Das Haus Zamis 68 - Catalina Corvo - E-Book

Das Haus Zamis 68 E-Book

Catalina Corvo

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Beschreibung

»Ich habe gehört, dass es wieder einen Zahnradmord gegeben hat!«
»Heute Nacht schon wieder?« Anselms Augen blitzten. Wie bei jedem Dämonenspross erregte die Vorstellung von Gewalt und niederen Instinkten seine Aufmerksamkeit.
Ich nickte. »Das ist nur drei Straßen von unserem Haus entfernt passiert. Irgendwann in der Nacht. Heute früh haben sie das Opfer gefunden.«
»War es wieder genauso wie bei den anderen?«

Wien wird von einer unheimlichen Mordserie heimgesucht, die sowohl Dämonen als auch Menschen betrifft. Den Opfern werden die Augen herausgerissen und die Löcher stattdessen mit Zahnrädern gestopft. Die Täter werden als »Automaten« mit unheimlichen Kräften beschrieben. Vor allen Dingen einer gilt als besonders gefährlich, da ihm das Gehirn eines Dämons eingepflanzt wurde. Er trägt keinen Namen, nur eine Nummer: 999 ...


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Seitenzahl: 120

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

999

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben.

Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Aber das Glück ist nicht von Dauer. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So schickt Asmodi den Dämon Gorgon vor, der Wien und alle seine Bewohner zu Stein erstarren lässt – und die Stadt komplett aus dem Gedächtnis der Menschheit löscht. Nur Coco kann im letzten Augenblick entkommen, allerdings hat sie jede Erinnerung an ihre Herkunft verloren ... Kurz darauf findet sie sich jedoch in einer Vision in Wien wieder und steht ihrer versteinerten Familie gegenüber. Nach und nach gewinnt sie ihre Erinnerung zurück und fühlt sich mehr denn je verpflichtet, etwas gegen Gorgons Fluch zu unternehmen.

In einer Bibliothek auf Schloss Laubach in Deutschland stößt Coco auf die Dämonenvita ihres Vaters. Bisher wusste sie nur, dass ihr Vater einst aus Russland nach Wien emigrierte. Aus der Dämonenvita erfährt sie, dass er zuvor über Jahre hinweg seinen Halbbruder Rasputin bekämpft hat. Asmodi versucht, Coco das Buch zu entreißen, doch er kommt zu spät. Mit Hilfe der Vita gelingt es Coco, Gorgons Bann zu brechen und Wien zu retten.

In der Folge baut Michael Zamis seine Kontakte zu den Oppositionsdämonen aus, die sich Asmodis Sturz auf die Fahnen geschrieben haben. Als Cocos Mutter Thekla von Michaels Liaison mit einer Kämpferin des Widerstands erfährt, tötet sie diese. Es kommt zum Bruch mit den Oppositionsdämonen, die Coco ungefragt ein »Permit« verpassen – ein magisches Tattoo in Form eines zweiköpfigen Adlers. Einst werde ihr dieses Permit Schutz gewähren ... Doch Coco und auch ihr Bruder Georg wollen sich nicht länger instrumentalisieren lassen. Georg reist mit Coco auf die Insel Sylt, wo Georg seine grausamen »Lehrjahre« verbringen musste. Auch hier stoßen sie auf Anhänger der Oppositionsdämonen, können sie aber vernichten. In Asmodis Auftrag soll sie dort den Kontakt zu den Oppositionsdämonen herstellen. Seitdem jedoch ist sie spurlos verschwunden.

999

von Catalina Corvo

Wien, 1. September 1939

Sie trugen Ledermäntel. Damit war alles erklärt. Ledermäntel. Ein untrügliches Zeichen, hieß es. Es war also so weit.

»Sie werden uns doch keine Umstände machen.«

Der hinterste seiner fünf Besucher lächelte. Dabei zeigte er unnatürlich spitze Eckzähne. Er nickte Walther spöttisch zu. Franz hatte sich also entschieden. Verrat. Kein Wunder, dass Walthers magische Fallen und Suggestionen versagt hatten. Franz wusste genau, dass Walther kein guter Kämpfer war, wenn es Mann gegen Mann ging. Alles, was er hatte, waren seine schlauen Sicherungen. Doch mit Franz' Hilfe hatten die Bluthunde sie überwunden.

Das Radio auf Walther Herzogenraths Schreibtisch knackte leise, als Schuberts »Unvollendete« verklang und durch die sonore Stimme eines Ansagers ersetzt wurde.

Wir unterbrechen das Programm für eine Sondermeldung ...

1. Kapitel

Walter Herzogenrath erhob sich. Seine Beine waren schwer wie Blei. Das konnte noch nicht das Ende sein. Nicht nachdem er so weit gekommen war. Fast am Ziel. Nicht jetzt. Nicht so. »Es ist stickig hier drin, nicht wahr? Ich brauche frische Luft.« Hastig trat Herzogenrath zum Fenster. Vor dem sich verdunkelnden Abendhimmel erkannte er seine eigene Silhouette in der Scheibe. Dick, aufgedunsen, mit eingefallenen Wangen und noch immer der typischen Leichenblässe, die er gehasst hatte, solange er denken konnte. Wo war der junge, entschlossene Walther hin, der nach Wien gekommen war, mit großen Plänen, um an die Spitze der Schwarzen Familie zu gelangen? Wann war er alt und träge geworden?

Nach kurzem Schweigen im Radio, nur untermalt durch das allgegenwärtige Knacken und Rauschen des Geräts, ersetzte Adolf Hitlers übertriebenes Pathos die Stille.

Abgeordnete, Männer des deutschen Reichstages! Seit Monaten leiden wir alle unter der Qual eines Problems ...

»Ah, der Führer spricht.« Wieder zeigte der Mann mit dem wölfischen Gebiss sein gehässiges Lächeln. »Dann wollen wir seinen Worten lauschen und Herrn Herzogenrath einige Minuten Zeit geben, sich zu ordnen.« Provozierend langsam griff Franz nach der Zigarrenkiste auf dem Kaminsims und nahm sich eine teure Montecristo. Die Wut, die Walther seinem verräterischen Kompagnon gegenüber empfand, schwand und wich dem bitteren Geschmack der Verachtung. Letztendlich war es Franz bei allem nur um Macht und Einfluss gegangen.

... Wie immer, so habe ich auch hier versucht, auf dem Wege friedlicher Revisionsvorschläge, eine Änderung des unerträglichen Zustandes herbeizuführen ...

Einige Stockwerke unterhalb Herzogenraths Büro stand ein einzelner Mann vor dem prunkvollen Gebäude und starrte zu den Fenstern des Büros hinauf. Obwohl die Fensterscheibe das Rot der untergehenden Sonne spiegelte, durchdrangen seine gesteigerten Sinne das Glas, und er erkannte undeutlich eine Gestalt am Fenster. Für einen Augenblick war er sicher, dass sich ihre Blicke begegnet waren.

»So fallen die Würfel«, brummte er und erlaubte sich ein zufriedenes Lächeln.

Die verstümmelte linke Hand des Beobachters auf der Straße glitt zum Hals und schlug den Kragen seines weiten, grauen Mantels hoch. Vier statt fünf Finger lüfteten den ebenfalls grauen Hut, begleitet von einer angedeuteten Verneigung, dann zog er die Kopfbedeckung noch tiefer in die Stirn.

Herzogenrath erstarrte. Der Anblick des Fremden raubte ihm den Atem. Die Hand! Jetzt zeigte er sich schon am helllichten Tag in aller Öffentlichkeit? Eisige, bleischwere Kälte erfasste Walther Herzogenrath und ließ ihn wanken. Die Stimme aus dem Radioapparat schrie sich immer mehr in Wut, während Walthers innerer Widerstand gegen die Niederlage schwand und tiefer Müdigkeit wich. Womöglich war sein Schicksal ja verdient. Denn wenn das Wesen dort unten überlebt hatte, dann würde die Schwarze Familie leiden.

... Ich will von den deutschen Grenzen das Element der Unsicherheit, die Atmosphäre ewiger bürgerkriegsähnlicher Zustände entfernen ...

Franz drückte die Zigarre aus und warf den Stummel ins Kaminfeuer. Der angenehme Duft verbrannten guten Tabaks sandte Walther noch einen letzten wehmütigen Gruß des angenehmen Lebens.

»Kommen Sie, Walther. Es ist Zeit.«

Mit bitterer Ironie nahm Herzogenrath den Funken des Stolzes wahr, der in ihm aufflackerte. Der Junge dort unten – war er nicht auch so etwas wie ein Sohn? Das Kind hatte gezeigt, dass es den Vater überflügelte.

Während Walther sich in sein Schicksal ergab und sich von den Bluthunden der Gestapo widerstandslos abführen ließ, schrie der Mann im Radioempfänger der Welt seine tiefe Bosheit entgegen. Niemand hatte das Gerät abgestellt. Eine schrille, hektische Ankündigung füllte das leere Büro.

... Polen hat nun heute Nacht zum ersten Mal auf unserm eigenen Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen. Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen!

Unten auf der Straße ließ der Beobachter das Geschenk fallen, das er Walter Herzogenrath mitgebracht hatte. Das Auto der Gestapoleute stand gleich vor dem Haupteingang. Sie machten sich längst keine Mühe mehr, sich zu verbergen. Warum also sollte er? Wichtig war nur, dass Herzogenrath seine Botschaft fand, bevor es mit dem Alten zu Ende ging. Und wenn alles perfekt lief, auch Michael Zamis.

Lächelnd ließ er den blutigen Kopf des Mädchens auf den Gehsteig fallen, dann wandte er sich ab. Während er die Straße hinabschlenderte, pfiff er leise die Melodie, die sie so oft nach den bedeutsamen Reden im Radio spielten.

Freude schöner Götterfunke ...

Welch angenehmer Klang.

2. Kapitel

Wien, Gegenwart (Coco)

Ich saß im Schneidersitz in der Mitte meines Zimmers. Immer wieder strich ich mit dem Zeigefinger über das Permit. So gut es ging, fokussierte ich meinen Willen auf den doppelköpfigen Adler. Obwohl mir der Anblick mittlerweile vertraut war und ich den ungewollten Körperschmuck längst akzeptiert hatte, fühlte ich mich nicht wohl bei dem Ganzen.

Wie auch? Noch immer wusste ich viel zu wenig über diese magische Verbindung zu den Oppositionsdämonen. Wieder einmal versuchte ich, Vaters Wünschen zu entsprechen und mit Asmodis Gegnern Kontakt aufzunehmen, obwohl ich meine Chancen sehr gering einschätzte. Dennoch, vielleicht hatte Vater recht und mir gelang, was noch vor Wochen nicht geglückt war: aus eigenem Willen einen Kontakt herzustellen.

Jedes Mal, da das Permit seine Kräfte zeigte, verband es sich mit meinen Energien, und damit wuchs auch langsam meine Macht über das mysteriöse Siegel. So weit Vaters Vermutung.

Darüber hinaus hatte sich seit Mutters Verschwinden nichts geändert. Noch immer rätselte die Schwarze Familie über die wahre Identität des mächtigen Dämons, der die Opposition um sich geschart hatte und bei jeder Gelegenheit Asmodis Macht infrage stellte. Natürlich standen die Zamis wie so oft zwischen den Stühlen, und niemand traute uns. Ein Teil der Schwarzen Familie vermutete, dass wir mit den Oppositionsdämonen permanent Liebesgrüße austauschten, andere hielten uns für Asmodis gerissene Spitzel und seine große Trumpfkarte. Und dann gab es noch die, die darauf hofften, dass wir zwischen den Mühlsteinen zermalmt wurden. So wie die Dinge gegenwärtig standen, kamen unsere Hasser der Wahrheit näher, als uns lieb war.

Da meine Gedanken unwillkürlich immer wieder zur ungewissen Politik der Schwarzen Familie wanderten und ich mich meiner Aufgabe nur halbherzig widmete, erstarrte ich, als ich auf einmal das vertraute Prickeln im Arm spürte.

Die Luft im Raum kühlte ab, ließ mich frösteln. Doch es war keine kühle Brise, die mich streifte. Stattdessen lag eine drückende Schwere auf meiner Lunge, wie ich sie aus den Tropen oder aufgeheizten Gewächshäusern kannte.

Vor mir erzitterte die Luft, verdichtete sich zu silbernem Nebel, wuchs, nahm Gestalt an.

Der zwiefache Adler.

Er war wie ein Traumbild. Durchscheinend und unwirklich, ohne Substanz, und gleichzeitig so klar, dass ich einzelne Fasern seines Gefieders erkannte. Uneins zuckten die Köpfe in unterschiedliche Richtungen. Doch ihre Schnäbel öffneten und schlossen sich synchron.

»Was willst du?« Die Kreatur sprach mit heiserer, tonloser Stimme.

»Wo ist meine Mutter? Was habt ihr mit ihr gemacht?«

»Es steht dir nicht an, irgendetwas zu fordern, junge Zamis.« Die Raumtemperatur sank weiter.

Die wütende Retourkutsche, die mir auf der Zunge lag, verbiss ich mir, denn das Trugbild hatte leider recht. Mir fehlten die Mittel, meiner Forderung Nachdruck zu verleihen.

Doch hoffte ich, durch kluge Argumentation etwas zu erreichen. Selbst unter Dämonen gab es Regeln der Diplomatie.

»Meine Mutter ging als Unterhändlerin zu euch.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust, um den Geist hinter dem Permit nicht merken zu lassen, dass ich fror. »Aus freien Stücken. Seitdem wird sie gefangen gehalten, und der Kontakt mit ihrer Familie wird ihr verwehrt. Wenn ihr so mit Verhandlungsführern umgeht, wer soll euch in Zukunft noch trauen? Wer wird euch überhaupt noch treffen wollen, wenn sich das herumspricht?«, fragte ich mit Nachdruck und hoffte, dass Frechheit auch dieses Mal den Sieg davontrug.

»Glaubst du, dein Wort hat Gewicht, kleine Hexe?«

»Offenbar bin ich wichtig genug, euer Permit zu erhalten. Und meine Mutter war wichtig genug, um sie nach Istanbul zu locken. So unwichtig sind wir Zamis also offenbar nicht.«

Die Adlerköpfe schüttelten sich und plusterten ihr Halsgefieder. Aus aufgerissenen Schnäbeln perlte ein geisterhaftes Lachen.

»Und die Frauen der Zamis sind durchaus unterhaltsam«, raunten mir die Schnäbel schließlich zu. »Nun denn, wir werden dir einen Blick gewähren, auf das, was ist. Nur einen Blick, nicht mehr. Komm zu mir, Hexe, und sieh in meine Augen, wenn du dich traust.«

Da ich schlecht einen Rückzieher machen konnte, bezwang ich meinen inneren Widerwillen und trat näher an die Erscheinung heran. Die Häupter wandten sich mir zu. Obwohl ich vor ihnen stand und beide Fratzen im Blick hatte, fühlte ich mich plötzlich eingekreist. Während ich mich noch fragte, worauf das hinauslief, erglühte das linke Auge des rechten Kopfes tiefrot, ebenso das linke Auge des anderen Hauptes. Zwischen den Köpfen kräuselte sich grauer Rauch. Mit jeder Sekunde gewann er an Dunkelheit und Dichte. Irgendwann formte der Rauch eine Nase, angedeutete Lippen, die Ahnung eines Kinns ... Zwischen den Köpfen erschien ein Schattengesicht, es verleibte sich den Vogeldämon ein, die glühenden Augen der Zwillingsköpfe wurden zu seinem eigenen Augenpaar.

Ich versuchte, das Gesicht zu erfassen, Konturen auszumachen, aber es entzog sich mir, blieb immer nur eine Andeutung. War das die wahre Gestalt des Anführers der Oppositionsdämonen? Noch nie war ich seiner wahren Erscheinung so nah gewesen. Doch zwang ich mich, realistisch zu bleiben. Auch diese Erscheinung war vermutlich nur eine weitere Illusion, die mich in die Irre locken sollte. Ich konnte den Blick nicht von dem Schattenantlitz abwenden. Die glühenden Augen zogen mich in ihren Bann. Die Flamme, die in dunkler Tiefe loderte, erinnerte mich an etwas, wie ein Geruch aus frühester Kindheit vergessene Träume erahnen ließ. Doch bevor ich begriff, was mir daran so vertraut war, stand ich an einem anderen Ort.

Die Adlerköpfe und das Schattengesicht waren verschwunden. Stattdessen umgab mich eine konturlose Düsternis. Erst als sich meine Augen an das diffuse, schwache Zwielicht gewöhnt hatten, erkannte ich, dass ich in einem Raum von vielleicht fünfzehn Metern Durchmesser stand. Zunächst erscheinen mir die Wände grau. Ohne erkennbare Konturen wuchsen sie aus dem ebenso grauen, glatten Steinboden hervor und wölbten sich über mir zu einer Kuppelecke. Ich war allein. Von meiner Mutter keine Spur.

»Was soll das?«, fragte ich in die Leere hinein. »Was für ein Spiel treibst du?«

Aber ich erhielt keine Antwort. Verärgert beschloss ich, mir den Raum näher anzusehen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, dieser Falle zu entkommen. Die Wände überraschten mich. Ganz im Gegensatz zu ihrer kalten Erscheinung waren sie warm, weich wie lebendige Haut. Eine biegsame Membran. Sie gab nach, als ich die Fingerspitzen sanft dagegen drückte, aber zugleich drang eine klare Flüssigkeit aus unsichtbaren Poren hervor und netzte meine Fingerkuppen. Ich verrieb sie auf den Fingerspitzen und schnupperte daran. Ein süßlicher, unbestimmbarer Geruch stieg mir in die Nase. Die Substanz klebte schwach.

Ich strich mit den Fingern weiter über die lebendige Wand, während ich einmal im Kreis ging. Außer dem süßlichen Geruch der Wände lag auch ein Hauch von Salz in der Luft.