Das Haus Zamis 73 - Catalina Corvo - E-Book

Das Haus Zamis 73 E-Book

Catalina Corvo

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Beschreibung

Die kleine Öllaterne, die einige Schritte vom Grab entfernt zu seinen Füßen stand, beleuchtete die Gestalt des Friedhofsarbeiters nur unvollkommen. In diesem Augenblick überkam mich die vage Ahnung, dass schwarzes Blut durch seine Adern rann. Obwohl seine Aura durchaus menschlich wirkte. Und zugleich auch nicht ganz. Unter der unauffälligen Oberfläche einer gewöhnlichen, sterblichen Existenz lauerte ein tieferes Geheimnis.
Der Totengräber kicherte. »Ich spüre es. Der Tod liegt in der Luft. Wie ein süßer Duft. Ihr riecht es auch, nicht wahr?«

Nocturno hat überlebt. Asmodi weiß, dass er keine Wahl hat: Er muss den Kontrakt, den Nocturno ihm aufzwingt, akzeptieren. Es geht um nichts Geringeres als um die neue Weltordnung unter den Dämonen. Doch merkwürdig: Obwohl das Treffen geheim ist, spricht es sich in Wien rasch herum, was hier passiert - und auch die Zamis erfahren recht schnell davon ...


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Seitenzahl: 124

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

HÖLLENPAKT

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben.

Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Aber das Glück ist nicht von Dauer. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So schickt Asmodi den Dämon Gorgon vor, der Wien und alle seine Bewohner zu Stein erstarren lässt – und die Stadt komplett aus dem Gedächtnis der Menschheit löscht. Nur Coco kann im letzten Augenblick entkommen, allerdings hat sie jede Erinnerung an ihre Herkunft verloren ... Kurz darauf findet sie sich jedoch in einer Vision in Wien wieder und steht ihrer versteinerten Familie gegenüber. Nach und nach gewinnt sie ihre Erinnerung zurück und fühlt sich mehr denn je verpflichtet, etwas gegen Gorgons Fluch zu unternehmen.

In einer Bibliothek auf Schloss Laubach in Deutschland stößt Coco auf die Dämonenvita ihres Vaters. Daraus erfährt sie, dass er zuvor über Jahre hinweg seinen Halbbruder Rasputin bekämpft hat. Mit Hilfe der Vita gelingt es Coco, Gorgons Bann zu brechen und Wien zu retten.

In der Folge baut Michael Zamis seine Kontakte zu den Oppositionsdämonen aus, die sich Asmodis Sturz auf die Fahnen geschrieben haben. Als Cocos Mutter Thekla von Michaels Liaison mit einer Kämpferin des Widerstands erfährt, tötet sie diese. Es kommt zum Bruch mit den Oppositionsdämonen, die Coco ungefragt ein »Permit« verpassen – ein magisches Tattoo in Form eines zweiköpfigen Adlers. Coco und auch ihr Bruder Georg wollen sich nicht länger instrumentalisieren lassen, doch selbst auf Sylt, wo Georg seine grausamen »Lehrjahre« verbringen musste, stoßen sie auf Anhänger der Oppositionsdämonen. Unterdessen verfällt Thekla dem Anführer der Oppositionsdämonen, Graf Nocturno. Aber der schickt sie zurück nach Wien. Sie soll Asmodi ausrichten, dass er zu Verhandlungen bereit ist: in einer Woche in Asmoda, im Schloss der Gräfin Anastasia von Lethian. Asmodis Hoffnung ist es, an den Ring der Finsternis zu gelangen, der ihm im Kampf gegen Nocturno einen Vorteil verschaffen soll. Doch sein Widersacher erweist sich als durchaus ebenbürtig. So wird beschlossen, die Verhandlungen in Wien fortzuführen ...

HÖLLENPAKT

von Catalina Corvo

Wien, Gegenwart (Michael)

»Mehr Wodka!«, forderte Michael Zamis und lehnte sich gegen den schönen Körper seiner Geliebten, während die ätherischen Öle des Badewassers seine Nase umschmeichelten. Sinnfrei in der Wanne zu hocken, entsprach zwar nicht seinen üblichen Gewohnheiten, aber nach den nervenaufreibenden Ereignissen in Asmoda hatte er sich ein wenig Entspannung verdient. Traudel machte sich gut als Badenixe. Sie saß hinter ihm, umschlang seine Beine mit ihren üppigen Schenkeln, zog seinen Kopf an ihren Busen, kraulte sein Kinn und sorgte für permanenten Alkoholnachschub, indem sie brav die Gläser auffüllte.

Außerdem bewunderte sie seine Tapferkeit und massierte auf diese Weise auch sein Ego. Was man von der restlichen Mischpoke in Michaels Haushalt kaum sagen konnte. Coco ging ihre eigenen Wege. Und auch der andere Nachwuchs hatte sich bei der ersten Gelegenheit abgeseilt. Thekla zog sich den ganzen Tag in ihr Zimmer zurück und schloss sich dort ein. Angeblich, um sich auszuruhen. Aber sicherte man denn eine Tür mit magischen Fallen, wenn man sich nur ausruhen wollte?

1. Kapitel

Lediglich Traudels Fürsorge rechtfertigte es, die Zamis-Villa noch als trautes Heim zu bezeichnen.

»Dein Boss hat sich einige Frechheiten erlaubt«, brummte Michael. »Das Benehmen der Oppositionsdämonen war peinlich und amateurhaft.« Michael verschwieg geflissentlich, dass sich auch das Team Asmodi nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte, was Kompetenz anging. »Du solltest dir einen besseren Verbündeten suchen als Nocturno. Der Mann ist nichts weiter als ein Großsprecher und Budenzauberer.«

»Wenn du das sagst, Geliebter.« Die sanften Finger, die Michaels Nacken massierten, konnten nicht über den spöttischen Tonfall hinwegtäuschen.

»Er ist ein Betrüger, ein Lump und ein ehrloser Schuft!«, fuhr er sie an.

»Das sagt man auch über dich.« Kichernd fuhr sie ihm durchs Haar und schmiegte sich enger an ihn. Aber Michaels Stimmung war gründlich ruiniert. »Was soll das heißen? Was bist du plötzlich so aufsässig?«

»Plötzlich?« Traudels Kichern mutierte zu einem gehässigen Zischen. »Du kennst mich nicht, Michael Zamis. Aber du wirst mich kennenlernen.«

Unvermittelt ringelte sich ein Schlangenleib um seine Hüften und Beine. Wand sich, schnürte ihn ein. Ihre Finger schossen zu seinem Hals und würgten ihn. Michael wollte das Weib von sich stoßen, sie mit einem finsteren Fluch niederstrecken, aber auf einmal war seine Zunge bleischwer. Die Arme gehorchten ihm nicht mehr.

Die Schlampe hatte eine magische Falle aktiviert. Plötzlich roch er das beißende Gift im Badewasser. Die Dämpfe lähmten ihn, sein Schädel hämmerte. Wann hatte Traudel den Angriff vorbereitet und so gut getarnt, dass der Giftzauber allen entgangen war?

Wahrscheinlich während der jüngsten Machtkämpfe in Asmoda. Anscheinend hatte das Dreckstück mehr getan, als nur das Haus gehütet. Wer vermochte jetzt noch zu sagen, wie lange der Verrat geplant gewesen war?

Die Erkenntnis nutzte Michael jedoch wenig, denn Traudels Finger drückten ihn unbarmherzig unter Wasser. Der Druck um seinen Hals raubte ihm den Atem. Er konnte nicht einmal strampeln, denn ihr Schlangenleib presste die Lebenskraft aus seinem gelähmten Körper.

Ein zorniges Gurgeln entrang sich Michaels Brust, während seine knappen Bewegungen weiter erlahmten.

Schwärze wallte vor seinen Augen auf und zog ihn langsam aber sicher in ihren betäubenden Schoß.

Doch dann hielt etwas seinen sanften Fall in die Finsternis auf. Ein Platschen, Fingernägel, die wie Skalpelle in seine Haut stachen, Traudels Körper, der wild zuckte und die Kontrolle über ihn verlor.

Licht und Ton kehrten zurück in seine Welt. Ebenso der Wille zum Widerstand. Mit einem Minimum an Bewegung, das sein gepeinigter Körper noch aufbrachte, stieß Michael die Schlange von sich und kämpfte sich an die Wasseroberfläche. Seine Lungen lechzten nach Sauerstoff.

Erleichtert schnappte Michael nach Luft und blickte in das Gesicht seiner Frau. Thekla. Blut lief über ihr Handgelenk, tropfte von der Klinge einer runenverzierten Axt. Theklas Augen blitzten. Michael fürchtete, dass die Axtschneide gleich seine Kehle durchbohrte, doch dann streckte ihm Thekla mit einem bösen Lächeln Traudels schmerzverzerrtes Haupt entgegen. Traudels Schlangenkörper lag jedoch noch neben Michael in der Wanne. Ganz still.

Das ehemals helle Wasser hatte nun eine dunkelrote Farbe und einen metallisch-süßlichen Geruch.

»Ein Bad in Drachenblut, mein Gatte?« Theklas Lächeln, als sie sich auf den Badewannenrand setzte und das Haupt der Medusa achtlos gegen die Zimmertür warf, war warm und herzlich wie schon lange nicht mehr. »Das soll gut gegen Schwachstellen in der eigenen Abwehr sein.«

»Es hilft allerdings nicht gegen Blindheit«, brummte Michael.

Theklas Lächeln wuchs. Sie beugte sich vor und gab Michael einen sanften Kuss. Dass Traudels Blut an seinen Lippen klebte, schien sie nicht zu stören. Im Gegenteil, der Kuss führte beide Eheleute in eine innige Umarmung. Michael wusste, dass seine kluge Frau seine Entschuldigung erkannt und verstanden hatte. Sie erwartete nicht, dass er sie aussprach oder zu Kreuze kroch. Das hatte ihn auch sofort zu ihr hingezogen. Die stille Art, mit der sie seine Eskapaden hinnahm, wohl wissend, dass er immer wieder zu ihr zurückkehrte.

Jetzt fiel ihm alles wieder ein.

Die gemeinsamen Stunden mit Traudel hingegen, ihr angebliches Verständnis, ihr aufregender Körper, die Wollust – das alles erschien Michael nur noch wie ein ferner, verwirrender Traum. Als ob der Tod der Schlangenfrau die Erinnerung an sie gleich mit ausgelöscht hatte.

»Wir sollten auf Nummer sicher gehen, dass diese Klette sich nicht doch noch irgendwie regeneriert. Immerhin ist sie schon einmal zurückgekommen.«

»Was schlägst du vor?« In diesem Augenblick war Michael durchaus geneigt, den Ratschlägen seiner Frau Gehör zu schenken.

»Wir versteinern das, was von ihr übrig ist, und setzen das Ganze dann im Keller noch zusätzlich unter einen Bannzauber.« Thekla betrachtete den Leichnam in der Badewanne eingehend, und ein verächtliches Lächeln huschte über ihre schmalen Lippen. »Das Dreckstück soll keine weitere Gelegenheit haben, in unserer Familie Unfrieden zu stiften.«

»Es sei, wie du sagst«, gestand Michael zu. Nebenbei duschte er sich ab und stieg aus der Wanne. Thekla reichte ihm einen frischen, weichen Bademantel.

»Du wusstest, dass sie das versuchen würde«, stellte Michael schließlich fest, nachdem das Werk im Keller getan war und mächtige Bannzauber Traudels zerteilten und versteinerten Körper gefangen hielten. Die Schlangendämonin sah wirklich sehr tot aus, aber sicher war eben sicher.

»Ich ahnte, dass die Schlampe es nicht nur auf Coco und mich, sondern auch auf dich abgesehen hatte«, erklärte Thekla leichthin. »Außerdem hatte ich so ein Gefühl, dass Nocturno sie nach unserer Rückkehr aus Asmoda auf dich ansetzen würde.«

Obwohl Michael seiner Frau mehr als dankbar war, dass sie ihn vor seiner verräterischen Geliebten bewahrt hatte, stutzte er.

»Inwiefern? Was für ein Gefühl?«

Sie zuckte die Achseln, blickte zum Fenster. »Nur eine Ahnung. Ich mochte sie nie. Sie hat mir nach dem Leben getrachtet. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob nicht irgendwer das Weib nach ihrer sogenannten Wiederauferstehung als Schläferin in unser Haus eingeschleust hat.«

Theklas Worte klangen vernünftig, logisch und überzeugend. Dennoch blieb ein schaler Geschmack auf Michaels Zunge zurück, wenn er daran dachte, wie lange Nocturno seine Frau bei sich behalten hatte. Hatte die schwarze Eminenz Traudel benutzt, um Michael von seiner Gattin abzulenken und ihn auszuschalten, damit er selbst Thekla besitzen konnte?

Michael schüttelte den Kopf. Zu viele Feinde. Zu viele Beinahe-Katastrophen, verursacht durch die Oppositionsdämonen. Das ging auch an ihm nicht spurlos vorüber. Langsam wurde er paranoid. Andererseits ... undenkbar war es nicht.

Als Michael seine Frau in dieser Nacht liebte und den Bund der Ehe auf die Weise mit ihr erneuerte, schien sie ihm nicht recht bei der Sache. Die Bitterkeit begleitete ihn in einen unruhigen Schlaf.

Flugplatz Fliegerhorst, Lübeck,

24. August 1940

(Georg)

Ich folgte Nocturno über den Flugplatz. Die sinkende Sommersonne umgab die Jäger und Bomber und auch die geschäftigen Menschen, die an ihnen werkelten, mit einer rot glühenden Aureole. Im Stabsgebäude flammten die ersten Lichter auf.

Um uns herum dröhnten Propeller bei Wartungstests, ratterten Motoren, wurden schwere verbogene Tragflächen zurechtgeklopft.

Meine Rekrutenuniform lag ungewohnt auf meiner Haut, der Kragen schnürte mich ein. Nocturnos Feldjacke hingegen passte ihm wie angegossen. Als sei die Uniform für ihn gemacht. Aber das war bei meinem Lehrmeister nichts Ungewöhnliches. Welche Rolle auch immer er annahm, er überzeugte bis ins kleinste Detail, konnte sein Verhalten und seine Persönlichkeit verbiegen und formen wie Teig.

Ich hingegen hatte große Schwierigkeiten, mit meiner neuen Größe zurechtzukommen. Mit einem Fingerschnippen hatte Nocturno Vaters Zauber entkräftet und mir meine wahre Größe zurückgegeben. Nun war ich ein hoch aufgeschossener Achtzehnjähriger. Zu dumm nur, dass ich mein ganzes Wachstum verpasst hatte. Ich fühlte und bewegte mich zum Teil noch wie ein Achtjähriger, was mir nicht nur eine erhöhte Unfallneigung bescherte, sondern Fremde zum Lachen reizte.

Auch jetzt stolperte ich schlaksig und mit schlenkernden Armen hinter Nocturno her. Ich spürte die mitleidigen Blicke der Piloten, die erschöpft von zu vielen Einsätzen ihre von Kämpfen gezeichneten Maschinen bemannten.

Ich konnte die allgemeine Erschöpfung, die Auszehrung und nervliche Anspannung spüren wie einen giftigen Algenteppich, der die sonst so freien Fluten des Meeres verseuchte. Welche der zerschundenen alten Dornier-Bomber würden beim nächsten Einsatz den britischen Spitfires zum Opfer fallen? Wer geriet als Nächster in Kriegsgefangenschaft oder schaffte es nicht mehr rechtzeitig aus dem brennenden Cockpit?

Jeden Tag Verluste, jeden Tag der elendige Flug über den Kanal, um mit fast leeren Tanks ein paar Bomben auf die britischen Flughäfen zu schmeißen. Und immer mehr lahme Enten versanken im Kanal, anstatt wie Vögel in der Luft zu bleiben. Die Piloten wurden müde, die Augenringe dunkler, selbst Routinegesten fahriger.

Nocturno hingegen lebte auf. Mutlosigkeit und Verzweiflung waren sein Elixier. Er schien diese Emotionen aufzusaugen. Und er verströmte sie gleichermaßen, wohin er auch ging.

Wie praktisch, dass sich der leitende Offizier am Tag zuvor erst besoffen und dann erschossen hatte. So konnte »Hauptmann Nachtmeister« problemlos seinen Posten einnehmen, kam als Ersatz wie gerufen. Ich dackelte ihm als Sekretär hinterher.

Wir blieben bei einer wettergegerbten Ju 88 stehen. Zwei Techniker bestückten den altgedienten Bomber mit dem aufgemalten roten Tatzelwurm-Gruppenabzeichen an der Seite mit frischer Munition. Eine schöne Maschine, wenn auch nicht so elegant wie die frisch in Serie gegangenen Messerschmitts mit ihren gelben Propellernasen. Im Gegensatz zu den neuen Überfliegern, die sich erst noch beweisen mussten, war dieJunkers eine gestandene Dame, die Respekt verdiente.

Nocturno schien das Gleiche zu denken. Sanft strichen seine Fingerspitzen über den kalten Stahl eines Flügels. »Ein wunderbares Instrument.«

Ich legte meine Hand auf den Tatzelwurm. Plötzlich schien die Maschine zu vibrieren, und einen Lidschlag lang tanzte eine kleine blaue Flamme im aufgerissenen Rachen des Drachen. Nocturnos Stimme flüsterte an meinem Ohr. Doch sie klang hohl.

»Ein Todesbote. Bereit, die Seelen der Unglücklichen in ewige Finsternis zu führen.«

Das Metall unter meinen Fingern bebte im Takt seiner Worte, pulsierte wie ein Herzschlag.

»Wie ein Dämon. Einer von uns. Nur ohne Seele. Oder?«

Obwohl es helllichter Tag war, erkannte ich in der Frontscheibe des Cockpits Nocturnos Spiegelbild. Aber nicht meins.

Im nächsten Moment saß Nocturno in der Maschine. Er lächelte mich an und setzte die Fliegerbrille auf. Zugleich erklang sein Flüstern noch immer an meinem Ohr.

»Was denkst du, Georg? Haben Maschinen Seelen?«

Unwillkürlich nickte ich. Maschinen konnten Seelen haben. Und sie konnten sogar träumen. Wie Lena. Ein kalter Schauer durchfuhr mich, als ich an das Maschinenmädchen dachte, das mir ein paar flüchtige Tage lang mehr bedeutet hatte als jedes Wesen aus Fleisch und Blut.

Nocturno betätigte im Cockpit ein paar Schalter, griff über sich, und der Propeller begann ratternd zu kreisen.

»Und gibt es auch Gut und Böse unter ihnen? Sag es mir, Georg.«

Dann war ich frei. Der Spuk erstarb. Das Cockpit war leer, der Rotor stumm, das Metall still.

Neben uns kroch ein Techniker unter dem Flugzeug hervor. Er warf Nocturno und mir einen seltsamen Blick zu, salutierte dann aber stramm vor meinem Lehrmeister.

Der schickte ihn mit einem Grinsen und einer Geste fort.

Der Techniker nahm die Beine in die Hand und huschte fort, als habe er ein Gespenst gesehen. Vielleicht hatte er das.

Wir gingen weiter.

Wien, Gegenwart

(Asmodi)