Das Lächeln des Diktators - Bachtyar Ali - E-Book

Das Lächeln des Diktators E-Book

Bachtyar Ali

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Beschreibung

Parallel zu seinen bahnbrechenden Romanen hat Bachtyar Ali seit Jahrzehnten zahlreiche Essays und Untersuchungen veröffentlicht. Mit diesem Sammelband ist er als scharf beobachtender, radikaler und zum Nachdenken herausfordernder Analytiker zu entdecken. Im Zentrum steht die Frage, welche Hindernisse sich im Mittleren Osten und der arabischen Welt der Aufklärung und friedlichen Entwicklung entgegenstellen. Ausgehend von den eigenen Erfahrungen und vertraut mit den europäischen Denktraditionen, sucht Bachtyar Ali neue Wege zur Erklärung der allgegenwärtigen Gewalt und verhängnisvollen Perspektivlosigkeit seiner Region.

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Über dieses Buch

Neben seinen Romanen hat Bachtyar Ali zahlreiche Essays veröffentlicht. Im Zentrum steht die Frage, welche Hindernisse sich im Mittleren Osten und der arabischen Welt der Aufklärung und friedlichen Entwicklung entgegenstellen. Vertraut mit den europäischen Denktraditionen, sucht er neue Wege aus der Gewalt und Perspektivlosigkeit seiner Region.

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Bachtyar Ali, geboren 1966 in Sulaimaniya (Nordirak), ist der bekannteste zeitgenössische Schriftsteller des autonomen irakischen Kurdistan. Sein Werk umfasst Romane, Gedichte und Essays. Er lebt seit Mitte der Neunzigerjahre in Deutschland und wurde 2017 mit dem Nelly-Sachs-Preis ausgezeichnet.

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Ute Cantera-Lang, geboren 1974 in Erlangen, lebt seit vielen Jahren in Österreich. Sie studierte Musik an der Kunstuniversität in Graz. Zahlreiche Auslandsaufenthalte führten zu Dolmetschtätigkeiten in Spanisch und Englisch. Gemeinsam mit Rawezh Salim übersetzt sie aus dem Kurdischen (Sorani).

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Rawezh Salim, geboren 1973 in Sulaymaniyah (Nordirak), floh während des kurdischen Bürgerkrieges nach Österreich, wo er Translationswissenschaften studierte. Er arbeitet unter anderem als Übersetzer und Dolmetscher für die Sprachen Deutsch, Kurdisch und Arabisch.

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Bachtyar Ali

Das Lächeln des Diktators

Essays

Aus dem Kurdischen (Sorani) von Ute Cantera-Lang und Rawezh Salim

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 1 Dokument

Die Übersetzung aus dem Kurdischen (Sorani) wurde vom SüdKulturFonds in Zusammenarbeit mit Litprom e. V. – Literaturen der Welt unterstützt.

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Fallende Statue Saddam Husseins (Wikimedia Commons)

Umschlaggestaltung: Sven Schrape

ISBN 978-3-293-31125-1

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Version vom 22.09.2022, 00:35h

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Inhaltsverzeichnis

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Über dieses Buch

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Inhaltsverzeichnis

DAS LÄCHELN DES DIKTATORS

Das Lächeln des DiktatorsGott, der Staat und die TechnikDie Rückkehr des ErlösersIm Spiegel der SelbsterkenntnisDer Kriminalroman und die großen VerbrechenWarum ich auf Kurdisch schreibeErinnerungen eines Lesers – Nachweise

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Das Lächeln des Diktators

Die Diktatoren dieser Welt zeigen uns gerne ganz unterschiedliche Gesichter, als wohnten in ihnen mehrere Persönlichkeiten. Ihre exquisiten Neigungen erregten schon immer Aufmerksamkeit und wurden heftig debattiert. Hitlers Liebe zur Kunst, Chomeinis kindliche Leidenschaft für Zeichentrickfilme, die starke Beziehung von Enver Hodscha und dessen Frau zu Mutter Teresa, Fidel Castros Achtung gegenüber vielen Schriftstellern – sie sind ein kleiner Ausschnitt aus der surrealistischen Welt der Diktatoren.

Diktatoren gewinnen ja meist alle Wahlen. Sie kleben Jahr um Jahr schwerer auf ihren Thronen und bürden den Untertanen ihre ewige Liebe auf. Welcher Nationalität sie auch seien, es steckt in ihnen eine diffuse Mehrdeutigkeit, die uns Sterblichen unnatürlich, ja übernatürlich erscheinen soll. Saddam Hussein war einer dieser markanten, surrealistischen Herrscher, einer der grausamsten seiner Art. Ein Diktator, der bis zum Augenblick seiner Flucht aus Bagdad seine Opfer verhöhnte. Noch in der Stunde seiner Hinrichtung lachte er den Tod, uns und sich selbst aus.

In der Videoaufzeichnung seiner Urteilsvollstreckung, während der Henker ihm den Galgenstrick um den Hals legt, sehen wir deutlich, dass er lacht. Dieses Lachen wird von manchen als Zeichen von Tapferkeit, Furchtlosigkeit und Todesverachtung ausgelegt. Ich halte diese Interpretation für oberflächlich und vorschnell. Sie geht am Charakter des Diktators und dem Gesamtsystem der Diktatur vorbei. Trotz ihren tragischen Auswirkungen, trotz dem allgegenwärtigen Tod, den Ängsten und den Tränen, die ein Diktator verursacht, die Komödie und das Lachen sind ein wesentlicher Bestandteil dieses Herrschaftssystems.

In jedem Diktator steckt ein Clown. Jedes diktatorische System schafft sich die Posse seiner selbst. Das Lachen von Saddam Hussein in seiner letzten Stunde hat eine lange Vorgeschichte, die tief mit der Entwicklung seiner Diktatur und seinem Lebensweg verknüpft ist. Das Lächeln des Diktators entspringt der Tiefe jener Hölle, die er selbst geschaffen hat.

In der Geschichte der Menschheit ist das Lachen nicht nur Ausdruck von Freude und Glück, sondern auch verknüpft mit dem Auftrumpfen von Macht. Es ist ein wichtiges Indiz der Machtentfaltung und gehört zu den Formen, in denen der Herrscher seine Kontrolle über die Untertanen zeigt. In der indischen Mythologie heißt es, dass die Göttin Maya, wenn sie ihre Gegner vernichtet, so laut lacht, dass sie den Boden zum Beben bringt. Das Lachen im Augenblick des Tötens ist ein Zeichen für eisernen Willen und Macht, die schon immer zu den Eigenschaften der Tyrannen zählten. Den Tod der anderen zu verlachen, gehört in ihren Verhaltenskodex. Aber die Verknüpfung zwischen Lachen und Tod hat noch andere Wurzeln. Im Alten Ägypten gab es die Sitte, Hals und Füße der Toten zu verschnüren und sie unter Gelächter zu steinigen. Dieses Ritual sollte dem Tod die Möglichkeit nehmen, vom Gestorbenen auf die Lebenden überzuspringen. Das Lachen war also eine Kraft, den Tod zu besiegen.

Saddam Husseins System baute auf Krieg, Hinrichtungen und Grauen. Das Gesicht der Herrschaft der Baathisten kannte kein Lächeln, keine Heiterkeit und keinen Humor. Es war ein System der Trauer. Unzählige Menschen wurden für ihr Lachen erhängt. Niemand durfte Saddam Hussein und seine Gefolgsleute auslachen. Zur Strategie dieses Systems gehörte der tödliche Ernst gegenüber der Ideologie, den Symbolen und Verheißungen des Regimes. Diese Angst vor dem Lachen erinnert an die Furcht aller festgefügten Fanatismen vor Spott und Hohn.

Saddam Husseins Angst, er könnte zur Lachnummer werden, hat eine Wurzel in der Kultur der Beduinen, in der die Männer nicht dulden, dass man sie verspottet. Sie gründet aber tiefer in der Geschichte von Religion und Philosophie. In der griechischen Philosophie finden wir zwei Strömungen, die ihre Gegenläufigkeit durch den Gesichtsausdruck vermitteln: Heraklit wird immer mit altem, kummervollem Gesicht und Sorgenfalten dargestellt, er vergießt Tränen über die Misere der Welt. Im Gegensatz zu diesen mürrischen Zügen steht das Bild von Demokrit, der bekannt ist als der Philosoph des Lachens. Er hielt es für ein Zeichen der fröhlichen Seele und der Freiheit von Furcht. Er wird als junger Mann dargestellt, der sich belustigt über die Welt und ihre Narren beugt. 

Doch in der griechischen Philosophie überwiegt der Zweifel am Lachen, das als unangebracht gilt. Plato warnte davor, wenn es gegen hohe Werte und Götter gerichtet war. Philosophie dürfe nie lächerlich und der Philosoph nie zum Gespött werden. Er rief dazu auf, nicht in Homers Gelächter einzustimmen, denn Homer erzählte nicht nur vom Lachen der heiligen Götter, sondern lachte diese auch aus. Den Überlieferungen zufolge war Plato selbst ein Griesgram, der das Lachen aus der Philosophie zu vertreiben suchte. Damit stand er im Gegensatz zu Epikur, der meinte: »Wir müssen gleichzeitig lachen und philosophieren.« Auch Aristoteles wird unter die ernsten Philosophen gereiht. Obwohl er das menschliche Lachen als ein göttliches Erbe betrachtete, so verwies er es doch in die Grenzen von Sittlichkeit und Mäßigung.

Die Missbilligung des Lachens zieht sich durchs Mittelalter. Als das Christentum seine Blütezeit erreicht, kann es sich nicht von Fesseln und strengen Regeln befreien. Jahrhunderte werden vergehen, bis die Vorstellung vom »teuflischen Lachen« abgelöst wird vom Jubel über das »göttliche Lachen« und eine neue Sicht sich durchsetzt: »Das Lachen ist wohl eine der größten Erfindungen Gottes«, so der israelische Satiriker Ephraim Kishon. 

Diese Debatte beginnt schon im jungen Christentum. Der einflussreiche christlichePrediger Johannes Chrysostomos war der Überzeugung, dass Jesus in seinem Leben nie gelacht habe. Der Historiker Jacques Le Goff sagt über das 4. und 5. Jahrhundert, dass man sich damals das Lachen verkniff, da es als ein satanischer Akt interpretiert wurde. Erst im 12. Jahrhundert werde begonnen, »zwischen dem (moralisch) guten und somit erlaubten und dem (moralisch) verwerflichen, also unerlaubten Lachen zu unterscheiden«. In vielen Kirchen werden Anweisungen aufgestellt, die das Lachen als Sünde einstufen und verbieten. In dieser Zeit verschwindet sogar das Lächeln auf den Gesichtern der Porträts und der Skulpturen. Falls ein Kunstwerk doch ein Lächeln zeigt, drückt es nicht Freundlichkeit aus, sondern soll vor Torheit mahnen, denn nur die Unwissenden lachen. Die Angst vor dem Lachen blieb in den folgenden Jahrhunderten erhalten. Frankreichs König Ludwig IX. hat sich das Lachen freitags verboten, und für die weiteren Wochentage stellte er besondere Bedingungen für bestimmte Formen des Lachens.

Der Blick in die Geschichte zeigt also, dass das Lachen immer schon mit Zweifel und einer kritischen Haltung verknüpft wurde. Diese Ablehnung übertrug sich im Verlauf der Geschichte auf die Politik.

Zurück zu Saddam Hussein, dem Anführer eines der finstersten Systeme dieser Welt, das auf Leid und Schmerz gebaut war. Warum hat er bei seiner Hinrichtung gelacht? Welcher Art war sein letztes Lachen? War es Kühnheit oder die Fortsetzung der blutigen Geschichte des Baath-Systems?

Ich denke, Sancho Pansa hat die Antwort auf diese Frage gefunden. »Señor, Traurigkeit ist nicht für die Tiere da, sondern für die Menschen, wenn aber die Menschen ihr im Übermaß nachhängen, so werden sie zu Tieren«, sagt er, als sein Herr, Don Quijote, in tiefe Traurigkeit versunken ist. Im Augenblick vor dem Tod greift Saddam auf die letzte ihm gebliebene Waffe zurück: das Lachen. Es offenbart seine unmenschliche Seite. Er will verhindern, dass wir eine menschliche Regung an ihm erleben, und erst recht nicht in diesen letzten Minuten seines Lebens. Er will bis zum Schluss provozieren. Durch dieses hämische Lachen will er jene Inszenierung fortsetzen, in der er sich schon immer als gnadenloses, unerschütterliches Geschöpf präsentierte, das über dem Tod steht. Also als ein Gott.

Saddam Hussein hätte die Gelegenheit gehabt, sich in seinen letzten Atemzügen als Mensch zu zeigen. Aber er entscheidet sich, sie vorüberziehen zu lassen, um zu beweisen, dass er kein sterblicher Mensch ist wie die anderen. In der Tiefe seines Lachens steckte kein Mut, sondern die Verhöhnung unserer natürlichsten Grundgefühle: Angst und Traurigkeit. Er wollte, wie die meisten Diktatoren, sogar den eigenen Tod noch in eine Demonstration von Macht verwandeln.

Meiner Meinung nach hatte Saddam Hussein diese Vorführung bereits im Vorfeld gut durchdacht. Es ging ihm darum, noch am Lebensende unberechenbar zu erscheinen und zu überraschen, das Lachen in eine tödliche Waffe umzuwandeln. Das entsprach seiner Philosophie von Leben und Tod.

Die Angst der Diktatoren, wie auch mancher Gelehrten und Philosophen, vor dem Lachen ist auf jene zersetzende Macht zurückzuführen, die dem Lachen innewohnt. Diese Tatsache war Saddam Hussein wohl bewusst. Schließlich hatte er ein System erschaffen, in dem das Lachen untersagt war. Den Menschen war erlaubt, zugunsten des Regimes über die Welt draußen zu spotten, aber nicht, sich über die Machthaber lustig zu machen. Bereits bei seiner Machtübernahme zog er die Trennlinie zwischen seinem eigenen Lachen und dem des Volkes. Während die meisten seiner Untertanen weinten, lachte er. Unter seinen unverschämtesten und lautesten Lachsalven waren jene, die zwischen 1987 und 1988 abends im Fernsehen ausgestrahlt wurden, als er den Völkermord gegen die Kurden betrieb und die Iraner zu vernichten versuchte. Sein Lachen war eine zusätzliche Sprengladung, die er seinen Vernichtungswaffen beifügte, eine Waffe wie die Raketen, für die er den Abschussbefehl gab. Aus Saddams Lachen sprach nie Freude oder Freundlichkeit, es war nie Zeichen der Tapferkeit. Mark Twain schreibt: »Die Menschheit hat nur eine wirklich wirksame Waffe, und das ist Lachen.« Ohne dass Saddam Hussein Mark Twain gelesen hatte, war er in diese Erkenntnis eingeweiht und wusste diese gefährliche Waffe in seinem Sinne geschickt einzusetzen. 

Die meisten Fotos von Saddam Hussein zeigen einen Mann mit einem breiten Lächeln. Aus ihnen sprechen gleichzeitig die Ideologie des Sieges und Gleichgültigkeit. In den Sekunden vor seinem Tod wollte er nochmals untermauern, dass seine Macht über sein Erdendasein hinausging. Saddam lächelte, um zu sagen, dass sein Tod nicht das Ende seiner Macht bedeutete. In seinen letzten Sekunden lachte nicht der Mensch Saddam Hussein, sondern jene Macht, die er verkörperte.

Zeit seines Lebens war er unaufhörlich bemüht gewesen, seine Person und seine Macht als zwei untrennbare Elemente zu zeigen: Der Staat war Saddam Hussein, und Saddam Hussein war der Staat – er war der Irak. Die Parolen dieser Doppelnatur prangten während Jahrzehnten an den Mauern des Landes. Sein letztes Lächeln war der allerletzte Versuch, den sterblichen Leib von seiner unsterblichen Macht zu trennen.

Ein Gedicht von Wilhelm Busch kann helfen, Saddams bösartiges Lachen zu ergründen:

Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,

Er flattert sehr und kann nicht heim.

Ein schwarzer Kater schleicht herzu,

Die Krallen scharf, die Augen gluh.

Am Baum hinauf und immer höher

Kommt er dem armen Vogel näher.

Der Vogel denkt: Weil das so ist

Und weil mich doch der Kater frisst

So will ich keine Zeit verlieren,

Will noch ein wenig quinquilieren

Und lustig pfeifen wie zuvor.

Der Vogel, scheint mir, hat Humor.

Dieser Vogel weiß, dass ihm der Tod unmittelbar bevorsteht, gleich wird ihn die Katze fressen. In seinen letzten Sekunden will er nochmals ganz bei sich selbst und seiner Bestimmung sein und nicht zulassen, dass der Tod ihm Harmonie und Glück raubt. Er ist genau der Gegenpol zu Saddam Hussein. Humor ist für den Vogel, sich das Recht zu nehmen, bis zum letzten Augenblick zu leben und sich nicht vor dem Tod zu verstecken. Saddam Hussein dagegen wollte seinen Krieg über den Tod hinaus fortsetzen und sich mit seinem Lachen über den Tod stellen.

Der Philosoph Helmuth Plessner verweist in seinem Buch Lachen und Weinen – Eine Untersuchung nach den Grenzen menschlichen Verhaltens auf diese Dimensionen des Lachens: »Die Klugheit lächelt und die Dummheit, der Stolz und die Bescheidenheit, die Überlegenheit und die Verlegenheit. Wir kennen das freundliche, das abweisende und das zurückhaltende, das spottende und das mitleidige, das verzeihende und das verachtende Lächeln. Es kann Überraschung, Einsicht und Wiedererkennen, Unverständnis und Einverständnis, sinnliches Behagen, Zufriedenheit, aber auch Leid und Bitterkeit ausdrücken. Sieg und Niederlage empfangen gleichermaßen sein Siegel.«

Mit seinem Lachen will Saddam Hussein uns sagen: »Im Augenblick meines Sterbens lauert keine Gefahr für mich.« Diese Haltung hat nichts damit zu tun, dass er sich frei von Todesangst zeigen will. Nein, er beharrt auf Unsterblichkeit. Ihm ist bewusst, dass seine letzte Stunde gekommen ist, aber um etwas zu retten, ist er gezwungen, die Einheit seiner Macht mit seiner Person, die zu Lebzeiten nie getrennt werden durfte, selbst zu sprengen. Zeugen berichten, dass er gesagt haben soll: »Mein Leib ist vergänglich, aber meine Kraft und meine Macht bleiben bestehen.« Er beharrt darauf, dass ihm der Tod nichts anhaben kann.

Und doch: Wenn wir tiefer blicken, ist es undenkbar, dass er dem Tod furchtlos gegenüberstand. Saddam Husseins Panik vor dem Tod zeigte sich in anderer Form. Worin bestand diese Angst? Wie können wir jemanden einen Feigling nennen, der im Moment seines Todes lacht? Vergegenwärtigen wir uns die Jahrzehnte seiner Regierungszeit. In zahllosen Säuberungen eliminierte er immer wieder Parteimitglieder und hochrangige Offiziere der Armee. Offensichtlich lebte dieser Mann in ständiger Angst vor seinen Feinden. Das gesamte Baath-Regime war darauf ausgerichtet, sein Leben zu beschützen. Kaum ein Politiker im Mittleren Osten hat so viele Barrieren zwischen sich und dem Tod aufgestellt. Dieser Präsident hat alle irakischen Staatsbürger in menschliche Schutzschilde verwandelt. Der Sicherheitsapparat, die Armee, der Geheimdienst, sie hatten alle eine vorrangige Aufgabe: zu verhindern, dass die Hand des Todes nach Saddam Hussein greift. Das einzige Buch, das jeder irakische Bürger besitzen musste, hatte den Titel