Rudolfs Geheimnis - Margarete Lenk - E-Book

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Margarete Lenk

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Beschreibung

Der elfjährige Rudolf mochte seinem verunglückten Vater zu Weihnachten einen Lehnstuhl auf Rädern schenken, doch ihm fehlt das Geld. Eine christliche Weihnachtsgeschichte aus dem Jahre 18..

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Margarete Lenk

Rudolfs Geheimnis

Eine Weihnachtsgeschichte

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Rudolfs Geheimnis

Vor einem Schaufenster in einer belebten Straße der großen Stadt stand, die Schulbücher unterm Arme, ein hübscher, blonder Knabe von etwa elf Jahren, ganz ins Anschauen versunken. Und doch gab’s in diesem Fenster gar nichts Lustiges zu sehen, keine bunten Bilderbücher, keine prächtigen Bleisoldaten. Hier hatte man nur allerlei Dinge ausgestellt, die bei der Pflege Kranker und Verwundeter nötig waren. In der Mitte stand ein großer Lehnstuhl aus Rohrgeflecht, und diesen betrachtete Rudolf mit ernstem, nachdenklichem Gesicht.

‚Ja‘, dachte er, ‚wenn der Vater solch einen Stuhl hätte, das wäre herrlich! Wie schwer wird’s ihm oft, aufzustehen, und wie schmerzt ihm die Brust, wenn er lange über die Schreiberei gebeugt am Tische sitzt! Dieser Stuhl aber hat Räder; wir könnten ihn leicht aus einem Zimmer ins andere schieben, ja sogar hinaus in den Hof, wenn die Sonne warm scheint. Und welch bequemes Pult ist daran befestigt! Man kann es hoch und niedrig stellen zum Lesen oder Schreiben. Auch die Lehne scheint beweglich zu sein. Er könnte wohl sein Mittagsschläfchen darauf halten!‘

Jeden Tag fand der Knabe neue Vorzüge an dem herrlichen Stuhl, und endlich fasste er sich ein Herz, in den Laden zu treten und nach dem Preis zu fragen. Er war sehr hoch, aber doch nicht unerschwinglich. Nein: Der Vater musste ihn haben! Jetzt war Ostern vorbei; bis Weihnachten war’s noch lange hin, da musste das Geld beisammen sein. Nicht umsonst hatte der Junge auf dem Schulweg und abends im Bett nachgedacht und gegrübelt, wie dies große Ziel zu erreichen sei. Was die Eltern verdienten, reichte eben zum Haushalt, und das fünfzehnjährige Röschen konnte gar nichts erwerben, da sie mit der Wirtschaft und der Pflege der kleinen Schwestern alle Hände voll zu tun hatte.

Rudolfs Plan war gefasst, und er war fest entschlossen, ihn auszuführen mit Gottes Hilfe. Ja, das wusste er; aus eigener Kraft würde es ihm nicht gelingen.

„Zeig mir doch, lieber Gott, wie man Geld gewinnt“, betete er schon seit Wochen jeden Abend. „Du weißt ja, ich will es nicht für mich, nur für den Stuhl.“

Ganz begeistert durch seinen großen Entschluss eilte er heim. Es war zwar ein sehr sauberes, aber doch recht ärmliches Heim, im Erdgeschoss eines Hinterhauses mit Aussicht auf einen Hof, in dem kein Baum grünte und kein Blümlein blühte. Aber am Fenster des kleinen Wohnzimmers, wo die immer freundliche Mutter so fleißig an der Nähmaschine arbeitete, stand ein Rosenstöckchen und ein Geranium, auch fehlte es im Sommer selten an einem Feldblumenstrauß, den die Kinder vom Sonntagsspaziergang mitgebracht.

Am andern Fenster saß der Vater, mit Kissen gestützt, über die Schreiberei gebeugt. Er hatte früher sein gutes Auskommen gehabt als Buchhalter in einem großen Geschäft. Aber als er vor einigen Jahren im obersten Fach eines hohen Schrankes nach Papieren gesucht, war die Leiter, auf der er stand, zerbrochen und er hatte einen sehr schweren Fall getan.

Wohl ward für seine Pflege und Wiederherstellung gesorgt; man hätte wohl auch noch mehr für ihn getan, da sein Rücken schwach blieb und er nur mühsam, auf den Stock gestützt, einige Schritte gehen konnte.

Aber er gehörte zu den Leuten, denen es schwer wird, Geschenke anzunehmen, und die lieber darben als von der Gnade anderer abhängen. Darum hatte er sich in einen entlegenen Stadtteil zurückgezogen und suchte durch allerlei schriftliche Arbeiten seine Familie zu erhalten.

Seit Röschen die Schule verlassen hatte und die Mutter mehr verdienen konnte, reichte es so ziemlich, blieb aber immer noch sehr, sehr knapp. Trotzdem besuchte Rudolf eine gute Schule, da an der Erziehung des einzigen Sohnes nicht gespart werden sollte.