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Ich, Georg Zamis, konnte kaum es fassen, dass ich Vaters Lebenswerk erbte und nicht Adalmar. Das meinem Bruder klarzumachen, stellte sicherlich eine eigene, nicht ungefährliche Herausforderung dar. Aber am Ende würden auch er und Lydia Vaters Willen anerkennen müssen. Zuvor hatte Vater uns eine Aufgabe übertragen. Ich spürte den Nachhall seines Sterbens noch immer in meiner schwarzen Seele und war in diesem Augenblick mehr denn je zuvor geneigt, seinem Befehl zu gehorchen. Der Schiedsrichter ließ mich nicht aus den Augen. Ich hielt seinem boshaften, berechnenden Blick stand. »Wer ist dieser Feind in Wien, den mein Vater erwähnt hat?« Toth hob die Schultern. Er schnalzte mit der Zunge, dann lächelte er dünn. »Ihr Herr Vater hatte viele Feinde, mein Junge ...«
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Was bisher geschah
DAS GALGENHAUS
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
mystery-press
Vorschau
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Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt.
Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.
In den folgenden Jahren lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So verlangt Asmodi von Coco, einen gewissen Dorian Hunter für ihn töten. Es gelingt Coco, Dorian zu becircen – doch anstatt den Auftrag sofort auszuführen, verliebt sie sich in ihn. Zur Strafe verwandelt Asmodi Dorian Hunter in einen seelenlosen Zombie, der fortan als Hüter des Hauses in der Villa Zamis sein Dasein fristet.
In Wien übernimmt Coco ein geheimnisvolles Café. Sie beschließt, es als neutralen Ort für Menschen und Dämonen zu etablieren. Zugleich stellt sie fest, dass sie von Dorian Hunter schwanger ist. Coco, Michael und Toth bitten Asmodi um Hilfe gegen die Todesboten, müssen dafür jedoch jeweils ein wertvolles Pfand hinterlegen. So wird Coco ihr Ungeborenes genommen. Schließlich gelingt es ihr, das Kind zu finden und es im Totenreich zu verstecken.
Indessen ist Michaels Großtante Fürstin Bredica verstorben. Die Testamentsvollstreckung findet auf ihrer Temeschburg statt. Michael trifft dort seine uneheliche Tochter Juna wieder, die er der Fürstin übergeben hatte, um sie zur Hexe ausbilden zu lassen. Nach langem Martyrium gelang Juna die Flucht. Hilfe erhoffte sie sich von Thekla. Als sie ihr jedoch verriet, dass Michael ihr Vater ist, verbannte Thekla sie an einen schrecklichen Ort namens Graustedt. In der Gegenwart bekämpfen sich die versammelten Erben gegenseitig. Am Schluss überleben außer Skarabäus Toth nur Michael, Thekla, Coco und Juna. Coco lädt ihre Halbschwester Juna ein, mit ihr nach Wien zu kommen. Auf der Rückfahrt müssen sie durch den gespenstischen Hoia-Baciu-Wald.
Derwelt sucht ein Dämon namens Baalthasar Zebub Skarabäus Toth heim und behauptet, Michael, Thekla, Coco und Juna seien tot. Außerdem hetzt er den Schiedsrichter gegen eine gewisse Cynthia von Karabaczek auf, indem er behauptet, sie strebe Toths Position an ...
von Catalina Corvo
Georg (Gegenwart)
Wenn du das Haus deiner Eltern hütest, kommst du dir immer wie ein Kind vor, ganz egal, wie alt du bist. Ich verbrachte den Abend zu Hause mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend.
Nachdem meine Eltern und Coco zur Temeschburg abgereist waren, oblag es mir, die Villa Zamis zu beaufsichtigen, unsere magischen Fallen regelmäßig zu erneuern und über das politische Geplänkel der Schwarzen Familie in Wien auf dem Laufenden zu bleiben.
In Bezug auf die Politik überlegte ich, ob ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden sollte, indem ich einen Schwarzen Sabbat bei uns ausrichtete. Um die Wiener Dämonenfamilien auszukundschaften, konnte ich sie einfach in mein Haus einladen.
Unsere Villa kam mir nämlich auf einmal eigenartig still vor. Wie bei der Ruhe vor einem Sturm.
Während ich lustlos durch das Fernsehprogramm zappte, redete ich mir ein, dass ich mir dieses Gefühl nur einbildete.
Ich war es lediglich nicht gewohnt, dass das Haus so leer war. Das war alles. Die Idee mit dem Sabbat verwarf ich wieder. Schließlich bedeutete das alles Aufwand, Kosten und barg auch einige Gefahren. Und falls etwas schiefging, würde mir Vater bei seiner Rückkehr den Kopf waschen. Ihm war zuzutrauen, dass er mich für fünfzig Jahre in irgendeine hässliche Porzellanpuppe verwandelte, wenn er gerade einen schlechten Tag hatte.
Da ich keinerlei Lust verspürte, mich auf dem Vertiko häuslich einzurichten, ließ ich also von dem Gedanken ab, irgendetwas ohne Vaters Erlaubnis zu unternehmen. Zumindest wenn es die Sicherheit unseres Hauses gefährdete.
Ein Teil von mir genoss die Stille und das Gefühl, der neue Herr im Haus zu sein. Ein anderer Teil langweilte sich bereits nach dem ersten Tag. Ich sah mich schon in drei Tagen vor Langweile unser magisches Laboratorium im Keller aufräumen. So weit kam's noch. Aber eigentlich hatten meine Eltern damit gerechnet, die Erbschaftsangelegenheit in ein oder zwei Tagen erledigt zu haben. So lange würde ich es schon aushalten.
Am ersten Abend ging ich aus und amüsierte mich nach Dämonenart. Am zweiten aber war ich seltsam lustlos und ging, entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten, früh ins Bett. Aus irgendeinem Grund konnte ich jedoch nicht einschlafen. Ich war müde, die Augenlider wurden mir bleischwer, und dennoch fand mein wacher Verstand keine Ruhe.
Ich versuchte verschiedene Methoden, um Schlaf zu finden. Ich dunkelte mein Zimmer weiter ab. Als nichts half, probierte ich es stattdessen mit einem Nachtlicht. Ich schloss die Vorhänge, zog sie wieder auf, lüftete, legte mich wieder hin. Doch trotz allem wälzte ich mich im Bett herum. Eine unbestimmte Unruhe hatte mich erfasst, und ich wurde sie nicht los.
Ich versuchte Kontakt mit meiner Schwester Coco aufzunehmen. Vergeblich. Auch meine Eltern erreichte ich nicht. Wahrscheinlich gab es auf der Temeschburg keinen Empfang. Noch nicht einmal, wenn man mit Magie nachhalf. Oder sie hatten schlicht Besseres zu tun, als sich mein Genörgel anzuhören.
Tabletten wollte ich nicht nehmen und auch keinen Zauber anwenden. Magisch herbeigeführter Schlaf hatte auch seine Nachteile. Dass man nicht aufwachte, wenn jemand womöglich das Haus angriff, gehörte dazu.
Weshalb ich eine Attacke erwartete, wusste ich selbst nicht. Aber der Gedanke ließ mich auch nicht los. Ich kam mir vor, als wäre ich eingekreist. Ohne zu wissen von wem. Oder warum.
Nicht einmal eine Stunde später gab ich auf. Ich zog mich an und beschloss, die Nacht produktiv zu nutzen. Die Stille im Haus gab mir immerhin Gelegenheit, mich ungestört in einige alte Grimoires zu vertiefen, das hatte ich schon seit Langem vor.
Ich ließ mich im Wohnzimmer nieder. Ein in Leder gebundenes Zauberbuch aus dem vierzehnten Jahrhundert in der einen Hand und eine Espressotasse in der anderen, machte ich es mir auf dem Sofa gemütlich. Ich hatte gerade die ersten paar Seiten überflogen und meine innere Unruhe beinahe vergessen, da durchflutete mich ein bezwingender Schmerz.
Ich krümmte mich zusammen. Mein Kopf schien zu zerbersten, mein Herz schlug panisch, weiße Funken tanzten vor meinen Augen. Ich suchte nach einem magischen Angreifer, aber ich konnte kaum klar sehen, geschweige denn klar denken.
Irgendwann ließ der Schmerz so weit nach, dass ich wieder Kontrolle über mich gewann. Ich lag zusammengekrümmt vor dem Sofa und sabberte in den Flokati. Neben mir breitete sich eine Espressolache auf dem Teppich aus. Das Buch musste ich von mir geschleudert haben, es lag ein paar Meter von mir entfernt auf dem Parkett.
Ich spürte den bitteren Geschmack von Galle im Rachen und die metallische Süße von Blut auf der Zunge. Meine Wange schmerzte, wahrscheinlich hatte ich mich blutig gebissen. Mein Hals tat weh. Ich konnte nur vermuten, dass ich mir während des Anfalls die Seele aus dem Leib geschrien hatte. Das T-Shirt war schweißnass und voller Espressospritzer.
Ich rappelte mich hoch, wankte auf zittrigen Beinen zum Spiegel im Flur, um mich zu begutachten, doch als ich hineinsah, fand ich nur Dunkelheit. In diesem Augenblick begriff ich endlich, was der Schmerz bedeutete, der nach wie vor durch meine Adern kreiste. Plötzlich fühlte ich die Leere. Der Schmerz ersetzte eine Resonanz, die vorher da gewesen war. Und nun war sie fort.
Vater, Mutter und auch Coco. Sie waren nicht mehr auf dieser Welt. Das wusste ich mit Sicherheit. Denn gerade eben hatte ich ihren Tod wahrgenommen. Der Todesimpuls war in der Schwarzen Familie bekannt. Mächtige Dämonen, einander verwandt im Blute, konnten unter Umständen spüren, wenn ein Familienmitglied starb. Zumindest wenn die Verbindung im Leben stark gewesen war.
Ich musste mich an der Wand abstützen. Die Schwärze vor meinen Augen verzog sich langsam, und ich blickte in mein eigenes entsetztes Antlitz.
Ich zwang mich, tief und ruhig zu atmen, um mich wieder einigermaßen zu beruhigen. Das Haustelefon klingelte, aber ich schaffte es nicht, hinzugehen. Ich ließ es läuten, bis es von allein aufhörte. Dann vernahm ich, wie im Wohnzimmer mein Mobiltelefon losdudelte. Auch das ignorierte ich. Kaum war es verstummt, schellte es an der Tür.
Das Schicksal wollte mir partout keine Ruhe gönnen. Ich war nur wenige Schritte von der Haustür entfernt, dennoch kam mir der Flur wie eine Marathonstrecke vor. Mit zittrigen Fingern öffnete ich. Am Ende der Einfahrt stand ein Schatten vor dem Gartentor.
Ich warf mir eine Jacke über und ging näher. Sorgsam darauf bedacht, den durch unsere magischen Fallen geschützten Bereich nicht zu verlassen. Die Nachtluft belebte meine Sinne, der Schmerz ebbte ein wenig ab.
Hinter dem Tor wartete eine dürre Gestalt in einem langen, altmodischen Gehrock. Skarabäus Toth, die alte Geiernase, stützte sich auf einen dunklen Gehstock.
»Mein Beileid zu Ihrem Verlust, Herr Zamis«, schnarrte er.
Lydia (Gegenwart)
Lydia Zamis fuhr aus dem Mitternachtsschläfchen, das ihr die Ärzte auferlegt hatten, hoch. Keuchend riss sie sich die samtene Schlafmaske vom Gesicht, aber sie konnte nichts sehen. Blind tastete sie nach dem Rufknopf, aber der Schmerz kam zu schnell und zu heftig. Sie konnte nur noch schreien.
Als sie wieder Herr über ihre Sinne wurde, war das Licht in ihrem Zimmer angeschaltet, jemand beugte sich über sie, fühlte vorsichtig ihren Puls. Es war der gut aussehende Arzt, der schon mit ihr geflirtet hatte, selbst als sie noch nicht wieder so attraktiv ausgesehen hatte wie im jetzigen Stadium ihrer Rekonvaleszenz. Eine Krankenschwester reichte ihr ein Glas mit Kreislauftropfen, ein Pfleger zupfte ihr Laken zurecht.
»Sie haben sich zusammengekrümmt«, erklärte der Arzt mit sanfter Stimme. »Und vor Schmerzen wie verrückt geschrien.« Dann fragte er, ob in ihrer Familie jemals Epilepsie oder andere neurale Störungen aufgetreten seien.
Lydia schloss die Augen. Sie hatte sofort begriffen, was geschehen war. Der Schmerz war immer noch da. Und er kündete von schrecklichen Ereignissen. Vater und Mutter waren gestorben. Und noch ein weiteres Familienmitglied. Coco? Um die war es ja weniger schade. Aber Thekla und Michael? Lydia Zamis konnte nicht fassen, dass ihre Eltern tot sein sollten.
Ohne weitere Erklärung scheuchte sie den Arzt und das Pflegepersonal aus dem Zimmer und verlangte nach einem Telefon. Ihre Wünsche wurden sofort erfüllt. Schließlich bezahlte sie ein halbes Vermögen an diese verdammte Schönheitsklinik.
Sie nahm ihr Telefon und rief zu Hause in Wien an, aber da nahm niemand ab. Georg reagierte auch nicht, als sie ihn direkt anrief. In ihrer Not wendete sich Lydia an den Einzigen, der ihr noch auf die Schnelle einfiel. Adalmar, ihr großer Bruder.
Adalmar (Gegenwart)
Adalmar gelang es gerade noch rechtzeitig, die Phiole mit der magischen Säure abzusetzen, bevor der Schmerz ihn überrollte. Als er sich endlich wieder im Griff hatte, war sein Arbeitstisch ein Trümmerfeld. Einige seltene magische Ingredienzen waren für immer verloren, andere ließen sich sicher zusammenkratzen.
Adalmars Hände schmerzten dumpf. Er hatte sie während der Schmerzwelle zu Fäusten geballt und auf die Arbeitsplatte gehämmert.
Aber der Schaden am Labor und die Blutergüsse an den Händen konnten ihm in diesem Augenblick nicht egaler sein. Er wusste, was er verspürt hatte. Einen Todesimpuls, stärker als er ihn je wahrgenommen hatte. Vielleicht, weil es gleich drei Zamis auf einmal erwischt hatte? Was in Namen der ältesten Dämonen war geschehen?
Noch bevor Adalmar einen klaren Gedanken fassen konnte, klingelte das Telefon. Dann hatte er eine atemlose Lydia am Ohr. Sie hatte das Unglück auch gespürt, aber sie hatte ebenso wenig eine Ahnung wie er, was vor sich gegangen war. Sie beschlossen, sich schnellstmöglich in Wien zu treffen.
Leise Verwünschungen murmelnd, machte sich Adalmar daran, das Chaos im Labor zu beseitigen und einen Zauber vorzubereiten, der ihn umgehend von den Abruzzen nach Wien transportierte.
Georg (Gegenwart)
Toth grinste mich an. Doch glich das Lächeln seiner dünnen Lippen einer Grimasse. Er musterte mich mit hochgezogenen Brauen, und mir wurde klar, wie ich auf ihn wirken musste. Mit Jogginghose und einem fleckigen Shirt, ohne Schuhe und offensichtlich mitgenommen.
Da ich ihn weder gegrüßt noch hereingebeten hatte, hob er seine Aktentasche.
»Ich bringe das Testament Ihres Herrn Vaters«, säuselte er. »Er hat schon so etwas vorausgeahnt. Aber das wollen Sie doch sicher nicht auf offener Straße besprechen.«
Ich schüttelte den Kopf. Skarabäus Toth war schließlich nicht irgendwer. In meiner jetzigen Lage konnte ich es mir nicht leisten, zu dem gerissenen Greis über Gebühr unhöflich zu sein. Außerdem weckte der Aktenkoffer meine Neugier. Ich musste einfach wissen, was Vater angeblich vorausgeahnt hatte. Wortlos ließ ich den Alten ein.
Er schlurfte hinter mir ins Haus. In der Zwischenzeit versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Es gelang mir mehr schlecht als recht. Hatte ich wirklich den Tod meiner Familie gespürt? Wie hatte Toth so schnell von all dem erfahren? Was hatte Vater ihm mitgeteilt?
Immerhin war ich, als wir das Wohnzimmer betraten, halbwegs in der Lage zu sprechen. Meine Stimme klang heiser und rau. Um noch ein wenig Zeit zu gewinnen, bot ich dem Schiedsrichter etwas zu trinken an. Mit einem verächtlichen Blick auf den Espressofleck auf dem Teppich lehnte er ab.
Wir setzten uns. Dann fragte ich ihn, was er wusste.
Er hob die Schultern, wiegte den Kopf und sagte, dass er erst kürzlich ein Gespräch mit Vater geführt habe, in dem es um sein baldiges Ableben gegangen sei.
Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass Vater in der letzten Zeit einen Termin bei Toth erwähnt hatte. Andererseits war Vater in solchen Dingen furchtbar eigenbrötlerisch, und so lag ein solches geheime Treffen durchaus im Bereich des Möglichen.
Was den Zeitpunkt anging, gab Toth zu, dass er als Schiedsrichter jeden Todesimpuls in der Schwarzen Familie wahrnehme und daher sofort Bescheid gewusst habe. Dann sei er sofort gekommen. Schließlich seien die Zamis eine wichtige Familie. Wenn sie nun auch ein wenig kleiner als früher war.
Ich ignorierte sowohl die Schmeichelei als auch die gleich darauffolgende Spitze. Stattdessen fragte ich ihn, wie er damit zurechtkam, jedes Mal diese Schmerzen zu empfinden. Schließlich wurde in der Schwarzen Familie nicht selten gestorben.
Toth lachte leise, fast geräuschlos. »Wenn man den Schmerz nicht verhindern kann, dann muss man eben lernen, ihn zu schätzen. Zu genießen.«
Seine Augen funkelten bei diesen Worten. Seine Zungenspitze fuhr über die dünnen, rissigen Lippen. In diesem Augenblick erinnerte er mich an eine züngelnde Schlange.
»Man kann sich an vielen Arten von Schmerz laben«, fuhr er fort, als wolle er mir die Vorstellung schmackhaft machen. Dann fragte er mit kaum verhohlener Häme, ob ich nun auch noch genau erfahren wolle, wie er sich an dem Todesimpuls der Zamis geweidet habe.
Ich unterdrückte meinen Ekel und zwang mich, ruhig zu bleiben. Dann kam ich auf das Testament zu sprechen. Mir war schnell klargeworden, dass ich aus Toth keine klaren Antworten herausbekommen würde. Ich konnte ihn nur auf das festnageln, wozu er nach dem Recht der Schwarzen Familie verpflichtet war.
Und mich direkt mit dem mächtigen Schiedsrichter anzulegen, nur für den vagen Verdacht, dass er mehr wusste, als er mir sagte, wagte ich in meinem Zustand nicht.
Der Alte öffnete den Koffer und übergab mir ein schwarzes Buch, das drei Wörter zierten. Michael Zamis, Testament.
Ich nahm das Buch aus seinen dürren Fingern entgegen. Ich spürte, dass es mit mächtigen magischen Siegeln verschlossen war.
Nun wurde Toth ganz geschäftsmäßig. In knappen Worten wies er mich an, wie ich zu verfahren hatte.
