Das Opfer - Viktor Kamerer - E-Book

Das Opfer E-Book

Viktor Kamerer

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Beschreibung

Der Agent Jonathan Ammer hat einen Auftrag. Denn es werden Schreie aus einer Kirche gemeldet. Drei Mönche betreiben einen Kult um junge Frauen. Dabei singt die Gemeinde fatale Lieder. Jonathan stößt auf einen Sarg. Darin liegt eine Leiche und hat Striemen am Körper. Ist sie vor Schmerzen gestorben? Er sieht Dämonen in den Menschen dort und wehrt sich. Doch das setzt seiner Psyche zu. Und so ruft er Verstärkung, um den Fall zu lösen.

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Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

KAPITEL 33

KAPITEL 34

KAPITEL 35

KAPITEL 36

KAPITEL 37

KAPITEL 38

KAPITEL 39

KAPITEL 40

KAPITEL 41

KAPITEL 42

KAPITEL 43

KAPITEL 1

Ein Morgen im Dezember. Eine junge Frau nahm einen Weg durch einen Nebel hindurch. Es war ihr beschwerlich, da es einen Hügel hinaufführte. Sie gelangte an ein Gebäude, stand vor einer Türe. Ein Mann öffnete ihr. Er trug ein rotes Gewand. War Mitte vierzig. Er grüßte und sie fiel ihm direkt ins Wort. »Ich habe mich entschlossen, dieses Kloster zu besuchen«. »Gibt es einen Grund für Ihr Erscheinen«?

Es lag ihr ein Stein im Magen und der Mann erkannte das. »Haben Sie ein Trauma? Etwas Ähnliches? Dafür sind wir bereit«. Sie gab ihm die Hand und nannte ihm ihren Namen: Sofia. Er aber benannte sie um in Aura. Solange sie hier sei, würde sie so heißen. Sie lächelte und trat ein. Der Mönch freute sich und lobte ihre Augen. »Sie haben eine reine Seele, werte junge Dame«. »Sie dann: »Wenn Sie wüssten. Mein Leben ist kompliziert«.

Er wurde still. Sie würde nicht einmal seinen Namen erfahren. Einen Kontakt stellte er im Handumdrehen her, aber für Weiteres war sein Charakter nicht ausgelegt. Die Dame war vorhin am Eingang zaghaft. Jetzt sprühte sie voll Leidenschaft. »Ich habe beschlossen, langsamer zu werden. Für eine kurze Zeit. Der Stress im Büro ist schrecklich. Wenn Sie mich verstehen«? Der Mönch wurde schnell schlau und sah auf ihr Hab und Gut, welches sie in der Hand hielt. »Begreifen Sie, junge Frau. Wir leben nicht vom Brot allein«.

Sie begriff im Nu. Der werte Buddhist starrte auf ihre Tasche, worin ihr Geld lag. Sie packte ihre Geldbörse heraus und übergab ihm 200 Euro. Er war dankbar und senkte seinen Kopf. Dann führte er sie in einen anderen Raum.

Sie erkannte einen kleinen Altar, mit Statuen darauf und Bildern an den Wänden. Er sah, worauf Sie es abzielte. Ob sie der Meditation fähig sei, fragte er. »Ein wenig«, antwortete sie. Er hatte eine Vision vor den Augen, sah die Pforte. Aura erschien und lächelte ihn an. Er begriff, dass sie eine herzliche Dame war. Er sah weiter, wie sie meditierte. »Der Saal hier steht einer Frau wie Ihnen offen. Jederzeit«.

Sie bedankte sich und setzte sich vor den Altar. Streckte die Arme zur Seite und öffnete die Hände. Dann erkannte sie, wie die kosmische Kraft durch sie hindurchging. Der Buddhist entfernte sich, kurze Zeit später war da ein anderer Geistlicher.

Sie erhob sich. Er stellte sich vor. Er sei der Vorsteher des Zentrums. Sie eröffnete die Unterhaltung: »Ihr Kollege ist kaum sprachbegabt. Ich frage mich, ob das hier normal ist«. »Nein, werte Dame. Seien Sie versichert, dass ich Sie ernst nehmen werde. Hier ist weder Frau oder Mann ohne Worte gelassen worden. Sagen Sie heraus, was Ihnen auf dem Herzen liegt. Ich bin da offen und ehrlich. Nicht jeder Kollege ist sprachwütig«.

»Wissen Sie«, sprach die junge Frau. »Ich versuche, den Ballast hier auszuwerfen«. »Das werden Sie in jedem Fall. Aber lassen Sie uns erst was essen. Ich Körper braucht Kraft« Sie lächelte und beide betraten einen Saal.

Sie nahmen Platz an einem langen Tisch. Warum war keiner sonst hier? Die Mönche bekamen nur ein Essen am Morgen. Das war die Antwort in seinem Kopf. Der Vorsteher huschte davon. Kam mit einem Mahl für beide zurück. Sie flüsterte: »Hier wird man bedient. Teuer ist es ja«.

Der dickliche Buddhist setzte sich zu ihr und stellte das Frühstück auf den Tisch. Sie saßen sich gegenüber. »Sie haben wenig Geld«, sagte er frei heraus. Sie konterte mit: »Woher wissen Sie das«? »Sie haben nur zweihundert Euro dabei. Das zeugt von einer gewissen Armut«. »Für eine wie mich ist diese Summe schon hoch. Sie leben auf großem Fuß, Herr Vorsteher. Das werfe ich Ihnen an den Kopf«. »Sprechen Sie, wie der Schnabel gewachsen ist, solange Sie eine positive Wortwahl nutzen. Nichts ist so herrlich, wie eine angenehme Sprache, finde ich«.

Apropos. Ob sie denn Affirmationen hätten? »Ja, die haben wir in unseren Büchern. Klar doch. Worte der Heilung und des Reichtums. Dabei wiederholt man Sätze«. Ob sie sich da auskenne? Sie meinte nein, aber sie werde es lernen. Sie habe schon eine Vorfreude darauf.

»Wenn es Ihnen recht ist, werden wir die Sätze aufsagen«, gab der Vorsteher zu verstehen. Er war sich bewusst darüber, dass er eine Verantwortung für sie hatte. Und doch lehnte er sich zu ihr, schmachtete sie an, gab ihr ein Gefühl von Freundschaft und Sex. Sie war jetzt der Mittelpunkt hier. So schmierte er ihr Honig um den Mund. Er ließ sie wissen, dass sie einen enormen Charakter habe. Sie grinste. Er hatte es erfasst. Hatte sie behaglich am Zopf gepackt.

Sie sprach, wenn er so weitergehe, dann bliebe sie länger. Er war erfreut und meinte, er heirate sie kurzum.

Sie legte ihre Hand auf seine Schulter und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. Er badete in dieser Zartheit. Stöhnte. Umarmte sie herzlich.

Sie aßen das Frühstück. Er erhob sich und geleitete sie in ihr neues Quartier. Sie folgte ihm brav. Sagte so etwas wie: »Was für ein Gebäude«.

Durch die Gänge schlenderten sie wie ein Paar. Jetzt nebeneinander. Wie verliebt. Er hatte Interesse an ihr. Und sie an ihm? Lief es auf beiderseitig hinaus? Oder träumten sie vor sich hin?

»Sie werden Raum für Träume haben«, sagte er. »Wir spielen Musik und schreiben und malen. Alles, was ihr Herz begehrt«? »Ja. Bin gerne kreativ. Hören Sie Blues«? »Nichts Besseres denn das, junge Dame«.

Er öffnete die Türe zu ihrem Zimmer. »Um zwölf ist Mittag. In einer Stunde ein Gesprächskreis«. »Ich liebe das, Herr Buddhist«. »Na, dann sind wir uns in allem einig«.

Sie streichelte mit ihren Fingern über die Türe, die der Mönch schloss. Er bemerkte diese Zärtlichkeit. Reichte ihr seine Hand. Sie könne jederzeit in sein Büro kommen. Was sagte er damit aus? Dass er gedachte sie herzunehmen in seinem Zimmer? Sie grinste, da ihr dieser Gedanke im Kopf schwirrte. »Der werte Herr Mönch ist nicht katholisch«. »Keineswegs«, erwiderte er.

Ihre Reise möge sich lohnen, sagte er. Er müsse jetzt in sein Gemach, um etwas zu unterschreiben. »Wichtige Dokumente«? fragte sie. »Sie sind mir heiliger denn das«, kam es von seinen Lippen.

Sie senkte den Blick. Eine Schüchternheit hatte sich auf sie gelegt. Wenn alle Mönche so sind, dann würde es spaßig werden. Das lag ihr auf der Zunge. Sie schloss die Türe. Es klopfte und sie öffnete. Es war der Vorsteher. Er hatte etwas vergessen. Einen Kuss? Eine Umarmung? Oder nur ein Trinkgeld?

Er ließ sie wissen, dass sie frei leben. Nach der Natur. Sie war ein Schelm und verstand sofort. »Für eine Nummer bin ich zu haben«, gab sie zu verstehen.

In der Nacht schleppte eine männliche Gestalt sie durch die Flure. Das war nicht die feine Art.

Sie trafen auf ein Fahrzeug. Er öffnete eine Hintertüre und drückte sie hinein. Mit aller Kraft versuchte sie dagegen zu halten. Doch der Mann ließ kaum mit sich reden. Er hatte eine Mütze auf dem Kopf. Stiefel und eine schwarze dicke Hose. Aura lehnte sich zurück und fragte: »Warum«?

Er sagte kein Wort. Zeigte mit der Hand auf seinen Hals. Er würde ihr die Kehle durchschneiden. Sie blieb still.

KAPITEL 2

Sie fuhren eine kurze Weile. Trafen auf eine Kirche. Er schleppte sie aus dem Fahrzeug. Kettete sie an die Eingangstüre. Festgebunden und erschöpft gab sie keinen Mucks mehr von sich. Er brauste davon. Sie sah auf das Auto. Das Nummernschild war nicht zu lesen. Zu dunkel lag die Atmosphäre auf der Nacht.

Sie öffnete ihre Augen. Es war hell und kalt. Einige Männer traten vor, lösten die Ketten. Sie hoffte, das alles nehme jetzt ein Ende. Doch weit gefehlt. Die Personen schleppten sie durch den Kirchengang. Bis zum Altar. Dort rissen sie ihr die Kleider vom Leib, legten sie auf den kalten Stein und banden ihre Hände aneinander fest.

Die Mitglieder der Gemeinde sammelten sich langsam. Die Sitzbänke füllten sich. Ein jeder sah sich das Mädchen an. Wie alt möge sie sein? Achtzehn Jahre? Das kam hin. Einige ließen sich dazu herab, an den Altar zu treten und die junge Dame anzuspucken. Was für ein Gräuel lag in den Gemütern dieser Menschen? Welchen Hass hatten sie auf eine Frau, die sie nicht kannten?

Viele alte Gäste saßen da. Rund hundert Erwachsene und drei Dutzend Jugendliche. Alle sahen sich das Spektakel an. Die jungen Leute müssten sie bewahren. Das schien ihnen aber fern. Sie lechzten nach Blut. Was war in sie gefahren? Hatten sie Dämonen in ihren Körpern? Und war die ganze Sache nicht ein Fall für den Staatsanwalt?

Die Lage wurde immer brenzliger für die Achtzehnjährige. Drei Männer mit schwarzen Kutten kamen in den Saal. Sie hatten das Haupt mit den Mützen der Robe verdeckt. Masken kreierten ihren Look. Aura war nicht imstande, ihre Gesichter zu sehen. Dann schrie sie wie am Spieß. Die Alten aber grölten in den Raum hinein. Da erkannte sie, dass sie hier keinen Freund hatte. Nicht einmal einen.

Ein junges Mädchen kam an den Altar. Sie übergab den drei Männern Peitschen. Jetzt würde es heiß werden.

Der Erste holte aus und ließ das Werkzeug springen. Es klatschte auf ihren Rücken. Sie schrie abermals. Sie haben keine Barmherzigkeit. Das war ihr Gedanke. Sie brach auf, um weg vom Stress zu kommen. Jetzt war es dunkel um sie bestellt. Wie Menschen so grausam sind? Nicht einer hatte Mitleid.

Der zweite Mann in der Robe holte aus. Peitschte sie aus und grinste laut. »Diese junge Frau ist ledig und wird dargereicht. Unseren verheirateten Weibern gilt diese Sache nicht. Sie sind durch die Heirat verschont. Wer nimmt uns das? Diese Dame wird durch den Tod befreit sein. Lasst weitertun, bis Gott uns gnädig ist«.

Alle erhoben sich von den Bänken und applaudierten. Ein zehnjähriges Mädchen kam vor den Altar. Sie wolle einige Verse vortragen. Es schien unpassend. Doch einer der Dreien ließ sie gewähren. Sie nahm das Mikrophon von der Kanzel und trug vor: »Wir Kinder sind verschont. Den Eltern gehört der Lohn. Sie schlagen die Dame, das ist ihre Gabe. An uns zählt es nicht. Denn wir sind ihre Nachkommen. Es ist ihre Pflicht. Die Liebe möge zu uns kommen«.

»Was für ein Gedicht«, sagte einer der Dreien. »Es ist verwunderlich, wie unsere Kleinen schon so schlau sind«.

Das Zehnjährige legte das Mikrophon auf das Rednerpult und setzte sich an ihren Platz. Ihre Mutter liebkoste ihre Wangen. Ihr Vater gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Der dritte Mann mit Kutte ließ seine Peitsche schwingen. Erneut stöhnte und schrie das Opfer. Der Organist spielte zwei Takte. Dann hielt er inne. War da ein Funke Gewissen?

Gab es nur einen, der an diesem Morgen zweifelte? Alle setzten sich. Beruhigt sprach einer der Männer: »Diesen Tag wird Gott nicht vergessen. Er hält an uns, meine Lieben«.

Der Organist hatte eine Maus gesichtet und diese Tiere liebt er nicht. Deshalb hielt er inne. Was würde das Tierchen mit ihm veranstalten? Auf der Nase herumtanzen? Die Nerven strapazieren? Da sie in ein Loch huschte, atmete er erleichtert aus und klimperte erneut auf den Tasten. Er sah zu dem Volk, hörte ihre Gesänge und nahm daran teil.

Seine Tochter kam zur Orgel. Sie liebte es, wenn ihr Vater spielte. Sie flüsterte ihm ins Ohr: »Papa. Ist dieses Mädchen dran wie die anderen? Was hat es uns angetan«?

»Es hat nichts verbrochen, meine Kleine. Es war am falschen Ort. Das passiert schon einmal«.

»Aber Papa. »Ist dieser Ort furchtbar«?

»Nein, Susie. Dieser Ort ist heilig. Du verstehst doch, was das bedeutet«?

»Ja. Dass Gott hier wohnt«?

»So ist es. Jetzt gehe hin und singe. Dir wird nichts Übles widerfahren«.

Susie schlenderte durch den Gang. Setzte sich zu ihrer Mutter. Was sie hier vernahm, war für sie nicht greifbar. Einem Erwachsenen schon mehr. Die Eltern schämten sich nicht ein bisschen. Sie beschützten ihre Kinder und dieses Achtzehnjährige peitschten sie aus. Die Lage war heikel. Eine Sache für die Justiz.

Einer der Dreien sah sich um, zog dann etwas aus dem Talar. Es war eine kleine Flasche Alkohol. Er schüttete ihn auf das Mädchen. Er brannte sich in ihre Wunden. Sie schrie umso mehr.

Einer der beiden anderen riss ihm das Mittel aus der Hand. Er hat ein Gewissen. Schaffe ich es doch hier raus? Kenne mich mit solchen Leuten keineswegs aus.

Der Dritte schlug dem zweiten ins Gesicht. Er taumelte. Stieß mit der Schläfe auf dem Boden auf.

Sein vermeintlicher Freund bückte sich zu ihm. »Bruder. Alles okay bei dir? Ist mein Fehler. Werde mich zügeln. Wenn ich weniger impulsiv wäre. Nimm es mir nicht übel«.

Der Freund setzte sich auf und rückte seine Maske zurecht. »Kein Problem«.

Er hatte recht. Es gab andere Schwierigkeiten hier im Hause. Einige Männer peitschten junge Damen aus. Und viele heizten mit den Gesängen die Stimmung auf.

Es gab eine Handvoll Menschen, die Skrupel hatten. Diese wurden auf die Spur gebracht. Sie folgten der Masse. Weil die Gruppe ihnen etwas versprach.

Da die drei sich wieder vertrugen, führte der Organist sein Geklimper fort. Er spielte mitunter schief. Was seiner Tochter das Lob nicht abtrug. Sie liebte ihren Vater. Er war ihr Mittelpunkt. Wie diese Gemeinde.

Sie war für viele ein Dreh- und Angelpunkt. Ein Lebenselixier. Wenn Gott an ihrer Seite stand, wer würde ihnen dann in die Suppe spucken?

Ein Zehnjähriges sah krumm drein. Sie fragte ihren Vater leise, ob das alles rechtens sei. Er flüsterte ihr zu, sie möge nicht zweifeln. Das wäre töricht.

»Aber Papa. Sie leidet. Könnten die Brüder nicht aufhören damit? Ich meine: Nehmt mich. In mir ist null Furcht. Gott sei uns gnädig für das, was hier geschieht«.

Der Vater spricht seine Tochter an. Sie würde verschont bleiben, da Jungfrauen rein seien. Diese junge Frau aber sei das nicht. Ihr gebühre es, Schläge zu erdulden. Sie werde schon verstehen, was hier vor sich ginge, wenn sie erwachsen werde. Es sei alles rechtens.

»Lass mich jetzt wissen, was hier vorgeht«.

Ihr Papa streichelte ihr über das lange Haar. Dann gab er ihr einen kleinen, zarten Kuss auf die Wange.

»An deinem achtzehnten Geburtstag wirst du es wissen. Sei brav. Wir werden das jetzt zu Ende bringen«.

Was war das, von dem der Mann sprach? Welches Ziel verfolgten sie? Das Mädchen bereitete sich vor. Die Peitschenhiebe sind nicht alles. Menschen wie diese haben falsche Vorstellungen. Sie fordern mein Leben für die Religion. So ist es hier. Eine andere Erklärung habe ich nicht.

War sie ihnen auf der Spur? Sie schaute unbekümmert und dann verstummte sie kurz. War dies der Moment vor dem Tod?

Der Augenblick, da sie Seelenfrieden hatte? Wo sie alles in Gottes Schoß legte? Er für sie warb?

Sie würde ohne Sünde sterben. Allein durch diese Qual, die man ihr auferlegte.

Kurzum lächelte die junge Frau. Ja, sie hatte Hoffnung auf das Paradies. Für diesen Moment war sie selig.

Das Zehnjährige riss sich aus den Armen ihres Vaters. Sprang zum Altar. Dort küsste sie das Mädchen. Jenes, dass Freude empfand. Jetzt, da sie erlöst würde.

»Du wirst das Himmelreich sehen, meine Liebe. Vertraue auf Gott und die Engel«.

Was sagte die Kleine da? Welches Reich? War dies schon das Ende ihres Lebens? Ginge sie hinüber? War das das Ziel dieser Prozession?

KAPITEL 3

Sein Gang durch die Flure des Innenministeriums schien schwer. Er war nicht fähig zu erkennen, worauf es hinauslief. Die Dame am Empfang öffnete ihm die Türe. Er schloss sie hinter sich. Vor ihm der Innenminister Deutschlands, der sich vorstellte: »Hans Zimmer. Und Sie sind Herr Jonathan Ammer. Hat eine Weile gedauert, bis wir uns sehen. Jetzt sind Sie ja hier«.

»Ja. Bin hier auf Ihren Befehl, Herr Zimmer«.

»Sie strahlen etwas aus, Hauptfeldwebel. Es ist an der Zeit, da Sie Agent sind. Ihre Zeugnisse sind perfekt. Bis Sie diesem Burnout in die Falle getappt sind. Scheint alles wieder okay. Oder irre ich mich«?

Jonathan sah verlegen drein. Dieser Job war schon heiß. Wie möge er jetzt vorgehen? Würde er dem Minister sein Herz ausschütten? Wie er sich mit Burnout anfühlte? Mein Gegenüber hat keine Hemmung mich vor die Türe zu setzen. Diese verdammte Krankheit.

Er ist Soldat, aber ebenso Geheimagent. Sein heutiger Einsatz möge doch reibungslos klappen. Dafür gab er alles. Das Psychische könne ruhen, schwirrte es ihm durch den Kopf. Er zog seine Waffe, lud sie und brachte sie startklar. »Bin bereit, Herr Minister. Besser denn heute wird es nicht«.

»Das lobe ich mir«, sagte Hans Zimmer. »Sie sind der richtige für diesen Job. Wette, Sie kommen heil wieder zurück. Es gibt zwar zwei, drei Kandidaten. Aber Sie scheinen laut Akte, das eine oder andere zu wissen, was Ihnen helfen wird. Die Religion hat einen Platz in Ihrem Herzen. Deshalb dieser Einsatz«.

»Ja. Ich bin religiös«.

»Und Sie haben zwei Staatsangehörigkeiten. Sind Engländer und Deutscher«.

»Meine Eltern stammen aus Großbritannien. Ich wurde 1984 hier geboren. Scheint mir kein Problem zu sein, Herr Hans Zimmer«.

»Es passt schon. Sie haben den Dienst an diesem Land geleistet. Schalten Sie jetzt einen Gang hoch. Vom Soldaten zum Agenten«.

»Bin bereit, das Beste zu geben. Es ist Religion im Spiel? Ich meine den Einsatz«.

»Genau so ist es. Aus einer Kirche nahe Stuttgart sind Schreie gemeldet. Es handelt sich um eine freie Gemeinde. Wir nehmen an, es wird ein Kult drum herum gebildet. Die Rufe sind weiblicher Natur. Wenn Sie dorthin kommen, schauen Sie sich um. Greifen Sie ein, alsbald nötig«.

Jonathan Ammer sah es nicht normal an, alleine zu operieren. Er war hier kein Soldat. Eine Truppe gab es hier nicht. Er war auf sich gestellt. Ließ sich die Nummer des Innenministers geben. Für Rückfragen. Dann war er schon aus dem Raum verschwunden.

Er flüsterte sich zu: »Schreie? Was möge das sein? Eine Frau, die vergewaltigt wird? In einer Freikirche? Das ist mir abstrus«.

Diese Gemeinden waren für ihn ein rotes Tuch. Er kannte keine von innen. Und fürchtete sich davor. Seine Seele möge heil bleiben. Und die Kinder berichteten Übles. Was aber zog ihn an Böblingen an? An diesen Ort, wo die Religion zu weit ginge?

Diese verdammte Kirche prügelt Frauen. Wenn meine Augen das sehen, greife ich ein. Keine Frage. Ich werde sie ertappen. Das wird ein Kinderspiel.

Würde der erste Einsatz ein Erfolg, kämen weitere. Er hätte zwar nicht schnell ausgesorgt.

Doch seine Einnahmen waren enorm. Plus Spesen. Das hatte ihm Herr Hans Zimmer auf dem Smartphone zugesichert. Das ist schon was. So läuft es an. Zehntausend Euro in sieben Tagen. Damit komme ich klar. Einen besseren Job gibt es nicht. Dieses Land ist phänomenal.

»Würde man raten, dann sage ich, das Ganze ist in einer Woche gegessen. Der Fall gelöst. Eine Kirche, die Absurditäten aufweist. Das ist ein Strafbestand«. Er holte seine zweite Waffe aus einem Fach im Auto. Steckte sie sich in den Socken am Bein. Dann fuhr er los.

Das Wetter schien grauenvoll an diesem Wintertag. Doch er hatte ABS an Bord seines Wagens. Der Schnee somit kein Problem. Die Sicht schwerer. Berlin war zugeschneit. Dennoch brauchte er weder Schneeketten und Beifahrer zur Hilfe. Hatte er schnell gelernt, dass dies sein Einsatz war.

Auf halbem Wege tankte er den Mercedes SUV. Holte sich ein Sandwich vom Händler dort. Bezahlte mit Karte.

»Ich hätte Bargeld mitgenommen, wenn mein Gedächtnis mich nicht im Stich ließe. Ah, da ist ein Automat. Da ziehe ich mir mal zweihundert Euro«.