstums auf zunehmende Gesundheitsdienstleistungen, Security, Überwachung, Kontrolle, Bürokratie, Rechtsstreitigkeiten usw. entfallen ist, wie es der oben erwähnte Nationale Wohlfahrtsindex (NWI) der Hans-Böckler-Stiftung tut38, dürfte ein großer Teils der Menschen in unserem Land bereits seit 30 Jahren keine reale Steigerung der Wohlfahrt erlebt haben. Ich denke, wir sind bereits seit einiger Zeit beim Ende des tatsächlichen, wirklichen Wirtschaftswachstums angelangt.
Entwicklung der Arbeitszeit in Deutschland seit der Wiedervereinigung
Werfen wir nun einen detaillierteren Blick auf die Arbeitszeit. 1991 gab es in Deutschland 28,8 Millionen abhängig Vollzeitbeschäftigte und 6,5 Millionen Teilzeitbeschäftigte, 2022 waren es 25,5 Millionen Beschäftigte in Vollzeit und 16,1 Millionen in Teilzeit. Die Teilzeitquote ist in diesem Zeitraum deutlich von 18,5% auf 38,7% gestiegen.39 Das Arbeitsvolumen der abhängig Beschäftigten ist in dieser Zeit, wie oben erwähnt von 52,2 Milliarden auf 53,9 Milliarden Stunden um etwa 3% gestiegen.
1965 wurde in Deutschland erstmalig in einer Branche die 40-Stunden-Woche eingeführt. Heute ist die offizielle Arbeitszeit in vielen Branchen und im Staatsdienst noch immer bei oder nahe bei 40 Wochenstunden. Anfang der 2000er Jahre wurde die wöchentliche Pflichtarbeitszeit in einigen Bereichen sogar wieder erhöht.40 1991 betrug die durchschnittliche tatsächliche Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten 39,1 Stunden, 2022 waren es 38,2 Stunden.41 Kurz: Seit fast 50 Jahren ist die reguläre Wochenarbeitszeit von Vollzeit-Tarifbeschäftigten kaum mehr gesunken.
Auch die Zahl der durchschnittlich genommen Urlaubstage hat sich von 1991 bis heute kaum erhöht – von 30,1 auf 31,8 Tage im Jahr.42