Das Ende des Wirtschaftswachstums - Christian Kreiß - E-Book

Das Ende des Wirtschaftswachstums E-Book

Christian Kreiß

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Beschreibung

Die Zeiten ständigen realen Wirtschaftswachstums in der westlichen Welt sind vorbei. Wir stehen an einer säkularen Wende. Trotz immer weiterer Erfindungen und technischen Fortschritts, trotz ständig weiter steigender Arbeitsproduktivität wird es zukünftig vermutlich kaum weiteres reales, wohlfahrtssteigerndes Wirtschaftswachstum für den Großteil der Bevölkerung geben. Oder wir werden sogar eine Schrumpfung unseres realen Wohlstandes für den größten Teil der Menschen der westlichen Welt und vieler anderer Länder erleben. In einigen Ländern findet dies bereits seit Jahren statt. Die westliche Welt befindet sich derzeit in einem rasch fortschreitenden Prozess der Bürokratisierung, Verknöcherung, Überwachung und kämpft mit ständig steigenden Zivilisationskrankheiten sowie zunehmender Ungleichverteilung. Langsam, aber sicher wird die Wirtschaft immer schwerer mit Ballast beladen, so dass ihr irgendwann die Luft ausgeht. Die Phase des Aufstiegs dürfte vorbei sein. Mit etwas Glück können wir das erreichte Niveau vielleicht noch ein paar Jahrzehnte halten.

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Christian Kreiß

Das Ende des Wirtschaftswachstums

Die ökonomischen und sozialen Folgen mangelnder Ethik und Moral

© 2023 Christian Kreiß

Website: www.menschengerechtewirtschaft.de

Covergrafik von: https://www.freepik.com/free-photo/3d-render-arrow-chart-going-down-coins-stacks_34503740.htm#page=2&query=economic%20crisis&position=48&from_view=search&track=ais

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

ISBN

 

Paperback

978-3-384-00465-9

Hardcover

978-3-384-00466-6

e-Book

978-3-384-00467-3

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Einleitung

Die Kernthese

Beispiele, die die Kernthese belegen

Großbritannien

Italien

Brasilien

Südafrika

Japan

Mexiko

Deutschland

USA

Wohin fließen die hohen Produktivitätszuwächse?

Entwicklung der Stundenproduktivität, der Reallöhne und der Einkommensverteilung in Deutschland seit 1991

Produktivitätsentwicklung

Steuerliche Begünstigungen von hohen Einkommen und von Vermögen

Entwicklung der Reallöhne

Haushaltseinkommen entwickeln sich auseinander

Entwicklung der Arbeitszeit in Deutschland seit der Wiedervereinigung

Warum arbeiten wir eigentlich so viel?

Haben oder Sein?

Unnötige Arbeit

Intelligente Rück-Verlagerung von sinnlosen Tätigkeiten in sinnvolle

Ursachen für das Ende des Wirtschaftswachstums

1) Abnehmende Gesundheit, zunehmende Zivilisationskrankheiten

2) Zunehmende Ungleichverteilung

3) Zunahme sinnloser, unproduktiver oder schädlicher Tätigkeiten

Beispiel: Steigende Kriminalität

Entwicklungen in den USA

Negative ökonomische und soziale Auswirkungen

Zunehmender Egoismus führt zu abnehmender Produktivität

Klagen über „die Jugend von heute“

Woher kommen hohe Löhne, Wirtschaftswachstum und Wohlstand?

Drei Rahmenbedingungen für Wachstum, Wohlstand und hohe Löhne

Erstens: Rechtliche Rahmenbedingungen

Zweitens: Sozial-ökonomische Rahmenbedingungen

Drittens: Freie Bildung und Wissenschaft, ethische Mindeststandards

Freie Bildung, Wissenschaft und Forschung

Ethisch-moralische Mindeststandards

Vorliegen aller drei Rahmenbedingungen erforderlich?

Trennung der drei Bereiche

Anwendung der Kriterien zur Erklärung des „Arabischen Frühlings“

Kommt nun der Verfall? Indizien des Niedergangs

Gesundheit

Kinder und Jugendliche

Zivilisationskrankheiten

Depressionen und depressive Verstimmungen

Drogenopfer

Drogen für die Eliten

Alkoholopfer

Umwelt, Klima und internationale Spannungen

Umwelt und Klima

Internationale Spannungen

Ungleichverteilung

Analyse der Brookings Institution

Analyse des World Economic Forum Davos

Ökonomische Auswirkungen der steigenden Ungleichverteilung

1) Steigende Schuldenlast und Gefahr einer Schuldenkrise

2) Breite Bevölkerungsschichten partizipieren nicht am Wirtschaftswachstum

Sinkende Moral- und Ethikstandards

Überwachungs- und Security-Ausgaben

Steuerberater

Die Aufgabe der Steuerberater: Steuerlast von den Reichen auf die Armen verschieben

Volkswirtschaftlicher Schaden durch Steuerberater

Ethikstandards und Steuerberater

Fazit

Wirtschaftsprüfer

Ethikstandards in den Führungsetagen der Wirtschaft

Rechtsanwälte

Geplanter Verschleiß macht uns ärmer

Klassische Form des Kundenbetrugs

Immer wieder Prozesse gegen apple

Verbreitung und gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Werbung macht uns ärmer

Werbung informiert nicht

Keine gesamtgesellschaftliche Wertschöpfung durch Werbung

Werbung hat hohe negative externe Effekte

Sinnlosigkeitsgefühl der Werbefachleute

Markenwerbung als Kundenbetrug?145

Umfang des Werbemarktes

Bürokratie, Zertifizierung, Akkreditierung

Gesundheitswesen

Industrie und Handwerk

Bauwirtschaft

Landwirtschaft

Hochschulen

Fazit

Wichtige Treiber in den Niedergang: Die tieferen Ursachen

Gesundheit

Beispiel Diabetes

Verbreitung und gesundheitliche Auswirkungen

Ökonomische Auswirkungen

Ursachen und Prognosen

Fehlernährung

Die Lebensmittelindustrie174

Filz und Deep Lobbying in Politik, Wissenschaft und Aufsichtsbehörden

Landwirtschaft

Pestizideinsatz

Externe Kosten der industriellen Landwirtschaft

Einfache Gegenmaßnahmen

Ergebnis

Die moralische Dimension

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

Die eigentlichen Ursachen: Deep Lobbying und Korruption

Erwartungen und Einschätzungen unserer Jugend

Ungleichverteilung: Die Ursachen

Mercedes-Benz

Jahrhundertgewinne bei Mercedes-Benz

Wohin flossen die ungewöhnlich hohen Dividendenauszahlungen?

Wer hat Gewinn und Wertschöpfung erarbeitet?

Lohn- und Gehaltsabschläge für die Beschäftigten

Rechtfertigung für leistungslose Einkommen

Vonovia

Wir haben kein Mietproblem, sondern ein Bodenverteilungsproblem

Die Gretchenfrage: Die Bodenrenten

Monopoly im Alltagsleben

John Maynard Keynes über „funktionslose Investoren“

Ein Lösungsvorschlag

Payday Loans

USA

Martin Luther zu Wucherzinsen und leistungslosen Einkommen

Fazit: Mangelnde Ethik- und Moralstandards, Egoismus und Übervorteilung sind die eigentlichen Ursachen der Ungleichverteilung

Sinkende Moral- und Ethikstandards

Moral und Medien

Verbreitung von Smartphones und Social Media

Auswirkungen des hohen Medienkonsums

Mediennutzung und seelische Belastungen von jungen Mädchen

Die dunkle Seite von Facebook, Instagram und Marc Zuckerberg

Der Leiter des US-Gesundheitswesens empfiehlt: Keine Nutzung von Social Media unter 16

Auswirkungen der Mediennutzung auf unsere Jungs

E-Sport-Verharmlosung

Fazit

Porno

War Games, Ego-Shooter, Gewaltvideos, dark music

Gaming-Industrie

Was kommt auf uns zu? Klagen über die „Jugend von heute“

Gegenmaßnahmen

Unser Erziehungs-, Schul- und Hochschulsystem

Unser Krippensystem

40-Stunden-Woche für unsere Kleinkinder

Problematische Auswirkungen des KiTa-Wesens

Fazit: Der Umgang mit unseren Jüngsten schwächt ihre Resilienz

Frühkindliche Sexualisierung und Desorientierung

Fazit

Die Debatte um Geschlechtsumwandlung von Minderjährigen und Pubertätsblocker

Fazit

Unser Schulsystem

Fazit

Unser Hochschulsystem

Egoismus, Altruismus und die unsichtbare Hand

Weltfremde Ansichten von Adam Smith

Milton Friedman: Sozial handelnde Manager sind Betrüger

Wirtschaftsethiker Lütge und Uhl: Jesus würde heute Eigenliebe predigen

Vergiss alle Religionen und alle Moral: Altruismus ist out, Egoismus ist in

Friedrich Nietzsche, der Vordenker der heutigen Wirtschaftsethik?

Nützlichkeitsethik, Utilitarismus und Gewinnmaximierung

Fazit

Konstruktionsfehler im System und ihre Überwindung

Übergriffe von Konzernen in die Politik

Übergriffe von Konzernen und Kapitalmacht in das Kultur- und Geistesleben

Werbung

Werbung verteuern

Werbung in Teilbereichen verbieten

Kapitalmacht und Pressefreiheit298

Die erste Verzerrung: Verfälschung durch Einschalt- und Lesequoten

Die zweite Verzerrung: Rücksichtnahme auf die Interessen der Werbegeldgeber

Die dritte Verzerrung: Rücksichtnahme auf die Eigentümer

Die vierte Verzerrung: Das Oligopol der internationalen Nachrichtenagenturen ap, reuters-thomson und afp

Fazit zu Pluralität und Objektivität unserer Medien

Kapitalmacht, Social Media und Kriegsspiele

Staat und Bildung

Unser Schulsystem

Staatliche Hochschulen

Fazit

Zusammenfassung und Schluss

Zusammenfassung

Die Kernthese

Gründe

Rahmenbedingungen für Wohlstand

Indizien des Niedergangs

Gesundheit und Umwelt

Ungleichverteilung

Sinkende Moral- und Ethikstandards

Die tieferen Ursachen für den Niedergang: mangelnde Moral und Ethik

Ursachen für sinkende Moral- und Ethikstandards

Konstruktionsfehler im System

Schluss

Literaturverzeichnis

Bücher und Aufsätze

Internetquellen

Das Ende des Wirtschaftswachstums

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Einleitung

Literaturverzeichnis

Das Ende des Wirtschaftswachstums

Cover

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Einleitung

Seit der Erfindung der Dampfmaschine Ende des 18.Jahrhunderts erleben wir in der westlichen Welt eine Phase noch nie dagewesenen Wirtschaftswachstums. Ausgehend von England griff die Industrialisierung zunächst auf Nordwest-, Mitteleuropa und die USA über, später auf fast ganz Europa. In Asien gelang es Japan, Südkorea, Taiwan und zuletzt China, das westliche Wachstumsmodell zu übernehmen.

Worauf beruht dieses in der Menschheitsgeschichte einzigartige Wirtschaftswachstum, das den betroffenen Ländern einen noch nie dagewesenen materiellen Wohlstand breiter Bevölkerungskreise gebracht hat? Auf den technischen und sozialen Erfindungen des menschlichen Geistes. Neue Technik, bessere Maschinen führen zu steigender Arbeitsproduktivität. Diese führt zu höheren Löhnen und wachsendem materiellen Wohlstand. Das Wachstumsmodell hat über die letzten etwa 200 Jahre unglaublich gut funktioniert, hat die Menschen in den Industrieländern aus Armut und Not gerissen.

Was wir bei dieser Darstellung meistens übersehen, sind die sozialen und ethischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer diese Entwicklung stattgefunden hat. Gesellschaftliche Normen, Regeln, Verhaltensweisen, insbesondere bestimmte Moralstandards, die wie selbstverständlich eingehalten werden, sind eine zwingende Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und gesamtgesellschaftliches Gedeihen. In dem Maße, in dem die Rahmenbedingungen nicht mehr erfüllt werden, versagt das Erfolgsmodell. Das ist meiner Einschätzung nach jetzt der Fall.

Die Kernthese

Die Zeiten ständigen realen Wirtschaftswachstums in der westlichen Welt sind vorbei. Wir stehen an einer säkularen Wende. Trotz immer weiterer Erfindungen und technischen Fortschritts, trotz ständig weiter steigender Arbeitsproduktivität wird es zukünftig vermutlich kaum weiteres reales, wohlfahrtssteigerndes Wirtschaftswachstum für den Großteil der Bevölkerung geben. Oder wir werden sogar eine Schrumpfung unseres realen Wohlstandes für den größten Teil der Menschen der westlichen Welt und vieler anderer Länder erleben.

Die westliche Welt befindet sich derzeit in einem rasch fortschreitenden Prozess der Bürokratisierung, Verknöcherung und Überwachung und kämpft mit ständig steigenden Zivilisationskrankheiten. Langsam, aber sicher wird die Wirtschaft immer schwerer mit Ballast beladen, so dass ihr irgendwann die Luft ausgeht. Die Phase des Aufstiegs dürfte vorbei sein. Mit etwas Glück können wir das erreichte Niveau vielleicht noch ein paar Jahrzehnte halten.

Beispiele, die die Kernthese belegen

Dass viele Länder in oder vor einer Phase realer Wohlfahrtsstagnation oder gar -schrumpfung stehen sollen, klingt auf den ersten Blick vielleicht sehr unplausibel. Daher ein paar empirische Belege anhand von Ländern, in denen die prophezeite Entwicklung bereits seit einigen Jahren weitgehend eingetreten ist:

Gemessen am offiziell ausgewiesenen kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf gab es in Großbritannien, Südafrika, Mexiko und Japan in den letzten 14 Jahren praktisch kein Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum mehr. Brasilien stagniert seit 10 Jahren und die Menschen in Italien sind heute laut Regierungsangaben ärmer als vor 20 Jahren. 1 Die Zahlen im Einzelnen:

Großbritannien

In Großbritannien, der Wiege der industriellen Revolution, betrug das kaufkraftbereinigte (PPP) BIP pro Kopf 2021 44.979 US-Dollar. 2007 belief es sich auf 44.302 US-Dollar.2 Das heißt seit 2007, seit 14 Jahren, gab es pro Kopf für die 67,5 Millionen in Großbritannien lebenden Menschen so gut wie kein reales Wirtschaftswachstum mehr: kumuliert waren es nur 1,5 Prozent insgesamt über 14 Jahre.

Italien

In Italien ist das reale BIP heute niedriger als 2007.3 Das BIP pro Kopf war 2021 mit 31.506 US-Dollar um 2,4 Prozent niedriger als 2000, als es 32.350 betrug,4 das kaufkraftbereinigte (PPP) BIP pro Einwohner war 2021 mit 41.929 USD um 2,7 Prozent niedriger als 2000 (43.053 US-Dollar).5 Kurz: Die etwa 59 Millionen Menschen in Italien haben seit über 20 Jahren kein reales Wirtschaftswachstum mehr gesehen. Ganz offiziell sind die Menschen in Italien im Durchschnitt pro Kopf heute ärmer als vor 20 Jahren.

Brasilien

Im riesigen Brasilien mit seinen etwa 215 Millionen Einwohnern betrug das BIP pro Kopf 2013 9.216 Dollar. 2021 waren es 8.538.6 Das entspricht einer Schrumpfung von über 7 Prozent in den letzten acht Jahren. Das kaufkraftbereinigte (PPP) BIP pro Kopf belief sich 2013 auf 15.701 Dollar, 2021 waren es 14.592,7 ebenfalls ein Rückgang von gut 7 Prozent. Seit fast 10 Jahren schrumpft also ganz offiziell die Wirtschaftskraft pro Einwohner in Brasilien.

Südafrika

In Südafrika, das etwa 60 Millionen Einwohner hat, betrug das kaufkraftbereinigte (PPP) BIP pro Kopf 2021 13.312 Dollar. Den höchsten Stand erreichte es 2013 mit 14.017 Dollar, 2007 betrug es 13.326.8 Gegenüber dem Spitzenwert von 2013 ist der Wohlstand pro Einwohner also um fünf Prozent gesunken. Seit 2007 gab es keinen Zuwachs an Wohlstand mehr. Das Land stagniert, ökonomisch betrachtet, was die Wohlfahrt der einzelnen Menschen angeht, statistisch seit 14 Jahren.

Japan

Das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf der etwa 125 Millionen Menschen in Japan stieg in den 14 Jahren von 2007 bis 2021 um insgesamt 3,8 Prozent von 39.291 auf 40.784 US-Dollar.9 Also auch die Wirtschaftskraft pro Einwohner in Japan stagniert de facto weitgehend seit 14 Jahren.

Mexiko

In Mexiko lag das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf 2021 bei 19.086 US-Dollar. 2018 betrug es 20.278, 2007 18.610 Dollar.10 Gegenüber 2018 ist es also um fast sechs Prozent gesunken, gegenüber 2007 um insgesamt 2,6 Prozent gestiegen. Also auch für die 126 Millionen in Mexiko lebenden Menschen stagniert die reale, kaufkraftbereinigte Wirtschaftskraft pro Einwohner weitgehend seit 14 Jahren.

Deutschland

In Deutschland ist das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf von 2007 bis 2021 offiziell um insgesamt 11,6 Prozent gestiegen.11 Das klingt eigentlich nicht schlecht. Allerdings kommt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung von 2016 für einen etwas weiter zurückliegenden Zeitraum zu ganz anderen Ergebnissen. Die gewerkschaftsnahen Wissenschaftler stellten dem BIP einen eigenen Wohlfahrtsindikator gegenüber, den Nationalen Wohlfahrtsindex (NWI). Dieser ergänzt das BIP unter anderem um Verteilungskomponenten, ehrenamtliche Beschäftigung und es werden Tätigkeiten zur Schadensminderung wie Kosten durch Kriminalität, Umweltbelastung, Lärmbelästigung usw. abgezogen.12

Von 1991 bis 2014 stieg demnach das reale BIP in Deutschland um insgesamt 34,3 Prozent. Der Wohlfahrtsindex NWI erhöhte sich im gleichen Zeitraum jedoch lediglich um 4,4 Prozent. Das ist ein dramatischer Unterschied. Demnach stieg die reale Wohlfahrt für den Großteil der Menschen in Deutschland in diesen 25 Jahren so gut wie gar nicht, obwohl ein realer BIPZuwachs um ein Drittel ausgewiesen wurde. Das ist ein beeindruckendes Ergebnis, das einige Fragen aufwirft.

Vermutlich dürfte die von der Hans-Böckler-Stiftung entwickelte Wohlfahrtsmessung für Deutschland zwischen 2007 und 2021 statt eines Wirtschaftswachstums von 11,6 Prozent eine reale Schrumpfung ausweisen. Die 2016 von der Gewerkschaftsstiftung veröffentlichten Ergebnisse unterstreichen die oben gemachte Aussage, dass wir möglicherweise in Wahrheit schon längst in eine Phase der Stagnation beim realen Wohlstandzuwachs für den Großteil der Bevölkerung eingetreten sind. Nur lassen es uns die offiziellen Statistiken nicht wissen.

Aber die Menschen fühlen es dennoch. Viele Leute fragen sich beispielsweise, weshalb es heute zahlreichen jungen Familien nicht mehr möglich ist, dass nur ein Elternteil arbeitet, um die Familie zu finanzieren, warum aus ökonomischen Gründen sehr häufig beide Elternteile arbeiten müssen, während das vor einer Generation, als wir offiziell viel ärmer waren, häufig nicht nötig war.

In jüngster Zeit, seit Anfang 2021, hat die deutlich gestiegene Inflationsrate auch offiziell zu einem deutlichen Rückgang der statistisch ausgewiesenen Reallöhne geführt. Zwischen dem ersten Quartal 2020 und dem ersten Quartal 2023 sind die Reallöhne laut Statistischem Bundesamt um 5,3 Prozent zurückgegangen.13 Seit acht Jahren sind die Reallöhne in Deutschland nicht mehr gestiegen, sie sind heute selbst nach offiziellen Angaben ebenso hoch wie im ersten Quartal 2015. In Wirklichkeit dürfte der Reallohnrückgang jedoch noch viel dramatischer sein.

USA

Auch in den USA gibt es eine verblüffende Diskrepanz zwischen den offiziell ausgewiesenen Zahlen und der tagtäglichen Lebensrealität des Großteils der Bevölkerung. Offiziell ist die reale Wirtschaftskraft pro Kopf in den USA von 1990 bis heute sehr stark gestiegen - um über 62 Prozent14 auf zuletzt 63.670 Dollar pro Einwohner 2021.15 Dennoch führt das Wall Street Journal den starken Geburtenrückgang von US-amerikanischen Frauen um etwa 25 Prozent seit 2007 bis heute auf „ökonomische und soziale Schwierigkeiten“ zurück.16 Junge Erwachsene könnten es sich heute nicht mehr leisten, „so ein hübsches Haus zu kaufen wie ihre Eltern“. Vielen Männern „fehlt heute die Einkommenskraft, eine Familie zu ernähren, weil Fabrikarbeiter (blue-collar jobs) heute weniger gut bezahlt sind als früher“.

Das sind bemerkenswerte Aussagen. Nach einer Generation äußerst starken Wirtschaftswachstums mit einer Steigerung der Pro-Kopf-Wirtschaftskraft um über 60 Prozent können sich heute junge Familien schlechter ein Haus leisten als ihre Eltern und Arbeiter verdienen weniger als früher. Wie kann das sein? Warum sind heute trotz jahrzehntelangen fabelhaften Wirtschaftswachstums „ökonomische und soziale“ Schwierigkeiten“ in einem solchem Umfang vorhanden, dass die Geburtenquote des ganzen Landes sinkt? Was war das für ein Wirtschaftswachstum, wenn es bei einem großen Teil der Menschen nicht ankommt? Wohin ist das ganze Wirtschaftswachstum gegangen? Oder hat es in Wirklichkeit in deutlich geringerem Umfang oder gar überhaupt nicht stattgefunden?

Laut offiziellen Angaben der US-Regierung verdiente 2021 ein männlicher Vollzeitarbeitnehmer, der das ganze Jahr über arbeitet und über 15 Jahre alt ist, mit 61.180 Dollar MedianJahresverdienst inflationsbereinigt, also real praktisch genau so viel wie 1974.17 Männliche Arbeiter in den USA hatten also in den letzten 47 Jahren laut amtlicher Statistik real keinen Cent Lohnerhöhung.

Die sechs zuerst genannten Länder (Großbritannien, Italien, Brasilien, Mexiko, Japan und Südafrika) befinden sich also bereits seit vielen Jahren ganz offiziell in einem Zustand weitgehender ökonomischer Stagnation oder gar Schrumpfung des tatsächlichen materiellen Lebensstandards. Deutschland ist vermutlich de facto ebenfalls seit vielen Jahren in einer Phase der Stagnation des realen Wohlergehens. Ähnliches gilt offenbar für viele US-Bürgerinnen und Bürger.

Würde man die Methode des Nationalen Wohlfahrtsindex der Hans-Böckler-Stiftung auch auf die sechs erstgenannten Länder anwenden, kämen höchstwahrscheinlich sehr viel schlechtere Ergebnisse heraus als die oben geschilderten offiziellen BIPZahlen. Vermutlich sinkt in diesen sechs Ländern für den Großteil der Bevölkerung der reale Wohlstand seit langem. Wenn man sich mit Menschen aus Italien unterhält, bestätigen sie dies normalerweise. Ähnliches gilt für Gespräche mit Menschen aus Südafrika oder Mexiko. Viele Menschen haben die Empfindung, dass die Lebensqualität dort deutlich abgenommen hat.

Wohin fließen die hohen Produktivitätszuwächse?

Entwicklung der Stundenproduktivität, der Reallöhne und der Einkommensverteilung in Deutschland seit 1991

Produktivitätsentwicklung

Von 1991 bis 2022 ist das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 47% gestiegen.18 Im gleichen Zeitraum ist das Arbeitsvolumen aller beschäftigten Arbeitnehmer, also die gearbeiteten Stunden, von 52,2 Milliarden Stunden um gut 3% auf 53,9 Milliarden gestiegen. Allerdings hat sich die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer in diesem Zeitraum von 35,3 Millionen auf 41,7 Millionen deutlich um gut 18 % erhöht. Das Arbeitsvolumen verteilt sich heute also auf mehr Beschäftigte, pro Kopf werden daher etwa 14% weniger Stunden gearbeitet als vor einer Generation. Das liegt im Wesentlichen daran, dass sich die Teilzeitquote, der Anteil der Beschäftigten, die nicht Vollzeit arbeiten, von 18% 1991 auf 38,7% 2022 stark erhöht hat. 19 Von 1991 bis 2022 ist offiziell die Produktivität je Erwerbstätigenstunde in Deutschland real um 45 Prozent gestiegen.20 Das heißt, ein Erwerbstätiger erzeugt heute pro Arbeitsstunde beinahe eineinhalb Mal so viel wie vor einer Generation.

Steuerliche Begünstigungen von hohen Einkommen und von Vermögen

Wie wurde der offizielle Wohlstandszuwachs verteilt? Arbeitnehmerentgelte und Unternehmens- bzw. Vermögenseinkommen haben sich in den letzten 30 Jahren in etwa gleich entwickelt, sodass die Bruttolohnquote praktisch gleichgeblieben ist.21 Allerdings wurden in den letzten Jahrzehnten die Gewinnsteuern stark gesenkt – sie wurden von 59% 1995 auf 30% 2022 praktisch halbiert22-, sodass netto die Einkommen der wohlhabenderen Menschen stärker gestiegen sind. 2021 beliefen sich Körperschafts-, Gewerbe- und nicht veranlagte Steuern vom Ertrag gemeinsam auf 15,7% aller deutscher Steuereinnahmen, während Lohn- und indirekte Steuern wie Mehrwertsteuer insgesamt 65,5% aller Steuereinnahmen darstellten.23

Dazu kommt, dass höhere Einkommen wegen der Beitragsbemessungsgrenzen für die Sozialversicherung eine geringere Abgabenquote haben als mittlere und niedrige Einkommen, die in voller Höhe der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Ab etwa 60.000 Euro Jahreseinkommen müssen keine weiteren Beiträge zur Krankenversicherung, ab etwa 88.000 keine weiteren Beiträge zu Renten- und Arbeitslosenversicherung gezahlt werden.24 Diese Regelung begünstigt hohe Einkommen und belastet mittlere und niedrige Einkommen umso stärker.

Außerdem werden Einkommen aus Vermögen, Zinsen und Wertzuwächsen meist vergleichsweise niedrig besteuert, sodass wohlhabende Haushalte mit Vermögen de facto häufig einen recht niedrigen Steuersatz zahlen. Beispielsweise ist die Abgeltungssteuer von 25% vergleichsweise niedrig und schont Vermögenseinkünfte.25

Ein weiterer, die Ungleichverteilung vorantreibender Faktor ist, dass die Erbschaftssteuer in Deutschland sehr niedrig ist. Sie lag bis 2017 de facto bei lediglich etwa ein bis zwei Prozent vom vererbten oder verschenkten Vermögen, sodass große Vermögen fast steuerfrei weitervererbt werden können.26 Seit der Erbschaftssteuerreform 2016 haben sich die Steuereinnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer von 7 Milliarden Euro 2016 auf 9,23 Milliarden 2022 erhöht.27 Bei einem geschätzten Erbschafts- und Schenkungsvolumen von bis zu 400 Milliarden Euro pro Jahr28 entspricht das einem effektiven Erbschaftssteuersatz von 2,3%. De facto ist Erben in Deutschland weiterhin fast steuerfrei. Das zementiert die ungleiche Vermögensverteilung.

Entwicklung der Reallöhne

Das reale, inflationsbereinigte Medianeinkommen stieg in Deutschland nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung von 1991 bis 2019 um 25% von gut 19.000 auf etwa 24.000 Euro im Jahr, also deutlich weniger als die Stundenproduktivität.29 Laut Bundeszentrale für politische Bildung sind die Reallöhne in Deutschland von 1991 bis 2019 um lediglich 12,3% gestiegen.30 Vom ersten Quartal 2019 bis zum ersten Quartal 2023 sind die realen Stundenlöhne nach Angaben des Statistischen Bundesamts erst wegen der Corona-Maßnahmen, dann wegen der Inflationswelle ab 2021 um insgesamt 5,2% gesunken.31 Verknüpft man die beiden Zahlen, erhalten wir einen Zuwachs der Reallöhne zwischen 1991 und dem ersten Quartal 2023 von 6,5%, Das ist nicht gerade viel angesichts eines Produktivitätszuwachses von 45% im selben Zeitraum.

Haushaltseinkommen entwickeln sich auseinander

Die verfügbaren realen Haushaltseinkommen der untersten 20% der Bevölkerung wuchsen in den letzten 30 Jahren deutlich schwächer als die der mittleren oder oberen Einkommensgruppen, sodass sich eine deutliche Einkommensschere innerhalb der Arbeitnehmerhaushalte aufgetan hat: Die Haushaltseinkommen der untersten 10% der Bevölkerung stiegen zwischen 1995 und 2019 um insgesamt 5%, die des zweitärmsten Zehntels (Dezil) um 8%, diejenigen des fünften bis achten Dezils (obere Mittelschicht) um 25% und die Einkommen der obersten 10% um 42%.32

Zu der besonders schwachen Entwicklung der untersten 10% der Bevölkerung hat laut DIW Berlin deutlich die starke Migration beigetragen. Das Berliner Wirtschaftsforschungsinstitut schreibt dazu: „So nimmt der Anteil der ausländischen Bevölkerung allein im Zeitraum 2007 bis 2019 um 66 Prozent (oder 4,4 Millionen) auf insgesamt 11,2 Millionen Personen zu.“ Darunter sei „eine große Zahl mit geringem oder keinem Bildungsabschluss. Allein im ersten Einkommensdezil [den ärmsten 10% in Deutschland] beläuft sich der Anteil der Personen mit direktem oder indirektem Migrationshintergrund im Einkommensjahr 2019 auf 44 Prozent. Im Jahr 1995 lag dieser Wert noch bei 32 Prozent.“33

Insgesamt hat die Ungleichverteilung der Einkommen in Deutschland in den letzten 30 Jahren also deutlich zugenommen. Die Einkommensarmut, der Anteil derjenigen Menschen, die weniger als 60% vom Durchschnittseinkommen haben, ist von 1991 bis 2019 von 11 auf 16% gestiegen.34 Die Armutslücke, der Abstand der durchschnittlich verfügbaren Einkommen zur Armutsgrenze, hat sich in den letzten 30 Jahren erheblich vergrößert.35 Der Gini-Koeffizient Deutschlands, ein Maß für die Ungleichverteilung, stieg von 0,245 1991 auf einen neuen Höchstwert von knapp 0,3 2019 und zeigt damit seit der Wiedervereinigung eine stark gestiegene Ungleichverteilung an.36

Dieser Prozess der sich verstärkenden Ungleichverteilung dürfte durch die seit 2021 laufende Inflation noch verstärkt werden. Denn besonders stark stiegen vor allem 2022 die Preise für Energie und Lebensmittel, also Grundlebensbedürfnisse. Deren Verteuerung wird gerade die Unterschichten besonders hart treffen, sodass die Einkommensverteilung ungleicher werden dürfte.37

Kurz: Die Einkommensschere hat sich in Deutschland in den letzten 30 Jahren stark geöffnet. Von den hohen Produktivitätszuwächsen ist demnach bei den Beschäftigten im Mittelfeld und insbesondere bei den unteren Einkommensgruppen in der Lohntüte wenig hängen geblieben. Von dem amtlich vermeldeten Wirtschaftswachstum kommt selbst laut offiziellen Zahlen bei einem großen Teil der Bevölkerung nur wenig an. Bringt man dann noch zum Abzug, dass ein guter Teil des offiziellen BIP-Wachstums auf zunehmende Gesundheitsdienstleistungen, Security, Überwachung, Kontrolle, Bürokratie, Rechtsstreitigkeiten usw. entfallen ist, wie es der oben erwähnte Nationale Wohlfahrtsindex (NWI) der Hans-Böckler-Stiftung tut38, dürfte ein großer Teils der Menschen in unserem Land bereits seit 30 Jahren keine reale Steigerung der Wohlfahrt erlebt haben. Ich denke, wir sind bereits seit einiger Zeit beim Ende des tatsächlichen, wirklichen Wirtschaftswachstums angelangt.

Entwicklung der Arbeitszeit in Deutschland seit der Wiedervereinigung

Werfen wir nun einen detaillierteren Blick auf die Arbeitszeit. 1991 gab es in Deutschland 28,8 Millionen abhängig Vollzeitbeschäftigte und 6,5 Millionen Teilzeitbeschäftigte, 2022 waren es 25,5 Millionen Beschäftigte in Vollzeit und 16,1 Millionen in Teilzeit. Die Teilzeitquote ist in diesem Zeitraum deutlich von 18,5% auf 38,7% gestiegen.39 Das Arbeitsvolumen der abhängig Beschäftigten ist in dieser Zeit, wie oben erwähnt von 52,2 Milliarden auf 53,9 Milliarden Stunden um etwa 3% gestiegen.

1965 wurde in Deutschland erstmalig in einer Branche die 40-Stunden-Woche eingeführt. Heute ist die offizielle Arbeitszeit in vielen Branchen und im Staatsdienst noch immer bei oder nahe bei 40 Wochenstunden. Anfang der 2000er Jahre wurde die wöchentliche Pflichtarbeitszeit in einigen Bereichen sogar wieder erhöht.40 1991 betrug die durchschnittliche tatsächliche Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten 39,1 Stunden, 2022 waren es 38,2 Stunden.41 Kurz: Seit fast 50 Jahren ist die reguläre Wochenarbeitszeit von Vollzeit-Tarifbeschäftigten kaum mehr gesunken.

Auch die Zahl der durchschnittlich genommen Urlaubstage hat sich von 1991 bis heute kaum erhöht – von 30,1 auf 31,8 Tage im Jahr.42