Das Leuchten bretonischer Nächte - oder: Blau ist die Farbe der Liebe - Verena Rabe - E-Book
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Das Leuchten bretonischer Nächte - oder: Blau ist die Farbe der Liebe E-Book

Verena Rabe

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Beschreibung

Das Schicksal führt sie in die Bretagne: Der bewegende Liebesroman »Das Leuchten bretonischer Nächte« von Verena Rabe jetzt als eBook bei dotbooks. Die wildromantische bretonische Küste – ein Ort zum Träumen und zum Hoffnung schöpfen … Nach einem schweren Schicksalsschlag hofft die Hamburger Übersetzerin Susanne, in der Bretagne den Mut für einen neuen Anfang zu finden. Endlich wieder tief durchatmen, die frische, salzige Meeresluft genießen, die Sorgen einfach davontreiben lassen. Am Strand trifft sie dort zufällig auf den Schriftsteller Mathieu, dessen Romane sie vor vielen Jahren übersetzt hat. In seinem alten Landhaus am Meer darf sie zum ersten Mal hinter die Fassade diese rätselhaften Mannes blicken – doch je mehr die über ihn und seine Geheimnisse erfährt, desto mehr läuft sie Gefahr, ihr Herz zu verlieren … »Wie oft können wir lieben? Wann hört Vermissen auf? Verena Rabe findet zutiefst berührende Antworten auf die hellen und dunklen Fragen des Lebens. Ein zartes Buch – französisch, jung und weise zugleich.« Bestsellerautorin Nina George Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der mitreißende Schicksalsroman »Das Leuchten bretonischer Nächte« von Erfolgsautorin Verena Rabe. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Die wildromantische bretonische Küste – ein Ort zum Träumen und zum Hoffnung schöpfen … Nach einem schweren Schicksalsschlag hofft die Hamburger Übersetzerin Susanne, in der Bretagne den Mut für einen neuen Anfang zu finden. Endlich wieder tief durchatmen, die frische, salzige Meeresluft genießen, die Sorgen einfach davontreiben lassen. Am Strand trifft sie dort zufällig auf den Schriftsteller Mathieu, dessen Romane sie vor vielen Jahren übersetzt hat. In seinem alten Landhaus am Meer darf sie zum ersten Mal hinter die Fassade diese rätselhaften Mannes blicken – doch je mehr die über ihn und seine Geheimnisse erfährt, desto mehr läuft sie Gefahr, ihr Herz zu verlieren …

»Wie oft können wir lieben? Wann hört Vermissen auf? Verena Rabe findet zutiefst berührende Antworten auf die hellen und dunklen Fragen des Lebens. Ein zartes Buch – französisch, jung und weise zugleich.« Bestsellerautorin Nina George

Über die Autorin:

Verena Rabe, geboren und aufgewachsen in Hamburg, liebt es zu reisen. Besonders europäische Küsten haben es der Seglerin angetan. Für ihre Geschichten unternimmt sie lange Recherchereisen und lässt die Orte, die sie beschreibt, intensiv auf sich wirken. Sie hat Geschichte studiert und als Journalistin gearbeitet, bevor sie Schriftstellerin wurde. Bisher hat sie acht Romane veröffentlicht. Verena Rabe lebt mit ihrem Mann in Hamburg, hat zwei erwachsene Kinder und verbringt viel Zeit in Berlin, ihrer zweiten Heimat.

Bei dotbooks veröffentlichte Verena Rabe auch ihre Romane »Merles Suche«, »Und über uns das Blau des Himmels«, »Die Melodie eines Sommers«, »Elisas Versprechen«, »Das Glück in weißen Nächten«, »Charlottes Rückkehr« und »Thereses Geheimnis«. Die letzten beiden Romane sind auch im Doppelband erhältlich.

***

eBook-Neuausgabe Mai 2022

Dieses Buch erschien bereits 2014 unter dem Titel »Blau ist die Farbe der Liebe« und dem Pseudonym Carlotta Franck bei Knaur.

Copyright © der Originalausgabe 2014 by Knaur Taschenbuch.

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Andrey Arkusha / AstroStar / Dennis van de Water / MagSpace / Alex Stemmer / Bildagentur Zoonar GmbH / schankz / Vector / ilolab

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-072-4

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Verena Rabe

Das Leuchten bretonischer Nächte

Roman

dotbooks.

Für meine Familie

Licht

Er liegt dort draußen

unter einem Stein.

Sein Körper spürt

keinen Schmerz mehr.

Er hat ihn abgestreift.

Die Hülle bleibt zurück

und wird zu Erde

nach einer Zeit.

Aber er schwebt über allem.

Seine Seele sieht auf seinen Körper.

Er fliegt wunschlos und Liebe umhüllt ihn.

Er ist wieder frei

und wird eins mit

dem ewigen Licht.

Kapitel 1

Erinnerst du dich an die Kornblumen, die du mir gepflückt hast, als wir in Dänemark waren und diese verregneten Wochen mit den noch kleinen Kindern verbracht haben, und wie Finn und Katha und dann Jule krank wurden? Du hattest die von mir so geliebten Blätterteigbrötchen gekauft und diese wunderbaren Rosinenböller. Es hatte wieder die ganze Nacht geregnet, und die Kinder waren nicht nur einmal wach geworden. Du hattest mich schlafen lassen und warst leise aus dem Zimmer geschlichen. Als du wiederkamst, lag ich noch im Bett, links und rechts von mir schliefen die Zwillinge. Ich sehe dich noch genau, wie du mit der Milchkanne, die du in der Küche gefunden hast, und dem Kornblumenstrauß darin neben unserem Bett standest, in dem in den vergangenen Tagen nichts anderes gelegen hatte als kranke Kinder und unsere erschöpften Körper, die nur noch schlafen wollten.

»Wir schaffen das«, hast du gesagt. »Die Romantik kommt auch irgendwann wieder. Du liebst doch Kornblumen. Und wir lieben uns, das ist die Hauptsache.« Dann sind wir leise aus dem Zimmer geschlichen und haben uns mit einem Kaffee und den leckeren Rosinenböllern in Wolldecken eingehüllt ans Fenster gesetzt und in den Regen geschaut. Und ich wusste, dass wir uns immer lieben werden, dass wir alles schaffen werden, dass unsere Zusammengehörigkeit größer ist als alle Widrigkeiten auf dieser Welt. Mit dir war die Liebe blau, so wie die Kornblumen, so wie das Meer an dem Tag, als ich dich das erste Mal sah. So wie meine strahlenden Augen, wenn ich dich angesehen habe, wenn du gerade mit etwas anderem beschäftigt warst. Unsere Liebe war für mich unendlich weit und gleichzeitig beruhigend. Ich habe es geliebt, mit dir in den Himmel zu schauen, von unseren verschiedenen Betten aus in den Ferienhäusern in Frankreich, die wir für uns und die Kinder gemietet hatten; oder den luxuriösen Hotelbetten nach einer wunderbaren Liebesnacht, die wir miteinander verbracht hatten, wenn wir uns mal wieder davonstahlen und den Familienalltag für ein Wochenende vergaßen. Zu unserem letzten Hochzeitstag hast du mir einen silbernen Ring mit einem wunderbaren blauen Stein geschenkt; groß und schwer ist er, mit arabischen Mustern, Spiralen. Sie bedeuten die Unendlichkeit unserer Liebe, hast du damals gesagt.

Weißt du noch, mein Lieber, wie wir dieses Spiel spielten? Was siehst du, so nannten wir es doch? Du wolltest, dass ich dir alles beschreibe, was ich draußen gesehen habe, selbst wenn ich nur deine Medizin aus der Apotheke holte. Du konntest ja nicht mehr hinaus. Nur der Ausblick aus den Fenstern deines Schlafzimmers war dir geblieben. In den letzten Tagen deines Lebens hast du stundenlang schweigend in den Himmel gesehen und beobachtet, wie der Wind die Baumwipfel bewegte.

Hätten wir dein Bett ins Erdgeschoss transportiert, als es noch ging, wäre die Pflege sicher einfacher gewesen.

Aber Jule wollte es nicht. Papa möchte den Himmel sehen und keine Menschen, die auf dem Gehweg vor dem Haus hin und her wandern, sagte sie. Du hast genickt und voll Dankbarkeit ihre Hand gestreichelt. In dieser Zeit fiel dir das Sprechen manchmal schon zu schwer. Weißt du, dass ich manchmal eifersüchtig auf unsere älteste Tochter war, weil sie dich so oft wortlos verstand? Wir mussten meist miteinander reden, weil wir von unterschiedlichen Planeten stammten. Aber war das nicht auch der Reiz unserer Liebe?

Du warst oft erstaunt, wie wenig präzise Ortsangaben ich machte, wenn ich dir von meinen kleinen Ausflügen in das Einkaufszentrum erzählte. Wo genau war das, hast du mich dann gefragt, rechts oder links von der Sparkasse? Wie soll ich das wissen, meinte ich. Du hast besorgt gelächelt und dich sicher gefragt, wie ich so ohne Interesse und Begabung für Orientierungssinn oder geographische Details in Zukunft allein durchs Leben kommen sollte.

Aber ich kann dir Dinge erzählen, die dir ohne mich bestimmt nicht auffallen würden: Oder wusstest du, dass die dunkelhaarige, hübsche Verkäuferin beim Bäcker mit Herrn Meyer im Hinterzimmer seines Kioskes schläft, wenn seine Kinder aus der Schule kommen und er deshalb sicher sein kann, dass seine Frau nicht im Kiosk vorbeischaut? »Hast du sie dabei gesehen?«, fragst du mich skeptisch. Natürlich nicht, aber als sie mir gestern Mittag vor dem Kiosk begegnete, strahlte sie so, wie man es nur tut, wenn man gerade guten Sex hatte. »Woher weißt du, dass Herr Meyer verheiratet ist und Kinder hat?«, fragst du. Das hat er mir erzählt. Aber ich kenne ihn doch besser als du, ich habe ihn viel öfter gesehen, höre ich dich beleidigt sagen.

Seit du nicht mehr da bist und ich überhaupt wieder Zeitung lesen kann, gehe ich regelmäßig zum Kiosk um die Ecke. Du weißt sicher; dass Herr Meyer bei deiner Beerdigung in der letzten Reihe saß und weinte? Er hat mir gesagt, dass er dich vermisst, weil ihr euch immer so gut unterhalten habt. Wie Männer eben miteinander reden: über Politik, Fußball und die Welt, aber nicht über Privates.

Finn würde jetzt ernsthaft nicken und Katha grinsen. Die Mädchen und ich haben uns manchmal vorgestellt, wie du und Finn als Steinzeitmänner auf die Jagd gegangen wärt: Du still und ganz bei der Sache und Finn verträumt und schnell gelangweilt. Er hätte sicher nicht lange schweigen können und mit seiner Plauderei alle Tiere vertrieben.

Du fehlst ihnen sehr, auch wenn sie es mir nicht so oft sagen, weil sie mich nicht traurig machen möchten. Jetzt höre ich auf. Ich habe dich lange genug mit meiner Plauderei unterhalten. Wir sprechen uns morgen, mein Lieber. Ich freue mich dann darauf, dir wieder etwas zu erzählen. Du bist immer noch mein bester Zuhörer, ich liebe dich.

Sanne

Susanne Mewes klappte ihr schwarzes Moleskine-Notizbuch zu und legte es zurück in die abschließbare Schublade des Schreibtisches.

Früher hatte sie dort ihr Tagebuch aufbewahrt und immer darauf geachtet, dass sie verschlossen war, weil sie nicht wollte, dass jemand auf der Suche nach einem Klebestift oder einer Schere darüber stolperte und es aus Gedankenlosigkeit las. Aber jetzt brauchte sie nichts mehr abzuschließen. Sie ging die Treppe vom ersten Stock, dessen Zimmer sie in Arbeitszimmer, Schlafzimmer und Bibliothek aufgeteilt hatten, nachdem die Zwillinge ausgezogen waren, ins Erdgeschoss hinunter. Vorhin hatte sie auch Davids Seite des Betts neu bezogen. Manchmal schlief sie nachts in der trügerischen Gewissheit ein, dass David irgendwo in Europa den Bau einer Brücke beaufsichtigte, wie er es all die Jahre getan hatte, bis er zu schwach zum Arbeiten war.

Das Telefon klingelte. Sanne konnte es nicht finden. »David, wo ist das Telefon?«, rief sie in die Leere des Treppenhauses, bevor sie sich daran erinnerte, dass sie es vorhin in der Küche vergessen hatte.

»Hallo, Mami«, sagte Katharina. Heute ist sie mit ihrem Kontrollanruf aber früh dran, dachte Sanne.

»Ist der süße Typ mit den roten Haaren wieder da, Katha?«, fragte sie.

»Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, vielleicht ist er krank? Aber ich habe heute schon ziemlich viel geschafft. Sonst werde ich ja immer von ihm abgelenkt, weil er hier in der Bibliothek schräg vor mir sitzt.«

»Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken, die Bibliothek zu wechseln«, sagte Sanne.

»Wohin denn?«

»Zu den Betriebswirten, da ist die Gefahr sicher nicht groß, dass du jemanden findest, der dir gefällt.«

»Wer weiß, vielleicht gibt es da irgendeinen Revoluzzer, der nur Wirtschaft studiert, um das korrupte Wirtschaftssystem von innen auszuhöhlen?«, gab Katha hoffnungsvoll zurück.

Sanne schmunzelte. Für ihre Tochter wäre es sicher perfekt gewesen, in den 70ern zu studieren. Im vorigen Sommer hatte sie nur Hippiekleider und Jesuslatschen getragen und sich sogar die unbequemen Holz-Clogs gekauft, die sie selbst als Kind so geliebt hatte.

»Was machst du heute noch?«, fragte ihre Tochter übergangslos.

»Ich werde arbeiten, und abends treffe ich mich mit Maria«, antwortete Sanne enthusiastisch.

»Schön. Ich muss wieder in die Bibliothek. Ich glaube, der Rothaarige ist gekommen. Vielleicht spreche ich ihn gleich an.«

»Viel Spaß«, sagte Sanne und dachte, dass Katha mit David sicher noch über den Stand ihrer Seminararbeit in Politologie und über die Literatur gesprochen hätte, die sie gerade las.

Sie sah in den mittlerweile halb verwilderten Garten. Der Rasen war viel zu lange nicht gemäht worden, Unkraut wucherte in den Beeten. Ich sollte einen Gärtner bestellen, dachte sie. Es selbst zu machen, hatte sie aufgegeben.

Seit Davids Krankheit im Frühling vor zwei Jahren auf einmal so schlimm geworden war, dass überhaupt nicht mehr daran zu denken war, dass er jemals wieder im Garten würde arbeiten können, war sie einige Male mit dem festen Vorsatz hinausgegangen, selbst etwas Unkraut zu jäten oder die Blüten der Rhododendren abzudrehen, damit sich dort keine Schädlinge einnisten konnten. Sie hatte in einem von Davids Gartenbüchern nachgelesen, ohne sich dafür zu interessieren. Als sie dennoch in den Schuppen ging, um die Gartengeräte zu holen, die David dort ordentlich an die Wand gehängt hatte, war sie beim Anblick der Rosenschere in Tränen ausgebrochen. Er hatte sie immer in die rechte hintere Hosentasche seiner Jeans gesteckt und dort manchmal vergessen. Sanne hatte sie gefunden, wenn sie vor dem Wäschewaschen die Taschen aller Jeans leerte.

In den Monaten bevor David starb, hatte Jule die Gartenarbeit noch übernommen. Sie ging hinaus, wenn die Pflegerin David wusch, weil sie es nicht ertragen konnte, dass ihr starker Vater zum Schluss bei allem Hilfe brauchte wie ein Kleinkind. Aber sie konnte die Ordnung im Garten wiederherstellen und dadurch helfen. So wie David es immer getan hatte.

Jules Körperhaltung beim Harken ähnelte Davids. Auch sie beugte sich ein wenig zu weit nach unten, und die Harkenstriche folgten demselben lautlosen Rhythmus, dem David gefolgt war. Ab und zu hatte sie innegehalten und zu ihrem Vater hinaufgeschaut, der neben Finn in seinem Rollstuhl auf dem Balkon kauerte.

»Willst du nicht helfen, Finn?«, hatte Jule zu den beiden hinaufgerufen. »Ich unterhalte Paps«, hatte er geantwortet. »Das ist genauso wichtig.« Jule hatte gelächelt. Vielleicht sollte ich doch versuchen zu arbeiten, dachte Sanne. Sie hatte vorhin gelogen. Sie war heute Morgen zwar früher aufgestanden als in den vergangenen Wochen und hatte sich nach einem schnellen Frühstück im Backhus am Markt an den Schreibtisch gesetzt, aber sie hatte nichts geschafft außer den Eintrag in das schwarze Notizbuch. Würde sie jemals wieder in der Lage sein, einen Roman zu übersetzen? Sie wusste, dass sie sich langsam Gedanken über ihre Zukunft machen musste. Die Lebensversicherung ihres Mannes reichte zwar noch einige Zeit, aber bestimmt nicht bis an ihr Lebensende, und alles, was sie gespart hatten, war für die Pflege draufgegangen. Keiner hatte jemals vermutet, dass sie mit 48 schon Witwe sein würde. Jetzt gab es noch eine lange Strecke ohne David zu leben. Wenn sie daran dachte, spürte sie immer noch einen stechenden und zugleich dumpfen Schmerz hinter dem Brustbein. Sie hatte selbst dann noch nicht damit gerechnet, dass David sterben könnte, als es überhaupt keine Hoffnung mehr für ihn gab.

Nach der dritten Chemotherapie hatte Maria ihnen geraten, nach Hause zu gehen, weil keine Therapie mehr etwas bringen würde, und Sanne hatte es zuerst für einen makaberen Scherz ihrer Freundin gehalten. Aber als David sie traurig ansah und ihr sagte, dass es ihm leidtäte und dass er es versucht hätte, erkannte sie, dass sie sich tatsächlich darauf einstellen musste, den Mann zu verlieren, den sie seit 26 Jahren liebte. Ausgerechnet in diesem Moment tröstete David sie. Er nahm sie in die Arme, wiegte sie wie ein kleines Kind und bat sie dann, ihn nach Hause zu bringen.

Am folgenden Wochenende besuchten sie alle drei Kinder. Sie saßen um den Esstisch, an dem auch sämtliche Schulabschlüsse, Konfirmationen, Geburtstage, Weihnachten, Ostern mit einem opulenten Essen gefeiert worden waren. Nur hatte David dieses Mal gegessen wie ein Spatz, was sonst nie seine Art gewesen war. Sie hatten beschlossen, es den Kindern erst zu sagen, wenn sie beide mit der Unabänderlichkeit der Diagnose würden leben können.

Davids Augen hatten trotz der schlimmen Nachricht gestrahlt, er hatte gelächelt und sich darüber gefreut, Teil dieser Tischrunde zu sein, bei der sich alle ins Wort fielen, sich selten ausreden ließen. Er trank Wasser und nippte an seinem Rotwein, damit die Kinder nicht sofort Verdacht schöpften. Sanne wusste, dass jeder Schluck für ihn eine große Qual war. Die Chemotherapien hatten seine Mundschleimhäute zu sehr angegriffen. Jegliche Lebensmittel, die säurehaltig waren, bereiteten ihm große Schmerzen. Sie saß neben ihm und legte ihre Hand immer wieder auf seinen Arm oder streichelte seine Hand, aber das fiel den Kindern nicht auf, weil es nicht ungewöhnlich war.

Sanne stellte den Fernseher um vier Uhr nachmittags an, weil sie es nicht mehr ertragen konnte, an ihrem Schreibtisch zu sitzen und nicht arbeiten zu können. Sie schaltete auf ARTE und sah irgendetwas über Napoleon. Am Anfang war sie noch interessiert, aber schon nach kurzer Zeit schweiften ihre Gedanken ab. Früher hatte es sie entspannt, in den Übersetzungspausen fernzusehen. Jetzt konnte sie sich noch nicht einmal einige Minuten auf ein Thema konzentrieren.

Maria empfing sie am Abend mit einem kritischen Blick. »Hier, trink etwas Wein, das ist ein sehr leckerer Grauburgunder«, sagte sie nach der Begrüßung. Sie standen schweigend mit ihren Gläsern im dunklen Wohnzimmer und sahen über die Elbe zur Blohm-und-Voss-Werft hinüber. Die Geschäftigkeit auch noch um diese Zeit gab Sanne das beruhigende Gefühl, dass die Welt weiter funktionierte, auch wenn sie nicht ganz an ihr teilnahm. Vielleicht sollte ich das Haus verkaufen und in eine Wohnung nach Ottensen ziehen, dachte sie. Hier hatten sie gewohnt, bevor die Kinder kamen, und nur ihretwegen waren sie an den Stadtrand im Hamburger Norden gezogen.

»Im Haus wird bald eine Wohnung frei«, sagte Maria in die Stille hinein. Sanne wunderte sich schon lange nicht mehr darüber, dass ihre Freundin manchmal ihre Gedanken erriet. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Würden die Kinder damit einverstanden sein, wenn sie das Haus verkaufte? Katha und Finn hatten vor kurzem gesagt, dass sie auf jeden Fall in Berlin bleiben wollten. Jule wohnte mit ihrer Familie in einem eigenen Haus in Othmarschen. Sanne vermutete, dass Finn am besten verstehen würde, wenn sie ihr Haus verkaufte. Er konnte sich sehr gut in sie hineinversetzen, manchmal war es ihm besser gelungen als David. Momentan studierte er Psychologie, aber eigentlich wollte er Schauspieler werden. Seit einigen Monaten bereitete er sich mit einem Schauspiellehrer aufs Vorsprechen vor. Um diesen zu bezahlen, arbeitete er manchmal in einer Kneipe im Prenzlauer Berg. Sanne konnte sich nicht daran erinnern, wann Finn schon jemals so zielstrebig gewesen war.

Maria schwieg immer noch. Auch das liebte Sanne an ihrer Freundin. Sie ließ ihr die Freiheit, eigenen Gedanken nachzuhängen.

»Ich habe Hunger, wollen wir essen gehen?«, stieg Sanne nach einer Weile in ein Gespräch ein.

»Schlaf doch bei mir. Ich habe endlich mal frei und werde sowieso nicht vor drei ins Bett können, weil ich jetzt so viele Nachtdienste gehabt habe. Morgen gehen wir dann noch im Unter den Linden frühstücken.«

»Vorteilhaft, wenn man Witwe ist. Man muss noch nicht einmal jemandem Bescheid sagen«, sagte Sanne.

»Hör auf zu jammern. Diese Phase haben wir doch hinter uns. David würde das auch nicht wollen. Bevor er starb, hat er mir noch gesagt, dass meine Aufgabe nicht nur darin bestehen wird, dich zu trösten, sondern auch, dich zu gegebenem Anlass mit Alkohol abzufüllen und sinnentleerte Dinge zu tun. Hat er nicht auch noch gesagt, das kann sie am besten mit dir?« Sanne nickte lächelnd. Das klang nach David.

»Unter den Tisch trinken wirst du mich heute aber sicher nicht, nach Nachtdiensten bist du ja immer schon nach der ersten Flasche blau«, meinte Sanne.

»Lass uns das jetzt nicht diskutieren«, erwiderte Maria. »Ich habe, glaube ich, gestern Nacht zum letzten Mal was gegessen. Vielleicht solltest du Jule aber noch Bescheid sagen, damit sie sich keine Sorgen macht. Sie ist doch morgen mit dem Kontrollanruf an der Reihe?«

»Stimmt. Irgendwie sind die Rollen gerade vertauscht. Sie fühlen sich verpflichtet anzurufen, weil ich allein in diesem Haus bin. Als Kinder und Teenager war es genau umgekehrt. Kannst du mal mit ihnen reden und ihnen sagen, dass mir nichts passieren wird, nur weil ich jetzt allein wohne?«

»Schick Jule doch eine SMS, dass du bei mir schläfst, dann ist sie beruhigt. Vielleicht besuchst du sie morgen, bevor du nach Hause fährst?«, schlug Maria vor.

»Ja, Mama«, sagte Sanne und lächelte. Sie hatte keine Ahnung, woher Maria die Kraft nahm, nach einer harten Woche im Krankenhaus noch fürsorglich zu sein, aber sie genoss es.

Im Bok in der Schanze hoben sie das Durchschnittsalter unbestritten an, aber das störte Sanne nicht. Auch jetzt sah sie nicht aus wie 48. Die Falte zwischen ihren Augen war zwar markanter als vor Davids Tod, und wenn sie sehr müde oder deprimiert war, hingen ihre Mundwinkel schlaff herunter, aber noch reichten dunkelblonde Strähnchen aus, um ihre grauen Haare abzudecken, und sie hatte im vergangenen Jahr so viel abgenommen, dass sie wieder in Hosen passte, die ihr zehn Jahre lang zu eng gewesen waren. Aber sie musste auch gar kein Eyecatcher sein, wenn sie mit Maria unterwegs war, denn ihre fünf Jahre jüngere Freundin zog sowieso überall die Blicke auf sich mit ihrem schwarzen glatten Pagenkopf, ihrem ebenmäßigen hellen Teint und den grünen Augen, die einen aufregenden Kontrast zu ihrem jetzt sehr rot geschminkten Mund bildeten. Wenn sie nicht so gut mit ihr befreundet gewesen wäre, hätte sie sich neben Maria sicher unscheinbar gefühlt. Sie fand, dass an ihr selbst alles normal war: die Größe, die Figur, ihre mittelblonden Haare, die sie sich in der schlimmsten Zeit mit David kurz abgeschnitten hatte und die sie jetzt wieder wachsen ließ. Keiner, der Maria zuerst sah, vermutete, dass sie Oberärztin einer onkologischen Abteilung war. Manchmal ließ sie die Leute raten, und die meisten tippten auf etwas Kreatives: Modedesignerin oder Schriftstellerin oder irgendetwas in der Werbung. Ihre Augenringe und ihre schwarz getuschten Wimpern verstärkten diesen Eindruck noch.

Auch jetzt hatten zwei Männer, die aussahen wie Kreative, ihre Fährte aufgenommen. Sie saßen im hinteren Teil des Restaurants an der Bar und warfen Maria interessierte Blicke zu.

»Wenn du heute noch jemanden abschleppen willst, habe ich gleich zwei Kandidaten für dich«, stellte Sanne neidlos fest.

»Wo? Sehen sie gut aus?«, fragte Maria.

»Wohl um die zehn Jahre jünger als du, also passt das schon mal«, sagte Sanne. Maria musterte die Männer unverhohlen, bis sie rot wurden. Wie macht sie das, fragte Sanne sich nicht zum ersten Mal. Nicht dass sie selbst Interesse gehabt hätte, jemanden abzuschleppen. So etwas stand definitiv noch nicht wieder auf ihrer Agenda. Aber dennoch überlegte sie manchmal, ob sie Marias Augenausdruck, der irgendwo zwischen Begehren und Missachtung lag und jeden Mann in Unruhe versetzte, lernen könnte.

»Bin leider zu müde«, sagte Maria und drehte sich zu ihr um. »Lass mich zahlen, bevor sie rüberkommen.«

Sanne wusste, dass es keinen Sinn machen würde, Maria zu bitten, die Rechnung mit ihr zu teilen.

»Ich verdiene mehr Geld als du, und solange das so ist, zahle ich. Endlich kann ich auch mal auftrumpfen, sonst wart ihr ja immer besser dran«, sagte sie mit einem Grinsen.

Draußen rauchte Maria ihre obligatorische Zigarette.

»Ich habe den stressigsten Beruf der Welt, wie soll ich da nicht rauchen?«, antwortete sie jedem, der sie fragte, warum sie als Krebs-Fachärztin überhaupt noch rauche.

Sie landeten im Birdland zur Jam Session. »Wenn mein Vater nicht so wahnsinnig dominant und noch dazu so ein guter Arzt gewesen wäre, würde ich jetzt als Jazzsängerin in Berlin ein Bohemeleben führen«, seufzte Maria, als sie die Treppen zur Jazzkneipe hinabstiegen.

»Du kannst doch immer noch was ändern«, meinte Sanne. Maria schüttelte den Kopf.

»Ich habe mich dummerweise an das Geld gewöhnt, das mir der Dienst an der Menschheit bringt«, sagte sie. »Dann kann ich dir auch nicht helfen. Aber ich bin dein größter Fan, wie du weißt. Was singst du heute?«

»Wünsch dir was, aber nichts, das dich traurig macht«, sagte Maria. Wie soll das gehen, fragte Sanne sich. Sie hatte mit David fast alle Stücke aus Marias Repertoire gehört.

»Gut, du hast es so gewollt«, sagte Maria mit dramatisch hochgezogenen Augenbrauen.

»Ich kauf dir ein Bier, dann wirst du lockerer«, schlug Sanne vor. Sie setzten sich an einen frei gewordenen Tisch in die Nähe der Bühne. Heute waren auffällig viele Männer über sechzig da, die mit Kennermiene Beate Kynast und ihrer Band zuhörten und so aussahen, als ob sie in den 70ern schon im Onkel Pö rumgehangen hatten. David wird nie so alt wie die, schoss es Sanne durch den Kopf. Würde die Trauer sie auf ewig manchmal wie aus dem Hinterhalt überfallen?

Maria streichelte ihren Handrücken. »Nicht jetzt. Ich habe ihm versprochen, dich irgendwann wieder zum Lächeln zu bringen. Auch wenn ich mich dabei vielleicht zum Affen mache. Ich muss jetzt«, sagte Maria mit plötzlich piepsiger Stimme. »Wünsch mir Glück.« Bevor sie zur Band ging, drehte sie sich noch einmal zu ihr um und tat so, als ob sie Lampenfieber hätte. Es sah komisch aus. »Das war eben ein kleines Lächeln, danke, Gott«, sagte Maria und streckte die Arme gen Himmel. Dann beugte sie sich zum Pianisten hinunter, und alle graumelierten und weißhaarigen Männer hielten den Atem an, weil sie so beiläufig wie verführerisch ihren Po herausstreckte, den Rücken dabei gerade machte, sich noch tiefer beugte und dem Pianisten leicht über die Schulter strich, als ob sie ihn liebkoste. So blieb sie lange genug, um sicher zu sein, dass sie die Aufmerksamkeit von jedem im Publikum hatte. Dann lachte sie ihr unverwechselbares, kehliges Lachen, drehte sich um, blinzelte ins Scheinwerferlicht und nahm das Mikro in die Hand.

»Der erste Song ist für meine liebste Freundin, sie weiß schon, warum: Mr. Bojangles«, sagte sie.

Maria begann zu pfeifen. Dieses Lied hatte sie mit David unzählige Male gehört, dachte Sanne. Warum machte Maria das? Sie wusste doch, dass es sofort wieder weh tat? Sie konnte ihr Gesicht jetzt nicht in den Händen verbergen, also ließ sie die Tränen einfach laufen und hoffte, dass es niemand bemerkte. Als zweites Lied sang Maria The Art of How to Fall von Rebekka Bakken – ihre Hymne, sie spielte mit dem Mikro und tanzte. Sie trug eine Marlene-Dietrich-Hose und einen schwarzen Rollkragenpullover, und für einen Moment war das nicht mehr der bekannteste Jazzclub Hamburgs im Jahr 2010, wo Rauchverbot herrschte, sondern eine existentialistische Kellerbar, in der dicke blaue Rauchschwaden hingen, irgendwo im Paris der 50er Jahre. Jeder im Raum war sich sicher, dass Maria nur mit ihm oder ihr flirtete. Sanne merkte, wie der Schmerz wieder nachließ und sie ihrer Freundin fasziniert zusah. Als Zugabe sang sie Cocaine von Eric Clapton, auch ein Lieblingslied von David.

»Ich weiß, es war hart für dich«, sagte Maria, als sie zurückkam. »Aber ich musste es tun. Du hast Musik auch schon geliebt, bevor du David kanntest. Und er würde nicht wollen, dass du sie seinetwegen aufgibst.«

Sanne war mittlerweile darin geübt, still zu weinen, und sich ziemlich sicher, dass im Halbdunkel des Birdland niemand bemerkt hatte, wie ihr Tränen übers Gesicht liefen. Sie wischte sie nicht mit einer verstohlenen Handbewegung weg, sondern stand auf und ging langsam zur Toilette. Sie sah nicht in den Spiegel, während sie Wasser über die Handgelenke laufen ließ, denn sie kannte diesen verzweifelten, hilflosen Augenausdruck zu genau. Wie lange würde es dauern, bis das endlich vorbei war? Eigentlich war sie doch ein fröhlicher Mensch. Sie liebte es, zu lachen, laut Musik zu hören, zu tanzen und zu lieben. Jedenfalls hatte sie das alles immer geliebt, nicht nur seit sie mit David zusammengelebt hatte. Sie hatte doch Energie gehabt und Liebe, nicht nur für ihren Mann, sondern für ihre Kinder, für ihre Freunde. Das hatte sie doch ausgemacht? Jetzt war nicht mehr viel davon übrig. Wie sie diesen Zustand hasste! Sanne wusste, dass Maria hier gleich auftauchen würde, wenn sie nicht wieder zurück in die Kneipe ginge. Sie wollte nicht mehr diejenige sein, auf die man achtgeben musste, die in Kneipen im Waschraum saß und weinte. Es war doch nichts mehr zu ändern. Sie würde immer weiter eine Witwe bleiben und mit der Tatsache klarkommen müssen, dass ihr Mann mit 54 gestorben war.

»Sei nicht verzweifelt«, hörte sie Davids Stimme und hatte das Gefühl, dass er sie in den Arm nahm. »Es wird wieder besser.« Sie schloss die Augen und genoss seine Nähe. Auch wenn die anderen es nicht verstanden, er war immer noch bei ihr, und wenn sie es wollte, konnte sie mit ihm sprechen oder ihn fühlen, so wie jetzt. »Meine Süße«, hörte sie ihn flüstern und leise lachen. »Weißt du noch, wie gerne ich mit dir getanzt habe?«

Maria stand plötzlich neben ihr.

»Lass uns gehen, es war zu viel für dich, es tut mir leid«, sagte sie. Sanne drehte sich zu ihr um. David war nicht mehr da, aber sie spürte immer noch seine Energie. »Was ist los?«, fragte Maria. »Eben warst du noch am Boden zerstört, und jetzt grinst du so selig, als ob du gekifft hättest.«

»David war hier.« Maria konnte sie so etwas sagen. Ihre Freundin hatte schon zu lange mit dem Tod und dem Sterben zu tun, um nicht daran zu zweifeln, dass alles mit dem Tod zu Ende war.

»Das ist schön, Schätzchen«, sagte sie leise und gab Sanne einen Kuss auf die Wange. »Du weißt, dass wir dich lieben. Und daran wird sich auch nie etwas ändern.«

Am nächsten Tag wachte Sanne schon um neun Uhr auf, obwohl Maria und sie erst um vier Uhr im Bett gewesen waren. Sie genoss das Gefühl, nicht allein zu sein, und ging in die Küche, um Kaffee zu kochen. Einen Blick in den Kühlschrank konnte sie sich sparen. Ihre Freundin kaufte nie etwas ein, wenn sie Nachtdienste hatte. Sie klopfte an Marias Zimmertür und hörte ein verschlafenes »Komm rein«. Insgeheim war Sanne froh, dass Maria jetzt abgeschminkt war und nicht mehr so spektakulär aussah wie gestern Abend. Sie reichte ihrer Freundin den Kaffee und wickelte sich in die zweite Bettdecke.

»Ich sehe, dir geht es heute Morgen gut«, sagte Maria.

Sanne nickte. Sie hatte davon geträumt, mit David zu schlafen, war aber nicht mit dem tödlichen Gefühl der Einsamkeit wieder aufgewacht.

»Weißt du, dass ich demnächst Urlaub habe?«, fragte Maria und sah Sanne vielsagend an.

»Was willst du machen?«, fragte Sanne geistesabwesend zurück.

»Mit dir nach Paris fahren«, sagte Maria schnell.

»Ich kann doch nicht weg. Du weißt, es wäre zu viel Organisation«, antwortete Sanne automatisch.

»Das war letztes Jahr. Es ist vorbei. Du kannst jetzt jederzeit verreisen.«

»Aber die Kinder brauchen mich.«

»Entschuldige, meine Liebe, wenn ich dich da enttäuschen muss, aber die Kinder brauchen dich nicht.«

»Doch, Konstantin. Jule verlässt sich darauf, dass ich zweimal die Woche auf ihn aufpasse.«

»Und wenn, dann muss sie sich mal daran gewöhnen, dass sie sich jetzt nicht auf dich verlassen kann. Sie hat genug Geld, eine Haushälterin und ein Au-pair-Mädchen zu engagieren, und soviel ich weiß, hat Konstantin noch andere Großeltern.«

»Ich werde sie zu sehr vermissen. Ich kann nicht fahren. Das musst du verstehen.«

»Wie viel hast du in der letzten Zeit übersetzt?«, fragte Maria.

»Nichts«, sagte Sanne. Es brachte nichts zu lügen.

»Und wie gedenkst du dann deinen Lebensunterhalt zu verdienen?«

»Weiß nicht«, sagte Sanne beleidigt.

»Quengele nicht so wie ein störrisches Kind. Ich weiß, dass du so viel Geld auf der Bank hast, dass du noch eine Weile davon leben könntest, aber wie lange willst du noch herumsitzen und nichts tun?«

»Ich habe es versucht, ich kann mich nicht lange genug konzentrieren«, sagte Sanne. »Das werde ich wohl nie wieder schaffen.«

»Blödsinn. Du warst eine Meisterin der Konzentration. Erinnerst du dich, als die Kinder klein waren und wir mit ihnen zu diesem unseligen Indoorspielplatz gefahren sind? Ich habe die ganze Zeit herumrennen und deine Kids beaufsichtigen müssen, während du seelenruhig ein Manuskript von deinem Lieblingsfranzosen gelesen hast.«

»War das so?«

»Du hast noch nicht einmal aufgesehen, als neben dir eine Familie lautstark zu streiten anfing. Haben sie sich nicht auch noch zum Schluss geohrfeigt?«

Sanne konnte sich noch sehr gut an den Nachmittag erinnern. Sie hatte sehr wohl ab und zu aufgesehen und Maria dabei beobachtet, wie sie mit hochrotem Kopf zwischen Jule, Finn und Katha hin- und hergelaufen war, wohl weil sie Angst hatte, die Kinder würden im Gewühl verlorengehen oder gekidnappt werden.

»Du warst danach nie wieder mit«, meinte Sanne. »Wirklich? Daran kann ich mich nicht erinnern. Es hat mir doch so großartig gefallen«, sagte Maria lahm.

»Ja, klar.«

»Lenk nicht vom Thema ab. Also, du musst nach Frankreich, um wieder reinzukommen. Sonst sucht sich dein Verlag eine andere Übersetzerin für deine Autoren. Das willst du doch auf keinen Fall.«

»Es gibt sicher viele, die besser sind als ich.«

»Mag sein, aber dich kennen sie und wissen, dass du die Fristen immer einhältst. Nicht umsonst hat der Verlag dir immer mehr gezahlt als das übliche Honorar.«

»Aber wie soll ich wieder reinkommen? Ich habe das Gefühl, dass ich auch überhaupt nicht mehr französisch sprechen kann.«

»Blödsinn. Wenn du mit mir erst mal in einem Pariser Café sitzt und wieder anfängst, mit den Franzosen zu flirten, wird dir schon alles wieder einfallen. Erinnerst du dich noch an die Zeit vor David? Da warst du Königin darin und, wenn ich dich daran erinnern darf, auch manchmal während eurer Ehe«, sagte Maria schnell.

»Und mit dir Biest soll ich nach Paris«, gab Sanne gutmütig zurück. Maria behandelt mich nicht mehr wie ein rohes Ei, dachte sie. Sie meint also, dass es mir besser geht. Vielleicht ist die schlimmste Zeit wirklich vorbei?

»So, und jetzt gehen wir frühstücken, hörst du meinen Magen knurren?«

Während Maria sich in einer langatmigen Prozedur zurechtmachte – sie ging auch um diese Tageszeit nie ohne ihr dramatisches Make-up aus dem Haus –, beobachtete Sanne den Schiffsverkehr auf der Elbe. Wann war sie zum letzten Mal verreist? David war damals schon krank gewesen, aber sie hatten es nicht gewusst. Er war auf den Wanderungen durch die schottischen Hochmoore sehr schnell kurzatmig geworden und hatte darüber geschimpft, dass er so untrainiert war.

»Fang doch an, Sport zu machen, wenn wir wieder zu Hause sind«, hatte Sanne genervt gesagt. »Dann verlierst du vielleicht auch wieder den kleinen Bauch. Wenn man über fünfzig ist, muss es nämlich nicht so sein, dass man zwangsläufig in die Breite geht.«

»Aber du«, hatte David zurückgegeben, und sie waren den Rest des Weges schweigend hintereinander hergegangen. Wegen seiner Bemerkung war sie so wütend auf ihn gewesen, dass sie erst abends im Pub wieder mit ihm gesprochen hatte. Nach dem Urlaub war David zum Check-up gegangen und hatte erfahren, dass etwas nicht stimmte.

»Weißt du noch, wie wir nach Schottland bei dir im Krankenhaus waren?«, fragte Sanne unvermittelt, als sie auf die Croissants und ihren Café au Lait warteten.