Das Inselkind - Margarete Lenk - E-Book

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Margarete Lenk

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Beschreibung

Als einzige Überlebende wird die kleine Brenda an den Strand einer Insel geschwemmt, deren halbwilde Bewohner Schiffstrümmer und Ladung als Beute betrachten, bewusstlose Überlebende aber ohne Erbarmen ins Meer zurückstoßen.

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Margarete Lenk

Das Inselkind

Erzählung

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Das Inselkind

Nördlich von Schottland, da wo die Wellen der Nordsee sich mit denen des Atlantischen Ozeans vereinigen, liegen zwei Inselgruppen, die Orkney- und die Shetlandinseln. In grauer Vorzeit sollen sie zusammen ein mächtiges Reich gebildet haben, das von kühnen Seekönigen regiert ward. Finsteres Heidentum herrschte unter der halbwilden, beutegierigen Bevölkerung. Noch jetzt zeigt man die großen, flachen Opfersteine, an denen die Priester ihr blutiges Werk verrichteten und ihren höchsten Göttern, Odin und Thor, oft genug den gefangenen Feind oder den fremden gefangenen Seefahrer zum Opfer brachten.

Aber schon in sehr früher Zeit trugen fromme Mönche, der Todesgefahr nicht achtend, die Botschaft von Christo, dem Heiland der Welt, zu den wilden Inselbewohnern.

Leider wurde sie nur allzu bald durch die Irrtümer und Missbräuche des Papsttums verdunkelt. Mächtige Ruinen von Klöstern und Kirchen beweisen noch heute, dass es auch dort seine Macht und Pracht entfaltet hat.

Aber besonders auf den kleinen Inseln, deren Bevölkerung fast nur aus Fischern bestand, erhielt sich viel heidnischer Aberglaube. Mancher raue Mann, der am Morgen gehorsam die Messe gehört und sich mit den Zeichen des Kreuzes gesegnet hatte, schlich sich beim Sternenschein an den Strand, um den Meergeistern ein Opfer zu bringen, damit sie ihm guten Fang und günstigen Wind gewähren möchten.

Ein anderer aber fiel zwischen den wilden Felsen des Ufers auf die Knie und flehte die mächtigen Zwerge, die „Unterirdischen“, an, um ein wenig von dem Gelde zu erlangen, das sie, in verborgenen Höhlen angehäuft, bewachten.

Fand er dann, wie wohl zuweilen geschah, beim Umgraben seines kleinen Feldes ein paar alte Münzen oder ein rostiges Schmuckstück, so versäumte er nicht, dem Zwergkönig heimlich ein Huhn oder einen großen Fisch zu opfern.

Endlich kam die Zeit der Reformation. Auch in jenen entfernten Gegenden ward endlich die Lehre von der freien Gnade Gottes in Christo verkündet und freudig angenommen. Auf den größeren Inseln entfaltete sich bald friedliches Leben, Bildung und Wohlstand.

Doch gibt es noch eine Anzahl kleiner, wilder Felseneilande, die gar nicht auf der Landkarte verzeichnet sind. Dort hielten die armen Bewohner auch dann noch lange fest an allerlei heidnischen Gebräuchen.

Von einer dieser Inseln will ich eine Geschichte erzählen, die sich vor etwa zweihundert Jahren zugetragen haben mag.

Diese Insel war so klein, dass sie ein rüstiger Mann wohl in einem halben Tage durchwandern konnte. Nach drei Himmelsgegenden war sie von steilen Klippen und Felswänden eingefasst, an denen sich die wilden Meereswellen schäumend brachen.

Nach Süden zu aber öffnete sich der Felsenring, und dort hatten die Fischer einen sicheren Hafen für ihre Kähne angelegt.

Die sehr schmucklosen, niedrigen Hütten waren meist in der Nähe dieses Hafens gebaut und von kleinen, ärmlichen Gärtchen und notdürftig bebautem Ackerland umgeben.

Im Schutze eines Felsens stand ein halbverfallenes Kirchlein, dessen kleine Glocke noch dann und wann vorm Sturmwind bewegt ward; läuten mochte sie niemand mehr. Denn der alte Pfarrer, der dort mit großer Mühe und Geduld das Wort Gottes gepredigt hatte, war längst gestorben, ohne Weib und Kinder zu hinterlassen; niemand aber hatte Lust nach dem Festland hinüber zu fahren.

Die rauen Männer meinten, man habe ja selbst kaum satt zu essen; wozu solle man noch einen Pfarrer füttern?

So schlimm war es nun nicht. Zwar bot das raue Land wenig Ertrag und auf den spärlichen Grasflächen fanden einige Kühe und Schafe nur geringe Weide. Auch gab es wohl knorrige Sträucher, aber gar keine Fruchtbäume auf der Insel.

Trotzdem herrschte in den Hütten kein Mangel, zuweilen sogar Überschuss, denn die Vorratskammer fürs ganze Jahr war das Meer. Es gab nicht nur einen unerschöpflichen Vorrat von Fischen, sondern spendete auch viele andere, oft gar herrliche kostbare Dinge.

In jenen stürmischen Gegenden scheiterte manches Schiff an der verborgenen Klippe oder wurde von den mächtigen Wellen zerdrückt und auseinander gerissen. Waren doch in damaliger Zeit die Schiffe noch lange nicht so sicher und stark gebaut wie jetzt.

Darum war es für die Inselbewohner jedes Mal ein Fest, wenn der Sturm recht gewaltig wütete; denn alles, was die Wellen an den Strand warfen, galt für rechtmäßige Beute.

An die unglücklichen Seefahrer, die draußen in der wilden Flut versinken mussten, dachte niemand.

Ward aber ein menschlicher Körper ans Land geworfen, so stieß man ihn unbarmherzig zurück in die schäumenden Wogen, damit er nicht etwa wieder auflebe und Anspruch auf das gestrandete Gut erhebe.

Vergeblich hatte der arme, alte Pfarrer gegen diesen grausamen Brauch gekämpft; nur ganz wenige hatten ihm beigestimmt, und diese waren nach seinem Tode weggezogen nach einer größeren Insel.

Die Zurückbleibenden aber ließen das Kirchlein verfallen und versammelten sich an Ruhetagen an einem ganz andern Orte.

In einer der hohen Felsklippen, die in die Flut hinausragten, führte auf der Landseite ein steiler Pfad empor, der endlich durch eine gewölbte Öffnung ins Innere des Felsens leitete.

Dort befand sich eine Art Gemach, das wohl schon in uralter Zeit bewohnt gewesen sein mochte. Der Fußboden war abgeplattet und hier und da mit bunten Steinen ausgelegt. Die Licht- und Luftöffnungen waren bogenförmig ausgehauen und gewährten nach verschiedenen Himmelsgegenden freien Ausblick über das Meer und das Firmament.