Das Haus Zamis 87 - Catalina Corvo - E-Book

Das Haus Zamis 87 E-Book

Catalina Corvo

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Beschreibung

Die Luft wurde feuchter. Hin und wieder tropfte uns von oben kühles Wasser auf den Scheitel und in den Nacken. David warnte mich vor den rutschigen Stufen. Ich lächelte still vor mich hin. Anscheinend hielt er mich wirklich für ein hilfloses Frauenzimmer. Der Ärmste. Ich befürchtete, dass er schon bald seine Meinung über mich ändern würde.
Vorsichtig streckte ich meine magischen Fühler nach Lydia aus. Ich hatte den Hilfeschrei meiner Schwester so deutlich gespürt, als hätte sie mir ins Ohr gebrüllt. Tatsächlich, nach einer Weile gelang es mir, eine vage Ahnung von Angst und Panik zu erspüren. Aber eine magische Grenze stand zwischen mir und meiner Schwester. Eine Barriere drängte sich in meinen Geist und verbot mir, weiter voranzuschreiten ...


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Seitenzahl: 131

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DIE SCHWARZE FLAMME

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben.

Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. Michael Zamis sucht indes Verbündete unter den Oppositionsdämonen, die sich Asmodis Sturz auf die Fahnen geschrieben haben. Als Cocos Mutter Thekla von Michaels Liaison mit einer Kämpferin des Widerstands erfährt, tötet sie diese. Es kommt zum Bruch mit den Oppositionsdämonen, die Coco ungefragt ein »Permit« verpassen – ein magisches Tattoo in Form eines zweiköpfigen Adlers. Letztlich einigen sich Asmodi und Nocturno und teilen in der Charta Daemonica die Herrschaftsbereiche unter sich auf. Michael Zamis jedoch wird in eine krötenartige Kreatur verwandelt. Coco bittet um Gnade für ihren Vater und willigt ein, Nocturno zu begleiten – ohne seine wahren Gründe zu kennen. Nocturno glaubt, mit Coco eine »Geheimwaffe« zu besitzen, die ihm zur Rückkehr ins centro terrae verhelfen könnte – was ihm schließlich auch gelingt. Coco sowie Rebecca und Georg, die sich an Cocos Fersen geheftet haben, finden sich in Wien wieder. Während eines Schwarzen Sabbats wird Asmodi von Thekla Zamis vorgeführt. Aus Angst vor seiner Rache flüchten die Zamis zunächst nach Antwerpen. Aber auch dort sind ihnen die Verfolger dicht auf den Fersen. In letzter Sekunde können sie entkommen und erreichen England. Bis auf Adalmar, der zunächst verschollen bleibt. Georg ist indes nicht der, der er zu sein scheint: Der Banshee Peter hat seinen Körper übernommen, während Georg auf dem Friedhof der Verdammten lebendig begraben ist.

Thekla und ihre Kinder Coco, Lydia und »Georg« finden Zuflucht in Hadleigh, einem englischen Dorf. Thekla war in ihrer Jugend schon einmal dort. Doch plötzlich ist auch Lydia verschwunden. Zusammen mit dem attraktiven Doktor Manson macht sich Coco auf die Suche nach ihrer Schwester ...

DIE SCHWARZE FLAMME

von Catalina Corvo

»Sieh da! Sieh da! Am HochgerichtTanzt um des Rades SpindelHalb sichtbarlich bei Mondenlicht,Ein luftiges Gesindel. –›Sasa! Gesindel, hier! Komm hier!Gesindel, komm und folge mir!‹«(Gottfried August Bürger: »Lenore«, 1774)

Hadleigh, 1798

»... und so geschieht es noch heute«, beendete der Pierrot seine Erzählung. »Wenn Mond sein Antlitz vor der Welt verbirgt, erstarkt das Böse. Dann erinnert es sich an seine alte Größe. Stets bei Neumond und in den finsteren heidnischen Nächten, über die wir nicht sprechen wollen.« Sein grellweiß angemalter Kopf wippte warnend hin und her, die Schellen an seiner Mütze klimperten. Die Kinder, die sich wie eine Traube um ihn geschart hatten, kicherten.

1. Kapitel

Nur der schmächtige Frank Browny runzelte die Stirn. Er war der Sohn einer Pächterfamilie und dürr wie die Gerstenhalme auf den Feldern seines Vaters. Mit seiner dunklen, von der Feldarbeit gebräunten Haut und der zu kurzen, mehrfach geflickten Hose glich er einem Zigeuner. »Fanny, unsere Magd, sagt, dass in der Nacht vor Allerheiligen die kleinen Leute mit ihrer Königin Chuchulain in dem Hügel ein Fest feiern. Und wenn es zur Geisterstunde hoch hergeht, dann ist es ihre schauerliche Musik, die man hören kann.«

»Browny Brown hat nicht genug Verstand für 'nen Penny«, krähte Maggie Hotkins, die Tochter des Dorfkutschers. »Das ist ein Geist, ganz sicher.«

Maggies blonde Zöpfe waren ihr ganzer Stolz. Sie pflegte sie mit Pomade und steckte sie alle paar Stunden neu, damit keine Strähne unter ihrer weißen Haube hervorlugte. Ihr Vater reiste weit. Manchmal fuhr er reiche Leute bis Ipswich. Dann brachte er seiner Frau Helen und seiner Tochter Maggie neue Schuhe oder Hauben mit. Manchmal auch Schmuck, den Maggie stolz trug, weil er den Neid der anderen Mädchen hervorrief.

Bis auf Maggie, die Zwillinge des Gastwirts und die drei Kinder des Schulmeisters waren die Bauernkinder von Hadleigh ein verlotterter Haufen, wie es sie überall auf dem englischen Land gab: Söhne und Töchter kleiner Landpächter und Handwerker. Geboren auf Stroh, wuchsen sie auf mit den schuhlosen Füßen im Dreck und den Köpfen im Heu, wie der Schulmeister immer zu sagen pflegte. Kaum eines der Kinder ging gern in die Schule. Aber alle hörten mit Begeisterung die Geschichten der Gaukler und Possenreißer, die jedes Jahr im Frühjahr und zum Erntedank im Herbst für eine Woche den Marktplatz von Hadleigh in fröhliche Farben tauchten.

Der Pierrot bot eine besondere Anziehung für die begierige Dorfjugend. Warum gerade er, vermochte niemand zu sagen, vielleicht lag es daran, dass er wie ein Trauerkloß mit ernster Miene zwischen seinen grimassenschneidenden Freunden, dem gutmütigen Hanswurst und der dicken Drisella, stand. Womöglich lag es einfach daran, dass er sich um nichts und niemanden scherte und sich lange bitten ließ, bis er ein Jonglage-Kunststück oder eine Geschichte zum Besten gab.

Aber beides konnte er. Besonders das Geschichtenerzählen. Wenn der Pierrot sich in den Abendstunden kurz vor Ende des Gaukelfestes und vor Beginn des Feuerwerks dazu überreden ließ, endlich seine Stimme für eines seiner berüchtigten Ammenmärchen zu erheben, dann lauschten nicht nur die Kinder, sondern die gesamte Dorfjugend gebannt. Sogar einige Erwachsene fanden sich nach und nach ein, während das andere Jahrmarktsvolk bereits die Stände abbaute und die Zelte für den Aufbruch vorbereitete.

Und je dunkler das Firmament wurde, umso düsterer erschienen auch die Geschichten des Pierrots. Diesmal hatte er die Sage der jammernden Frau erzählt.

Ganz nahe am Dorf, unweit des verfallenen Herrenhauses bei den Schafsweiden, gab es einen Hügel mit einem altertümlichen Mausoleum. Manche nannten die Erhebung auch Teufelshügel oder Schlund. Aber das höchstens hinter vorgehaltener Hand. Im Allgemeinen nannte niemand die unheimliche Stätte beim Namen, man sagte bloß flüsternd »Der Hügel. Du weißt schon.« Und jeder aus Hadleigh und Umgebung nickte wissend.

Die Schäfer weideten gern ihre Herden dort, denn auf seinen Hängen wuchsen übers ganze Jahr die besten und seltensten Kräuter. Aber dafür munkelte man auch, dass regelmäßig auf diesen Wiesen Lämmer gerissen wurden und es in den Hadleigher Herden erstaunlich viele Fehl- und Totgeburten gab. Bei helllichtem Tag spielte jeder die Sache herunter. Schafe in allen Herden Englands brachten in manchem Jahr viele Fehlgeburten hervor. Und die Wölfe aus dem Wolfswood mochten die wahren Übeltäter sein, die sich in dunklen Neumondnächten bis ans Dorf heranwagten, um saftiges Lämmerfleisch zu genießen.

Dennoch hielt sich hartnäckig das Gerücht, das auch der Pierrot aufgeschnappt und weitergegeben hatte. Nämlich dass alle Mutterschafe, die einmal die Schreie der verfluchten Hexe im Hügel gehört hatten, nie wieder ein gesundes Junges auf die Welt brachten.

Darum mied jede Schwangere die Weiden von Hadleigh, und nur alte Kräuterweiber und Schäfer wagten sich in den Abendstunden oder in den Nächten hinaus. Selbst die kräftigen Bauern fuhren erst weit nach Sonnenaufgang auf die Felder in der Nähe des alten Herrenhauses und des Mausoleums.

Während sich die Kinder dem Schauer hingaben, den die Erzählung des Pierrots geboren hatte, trank der ungesellige Redner ein paar Schlucke kräftiges Ale. Dabei verlor er offenbar die Lust an weiteren Fantastereien und weigerte sich, noch mehr Episoden zum Besten zu geben. Trotz der Bitten der Dorfkinder zog er sich zurück. Mit einem letzten Hinweis, bloß stets die Stätte zu meiden, verschwand er in einem der Zelte. Kurz darauf begann das Feuerwerk. Unter bunten Salutschüssen in den Nachthimmel vergaßen die Kinder die Geistergeschichte. Erst als sie sich spät nachts unter ihre Decken kuschelten und der Wind unheimlich pfiff, erinnerten sie sich wieder an die Worte des Pierrots.

Besonders einen ließen sie nicht wieder los. Frank Browny, genannt Browny Brown, träumte von der Feenkönigin Chuchulain. Von Schleiern und Nebel halb verhüllt, schwang sie ihren schwerelosen, furchtbaren Leib im Tanz herum. Um ihr Haupt wirbelten Maggie Hotkins helle Zöpfe.

Es dauerte keine Woche, bis der Streit um Geist und Feenkönigin eskalierte. Frank schlug sich mit Jeffrey Porcsbreath, dem ältesten der benachbarten Pächter. Die Porcsbreaths und die Brownys bewirtschafteten die Felder um das verfluchte Mausoleum gemeinsam. Eigentlich verstanden sich auch die Kinder gut. Wie oft hatten die Knaben im vergangenen Sommer Frösche gefangen, Murmeln getauscht und Fische geangelt. Oder ein Wettschwimmen im Weiher veranstaltet. Aber in diesem Jahr war alles anders. Die schöne Maggie hatte übers Jahr die Gestalt einer richtigen Frau bekommen, und so verpasste Jeffrey Frank ein blaues Auge, und Frank trat Jeffrey so heftig gegen das Schienbein, dass der noch zwei Tage später humpelte.

Seitdem herrschte Krieg unter den Kindern des Dorfes. Die meisten hielten zu Jeff. Aber die Zwillinge und die Kinder des Schulmeisters glaubten Frank, dass er die Feen tanzen gehört hatte. Jeff behauptete jedoch steif und fest, dass ein Geist beim Mausoleum spukte. Maggie Hotkins kicherte nur, wenn ihre Freundinnen über den Streit der Jungen tuschelten. Aber wenn einer der Jungen im Dorf Besorgungen machte, stand sie am Fenster und flocht ihre Zöpfe.

Niemand wusste, wo der Vorschlag hergekommen war, die ganze Angelegenheit beim nächsten Neumond zu klären. Irgendwer hatte angeregt, das Mausoleum in der Zeit, wo der Spuk angeblich stattfand, aufzusuchen. Jeff hatte ein Kreuz geschlagen und sich geweigert, aber dann hatte Frank ihn vor Maggie einen Feigling genannt, und so hatte eins zum anderen geführt.

So flog in der dunkelsten Nacht des Junis ein Kieselstein gegen Frank Brownys Fensterladen. Flink und leise wie eine Katze kroch Frank aus dem Lager, das er mit seinen Geschwistern teilte, zog einen gepackten Beutel unter dem Bett hervor und kletterte mit weichen Knien aus dem Fenster. Dort standen Jeff und Maggie und Jeffs jüngerer Bruder Timothy. Jeff sah blass aus, aber trotzige Herausforderung glühte in seinem störrischen Blick.

»Los, gehen wir, Brown«, knurrte er mit der tiefen Stimme, über die er seit einigen Wochen verfügte. »Ich hoffe, du hast alles dabei.«

Frank nickte stumm. Unwillkürlich warf er einen wehmütigen Blick zurück zur Hütte seiner Familie, dann zu Maggie, die herablassend lächelte. Ehe er sich's versah, lief er der Gruppe voran.

Jeff trug eine Sturmlaterne. Frank hatte Werkzeug eingepackt und einen Feuerhaken in der Hand. Den wollte er als Brecheisen nutzen, um in das Mausoleum zu gelangen. Das Metall gab ihm ein vages Gefühl von Stärke und Sicherheit. Dennoch war sein Mund trocken; ein ums andere Mal musste er ein nervöses Husten unterdrücken.

Bei stockfinsterer Neumondnacht fiel selbst den ortskundigen Kindern die Orientierung schwer. Die Wege und Wiesen, über die sie bei Tag tollten, erschienen plötzlich fremd und viel weitläufiger als sonst. Nur dank Jeffs Lampe fanden sie sich überhaupt zurecht.

Sie sprachen wenig. Bleischwer lag die Dunkelheit auf ihren Gemütern. Eine unsichtbare Hand hielt selbst Maggies spitze Zunge im Griff.

Als der Wind kühler wehte, weil sie auf die Felder hinaustraten, zog das Mädchen ihr wollenes Schultertuch fester um den Leib.

Im trüben Licht der kleinen Laterne hob sich der Hügel kaum gegen die umgebende Finsternis ab. Jede Erhebung, jeder Schatten im Gras erschien wie ein gähnender Schlund, ein hungriger Rachen. Taufeuchter Wind zog vom Wolfswood herüber.

Niemand war noch zu Scherzen aufgelegt. Alle Worte erstarben in der Stille der mondlosen Nacht.

Frank spürte ein Kratzen in der Kehle. Sein Mund wurde trocken. Er räusperte sich leise. Hinter ihm gab jemand ein unwilliges Zischen von sich. Sicher Jeff.

Nach einer halben Ewigkeit hatten sie den Fuß des alten Grabhügels erreicht. Unruhig spähte Frank zum Eingang des Mausoleums hinauf, das er mehr erahnen als erkennen konnte. Mit trotziger Willensanstrengung schluckte er alle Furcht hinunter und zwang seine Stimme zur Ruhe. »Wir sind da.«

Erwartungsvoll drehte er sich zu den anderen um.

Seine Freunde waren fort, und an ihrer Stelle grinsten ihn Dämonenfratzen höhnisch an.

Er fand sich schreiend auf dem Boden wieder, nachdem er rückwärts taumelnd über einen Stein gestolpert war. Er war ungebremst im Gras gelandet, dabei hatte sein linkes Bein entsetzlich laut geknackt. Sein Hinterkopf pochte, und eine Welle der Übelkeit brandete vom Magen her.

Frank wollte sich aufrappeln, fortlaufen. Aber sein Knie gehorchte ihm nicht mehr, und sein Bein sackte unter ihm weg.

Grelles Gelächter und boshaftes Zischen begleiteten seinen erfolglosen Fluchtversuch. Instinktiv schlug Frank die Arme vor dem Kopf zusammen und duckte sich unter einem Schlag, der nicht kam.

Erst als das Lachen in ein Wiehern überging und das Zischen in ein helles Kichern, erkannte Frank in den Dämonen seine Begleiter. Sie hatten die Mummenschanz-Masken der traditionellen Allerseelentänze aufgesetzt und ihm einen bösen Streich gespielt.

Maggies herablassendes Gelächter schmerzte weit schlimmer als sein Bein. Und das tat höllisch weh.

»Willst du nicht noch ein bisschen winseln?«, grölte Jeffrey und versetzte ihm einen Tritt gegen die Knie. »Das kannst du bestimmt gut.«

»Verschwinde!« Frank focht mit den Tränen der Wut. Für mindestens zwei Sekunden. Dann verlor er den aussichtslosen Kampf. »Verschwindet einfach alle!«, heulte er. »Ihr verfluchten Quälgeister!«

Jeff lachte bloß und wollte noch einmal zutreten. Aber etwas stoppte ihn. Es war der schrecklichste Laut, den Frank jemals in seinem ganzen Leben gehört hatte. Er drang durch die Ohren direkt in die Seele und gefror das Blut in den Adern.

Später, wenn er an die Nacht zurückdachte, konnte Frank den Laut nicht beschreiben. Hohl, körperlos, tierhaft und beunruhigend schrill – all das konnte das Entsetzliche dieses Geräuschs nicht in Worte fassen. Frank spürte, wie sein Geist sich dem Grauen verweigerte, der in dem Laut mitschwang, wie der Rhythmus in einer Melodie.

Und obwohl er sich wehrte, obwohl seine Seele das Vergessen suchte, konnte Frank nicht aufhören, wie gebannt zu lauschen. Ein Gesang. Es war ein Lied. Ein scheußlicher, grausamer, qualvoller Totentanz.

Gegen seinen Willen begannen Franks Glieder zu zucken, sie hoben sich im Herzschlag des Liedes und wollten ihm folgen. Etwas zog ihn. Zog ihn hinauf auf den Hügel, hin zu den Pforten der Grabkammer.

Aber sein Bein gehorchte weder ihm noch dem schrecklichen Singen. Es fesselte ihn an den Boden, so sehr sein Körper auch danach strebte, Teil dieses Wahnsinns zu werden, sich selbst hinzugeben, um jene unfassbare Qual zu lindern, die aus jeder Kadenz drang.

Die anderen waren nicht lahm und verletzt. Sie erlagen dem Gesang ohne erkennbare Gegenwehr. Er erfasste sie, so wie er auch an Frank nagte. Er zog sie hinauf. Mit wiegenden Schritten tanzten Maggie und Jeff den Hügel hoch. Die Hände nacheinander ausgestreckt, wie zum Reigen, aber sie berührten sich nicht. In bizarren Pirouetten tanzten sie zum Eingang des Mausoleums hin, außerhalb des Lichtkreises der vergessenen Sturmlaterne.

Frank verlor sie aus dem Blick. Ein Teil von ihm war froh, ihnen nicht folgen zu können, ein anderer verging fast vor Schmerz, weil er sich dem Lockruf nicht anschließen durfte.

Wie lange er im Gras gelegen und dem seelenzersetzenden Ruf gelauscht hatte, vermochte er nicht zu sagen.

Sie fanden ihn am Morgen, stumm und unfähig, irgendjemandem zu berichten, was geschehen war. Erst nach Tagen begriff Frank vollends, dass der mörderische Gesang das Letzte war, dass er in seinem ganzen Leben gehört hatte. Die Nacht hatte ihn vollends taub zurückgelassen.

Wenn er sprach, kam nur noch ein unverständliches Lallen heraus. Selbst nach Jahren der Übung brachte er es kaum auf drei verständliche Worte.