Kurz angebraten, leicht gewürzt - Susanne Kowalsky - E-Book

Kurz angebraten, leicht gewürzt E-Book

Susanne Kowalsky

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Beschreibung

Einige der 27 Texte in diesem Buch wurden vor vielen Jahren geschrieben und aktuell aufpoliert. Andere Geschichten sind wiederum erst kürzlich entstanden im Rahmen kleiner Schreibübungen zum Thema Perspektiven. Nicht weiter verwunderlich also, dass ein eifersüchtiger Staubsauger jammert oder ein Außerirdischer darum bemüht ist, friedlich Kontakt zu den Menschen zu knüpfen.

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Seitenzahl: 81

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Kurz angebraten, leicht gewürzt
Vorwort
Ausmusterung
Das Fundament
Der da vorne
Der kulinarische Pool
Die Auszeichnung
Die Einladung
Edith
Expertise
Freitag
Geburtstag
Getroffen
Höflicher Besuch
Ich bin dabei
Ich war verliebt
Kryontopia
Langeweile
Lichtblick
Magdalena
Mietsache
Mittendrin
Otmars Schande
Ruhestörung
Rundenterror
Sommerliches Vergnügen
Übers Wasser gehen
Weil Unbekannt beschäftigt ist
Zettelwirtschaft
Anhang

Kurz angebraten, leicht gewürzt

Kurzgeschichten und Miniaturen

von Susanne Kowalsky

Impressum

Text: © 2024 Susanne Kowalsky

Umschlaggestaltung: © 2024 Susanne Kowalsky

Verlag: Susanne Kowalsky, Höhenweg 53, 46519 Alpen, [email protected]

Druck und Vertrieb: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Vorwort

Einige der 27 Texte in diesem Buch habe ich vor vielen Jahren geschrieben und aktuell aufpoliert. Andere Geschichten sind wiederum erst kürzlich entstanden im Rahmen kleiner Schreibübungen zum Thema Perspektiven. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie auf einen eifersüchtigen Staubsauger stoßen oder einen Außerirdischen, der sich alle Mühe gibt, friedlich Kontakt zu den Menschen zu knüpfen.

Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung

mit kurzen und noch kürzeren Geschichten.

Susanne Kowalsky

Ausmusterung

Das wöchentliche Zeitfenster zur freien Verfügung erlaubte ihr einen Check-up, dringend notwendig, längst überfällig. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie darauf verzichtet, doch sie wollte keinen Ärger mit dem System riskieren. Niemandem kam es in den Sinn, das System zu hinterfragen. Die Bewohnerschaft hielt sich an den vorgegebenen Tagesablauf, weil sie es nie anders kennengelernt oder nach der Behandlung vergessen hatte.

«Noch 12,386 Minuten bis zur Öffnung der Examinierungswabe. Beenden Sie abschweifendes Gedankengut. Aktivieren Sie die Messfühlervorbereitung. Noch 11,935 Minuten bis zur Öffnung der Examinierungswabe.»

Umgehend befolgte sie die Durchsage. Privatgedanken eingestellt, volle Konzentration auf den Check-up gestartet. Langsam öffnete sie die Poren ihrer Gesichtshaut. Vorsichtig fuhr sie ihre Messfühler aus. Streckung: einwandfrei, Beweglichkeit: beweglich. Schleimgehalt: gering. Alles bestens also.

«Noch 10 Minuten bis zur Öffnung der Examinierungswabe.»

Wenn das Prozedere nicht allzu lang dauerte, könnte sie ihr Zeitfenster vielleicht dazu nutzen ...

«Sie waren aufgefordert worden, Privatgedanken einzustellen. Halten Sie sich bitte daran, Nummer 09-8472.»

«Ich gehöre zur Bewohnerschaft und werde mich an die Regeln des Systems halten. Ich bitte um Entschuldigung für mein Fehlverhalten.» Zielstrebig steckte sie zwei der Fühler aus dem Stirnbereich in den Infosteckplatz. Sekunden später waren die Anweisungen zur weiteren Vorgehensweise direkt in ihr Gehirn übermittelt worden. Die Examinierung begann. Gedankengut: korrekt. Fühler kann entnommen werden. Kreislauf: läuft rund. Fühler kann entnommen werden. Herzfrequenz: innerhalb der Norm. Fühler kann entnommen werden. Muskulatur: bemuskelt. Fühler kann ... Ein Signalton schmerzte in ihren Ohren. Das System ließ ihre Fühler anschwellen, eine reine Sicherheitsmaßnahme, um ein vorzeitiges Abdocken zu verhindern. Der Ton verebbte.

«Ich gehöre zur Bewohnerschaft und habe mich an die Regeln des Systems gehalten. Ich habe mein tägliches Muskelaufbautraining absolviert. Ich habe mein Gedankengut regelmäßig hinterfragt. Ich habe ...» Eine beruhigende Nachricht durchströmte ihr Gehirn: Kurzzeitiger Wabenfehler. Die Aufzählung der Gebote kann beendet werden. Warten Sie mit dem Abdocken der Fühler bis zum vollständigen Abschwellen. Die Wabe öffnet sich in 2,31 Minuten.

«Und was ist dann passiert?»

«Nichts. Zum Glück.»

«Irgendetwas muss doch passiert sein. Wurde die Untersuchung fortgesetzt?»

«Nein. Jetzt, wo du es sagst. Hab nich drüber nachgedacht. Der Schreck steckt mir noch immer in den Knochen.»

«Sind die denn so weit in Ordnung?»

«Weiß nich. Ich bin ganz durcheinander. Es ging damit los, dass mein Körper rund läuft.»

«Na, das ist doch das Allerwichtigste.»

«Hhhh!»

«Was hast du?»

«Unser Zeitfenster zur freien Verfügung! Wir müssten längst wieder in der Energiewabe sein.»

Im Laufrad achtete sie insbesondere auf ihre Knochen. Sie knarzten. Doch lief sie ohne jegliche Verzögerungen wie alle anderen auch, die in dieser Woche mit der Stromerzeugung beschäftigt waren. Links neben ihr lief ihre Freundin, rechts von ihr die Nummer 03-6291. 03, 03. Verdammt. Welcher Ländercode war das? Für einen Moment vergaß sie ihre Knochen. 01 China, 02 Rumänien, 04 Großbritannien, 05 Kanada, 06 Australien, 09 Deutschland. 03, 03? Verdammt.

«Wir bitten um die Aufmerksamkeit von Nummer 09-8472. Zwischen den nächsten beiden Laufeinheiten begibt sich entsprechender Bewohner in die Schmierstation. Prognose: Nach Ölung der Kniescheiben uneingeschränkter Arbeitseinsatz fristgerecht möglich.»

Die Zeit verging schleppend. Ihre Freundin sah sie selten, da sie überwiegend in anderen Waben eingesetzt wurde, zudem mit einem abweichenden Tagesablaufplan. Manchmal fragte sie sich, ob das absichtlich vom System so gesteuert wurde. Man munkelte, dass Freundschaften nicht gern gesehen seien, weil sie die Bewohnerschaft von der Arbeit ablenkten. Aber eine entsprechende Vorschrift dazu war ihr unbekannt. Und das System hätte sie sicher längst darauf aufmerksam gemacht, wenn Freundschaften einem Verstoß gleich kämen.

Das wöchentliche Zeitfenster zur freien Verfügung erschien ihr ohne ein Treffen mit ihrer Freundin sinnlos, sodass sie die Zeit zur Körperpflege nutzte. Auf das regelmäßige Reinigen der Poren legte sie besonderen Wert. Zum Einen beugte das der Verschleimung der Fühler vor, zum Anderen wirkte das Silikonspray wahre Wunder auf der Kunsthaut. Zudem wollte sie in keinem Fall riskieren, ausgemustert zu werden.

«Lass uns abhauen!»

«Wie? Abhauen?»

«Na weg, von hier, vom Wabenlager, von den Menschdroiden.»

«Und dann?»

«Ein Leben mit täglichen Freizeit-Fenstern genießen.»

«Täglich? Du bist völlig übergeschnappt.»

«Wieso denn?»

«Lass mich in Ruhe. Ich will mit deinem Gedankengut nich in Verbindung gebracht werden.»

«Nein? Was willst du dann? Für den Rest des Lebens in den stickigen Waben verkümmern? Knechten für Maschinen, die uns ausnutzen? Was ist aus unseren Träumen geworden?»

Das Schlimmste an der Frage war, dass sie keine Antwort darauf wusste. Immerhin lief sie rund. Ein nahezu makelloser Körper verhalf ihr zu einer Leichtigkeit wie sie ihre Oma nicht gekannt hatte. Ging doch mal etwas kaputt, wurde es ersetzt. Die Menschdroiden kannten sich mit der Rekonstruktion des Menschen bestens aus. Sie setzten alles an die Gesunderhaltung der Organe, Gelenke und Knochen. Teile, die ihnen zu empfindlich erschienen, wurden mit künstlichen Ersatzstoffen erneuert. Bis auf wenige Ausnahmen. An das Herz hatten sie sich bisher nicht herangewagt. Das war jedoch nur eine Frage der Zeit. Eine ausreichende Anzahl an Examinierungen, die Generierung belastbarer Werte, Analyse, Berechnung möglicher Rundungsdifferenzen, Fehlerabweichungskalkulation, anschließende Herzproduktion. Obwohl, die Menschdroiden fürchteten den Sektor zwischenmenschlicher Gefühle. Es gab Berichte unbekannter Herkunft, wonach sie in der Herzgegend abgespeichert wären. Andere Quellen deuteten auf eine Speicherung im Gehirn hin.

Wochen später.

«Ermahnung an Nummer 09-8472: Denken Sie stets an die Ihnen zugeteilten Aufgaben.»

«Ich gehöre zur Bewohnerschaft und halte mich an die Regeln des Systems.»

«Sie haben zweimal innerhalb von 21,857143 Wochen schadhaftes Gedankengut der Nummer 09-3611 geteilt.»

«Ich bitte um Entschuldigung für mein Fehlverhalten.»

«Ermahnung an Bewohner 09-3611. Verwerfen Sie Ihr schadhaftes Gedankengut.»

«Ich gehöre zur Bewohnerschaft und halte mich an die Regeln des Systems.»

«Ich wiederhole: Verwerfen Sie Ihr schadhaftes Gedankengut.»

«Ich gehöre zur Bewohnerschaft und halte mich an die Regeln des Systems.»

«Worin besteht der Sinn des Lebens?»

«Ich gehöre zur Bewohnerschaft und diene dem Gemeinwohl. Mit meiner ganzen Kraft. Aus voller Überzeugung. Ich diene dem Gemeinwohl. Ich halte mich an die Regeln des Systems.»

«Worin besteht der Sinn des Lebens?»

Das Prozedere wiederholte sich in einer nicht enden wollenden Schleife bis der Regeldroid schließlich von der Löschung des irregulären Gedankengutes überzeugt war. Die Freundinnen befanden sich kurz vor der Ausmusterungswabe. 09-3611 glaubte, irgendwo dort müsse es einen Weg in die Freiheit geben. Es könne gar nicht anders sein, weil nur aus dieser Wabe niemand mehr zurückgekehrt sei. Einzige Hürde wäre das Eindringen.

«Wieso wird genau jetzt keine einzige Nummer ausgemustert?»

«Weiß nich. Ist schon spät. Ich seh nichts mehr.»

«Wenn eine ankommt, müssen wir uns nur dranhängen.»

«Ich seh nichts mehr.»

«Verdammt, 09-8472! Die haben das Licht zum Tagesende gedimmt. Du hast selbst gesagt, es ist schon spät. Was ist bloß los mit dir? ... Hallo? Bekomme ich eine Antwort?»

«Ich, ich, ich hab’s vergessen.»

«Da, da! Die bringen eine. Los! Hinterher! Was hast du vergessen?»

«War so aufgeregt. Hab die Glaskörper nicht gereinigt.»

«Sichtung zweifach unbefugter Bewohnerschaft außerhalb der Ruhewaben, außerhalb des spezifischen Tagesablaufs.»

Ein Blitz. Kurzfristige Erblindung von 09-3611. Planabweichende Öffnung der Ausmusterungswabe für die vorgesehene sowie zwei weitere Nummern. Die betroffene Bewohnerschaft leistete keinen Widerstand. Jeder Nummer wurde eine Injektion verpasst, die eine Erschlaffung der Gesichtsmuskulatur zur Folge hatte. Ein Arztdroid zog aus den weit geöffneten Gesichtsporen sämtliche Messfühler, um sie an das chemische Filtermodul anzuschließen. Der Ausmusterungsvorgang begann. Durchspülen der Gehörgänge, Reinigung der Glaskörper, Entfernung der Nasenschleimhaut. Im Anschluss daran, der Austausch eigener Körperflüssigkeiten gegen Frischfluide.

03-8744: Geplante Ausmusterung. Machtsubjekt mit nordkoreanischem Ländercode. Abtransport ins Ersatzteillager.

09-8472: Ungeplante Ausmusterung. Überstellung zur Gehirnwaschwabe. Höchste Vorsicht bei der Säuberung des Gefährdungssubjektes. Sofortiges Beenden bei Entdeckung von Emotionslager. Zukünftige Nutzung in Verifizierung.

09-3611: Vorgezogene Ausmusterung. Bereitstellung zur Weiterverarbeitung. Angegriffene Gelenkstruktur macht zukünftigen Einsatz unwirtschaftlich.

Auf dem Weg zur Weiterverarbeitungswabe dachte sie an die alten Geschichten, frei überliefert von Generation zu Generation. Sie erzählten von einer Welt, in der Maschinen der Bewohnerschaft dienten, in der künstliche Intelligenz als eine Errungenschaft der Technik galt. Es gab da wohl so etwas wie einen Erschaffer. Das Narkotikum Mortis zeigte seine Wirkung. Nur noch wenige Sekunden bis ... Sie verfluchte den Tag, an dem die Menschdroiden die Macht an sich gerissen hatten und freute sich auf das sagenumwobene Paradies mit seinen Äpfeln, die dort an einem Baum hängen sollen.

Das Fundament

Die Vereinheitlichung der Erdbevölkerung – das aktuelle Ziel der Weltregierung, eine beschlossene Sache. Schön sein macht glücklich. Eine wissenschaftliche Erkenntnis aus dem letzten Jahrhundert. Glückliche Menschen sind seltener krank. Eine These? Wie dem auch sei. Die Individualitätsfanatiker sind ins Nirwana verbannt, chancenlos sozialisiert. Das war mal anders. Ich habe es selbst erlebt.