Das große Natur-Lesebuch - A. A. Reichelt - E-Book

Das große Natur-Lesebuch E-Book

A. A. Reichelt

4,8

Beschreibung

Eine Sammlung fantasievoller Geschichten der Autoren Andreas Artur Reichelt und Matthias Schneider-Dominco. Wenn Katzen in Seenot geraten, Hunde ihre Menschen retten und Krabben zu TV-Stars werden, dann wird eines klar: Die spannendsten Abenteuer erlebt man in der Natur! »Wunderbare Kurzgeschichten! Das Tolle daran: Hinter jeder Geschichte haben die Autoren einen Lerneffekt versteckt.« (Unsere kleine Bücherwelt) Auflage 2021: Mit zwei neuen Geschichten, die die ursprünglich enthaltenen Abenteuer der Serie "JoJo & Jules" ersetzen.

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Das große Natur-Lesebuch

Moritz und der Woid WoifeDie SchlittenolympiadeDie Geschichte von der kleinen braunen KrabbeDie Geschichte vom traurigen GeigleinEin Hund namens CurryRingo, der treueste Pinguin der WeltDie PapageienfabelSocke auf großer FahrtHandy-Ferien auf NordsandImpressum

Moritz und der Woid Woife

Auf den heutigen Tag hatte sich die gesamte Klasse 3a der niederbayerischen Grundschule schon seit Wochen gefreut. Es war ein sagenhafter Ausflug geplant. Mit dem Bus würden sie in den bayerischen Wald fahren.

Am Arber gab es wohl einen Waldmenschen.

»Woid Woife« nannte er sich.

Aus Liebe zu den Wäldern auf dem Berg hatte er sich dort eine wunderschöne, urige Hütte aus einem alten Bauwagen gebaut und setzte sich oft viele Stunden einfach in den Wald. Dort genoss er die Stimmung, die Luft und vor allem die Tierwelt. In der Vorbereitung des Ausflugs hatten sie im Unterricht viele Fotos dieses bärtigen Mannes mit Tieren auf Schulter, Hand und Kopf gesehen. Eichhörnchen, Greifvögel und Schmetterlinge. Singvögel und Eidechsen. Alles war dabei. Die gesamte Klasse war sehr gespannt auf dieses großartige Projekt.

Doch ein Junge hatte besonderes Interesse daran. Moritz war nämlich selbst eine Art Waldmensch. »Woid Moritz«, wenn man so will.

Stundenlang spielte er oft in dem kleinen Wäldchen, das an das Grundstück des Wohnhauses seiner Eltern grenzte. Auf einem Hügel am Rande ebendieses Wäldchens hatte er seinen Lieblingsplatz: Einen Baumstumpf, auf dem man bequem sitzen und die Aussicht genießen konnte. Nicht selten sah er von dort aus auch Turmfalken, die in einem alten Bauernhaus in der Nachbarschaft nisteten. Er genoss auch den Duft des Waldbodens. Die Anwesenheit von Käfern und Insekten. Ab und zu bekam er sogar ein Reh oder einen Fuchs zu sehen. »Tierbegegnungen« nannten das seine Eltern.

Er selbst nannte sie schlichtweg seine »Freunde«.

Auch über die Bäume hatte er sich schon einiges Wissen angeeignet. So erkannte er die verschiedenen Nadelbaumarten und auch viele Laubbäume. Dennoch wollte er noch mehr über den Wald wissen. Anders als die anderen Kinder seiner Klasse hatte er kein Handy. Auch Plastikspielsachen übten keinen Reiz auf ihn aus. Doch die Schöpfung zu genießen, das war seine Welt. Sie erfüllte ihn immer mit Frieden und Dankbarkeit.

Ein Besuch beim Woid Woife war also der richtige Ausflug für einen Jungen wie ihn.

Seine Freunde in der Schule kannten diese seine Vorlieben und nannten ihn daher manchmal auch »Falkenfreund«, »Baumstumpfi« oder »Waldschrat«. Ein Waldschrat und ein Woid Woife - das musste einfach passen.

Als Moritz an diesem Morgen mit seinen Klassenkameraden und dem Lehrerehepaar Grubmüller auf den Bus wartete, war er in gespannter Erwartung.

»Na, Moritz, freust du dich schon auf den Ausflug?«, fragte ihn Frau Grubmüller und lächelte ihm freundlich zu.

»Ja, sehr! Ich konnte heute gar nicht richtig schlafen. Bestimmt gibt es da viele Tiere im Arberwald.«

Aufgeregt trat er von einem Bein auf das andere.

»Da bin ich mir sicher, Moritz.«

Sie hatten noch keine fünf Minuten gewartet, da konnten sie den Bus in den Parkplatz fahren sehen. Es war ein älteres Modell mit Holzbänken. Diese Busse mochte Moritz am liebsten. Er fand sie so urig. Das Schaukeln und Knattern dieser alten Gefährte schätzte er besonders.

»Eins, zwei, drei ... fünfzehn. Die Klasse ist vollzählig anwesend. Wir können fahren.« Herr Grubmüller gab das Kommando zur Abreise.

Die Fahrzeit bis zum Arber betrug vom Rottal aus fast eineinhalb Stunden. Zum Zeitvertreib spielte Moritz mit einem Freund Karten, um genau zu sein, ein Hundequartett.

Als sie am Zielort angekommen waren, schienen alle Kinder froh zu sein, sich wieder bewegen zu dürfen. Traumhaftes Wetter und saubere Bergluft begrüßten sie, als sie bei Bodenmais aus dem Bus stiegen und vom Woid Woife in Empfang genommen wurden.

Der »Waldmensch« war eine imposante Erscheinung, groß und voluminös. Mit einem typisch bayerischen Hut und einem Wanderstock sowie einem buschigen Vollbart wirkte er wie der Inbegriff eines Naturburschen. Unweigerlich musste Moritz an den Almöhi denken.

»Grüße euch, Kinder!«

Der Woid Woife hatte einen sehr ausgeprägten Dialekt, doch die Kinder konnten ihm gut folgen.

Zunächst zeigte er ihnen einen alten Bauwagen, der mit viel Liebe zu einer Tierpflege- und Auswilderungsstation umgebaut worden war.

Dort gab es Nistkästen, Futterplätze für Wildvögel und Insekten, eine beheizbare Innenstube und eine wundervolle Sitzgruppe, die die Klasse zur ersten Brotzeitpause lud. Auf diese Weise frisch gestärkt, konnten sie die Rucksäcke im Wagen lassen und eine Waldwanderung unternehmen.

»Ich zeige euch meine liebsten Plätze. Bestimmt finden wir Tierspuren. Und mit ein wenig Glück begegnen wir sogar dem einen oder anderen Wildtier.«

Diese Worte des Woid Woife ließen Moritz aufhorchen. Ob es hier wohl dieselben Waldbewohner gab wie zu Hause?

Die Wanderung in den Arberwald begeisterte Moritz sehr. Er war in seinem Element, dem Wald.

»Jetzt bist daheim, gell?«, fragte ihn ein Freund.

»Ja. Der Wald ist nun mal das Schönste, was Gott gemacht hat.«

Damit sprach er ihrem Waldführer aus dem Herzen.

»Du gefällst mir!«, bekam er von diesem zu hören und musste unweigerlich lächeln.

Als sie gerade um einen Felsen herumgingen, erspähte Moritz ein Plätzchen, das ihm gefallen könnte. Kurzerhand bog er geschwind ab und erforschte den Ort. Tatsächlich fand er einen prima Baumstumpf, der zum Platznehmen einlud.

Etwa einhundert Meter weiter erklärte der Woid Woife gerade einen Fuchsbau. Seine Geschichte, dass sich Fuchs und Dachs manchmal denselben Bau teilen, erntete ungläubige Blicke.

Selbst Herr und Frau Grubmüller tuschelten miteinander. Doch deren Thema war ein ganz anderes: »Bleibt mal kurz stehen, Kinder. Wir haben gerade dreimal gezählt und wir kommen nur auf vierzehn Kinder. Wer fehlt?«

»Der Waldschrat!«, rief ein Junge.

»Hey, sag mal, wie redest du von mir!?«, antwortete der Woid Woife.

Die ganze Klasse fing zu lachen an.

»Das ist ein Junge aus unserer Klasse. Der Moritz. Der ist auch den ganzen Tag im Wald und schaut sich Tiere an. Er erzählt oft von einem Platz, wo er auf einem Baumstumpf sitzend Turmfalken zuschaut.«

»Nicht die schlechteste Einstellung, würde ich sagen.«

Dem Woid Woife gefiel das sehr. Doch leider war Moritz wirklich nicht mehr auffindbar.

Zunächst riefen alle nach ihm, doch sie bekamen keine Antwort. Da hatte der Woid Woife eine Idee.

»Du sagst, er sitzt gerne auf einem Baumstumpf und schaut Falken zu? Ich glaube, ich weiß, wo wir suchen müssen.« Er wandte sich an die beiden Lehrer.

»Frau Grubmüller, bleiben Sie doch bitte hier bei den Kindern. Nicht, dass noch eines verloren geht, das kann hier oben schon gefährlich werden. Und Sie, Herr Grubmüller, kommen am besten mit mir.«

Der Woid Woife schritt voran und ging ein Stück des Weges zurück, auf dem sie gekommen waren. An einem großen Felsen zeigte er auf einen kleinen Pfad, der seitwärts vom Hauptweg wegführte. Danach deutete er weiter nach oben.

»Sehen Sie den Bussard kreisen? Ich glaube, der Moritz schaut dem Vogel zu.«