Die kleinen Meistersänger - Margarete Lenk - E-Book

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Margarete Lenk

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Beschreibung

Die Schule war aus, aber die sechs obersten Schüler der zweiten Klasse hatten es gar nicht eilig, hinaus auf die Straße zu kommen, wo es doch heute zum ersten Mal hohen Schnee gab, der sich ballte und auf dem sich's prächtig rutschen ließ. Die sechs standen im Gang und schwärmten von dem Schönen, das der Lehrer in der letzten Stunde erzählt hatte. Von der Dichtkunst im Mittelalter war die Rede gewesen; von dem freundlichen Hans Sachs, der an seiner Schusterbank manch frommes und lustiges Lied gedichtet und gesungen hatte ...

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Margarete Lenk

Die kleinen Meistersänger

Christliches Kinderbuch

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Die kleinen Meistersänger

 

Die Schule war aus, aber die sechs obersten Schüler der zweiten Klasse hatten es gar nicht eilig, hinaus auf die Straße zu kommen, wo es doch heute zum ersten Mal hohen Schnee gab, der sich ballte und auf dem sich’s prächtig rutschen ließ. Die sechs standen im Gang und schwärmten von dem Schönen, das der Lehrer in der letzten Stunde erzählt hatte.

Von der Dichtkunst im Mittelalter war die Rede gewesen; von dem freundlichen Hans Sachs, der an seiner Schusterbank manch frommes und lustiges Lied gedichtet und gesungen hatte.

In der herrlichen Freistadt Nürnberg hatte er gelebt, und dort war auch sein Grab.

Solche Handwerker, die zugleich Dichter waren und Meistersänger genannt wurden, hatte es im Mittelalter viele gegeben. In Nürnberg versammelten sie sich nach der Arbeit in einem schlichten Kirchlein und lasen oder sangen ihre Verse vor.

Sie standen dabei auf dem sogenannten Singestuhl, einem erhöhten Pult neben der Kanzel. Die Kameraden hörten aufmerksam zu und merkten sofort, wenn einer sich „versungen“, das heißt einen Fehler gemacht hatte. Dann musste er vom Singestuhl herunter und schämte sich sehr. Wem aber sein Lied gelungen war, den lobte man wacker.

Waren alle des Singens und Zuhörens müde, so gingen sie wohl in eine kleine, ehrbare Schenke, die den hübschen Namen „Bratwurstglöcklein“ führte. Denn es ward jedes Mal ein Glöcklein geläutet, wenn wieder eine Anzahl leckerer Würstchen fertig war.

Ein gar schlichter, schmaler Raum war es, wo die bescheidenen Meistersänger zusammenkamen, um sich an einem Krug Bier, einem Wecken und den guten Würstchen gütlich zu tun.

Noch jetzt wird schwerlich ein deutscher Mann die gute Stadt Nürnberg besuchen, ohne im Bratwurstglöcklein einzukehren. Stehen doch dort auf dem Sims noch jetzt die blechernen und silbernen Becher, aus denen jene frommen, frischen Meistersänger getrunken.

Dies alles, und wohl noch mehr, hatte der Lehrer heute gar lebhaft geschildert, und den Knaben hatte es sehr gut gefallen. Sie nahmen sich vor, gewiss einmal nach Nürnberg zu reisen, um alles anzusehen, besonders aber im Bratwurstglöcklein Würstchen zu essen, und zwar auf der Bank, wo Hans Sachs und Albrecht Dürer einst gesessen.

„Es wird aber doch sehr lange dauern, ehe wir alle nach Nürnberg kommen“, sprach Gotthold, ein feiner, sinniger Junge. „Das Essen ist auch nicht die Hauptsache! Aber solch eine Singschule denke ich mir herrlich! Wisst ihr was? Wir wollen uns eine gründen! Wir wollen alle das Weihnachtsfest besingen!“

„Ja, ja, das wollen wir!“, riefen alle fünf einstimmig.

„Aber wer soll entscheiden, welches Gedicht das beste ist?“, fragte der bedächtige Franz.

„O, da werden Stimmen gesammelt! Wer die meisten hat, ist der Sieger.“

Ganz begeistert für ihren Plan, warfen sie die Mützen in die Luft und liefen tatenlustig nach Hause.

Eine Woche lang schwieg man gänzlich über die Sache. Sehr viel Papier ward beschrieben, zerrissen und in den Ofen gesteckt; endlich aber versammelten sich alle sechs bei Gotthold, der so glücklich war, ein eigenes, wenn auch sehr kleines Stübchen zu besitzen.

Dicht gedrängt saßen die jungen Sänger um den kleinen Tisch.

„Fängt der Älteste an vorzulesen oder der Jüngste?“, fragte Gotthold.

„Der Jüngste! Deins ist sicher das beste; das lesen wir zuletzt.“