Das Erste Mal - Vier lesbische Kurzgeschichten - Isabel Scheffer - E-Book

Das Erste Mal - Vier lesbische Kurzgeschichten E-Book

Isabel Scheffer

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Beschreibung

Das Erste Mal unter Frauen - In dieser Kurzgeschichtensammlung geht es um das mal mehr, mal weniger romantische Erste Mal vier junger Menschen, die die Lust und Liebe zwischen Frauen entdecken wollen, sich unfreiwillig verlieben oder einfach mal ausprobieren wollen. Sie umfasst vier Geschichten: 1. Und dann kam Jenny 2. Das erste Mal (Der Lesbenzirkel) 3. Strandurlaub und 4. Begegnung an der Raststätte

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Seitenzahl: 43

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Isabel Scheffer

Das Erste Mal - Vier lesbische Kurzgeschichten

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Und dann kam Jenny

Das erste Mal

Strandurlaub

Begegnung an der Raststätte

Impressum neobooks

Und dann kam Jenny

„Langsam schälte sich eine Kontur aus der Dunkelheit. Ich wich zurück, bis ich die Mauer unbarmherzig kalt im Rücken spürte, den Blick mit klopfendem Herzen auf die Gestalt gerichtet, die nun ins Licht der Straßenlaterne trat. Ein überraschter Schrei entwich mir, als ich John erkannte, der-“

Shane hielt inne und las sich den soeben geschrieben Absatz durch, bevor sie ihn löschte. Nicht aussagekräftig genug und auch nicht das, was sie auszudrücken versucht hatte. So ging das schon seit einer Woche und die Abgabefrist der nächsten Kurzgeschichte rückte bedenklich näher. Der Verlag konnte keine Rücksicht auf ihre Schreibblockade nehmen und wenn sie nicht bald lieferte, wurde sie am Ende noch ersetzt. Für eine freiberufliche Autorin, die sich mit kitschigen, aber beliebten Groschenromanen über Wasser hielt, eine Katastrophe.

Frustriert schloss Shane das Dokument und klappte den Laptop zu, um ihre Aufmerksamkeit dem stürmischen Wetter auf der anderen Seite des Fensters zu widmen. In Schottland war unangenehmes Regenwetter ja keine Seltenheit, doch im Gegensatz zu ihrer Kreativität wollte der Sturm gar nicht mehr abflauen. Es half alles nichts - wenn sie heute Abend nicht hungern wollte, musste sie da wohl raus und ihren wöchentlichen Lebensmitteleinkauf hinter sich bringen.

Als Shane ihre Wohnung verließ, beschloss sie kurzerhand, auf den Bus (und damit auch das überteuerte Busfahrtticket) zu verzichten und die paar Meter zum nächsten größeren Supermarkt zu Fuß zurückzulegen. Vielleicht blies der Wind ihr ja den Kopf frei und trieb ihr ein paar neue Ideen zu.

Seit drei Jahren veröffentlichte sie romantische Kurzgeschichten der kitschigsten Art in einem Verlag, der ihr zumindest Lektorat und Vermarktung abnahm, sodass sie sich ganz auf ihre schriftstellerischen Tätigkeiten konzentrieren konnte, doch inzwischen waren ihr die Ideen ausgegangen. Wie viele Arten gab es noch, einen Mann und eine Frau dazu zu bringen, sich neu oder wieder zu verlieben?

Shane merkte, dass sie auf dem besten Weg war, in eine Existenzkrise zu schlittern. Sie war kürzlich 27 Jahre alt geworden, hatte keinen Freund, kein gesichertes Einkommen, solange sie nicht bald die neue Kurzgeschichte ablieferte, und keinerlei Pläne für die Zukunft. Eigentlich hatte sie Fantasyromane schreiben wollen, doch als ein Verlag ihr stattdessen angeboten hatte, einen Groschenroman von 15 000 Wörtern zu veröffentlichen, war sie dabei hängen geblieben. Fest stand jedoch, dass sie sich mit dem Schreiben ihren Lebensunterhalt verdienen wollte, denn ihr gelernter Beruf als Bürokauffrau langweilte sie bereits nach wenigen Monaten zu Tode.

Der Wind fuhr durch ihr Haar und zerrte an ihrer Kleidung, während sie im Kopf ein passendes Szenario zu spinnen begann. Eine verzweifelte junge Frau, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sieht, wanderte durch die Straßen der mittelgroßen Stadt Inverness, betrat schließlich einen Discounter, um Schutz vor dem Sturm zu suchen. Länger als nötig bleibt sie vor den Regalen stehen, wählt sorgfältig die Lebensmittel aus und sinniert darüber, wie es nun weitergehen soll. Als sie schließlich zur Kasse geht, rempelt sie ein Mann an, sodass sie ihre Einkäufe fallen lässt und-

Shane war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie nicht merkte, wie eine Frau aus dem rechten Gang eilte. Im nächsten Moment fiel sie, der Korb mit den Einkäufen landete klappernd auf dem Boden und eine Nudelpackung schlug gegen ihre Nase, sodass sie Sterne sah. Mit rudernden Armen versuchte Shane, sich abzufangen, doch die andere Frau landete ungeschickt auf ihr. In einem Knäuel aus Tüten, verbeulten Dosen und sich windenden Körperteilen kam Shane schließlich wieder auf die Beine und funkelte die ungeschickte Dame, die sie über den Haufen gerannt hatte, wütend an.

Die Frischkäsepackung hatte den Sturz weniger gut überstanden und war zerquetscht, sodass nun weiße Schlieren an ihrem Mantel klebten, von den Eiern, die eine durchsichtige Lache auf dem Boden bildeten, ganz zu schweigen.

„Passen Sie doch auf!“, zischte Shane erbost und versuchte vergeblich, ihren Mantel abzuklopfen. Die andere Frau rappelte sich ungeschickt auf und blickte an ihrer weißen Bluse hinab, auf der ein zerbrochenes Ei klebte. Ihre Augen röteten sich, als stände sie kurz davor, in Tränen auszubrechen.

„Es t-tut mir leid“, wimmerte sie und sofort begann Shane, sich gedanklich Notizen zu ihr zu machen. Eine verzweifelte, wenig selbstbewusste Frau, die von einem starken Mann aus ihrem Elend errettet wurde, vermerkte sie innerlich.

„Halb so schlimm“, murmelte sie und legte der schniefenden Frau einen Arm um die Schultern. Inzwischen waren zwei Männer des Personals eingetroffen, die sich hastig versicherten, dass den Kunden nichts zugestoßen war, bevor sie sich daran machten, die Sauerei zu beseitigen. Etwas verlegen standen die beiden Frauen daneben, unsicher, was sie tun sollten.