Das Neutralistenfundament - Susanne Kowalsky - E-Book

Das Neutralistenfundament E-Book

Susanne Kowalsky

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Beschreibung

Verkehrschaos? Abgeschafft. Klimakrise? Nicht vorhanden. Gewalttaten? Undenkbar. Eine Staatsform im Wandel, digital, bequem und sicher. Familie Vogelbaum lebt in einer durchstrukturierten Gesellschaft, in der für alle und alles gesorgt wird. Besonderen Wert legt das System auf Gesundheit und vollkommene Gleichberechtigung. Eine perfekte Welt, in der es keinerlei Ausgrenzungen gibt. Schön sein? Verboten! Denn das grenzt diejenigen aus, die nicht schön sind.

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Seitenzahl: 114

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Impressum
Ich bedanke mich
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Nachwort
Weitere Bücher von Susanne Kowalsky

Susanne Kowalsky

Das Neutralistenfundament

Gegen die Macht der Schönheit

Impressum

Text: © 2022 Susanne Kowalsky

Covergestaltung: © 2022 Susanne Kowalsky

Verlag: Susanne Kowalsky, Höhenweg 53, 46519 Alpen, [email protected]

Vertrieb: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Ich bedanke mich

bei meiner Birze für die geduldige Unterstützung bei sämtlichen Schreibversuchen,

Barbara Brammen, die sich zum zweiten Mal mit meinen Geistesblitzen auseinandergesetzt hat,

Silke Reinders-Garden, die mit Abstand eifrigste Testleserin überhaupt,

Andreas Blome, den Logikpapst des Plots.

Ein dickes Danke auch an Lusmore. Er weiß, wofür.

Herzlichen Dank an Andreas E. für die Initialzündung zu «Das Neutralistenfundament».

Dieses Buch wurde mit Papyrus Autor® erstellt, der besten Autorensoftware unserer Zeit.

Kapitel 1

Prophylaktische Zuzahlung. Meiner Standardrechnung werden ab sofort monatlich zwei Prozent aufgeschlagen. Nächste Woche höre ich mit dem Rauchen auf. Ganz bestimmt. Schon allein, weil ich sonst irgendwann nicht mehr zahlen kann. Zu dick bin ich auch. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann ich dafür die Quittung bekomme.

«Schnuppel?»

«Was ist?»

«Wo bleibst du? Wir wollten doch ...»

«Ich habe keine Lust mehr.»

«Wieso denn nicht, Schnuppelinchen? Du hast doch selbst vorgeschlagen, es gleich nach der morgendlichen Verpflegung zu tun.»

Er hat ja recht. Ich wollte es, will es, kann es kaum erwarten. Die Sache mit der Rechnung bespreche ich anschließend mit ihm.

«Sebastian! Bist du wahnsinnig? Du kannst nicht, das geht nicht, ich meine hier, mitten in der WohnCloud, splitternackt! Hör auf zu lächeln! Wenn wir erwischt werden!» Panisch schiebe ich mein Ehesubjekt in die IntimCloud. «Du hast vielleicht Nerven.»

Früher habe ich Sebastians lockere Art geschätzt. Heute ist das zu unreflektiert. Es sind eben andere Zeiten. Mein Manngeschöpf ist in dieser Hinsicht recht arglos. Aber er hat auch nicht so viele Einträge wie ich. Es wird allerhöchste Zeit, mit ihm zu reden.

Seine begehrlichen Lippen lächeln beispiellos. Lachfältchen begleiten tiefblaue Augen, die mich in einen temperierten See eintauchen lassen, wissend, dass unsere Seelen miteinander im Gleichklang schwingen. Langsam kommt er mir näher. Vorsichtig, gefühlvoll. Nach all den Jahren erzittere ich immer noch, wenn er mich zärtlich berührt. Seine Sinnlichkeit mündet in einer Reinheit, wie es sie nur unter Liebenden gibt. Dieser betörende Duft. Er macht mich vollends verrückt. Meine Finger krallen sich in seine weiche Haut. «Jaaaaaa! Oh, jaaaa!»

‹Ihre sexuellen Aktivitäten überschreiten den Jahreswert der durchschnittlichen Verweildauer in der IntimCloud. Überprüfen Sie die weitere Vorgehensweise. Denken Sie unbedingt an eine vermehrte Kalorienzufuhr nach dem vollzogenen Beischlaf.›

Jäh befördert mich der SystemBot zurück zu meinem Rechnungsproblem.

«Scheiße.»

Skurril. Kraftausdrücke sind sonst gar nicht seine Art, ein Manko in der Kommunikationsfähigkeit, hoffentlich nur vorübergehend.

«Sebastian! Zieh dich an. Ich muss mit dir reden, dringend.»

«Was für ein Stimmungswechsel. Muss das ausgerechnet jetzt sein?» Ein Vorwurf? Ist es etwa meine Schuld, dass wir uns unnötig lange in der IntimCloud aufhalten? Mit einem Individuum von der Schönheitspolizei wäre das Leben anders verlaufen, problemloser. Es gäbe nur mich und ein geschlechtsneutrales Menschengeschöpf mit garantiert sachbetontem Aussehen und einer nüchtern gestalteten SPOL-Uniform, rechts vorne das schlichte Emblem: ‹Ihre Wacht für Ihre Optik›. Null Diskussionen, ein müheloses, ein perfektes Leben. Aber dann gäbe es Vanessa nicht.

«Schnuppel? Zieh dich an, wenn du mit mir reden willst, bevor der nächste Hinweis ertönt», sagt er, streichelt mir sanft über die Schulter und verführt mich beinahe erneut. Typisch. Riskant! Hektisch eilen wir, die Klamotten übergeworfen, zur FridgeCloud. Zeit für die zusätzliche Kalorienzufuhr.

«Ich habe vorhin kurz in mein Postfach geschaut.»

«Das solltest du öfter machen, Schnuppi. Und lösche vor allem mal die alten WorkLetter.»

«Hasi. Es ist kritisch.» Er sieht mich an, sagt nichts, wartet, geduldig wie fast immer, wenn ich ihm ein ernsthaftes Thema ankündige. «Die Zahnbehandlung neulich. Die ist teuer.»

«Aber Schnuppi, was bedrückt dich daran? Lade dir mehr Arbeitsaufträge herunter und die Rechnung ist quasi bezahlt. In letzter Zeit sind deine Auftragsdownloads kontinuierlich gesunken, obwohl du alle WorkLetter abonniert hast, die es gibt und ...»

«Du verstehst nicht, worauf ich hinaus will.»

«Offenbar nicht, Schnuppel. Erklär es mir. Wir finden bestimmt eine Lösung.»

«Nun ja. Sie wird ab sofort immer höher, die monatliche Standardzuzahlung meine ich, wegen der Prophylaxe, du weißt schon.» Sebastians Blick sagt alles. Er versteht überhaupt nichts.

Mühsam halte ich meine Tränen zurück. Es ist besser, wenn ich das Thema mit Vanessa bespreche. Sie ist mehr als ein weiblicher Abkömmling. Mehr als ein befreundetes Menschenwesen. Mehr als ein Geständnissubjekt. Sie ist das Produkt unserer Liebe, eine gelungene Mischung der Gene. Mal abgesehen von ihrem Erscheinungsbild. Da kommt sie zum Glück zu hundert Prozent nach Sebastian. Unser Tochtergeschöpf hat es nicht nötig, wie eine Marionette bei dem ganzen Schönheitswahn mitzumachen. ‹Sie ziehen uns das Geld aus der Tasche›, sagt Vanessa immer, ‹diese verbrecherischen Industriellen, die meinen, unserem System mit Pflegeprodukten einen Gefallen zu tun.› Ein ständiger Streitpunkt zwischen uns beiden. Nicht lange darüber nachdenken. Das verdirbt die Lebensfreude. In der AttractionCloud ergattere ich vielleicht interessante Sonderangebote.

‹Verifizierung. Zugriffsverweigerung. Letzte Speicherung Ihres Profils: Schönheitsprodukte sind Schwachsinn. Sagen Sie: Eins für Stimmt oder Zwei für Meinungsanpassung.›

«Zwei.»

‹Auswahl gemäß Kollektivbeschluss unzulässig.›

«Dann eben Eins.»

‹AttractC hat Sie nicht verstanden.›

«EINS.»

‹Auswahl verarbeitet. Sie lassen sich von verbrecherischen Industriellen das Geld aus der Tasche ziehen. Wollen Sie das? Sagen Sie: Eins für Ja oder Zwei für Nein.›

«Eins.» Geschafft. Ich durchstöbere digitale Wühltische, entdecke Sonderangebote, mehrfach herabgesetzte Auslaufartikel. Bestellung abschließen und ... Fehlermeldung. Was? Wieso denn? Warum darf ich keine Restposten ordern? Muss ich allen Ernstes den ChatBot kontaktieren? Ich fürchte, das führt zu einer Profilerweiterung. Auf eine Fortbildung jedweder Art, sofern ich suggeriere, Wissenslücken für mich zu beanspruchen, habe ich überhaupt keine Lust. Andererseits hätte ich gern die Hautcreme. Wer weiß, wie lange sie verfügbar ist. In Kürze läuft die Bestellzeit ab. Eile ist geboten. Ich ziehe doch den ChatBot zu Rate.

‹Hallo. Wie kann ich dir helfen?›

«Ich möchte Auslaufartikel bestellen.»

‹Ein Artikel mit dieser Bezeichnung ist nicht in unserem Sortiment. Treffe bitte eine neue Auswahl.›

«Ich meine die Restposten im Warenkorb.»

‹Dein Warenkorb beinhaltet indizierte Pflegeprodukte.›

«Indizierte Pflegeprodukte sind doch erlaubt, wenn es Restposten sind oder nicht?»

‹Oder ist mehrdeutig. Treffe bitte eine eindeutige Auswahl.›

Ein sinnloses Unterfangen. Dabei habe ich extra auf vegane Produkte und deren umweltfreundliche Herstellung geachtet. Die Verpackung schien mir ebenfalls den Regeln der systemseitigen Überwachungseinheit zu entsprechen.

Der Abbruch mitten im Bestellvorgang bleibt nicht folgenlos. Das Warnsignal für den befürchteten Eintrag erleuchtet. Hätte ich bloß nicht im Sortiment gewühlt! Der SPOLBot ertönt aus allen Kanälen: ‹Achtung! Achtung! Hier spricht Ihre Schönheitspolizei.›

Schweißausbrüche. Stinkwut über mich selbst. Sebastian bekommt eine mittelschwere Krise, obwohl ich ihm versichere, nichts Unrechtes getan zu haben, jedenfalls nicht absichtlich.

«Musst du dich ausgerechnet mit denen anlegen? Was hast du gemacht? Was passiert jetzt?»

«Ich bekomme eine schriftliche Verwarnung sowie die Aufforderung zu einem Grundlagenseminar, direkt beim nächsten Verstoß.»

«Da hast du verdammtes Glück gehabt! Leg dich mit denen niemals an, hörst du, Schnuppel?»

«Ja, ich schäme mich, Hasi. Ehrlich. Behalt es für dich, okay?»

«In Ordnung. Sei zukünftig bitte vorsichtiger.»

Der heutige Tag ist ein Tag zum Herunterspülen, frustrierend, zermürbend, belastend, der richtige Zeitpunkt für ein Telefonat mit Vanessa.

«Hallo Vögelchen. Hast du Lust, die nächste Zwischenmahlzeit bei uns einzunehmen?»

«Hi. Machst du das absichtlich?»

«Was? Dich einladen?»

«Mutti-Gen! Du weißt genau, was ich meine.»

«Es tut mir leid, mein Vögel..., also ähm, ... ähm, Vanessa.» Lästig, dass ich immer vergesse, wie sie es hasst, wenn ich sie ‹Vögelchen› nenne. «Also dann bis gleich.»

«Okay bis ... Stopp. Hey. Wahnsinn!»

Ich warte einen Moment. Vanessa redet einfach nicht weiter. «Würdest du mich bitte in deinen persönlichen Wahnsinn einweihen?»

«Klar. Der Überhammer! Habe eben die Bestätigung für einen Blitzauftrag bekommen. Mit Bonusoption für die nächsten vier Stunden!»

«Schön. Vögel..., Vanessa.» Für einen Augenblick vergesse ich meine Probleme. Ein Treffer durch den Zufallsgenerator kommt nicht oft vor. «Was gibt es denn?»

«Hier steht es: ‹Sehr geehrte WorkLetter-Empfängerin Vogelbaum. Wenn Sie binnen ... können Sie ... Fertigstellung ... dann ...› Wow! Ein Cineastictagesticket, Wunschfilme für vier Geschöpfe, kostenlos, inklusive Verpflegung, exklusive Observation.»

«Ein Add-On?» Sebastian predigt mir ständig: Aufträge gleich Vorteile, gleich Zahlmittel und mehr. Meine Nachwuchsmenschin ist cleverer als ich. «Dann lass dich nicht aufhalten, Vanessa.»

«Warte mal. Es ist jetzt 8.30 Uhr. Wenn ich sofort anfange, schaffe ich es zu einer der Hauptmahlzeiten, am Mittag oder abends sowieso, such’s dir aus.»

«Ganz ehrlich, eine Zwischenmahlzeit wäre besser. Sebastian hat schon geschimpft, weil ich die rechtzeitige Aufstockung der FridgeCloud verpasst habe.»

«Mein Papi-Gen schimpft?» Vanessa lacht. «Wir sehen uns um vier.»

«Was hat sie gesagt, Schnuppel? Kommt sie?»

«Ja. Heute Nachmittag.»

«Könnten wir dann morgen über dein Problem reden? Der Download-Ordner ist voller Aufträge, die ich nicht verfallen lassen möchte.»

«Du bist eben ein Arbeitstier, Hasi», sage ich höflich. In Wahrheit ärgere ich mich über ihn. Beim Hauch einer Unannehmlichkeit flüchtet er auf direktem Wege in die geliebte Arbeitswelt. Dort meistert er jede Challenge, die ihm über den Weg läuft. Behauptet er zumindest, ohne je konkret zu werden.

«Los. Gib dir einen Ruck. Durchsuche endlich mal deine WorkLetter. Immens viele Navigationsmöglichkeiten, ausreichend Perspektiven, nutze die Gelegenheit, finde eine Themenwelt, maßgeschneidert für Julia, für dich, für mein Eheweibchen. Bei der richtigen Aufgabe wirst du Spaß haben, ohne Ende.» Die pure Begeisterung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Ob ich ihm Unrecht tue?

«Glaubst du echt, dass ich fündig werde?»

Eine überflüssige Frage. Sebastian trägt den schwarzen Gürtel in der Ja-Mach-Mit-Sparte. Er ist ein absoluter Meister, wenn es darum geht, andere mit seiner Begeisterungsfähigkeit anzustecken. In der alten Zeit hätte er den Ehrenpreis ‹Held der Überzeugungsarbeit› in Gold bekommen, verliehen an den ehrenwerten Sebastian Vogelbaum, der zum dritten Mal in Folge dem Gemeinwohl einen großen Dienst erwiesen hat, mit Sachverstand, Fleiß und Hingabe.

«Schnuppel. Ich bin überzeugt, es ist etwas Passendes dabei. Öffne dich. Geh positiv da ran. Erweitere deinen Horizont. Tauche in die Materie der unbegrenzten Verdienstmöglichkeiten ein.»

«Zehn Uhr. Bevor ich eintauche, essen wir.»

Zwei Kohlrabi mit gemahlenen Nüssen, ein Tütchen Paranüsse dazu. Den Pekanüssen widerstehen zu wollen, käme einer Todsünde gleich. Zuckersüße Zwetschgen, lecker, ein paar Äpfel machen den Braten auch nicht fett. «Hasi, reichst du mir bitte die Macadamias?»

«Iss, so viel du möchtest, Schnuppel. Jammer nur nachher nicht wieder wegen deiner Figur.»

«Sonst sagst du, du magst mich, wie ich bin.»

«Ja, Schnuppel. Das ist wahr. Ich liebe deine straffe Haut, deine sinnlichen Oberschenkel, vergöttere dich, wenn ich in deine weichen Brüste eintauche, verzehre mich beim Anblick deines supersüßen Gesichts. Deine Schnuppelbäckchen sind göttlich. Ich bin verrückt nach allem an dir. DU bist diejenige, die jammert.»

«Mein kleines Hasi. Du bist das beste Manngeschöpf weit und breit. Ich gebe es zu. Hin und wieder jammere ich. Aber es hat sich herausgestellt, dass Nüsse doch nicht dick machen, was Vanessa bestätigt hat, sodass ich ruhigen Gewissens zuschlagen kann. Ich ess sie doch so gerne.» Lustvoll stecke ich mir eine ganze Hand voll Macadamias in meinen Mund. «Du meine Güte!»

«Ist eine von den Nüssen faul?»

«Nein, die sind lecker. Heute ist Freitag.»

«Gestern war Donnerstag und morgen ist Samstag. Das ist nichts Neues, Schnuppel.»

«Jetzt sag bloß, du hast die Gewichtsmessung schon hinter dir.»

«Bei dir hört sich das nach einem aufwändigen Verfahren an.»

«Unfug. Das habe ich nicht behauptet.»

«Was in gewisser Weise stimmt. Allerdings, wenn Menschinnen wie du zuerst ins Örtchen gehen, dann duschen, sich dann anziehen, dann frühstücken, sich dann wieder ausziehen, dann die WiegeApp an der FridgeCloud aktivieren, dann warten, dann das Ergebnis im Display bestätigen, sich dann wieder anziehen, dann ist das Wiegen umständlich.»

«Du bist gemein. Musst du mir das vorhalten?»

«Ja, muss ich. Weil ich das unendlich süß finde. Du bist einmalig hinreißend, Schnuppel. Ich sehe dir gern bei dem wöchentlichen Schauspiel zu», sagt er, küsst meinen Nacken, leckt an meinem Ohrläppchen. «Julia, ich liebe dich mehr und mehr.»

Er regt mich auf, treibt meinen Puls in die Höhe, lässt meine Hormone verrückt spielen. «Stopp!»

«Warum?»

«Ich muss mich wiegen. Sonst meldet sich der SystemBot erneut. Das wäre mir peinlich.»

«Hab dich nicht so. Komm her. Küss mich.»

«Sebastian!»

«Schnuppel, lass dich gehen, gib dich hin, lass es uns tun.» Entschlossen greift er mir unter die Bluse. «Keinerlei Maßregelung, versprochen. Bis zur Gewichtsdeadline haben wir fast zwei Stunden Zeit.»

Kapitel 2

Inaktive WorkLetter gelöscht, dröge Kategorien ausgeblendet, komplizierte Problemstellungen auf die Ignorierenliste gesetzt, trotzdem bleibt genügend für mich übrig. Allerdings schlecht vergütet. Andererseits habe ich wenig Lust, mir den Kopf zu verbiegen. Es nutzt nichts. Ich muss zumindest meine Verpflegung sichern. Das kann nicht immer öfter über Sebastians Profil laufen. Irgendwann bekommt er eine Zuzahlung aufgebrummt, prophylaktisch, bevor er zu dick wird und damit das Gesundheitssystem belastet – meinetwegen. Das könnte ich mir nicht verzeihen. Schluss mit abschweifenden Gedanken. Sebastian wollte doch, dass ich in die Materie eintauche. Zu Recht. Das hier passt für den Anfang:

Prio S, Ordnungswidrigkeiten

Auftrag WL-2.025/o, 100.8, Dauer: 2 bis 3 Stunden

Werten Sie die vorliegenden Datenblätter nach folgenden Kriterien aus:

• Verstöße gegen die Mahlzeitenordnung

• Verstöße gegen die Arbeitszeitordnung

• Verstöße gegen die Schlafzeitenordnung

Weisen Sie jeder Aussage der eingetragenen Menschengeschöpfe einen Index gemäß dem Datenblatt ‹Erläuterungen› zu.

Vergütung: Erweiterung des Verpflegungskontingents

Wieder kein Entgelt, um meine Rechnungen zu bezahlen. Immerhin ist damit das FridgeCloud-Problem kurzfristig gelöst. Und klick, Auftrag reserviert! Seit langem die erste Arbeit. Ob ich mir eine weitere Aufgabe herunterlade, bevor ich mit o,100.8 anfange? Ach was. Nichts überstürzen.