Das Haus Zamis 1 - Neal Davenport - E-Book

Das Haus Zamis 1 E-Book

Neal Davenport

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Zum ersten Mal sah ich Rupert Schwinger an einem schwülen Julitag. Die Sonne stand hoch am Himmel, und die Luft flimmerte über dem kleinen See. Der blonde Junge schlüpfte aus seinem Hemd und legte es über einen umgestürzten Baumstamm. Dann setzte er sich auf den Boden, öffnete die Schultasche, um ein belegtes Brot daraus hervorzuholen, und begann mit herzhaftem Appetit zu essen.
Rupert war nicht älter als vierzehn Jahre, aber für sein Alter überraschend groß und kräftig. Als er das Brot verspeist hatte, bückte er sich und holte unter dem Baum eine Angelrute hervor. Aus der Hosentasche zog er eine Blechbüchse und öffnete sie. Ein halbes Dutzend dicker Würmer krümmten sich darin. Er packte einen von ihnen und spießte ihn auf den Angelhaken. Dann stand er auf, warf die Angel aus und pfiff vergnügt vor sich hin.
Als er meine Schritte hörte, wandte er den Kopf und kniff die Augen zusammen. Interessiert ließ er seinen Blick über mein pechschwarzes Haar streifen, das mir in langen Strähnen lose über die knochigen Schultern fiel.


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 112

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

HEXENSABBAT

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

mystery-press

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mark Freier

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0525-7

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

HEXENSABBAT

von Neal Davenport

Zum ersten Mal sah ich Rupert Schwinger an einem schwülen Julitag. Die Sonne stand hoch am Himmel, und die Luft flimmerte über dem kleinen See. Der blonde Junge schlüpfte aus seinem Hemd und legte es über einen umgestürzten Baumstamm. Dann setzte er sich auf den Boden, öffnete die Schultasche, um ein belegtes Brot daraus hervorzuholen, und begann mit herzhaftem Appetit zu essen.

Rupert war nicht älter als vierzehn Jahre, aber für sein Alter überraschend groß und kräftig. Als er das Brot verspeist hatte, bückte er sich und holte unter dem Baum eine Angelrute hervor. Aus der Hosentasche zog er eine Blechbüchse und öffnete sie. Ein halbes Dutzend dicker Würmer krümmten sich darin. Er packte einen von ihnen und spießte ihn auf den Angelhaken. Dann stand er auf, warf die Angel aus und pfiff vergnügt vor sich hin.

Als er meine Schritte hörte, wandte er den Kopf und kniff die Augen zusammen. Interessiert ließ er seinen Blick über mein pechschwarzes Haar streifen, das mir in langen Strähnen lose über die knochigen Schultern fiel.

1. Kapitel

Ich habe damals nicht gerade berauschend schön ausgesehen. Mein Körper schien nur aus langen Beinen zu bestehen; alles an mir war eckig und dünn, und unter meinem weißen Baumwollkleid zeichneten sich die winzigen Ansätze meiner Brüste ab. Das Hübscheste an mir waren noch die großen dunkelgrünen Augen, mit denen ich den Jungen forschend betrachtete.

»Hallo!«, grüßte ich und blieb vor ihm stehen.

»Hallo«, echote er. »Wer bist du denn?«

»Ich heiße Coco. Und du?«

»Rupert Schwinger.«

»Darf ich mich setzen?« Ich deutete auf den umgestürzten Baumstamm.

»Natürlich«, sagte Rupert großzügig.

Ich ließ mich auf dem Stamm nieder und zupfte verlegen an meinem Rock herum. Bisweilen warf ich Rupert einen scheuen Blick zu.

»Wie alt bist du, Coco?«

»Elf.«

»Du siehst älter aus«, stellte er sachverständig fest. Wie ich später erfuhr, hatte er sich noch bis vor einem halben Jahr überhaupt nicht für Mädchen interessiert, sondern sie für hoffnungslos dumme Geschöpfe gehalten, die bei jeder Kleinigkeit losheulten und ständig irgendetwas zu jammern hatten. Doch inzwischen hatte er seine Meinung geändert.

Er steckte die Angelrute in eine Bodenvertiefung und sicherte sie mit einem großen Stein. Dann drehte er sich um, vergrub seine Hände in den Hosentaschen und wippte mit dem Oberkörper hin und her. Wahrscheinlich wollte er mich beeindrucken – und ich muss zugeben, dass es ihm hervorragend gelang.

»Willst du eine Zigarette?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich rauche nicht.«

Er nickte. »Das ist auch nichts für kleine Mädchen.« Er bückte sich und holte eine Zigarette aus seiner Schultasche. Dann steckte er sie sich zwischen die Lippen und riss ein Streichholz an. Ich schaute fasziniert zu, wie er den Rauch inhalierte. Nur ein einziges Mal hatte ich bisher überhaupt an einer Zigarette gezogen, und mir war dabei furchtbar schlecht geworden.

»Wo wohnst du, Coco?«

»In Wien. Ich bin bei meinem Onkel zu Besuch. Bei Cyrano von Behemoth.«

Rupert sog noch einmal an der Zigarette, dann warf er sie zu Boden und drückte sie aus. Seine Miene hatte sich verändert. Vorher war sie spöttisch gewesen, mit einem leicht amüsierten Ausdruck um die Lippen; jetzt aber wirkte sie plötzlich abweisend. Er griff nach dem Hemd und schlüpfte hinein.

»Kennst du meinen Onkel?«

Er nickte stumm.

»Magst du ihn nicht?«

Er schaute mich flüchtig an. »Nein. Niemand mag ihn.«

»Aber er hat doch niemandem etwas getan.«

»Das interessiert mich nicht.« Er knöpfte das Hemd zu. »Ich will mit ihm nichts zu tun haben und auch nicht mit den Leuten, die bei ihm sind.«

»Aber weshalb?«

»Da fragst du noch?«

»Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin doch erst seit drei Tagen bei ihm.«

Rupert stopfte das Hemd in die Hose. »Wohnt Vera noch bei ihm?«

»Ja. Sie ist meine Schwester.«

»Dann will ich auch mit dir nichts mehr zu tun haben.«

»Aber weshalb? Hat sie dir etwas getan?«

Rupert lachte bitter. »Das kann man wohl sagen. Sie ist bösartig, hinterlistig und gemein.« Er sah mich verächtlich an. »Und wenn sie deine Schwester ist, dann wirst du auch nicht anders sein.«

»Ich bin anders«, sagte ich heftig und stand auf. »Ganz anders. Ich verstehe mich mit Vera überhaupt nicht. Wir konnten uns nie gut leiden.«

»Vielleicht ist das sogar die Wahrheit«, meinte er. »Aber ich gehe kein Risiko ein. Ich habe die Nase voll von Vera – und genauso von jedem, der mit ihr zu tun hat. Alle Kinder in den umliegenden Dörfern haben genug von ihr.« Er holte die Angel ein, löste den Wurm vom Haken und legte das Gerät unter den umgefallenen Baum. Dann packte er einfach seine Taschen und ging davon.

Ich schaute ihm verwirrt nach. Er verschwand in einem kleinen Wäldchen und war nach wenigen Sekunden nicht mehr zu sehen. Ich starrte nachdenklich hinaus auf den See. Dann setzte ich mich und faltete die Hände im Schoß. Ich war anders, das wusste ich. Anders als die anderen Kinder ... Aber das hieß noch lange nicht, dass ich so sein wollte wie meine Schwester Vera. Im Gegenteil, ich versuchte mich den normalen Leuten anzupassen, aber meine Verwandten machten es mir nicht leicht. In meiner Familie galt ich als Außenseiterin. Meine Brüder und Schwestern machten sich lustig über mich. Auch die normalen Menschen wandten sich von mir ab. Ich hatte nicht einmal eine Freundin.

Vor meinem Vater hatte ich schon als kleines Mädchen eine panische Angst gehabt, und meine Mutter hatte mich mehr oder minder ignoriert. Jahrelang. Ich fand keinen Spaß an den Grausamkeiten, die meine Geschwister begingen. Es bereitete mir kein Vergnügen zu sehen, wie wehrlose Geschöpfe von ihnen brutal gequält und gefoltert wurden. War ich deswegen schlechter als sie?

Ich schloss die Augen und genoss die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. In solchen Momenten machte mir die Einsamkeit schwer zu schaffen. Mir graute davor, ins Schloss meines Onkels zurückzukehren, denn vor Cyrano von Behemoth verspürte ich fast genauso viel Angst wie vor meinem Vater. Deswegen hatte man mich schließlich zu ihm geschickt: damit er meine Erziehung übernahm und eine richtige Zamis aus mir machte ...

Cyrano hatte eine Engländerin bei sich – ein unglaublich bösartiges Weib. Ihr Name war Sandra Thornton. Sie lebte seit zwei Jahren auf dem Schloss und war eine erfahrene Hexe, die Veras und meine Fähigkeiten richtig zur Entfaltung bringen sollte. Bei Vera war der Erfolg geradezu durchschlagend: Meine Schwester hing wie eine Klette an Sandra und betrachtete sie anscheinend als eine Art Vorbild. Ich dagegen hatte bisher jede Gelegenheit genutzt, Sandra aus dem Weg zu gehen.

Langsam stand ich auf und strich das Kleid glatt. Ich warf einige Steine ins Wasser und dachte an Rupert Schwinger, der mir so gut gefallen hatte. Sein bronzefarbenes Gesicht mit den weißblonden Haaren ging mir nicht aus dem Sinn. Ich hätte viel dafür gegeben, ihn näher kennenzulernen.

Betrübt machte ich mich auf den Weg zum Schloss. Ich hatte es nicht eilig. Der Weg führte über eine Wiese und schließlich in ein kleines Waldstück hinein, hinter dem das Schloss auf einer freien Anhöhe stand und bereits von weitem zu sehen war. Für seine exponierte Lage wirkte das Anwesen reichlich unscheinbar.

»Coco!«, hörte ich eine Stimme hinter mir.

Unwillig verzog ich den Mund. Vera! Es passte mir gar nicht, meiner Schwester in diesem Augenblick über den Weg zu laufen. Ich drehte mich um und sah sie zwischen den Bäumen hervortreten.

Niemand hätte Vera und mich für Schwestern gehalten. Wir hatten nicht die geringste Ähnlichkeit. Vera war zwei Jahre älter als ich und wirkte ein wenig zierlich. Sie hatte ein Puppengesicht mit großen dunkelbraunen Augen, die sanft und unschuldig wie die eines Rehs blicken konnten. Sie machte den Eindruck eines Mädchens, das wesentlich älter als dreizehn war. Das schmale Gesicht wurde von einem Kranz kornblonder, langer Haare eingerahmt. Sie hatte kleine Hände mit langen, schlanken Fingern. Ihr Körper war schon voll erblüht. Unter der getigerten Bluse zeichneten sich straffe Brüste ab. Wer sie das erste Mal sah, glaubte einen zum Leben erwachten Engel vor sich zu haben, doch wer sie näher kennenlernte, merkte bald, dass sie ein Teufel in Menschengestalt war.

»Ich habe dich schon gesucht, Coco«, erklärte sie honigsüß. »Mir ist langweilig. Gehen wir ins Dorf?«

»Ich will nicht«, antwortete ich.

Vera blieb vor mir stehen. »Du kommst mit«, sagte sie schon viel bestimmter. Urplötzlich änderte sich ihr Gesichtsausdruck, und die Wärme in ihrem Blick war wie fortgeblasen. Sie schaute mich an, hob die Hände und verdrehte sie zu einem magischen Zeichen. Ich stieß einen Schmerzensschrei aus, da ich glaubte, mir würden die Haare aus der Kopfhaut gerissen.

»Lass mich in Ruhe, Vera!«, wimmerte ich.

»Nur, wenn du mit ins Dorf kommst.«

Das Ziehen wurde stärker, sodass mir bereits das Wasser in die Augen trat. »Der Onkel hat uns verboten, dass wir ...«

»Pah!«, meinte Vera verächtlich. »Er kann sagen, was er will. Das interessiert mich nicht. Kommst du nun mit?«

»Ja«, antwortete ich mit leiser Stimme. Im selben Moment ließ der Schmerz nach.

Vera lachte spöttisch. »Du bist eine Versagerin, Schwesterherz. Nicht einmal gegen diesen einfachen Zauber kennst du ein Mittel. Du bist das Gespött der Familie. Nie wirst du eine vernünftige Hexe werden – nie!«

Ich presste die Lippen zusammen. Bis jetzt hatte ich mich nur sehr ungern mit der Schwarzen Magie beschäftigt, doch auf Dauer würde mir nichts anderes übrig bleiben, und sei es nur, um die boshaften Angriffe meiner Schwester abzuwehren.

»In ein paar Wochen bin ich vielleicht nicht mehr hier«, sagte Vera. »Ich habe schon ziemlich viel gelernt. Sandra sagte mir heute, dass meine Ausbildung bald abgeschlossen ist. Hier ist es entsetzlich langweilig. Es wird Zeit, dass ich wieder nach Wien zurückkehre. Dort ist viel mehr los.«

Ich ging schweigend neben ihr her.

»Hast du die Sprache verloren, Coco?«, fragte sie nach einiger Zeit.

»Ich habe einen Jungen getroffen. Als ich ihm sagte, dass du meine Schwester bist, wollte er nichts mehr von mir wissen.«

Vera blieb stehen und lachte schallend. »Das kann ich mir denken. Ich habe den Bengels einige Streiche gespielt. Sie mögen mich nicht mehr. Aber ich mag sie ebenfalls nicht. Sie sind mir zu dumm! Hat der Junge dir seinen Namen verraten?«

»Nein«, antwortete ich schnippisch.

Vera bewegte sich blitzschnell und sagte einen Zauberspruch auf. Ich sprang reaktionsschnell zur Seite, als die Äste einer uralten Tanne nach mir griffen – doch es war zu spät. Einer der Äste schlug nach meinen Beinen und riss mich zu Boden; ein zweiter krümmte sich wie ein Tentakel zusammen, packte mich um die Hüften und zog mich vom Boden empor. Ich schlug wild um mich. »Lass mich herunter, du Scheusal!«

Vera grinste höhnisch. »Sag mir den Namen!«

»Rupert Schwinger«, keuchte ich mit Tränen in den Augen.

»Mit dem habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen«, meinte Vera und löste den Zauber.

Ich stürzte zu Boden, blieb einige Sekunden benommen liegen und verkrallte meine Hände in den Boden.

»Steh schon auf, du Heulsuse!«, sagte Vera verächtlich. »Ich geniere mich, so eine Schwester zu haben. Wird’s bald! Steh auf!«

Ich gehorchte und schaute sie bittend an. »Du darfst ihm nichts tun, Vera. Er ist ein netter Junge.«

»Das überlass nur mir. Ich mag es nicht, wenn man böse über mich spricht. Ich werde ihm einen ordentlichen Denkzettel verpassen, den er sein ganzes Leben nicht vergessen wird. Du aber bist ein Schwächling, Coco. Eine Schande für unsere Familie. Ich werde froh sein, wenn ich wieder zu Hause bin und dich nicht mehr sehen muss.«

Sie ging voraus, und ich folgte ihr langsam. Nach wenigen Minuten hatten wir die schmale Straße erreicht, die nach Hartweg führte. Vera blieb neben einem Birnbaum stehen. »Jetzt machen wir uns einen Spaß«, raunte sie mir zu. »Wir warten auf ein Auto.«

»Wenn du wieder etwas Böses tust, werde ich es unserem Onkel sagen!«

»Du Petze!«, schrie sie wütend. »Wenn du den Mund aufmachst, wirst du etwas erleben. Ich lasse dich vom höchsten Punkt des Schlosses herunterspringen, wenn du auch nur ein Wort zu Onkel Cyrano sagst. Hast du mich verstanden, Coco?«

Ich nickte, denn ich wusste, dass es meiner Schwester zuzutrauen war, dass sie diese Drohung wahrmachte. Sie wandte den Kopf, als sie ein leises Motorengeräusch hörte. Die Straße führte wie an der Schnur gezogen geradeaus und wurde zu beiden Seiten von ehrwürdigen alten Linden flankiert. Ein dunkelgrüner VW Golf näherte sich mit hoher Geschwindigkeit. Die Sonne spiegelte sich in der Windschutzscheibe.

Veras Gesicht nahm einen bösartigen Ausdruck an. »Das ist mein Opfer«, stellte sie grimmig fest.

»Nicht!«, rief ich, denn ich ahnte, was sie vorhatte. »Denk an die armen ...«