Verführung - Viktor Kamerer - E-Book

Verführung E-Book

Viktor Kamerer

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Beschreibung

Jules beginnt eine Ausbildung im Fruits House. Der Auszubildende hat eine Gabe, denn er kann mit der parallelen Welt interagieren und Magie tut sich in ihm auf. Jules´ Freundin sieht die Magie auch. Doch die Gabe hat auch eine Schattenseite, und sein Chef ist keineswegs zimperlich. Jules muss in einer Schwachheit die Tiraden des Ausbilders erdulden. Kann der 18-Jährige die Sache überstehen?

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Wichtige handelnde Personen

Jules Bordeaux – Auszubildender

Mathilde und Claude – Eltern des Auszubildenden

Holger Dampf – Betriebsleiter

Klaus Helmer – Verkaufsleiter

Marie Bütten – Auszubildende

Kim Vollak – Angestellte

Susanne Volk – EDV-Leiterin

Pawel Bogdanowitsch – Verkäufer

Heike Peters – Psychiaterin

Cengiz – Lagerarbeiter

Ali – Leiter der Reiferei

VORSTELLUNGSGESPRACH

Ich stelle mich bei einem Betrieb, einem Handel für Früchte und Gemüse, vor. Der Betriebsleiter nennt mir seinen Namen und gibt mir geflissentlich seine rechte, schweißfeuchte Hand, in die ich mit allem Eifer einschlage. »Holger Dampf. Ich bin hier der Chef.« »Und ich bin Ihr neuer Auszubildender«, sage ich ihm munter und mutig. Mein Gewissen plagt mich außerordentlich, weil ich zu früherer Zeit den einen oder anderen Blödsinn getan habe, andererseits muss ich gestehen, dass mich dieser Blödsinn immer mal wieder stark und ausdauernd sein lässt. Und nur so kann ich hier auftrumpfen, wie ein Hollywood-Star, bei seiner Paraderolle.

»Sie haben ganz schön Eier, schließlich ist das hier erst das Vorstellungsgespräch«, sagt der Betriebsleiter, zwinkert mir doch bereitwillig zu und nimmt als erster Platz auf seinem protzigen, großgebauten, schwarzschillernden Bürostuhl. Dieser Chefsessel steht im oberen Stockwerk, im Chefzimmer. Das Zimmer ist mit hellblauen Tapeten doch relativ kindlich gehalten, was mich wundert, da der Betriebsleiter sich keineswegs kindlich oder auch jugendlich gibt.

Um sich auf mich vorzubereiten, hat sich der Leiter dieses Handelsunternehmens meine Akte, die ich ihm zuvor per Postweg zugeschickt habe, auf den Managertisch gelegt und spickt immer mal wieder darauf.

Die Akte ist bereits aufgeschlagen, sodass Holger Dampf ohne Schwierigkeiten meinen Lebenslauf sehen kann.

Auch ich habe mich sehr gut vorbereitet, in einer ganz subtilen Art und Weise. »Ich fühle meine Worte«, flüstere ich mir geheimnisvoll selbst zu. Holger Dampf ertappt mich beim Selbstgespräch und spricht mich sodann mit einem Missmut darauf an. Es scheint ihm komisch, dass ich mit mir selbst spreche. Er kenne diese Art und Weise nicht, weder von sich selbst, noch von seinen Mitarbeitern. Seine eigene Familie klammert er hier aus. Mir gegenüber macht er den Eindruck, als sei ich ein Sonderling. Ich allerdings habe einen Ehrgeiz durch diese Technik entwickelt, habe die fühlenden Worte zu einer meiner Stärken gemacht und bin außerordentlich dankbar für diesen meinen Mut.

»Ich muss mich nur kurz sammeln, Herr Dampf. Sie kennen ja die jungen Leute, nicht wahr? Wir müssen immer das eine oder andere Mal innehalten, um dann wiederum nach vorne zu preschen.«

»Und ich habe mich schon gewundert, warum Sie denn mit sich selbst reden«, sagt Holger Dampf. »Sie kommen also dabei runter. Wenn das also bei allen jungen Menschen so ist, dann muss ich das akzeptieren, und dann nehme ich Sie hier mit aller Liebe auf. Wo wir uns doch so gut miteinander verstehen.«

Ich habe eine außerordentlich schlimme Vergangenheit, obgleich ich erst das zarte Alter von achtzehn Jahren hinter mich gebracht habe. Geistergeschichten sind mir zur Realität und Wunder und Zeichen zum Naturell geworden. Ich habe eine gewisse, muntere und auch tragische Erfahrung mit der Welt der Dämonen und Engel hinter mich gebracht und lerne enorm viel daraus. Gewiss gehört da auch der Ehrgeiz dazu. Diese Stelle gehört jetzt mir, denke ich mir und sehe wie nervös der werte Holger Dampf hier wirkt. Ich muss mir etwas einfallen lassen, denke ich. Ich kann da jetzt nicht so frech und fordernd vorgehen, denn je lockerer der Chef bei diesem Gespräch ist, umso besser wird unser Start in einigen Wochen, und das Verhältnis zwischen Ausbilder und Auszubildenden soll doch angenehm und nicht hektisch und chaotisch sein.

Ich gehe zunächst davon aus, dass Kompetenz mich hier sehr viel weiterbringen soll, als die Zurückhaltung, wie ich sie vor meiner Verwandlung innehatte. Man munkelt ja darüber, dass Geschäftsleute grob und ausdauernd sind, deshalb diese angewandte Technik. Ich fühle wie natürlich ich nun wirke mit meiner Fühl-Technik und sehe sogleich ein Lächeln in Holger Dampfs Mundwinkeln.

Ich bemerke in seinem Gesichtsausdruck, wie ehrgeizig und selbstbewusst der werte Herr Holger Dampf jetzt auf mich abstrahlt. Ich hoffe nur ich muss nicht doch einen Gegenpol zu ihm darstellen, und das ist natürlich die Schüchternheit. Ich versuche mich im Gespräch erwachsen zu geben und denke weiter, der Chef ist der Chef und ich ordne mich ihm selbstverständlich ganz und gar unter. Diese Vorgehensweise wird mich sehr weit bringen, denke ich mutig und gelassen. Der Chef hat das Sagen und ich bin trotzdem ein eigenständiger Angestellter. Ich werde mich groß und klein machen, denke ich aus lauter großer Selbstverherrlichung. Eigentlich soll ich – laut Mama – ein wenig mehr Demut in mein Leben lassen, doch Mama hat nicht immer das Recht auf ihrer Seite und ich bin lange genug demütig und unscheinbar gewesen. Schluss damit!

Unser Gespräch feuert weiter Hitze und Kälte aus. Holger Dampf als Hitzkopf und ich nun mit einer gepflegten Kühle, die mir eigentlich fremd ist, aber die keinen Missmut beim Chef aufkommen lässt. Durch meine große Technik mit dem Fühlen meiner gesprochenen Worte, bin ich – trotz geforderter Teamfähigkeit – auch mein eigener König, und Holger Dampf liest das auch sicherlich aus meinen Augen heraus. Die Kühle aber, die behalte ich noch einen Moment, denn Holger Dampf scheint ein Verfechter von nüchternen Kaufleuten zu sein. Wenn ich mich da mal nicht täusche.

Würde Holger Dampf mir das zugutehalten? Dass ich nüchtern und kalt daherkomme, wo er doch eine verrückte Wärme ausstrahlt? Doch Gegensätze ziehen sich immer noch an, und ich weiß mit meinem Charakter zu spielen.

»Wenn ich Sie richtig einschätze, dann würde ich sagen, dass Sie gut zu uns passen würden. Unser Team könnte eine Person wie Sie sehr gut gebrauchen. Ich gebe Ihnen die Chance. Englisch können Sie und in Mathematik und Deutsch sind Sie auch ganz passabel.«

Inhaltsverzeichnis

Erster Akt: Gewitter, Anfänge im Fruits House

Mein Gemüt

Bestellung

Kim Vollak

Zweiter Akt: Psychiaterin

Sie schätzt mich ab

Offenbarung An Kim

Dritter Akt: Kim

Betörung und Prüfung

Vierter Akt: Der Ausbilder und sein Jüngling

Gelächter und Genugtuung

Ein grosser Fehler

Selbsmitleid

Fünfter Akt: Die Augen eines Tigers

Er durchdringt mich

Zwischen den Stühlen

Zahlen

Liebesnest

Qualitätskontrolle

Sechster Akt: Schwachheit

Aussortieren

Des Jüngling stärke ist des Ausbilders schwäche

Siebter Akt: Kontrolle

Der junge kann es

Achter Akt: Die Juwelen des Auszubildenden

Sie Zieht in Weg

Beschwerde beim Chef

Erneutes Wegziehen

Neunter Akt: Zerstörung einer liebe oder der Treue Wahnsinn

Kim Vollak macht mich an

Ich beharre darauf

Zehnter Akt: Die Schwachheit meines körpers und ein Neuer Teufel

Unglaublich

Bogdanowitsch

Helmer

Holger Dampf

Ein Pakt mit dem Teufel

Cengiz

Mehrere Baustellen

Elfter Akt: Magie

Gelbe Bananen

Realität und Wahrheit

Gesunde Verrücktheit

Verführung

Gefühlvolle Intelligenz

Der Aufzug

Strafe muss sein

Zwölfter Akt: Flucht und Anrufer

Im Laderaum

Der Anrufer ist ...

Auf der Suche

Kompromiss

Clochard

Erster Akt

GEWITTER, ANFÄNGE IM FRUITS HOUSE

I MEIN GEMÜT

Zum Ausbildungsbeginn nehme ich – weil ich noch keinen Führerschein habe und der Weg etwas zu lang erscheint – den Stadtbus einige Haltestellen weit und erreiche die Stelle Industriegebiet Hollach. Von dort sind es noch einige Minuten zu Fuß zum Fruits House. Das Gebäude ist riesengroß, nicht zuletzt, weil ich noch recht kleinwüchsig bin. Das soll sich in den kommenden Wochen noch ändern, in denen ich einige Zentimeter auf dem Weg zum Erwachsenen gutmache. Der Weg scheint mir nicht zu schwer. Was das Busfahren, aber auch das Erwachsenwerden anbetrifft.

Ich komme an die weiße Türe, sehe sogleich die Klingel, die mir bereits vom Vorstellungsgespräch bekannt ist, und so betätige ich den kleinen aber funktionierenden Schalter. Irgendwie sehe ich sodann, dass die Tür bereits einen Spalt weit offensteht, und so nehme ich meinen Mut zusammen und trete mit meinem rechten Fuß einen halben Schritt hinein. Auf dem Boden ist eine Wasserpfütze zu sehen und das Innere des Gebäudes ist tiefgekühlt. Als ich die Türe nun mit ganzem Körper passieren möchte, kommt ein Angestellter bereits herbeigeeilt und begrüßt mich recht freundlich. Er nennt mir seinen Namen – Pawel

Bogdanowitsch -, später erzählt er mir, er sei der Verkäufer Nummer eins in diesem Betrieb, doch ich kenne solche Sorte Mensch und glaube nur die Hälfte davon, was in seinen braunen, leidenschaftlichen Augen steht.

Er reckt seine Brust hervor um eine Anspielung auf sein Niveau oder seinen Stand in diesem Handelsbetrieb nochmals zu festigen.

Diese Geste verdient einen gewissen Respekt von mir ihm gegenüber, da wir beide uns groß und mächtig geben wollen. Und so versuche ich erneut meine

Stimme zu spüren als ich sage: »So ist das also.« Allerdings weiß ich im nächsten Augenblick schon, dass der werte Herr Bogdanowitsch hier quasi etwas zu viel Bräunungscreme aufträgt. Er legt die Messlatte für mich sehr hoch, kann diese aber selbst keineswegs erreichen. Ich kann nun durch meine Technik an ihm erkennen, wie schäbig gekleidet und bucklig er dasteht. Er lässt seine Schultern sinken und fletscht mit seiner Zunge über seine dunkelroten Lippen. Als er dann von dannen geht, wer weiß wo er hinmöchte, da schließe ich die Türe hinter mir, die ins Schloss fällt.

Ich habe den Ausbilder Holger Dampf am Vorstellungsgespräch noch nichts von meiner entzückenden Gabe berichtet, mit der ich Geister und Engel höre und sehe. Habe mir im Zuge vor einigen Jahren eine seelische Krankheit zugezogen, wie einen Mantel, den man im Winter nicht mehr ausziehen mag. Jederzeit könnte diese Krankheit schlimmer werden, denn ich habe bislang weder einen Psychiater kontaktiert, noch Medikamente eingenommen, und das soll auch – ehrlich gesagt - so bleiben.

Als Holger Dampf sieht wie hochkarätig selbstbewusst ich in sein kaufmännisches Büro eintrete, wo die Jalousien den Raum am frühen Morgen in Schwarz fallen lassen, da rümpft er die Nase und ist ein wenig konsterniert. Habe ich es mit meiner breiten Brust heute und hier übertrieben?

»Herr Dampf. Schön Sie in bester Laune sehen zu dürfen«. Er gibt mir seine Hand zum Gruß so wie es bei ordentlichen Kaufleuten beim Abschluss eines Geschäftes denn Gang und Gäbe ist. Sein Händedruck lässt darauf schließen was er mir hier sagen möchte: Ich bin hier der Chef und jeder muss sich mir unterordnen.

»So, mein lieber Auszubildender. Du gehst mal gleich ins Lager, nimmst dir einen Besen und fegst da erst einmal kräftig durch. Körperliche Arbeit hat noch keinem geschadet und wenn du was werden willst bei Fruits House, dann musst du dich schon beweisen.«

Ich sehe mein unweigerlich selbstverschuldetes Schicksal bereits vor Augen. Keine kaufmännische Ausbildung, kein Bürojob. Das alles kann ich sorgenfrei vergessen. Während ich den Besen schwinge, mache ich mir große Gedanken darüber, wie ich den Chef denn nun vielleicht doch in meine Richtung - an mich – ziehen kann. Er lässt sich also nicht in seinen Hinterhof pinkeln. Da muss ich mich schon gut mit ihm stimmen, denke ich und folge dem nächsten Gedanken.

Kaum sind zwei Gedanken vergangen, da sehe ich durch das Lagerfenster am Eingang des Betriebes wie sich der Himmel in dunkelrosa verfärbt, und sodann soll hier wohl ein ausgewachsener Sturm aufkommen, denke ich. Diese Gedanken sind groß, denke ich weiter. »Meine Güte. Ich fühle mich großartig«, sage ich verblüfft und ausgelassen. »Das bin ich, der dieses verdammte Wetter beherrscht«. Was für mich und mein Leben keine Neuigkeit ist, da das Bewegen oder Beeinflussen von Dingen mir als normale Psychologie erscheint. Erst viel später erfahre ich, dass Psychiater darin eine verquere Manie sehen, eine Übertreibung meiner Botenstoffe in meinem Gehirn, die mir falsche Bilder schicken. Dieses Bild aber nehme ich zum Anlass mein Selbstbewusstsein noch weiter zu stärken.

Ich recke meinen wunderbaren Charakter empor und lächle mit gefletschten Zähnen und spitzen Eckzähnen. »So etwas hatte ich schon mal«. Es wütet der doch zuvor handzahme Wind und ich hoffe, dass die Fahrzeuge auf den Parkplätzen an der Wand des Gebäudes ungestört und unberührt bleiben, schließlich sehe ich gerade in meiner Vorstellung Automobile in den USA von Bäumen erschlagen, die der Wind plötzlich umstößt. »Es ist also wieder soweit«, sage ich mit lauter werdenden Stimme. Keiner beobachtet mich und hört meine Worte, sodass ich meinen realen Wahn voll ausleben kann.

Doch das Gegenteil von gut geschieht dann, denn ein prasselnder Regen, dann Hagel, kommen auf, und ich fühle mich innerlich übel an. Warum muss ich immer wieder diese Extreme ertragen? Einsame Spitze und Niedergeschlagenheit wechseln sich wohl in mir ab und ich kann gar nichts Gutes oder Sinnvolles dagegen ausrichten. Dass das Wetter sich meinem Gemüt anpasst, das ist mir neu. Zuvor habe ich gedacht, das Unwetter kommt mit meinen Worten und meiner Gewalt herbei, aber nein, es entspricht genau meinem Spiegelbild, und ich habe nur Einfluss darauf, wenn ich meine Gefühle steuere, und dies scheint mir aussichtslos zu sein.

Aus dem großen Verkaufsbüro höre ich Fenster auf- und zuschlagen. Es ist das Büro von Holger Dampf und seinem Verkaufsleiter Klaus Helmer, den ich noch kennenlernen werde. Meine Chance ist da, der Held kann in mir hervorkommen und so spurte ich die wenigen Meter durch eine Tür zum Büro, stürze hoffnungsvoll und mutig hinein und dränge mich zwischen die anderen hindurch. »Chef. Ich mache das schon. Ich kann das. Das wäre ja gelacht«. Ich muss einfach Mut produzieren und werde so immer stärker. Es muss jetzt Gewalt her, denke ich. Mit einer unbändigen Macht und Kraft drücke ich das große Fenster im großen Büro zu und verschließe es mit den Griffen. Der aufgeblähte Wind stößt noch ein letztes Mal mit einer Wucht gegen das Fenster und der Hagel lässt davon ab auf die Scheiben zu schlagen.

Als sich alle beruhigt und gesetzt haben, richtet mein Chef ein Wort an mich. »Das hast du gut gemacht, Herr Bordeaux. Du kannst jetzt den Besen wegstellen und zu mir kommen, denn du hast echt bewiesen, dass du zu unserem Team gehörst.«

Als ich diese Worte vernehme, lächele ich Holger Dampf aber auch Klaus Helmer sehr freundlich an, habe wohl ihr Vertrauen gehörig gewonnen, durch mein spontanes Eingreifen und meinen kumpelhaften Mut. Ich bemerke in diesem Augenblick, dass diese meine ausgeübte Macht gegen den Sturm das Ergebnis meiner Technik ist, und dass ich dabeibleiben sollte. Dann aber geht das Wetter erneut ganz nach meinem Gemüt. Denn schon nach wenigen Sekunden hellt sich mein Gesicht auf und Sonnenstrahlen dringen durch das von mir geschlossene Fenster hindurch. Mein Gefühl ist gut und das Wetter ebenso.

2 BESTELLUNG

Holger Dampf zeigt mir sodann in einem Ordner die Verkaufsmenge an Bananen der vergangenen Woche und erklärt mir pflichtbewusst und loyal, dass wir per LKW jeweils 1056, per Bahnwaggon 1152 oder gar 1248 Kartons an Bananen erhalten.

»Man benutzt bis heute sogenannte Maschinenkühlwagen der Bahn, bis heute ist das Unternehmen 'Cargo' das Transportunternehmen, das die meisten Waggons betreibt. Die Temperatur der Waggons kann von -30 bis +20 Grad eingestellt werden und dabei sind diese Maschinenkühlwagen in der Einhaltung der erforderlichen Temperatur ziemlich zuverlässig...siehst du hier, Herr Bordeaux. Das ist der Absatz der letzten Woche, Tag für Tag. Etwa zwei Ladungen pro Tag. Also, wenn du das hochrechnest so benötigen wir zwei Ladungen á sechs Arbeitstage, denn wir arbeiten auch samstags.

Du machst jetzt bitte für uns eine Aufstellung, hier, kannst dich an meinen Arbeitsplatz setzen und den Computer benutzen. Der ist an einem Drucker angeschlossen«.

Holger Dampf erhebt sich von seinem Bürostuhl und ich nehme darin Platz. Er erklärt mir, dass ich nun die Einkaufsmengen ins Dokument und sodann den Ausdruck per Fax nach Bayern in die Zentrale von Fruits House senden soll. Ich suche die Datei selbstständig und gebe mich dabei protzig und gutgelaunt. »Chef, das ist gar kein Problem.«

Holger Dampf ist aber noch nicht fertig mit seinem unauslöschlichen Latein und meint, die Zentrale von Fruits House würde dann, nach der Zusendung meiner Bestellung, in Hamburg und Rotterdam tätig, um die Anforderung für die nächste Woche dort abzugeben, zum jeweiligen veränderlichen Preis der Früchte. Auch die Marke der Bananen hänge mit dem Preis zusammen. So gebe es zum Beispiel teure Chiquita Bananen, aber auch günstige wie die Bonita.

Als der Ausbilder mir mein großes ungebändigtes Interesse an meiner Nasenspitze ansieht ist er sichtlich zufrieden. »Genau. Das ist die Datei. Hast sie ja schnell selbst gefunden. Bravo. Wenn das mit dir so weitergeht, dann können wir alle sehr zufrieden sein«.

Mit einer ordentlichen Dosis an Motivation sage ich: »So, und hier tippe ich die Anzahl der LKW- oder Bahnwaggonladungen hinein. Dann wäre die Bestellung schon fast fertig.«

Holger Dampf hat – um die Sache komplett zu machen - nur noch eines anzumerken: »Obgleich wir selbst nicht bestimmen können, ob die Lieferungen an uns per Waggon oder auf dem Straßenverkehr hier ankommen.«

»Oh, dann müssen wir eine Ladung mehr bestellen, Herr Dampf, denn schließlich könnten wir eine Menge an LKWs bekommen, die weniger Kartons geladen haben als die Waggons. Hier könnte man uns hunderte an Kartons weniger zuführen.«

Holger Dampf lächelt mich freundlich an und denkt wohl: Was für ein kompetenter Auszubildender. Hier habe ich einen guten Fang gemacht. Ich sehe es ihm deutlich an. Der Junge hat echt was drauf. Und ich kann ihm diese Gedanken gar nicht als falsch ankreiden.

Als ich alles so ausgeführt habe wie der Chef es wohl von mir verlangt hat, da schaue ich mir mal vorsorglich und mit einer kleinen Ahnung was gleich geschehen mag, die Papiere über die heutigen zwei Lieferungen an. Die eine Ladung ist per LKW, die andere über die Gleise gekommen. Das sehe ich an den Eintragungen in unseren Listen und an den Ladepapieren des Versenders, des Verkäufers.

Holger Dampf sitzt bereits wieder auf seinem Lehnsessel und da klingelt sein Telefon, das er sogleich abnimmt. Nach einer kurzen Unterredung verbindet er den Anruf zu mir hinüber, wo ich gerade am Nebenzimmer an den Ladepapieren sitze. »Für Sie, Herr Bordeaux. Regeln Sie das doch bitte.«

Was hat der Chef hier vor, frage ich mich selbst flüsternd und aufgeregt. Ich habe es. Er will mich testen. Er möchte herausfinden, ob ich Bescheid weiß vom Geschäft hier. Ich muss jetzt stark bleiben, wer auch immer da am Apparat mir sein Ohr leihen wird.

»Bordeaux.« Mit diesen Worten nehme ich das Gespräch entgegen.

Eine schöne, weibliche Stimme – sie muss wohl meiner Einschätzung nach Mitte dreißig sein – meldet sich zwar ohne ihren Namen aber doch mit der Bezeichnung des Unternehmens welchem sie angehört. »Firma Cargo, Herr Bordeaux. Könnten Sie mir sagen, ob denn unser Waggon für heute bei Ihnen angekommen ist? Ich habe diesen Waggon irgendwie aus den Augen verloren. Er müsste zu Ihnen kommen, aber ob er schon da ist, oder ob er überhaupt ankommen wird, ist mir ungewiss.«

Ich muss nicht lange darüber nachdenken oder nachschauen und antworte mit einer kompetenten Einstellung, die Holger Dampf in den Schatten stellt:

»Kein Problem, werte Dame. Der Waggon ist bei uns eingetroffen. Unser Lager hat die Lieferung bereits quittiert«. Diese Information habe ich natürlich gerade eben erst aus den Dokumenten herausgelesen, eine Information, die Holger Dampf wohl nicht bekannt ist. »Wenn Sie möchten sende ich Ihnen die Waggonnummer per Fax schnell zu.«

»Oh, das wäre ja toll, Herr Bordeaux. Das Sie das so schnell wissen. Gut, einverstanden. Dann machen wir das so. Ich danke Ihnen für das außerordentlich konstruktive Gespräch.«

Mein Chef ist wohl - das zeigen seine Gesichtszüge - zum einen sehr dankbar, dass ich so selbstständig und weise antworte und einen guten geschäftigen Umgang mit Kunden und Lieferanten pflege. Auf der anderen Seite will er aber doch sicherlich nicht – und so weit reicht meine Menschenkenntnis -, dass jemand ihm den Rang abläuft, ihn wie auch immer geartet überholt. Ich höre sodann einige Worte, die Holger Dampf an den Verkaufsleiter Klaus Helmer spricht: »Der Junge ist echt gut. Mal schauen. Vielleicht können wir ihn gebrauchen, oder er fliegt höher als die Schwalben.«

3 KIM VOLLAK

Holger Dampf ist doch sicherlich mit mir zufrieden, wie sonst ließe sich erklären, was er als nächstes sagt: »Herr Bordeaux. Gehen Sie mal bitte hinauf in den nächsten Stock, in die EDV, zu Frau Susanne Volk. Sie ist dort die durchaus gute Seele der Abteilung. Schauen Sie sich da mal um, vielleicht fallen Ihnen hierbei irgendwelche Verbesserungsvorschläge ein. Sie sind ja ein gewiefter Fuchs«. Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen, zeige hehres Interesse an der Einlassung meines Ausbilders, und nehme meine Beine in die Hände, um zum übergeordneten Stockwerk zu gelangen.

Als ich oben mutig und motiviert ankomme, da begrüßt mich Frau Susanne Volk sehr herzlich, meint: »Sie sind also unser neuer Auszubildender. Schön, dass Sie raufgekommen sind um uns zu begrüßen. Sehen Sie sich ruhig mal um. Ich beiße schon nicht, auch wenn die eine oder andere hier oben was anderes sagt.«

»Sie sind also Frau Volk. Jules Bordeaux ist mein Name. Herr Holger Dampf hat mich angewiesen mal hier oben vorbeizuschauen, damit ich möglicherweise irgendwelche Verbesserungsvorschläge entdecke. Nicht dass Sie glauben wir wären Ihrer Arbeit gegenüber skeptisch eingestellt. Aber von außen sieht man die Dinge schon mal anders.«

Frau Susanne Volk runzelt vergnügt die Stirn. So viel Ehrlichkeit hat sie wohl nicht von mir erwartet. Und so gibt sie mir die Hand, schaut hocherfreut drein und ruft alle ihre Mitarbeiterinnen herbei, in einem Anflug von Schüchternheit und Ausgelassenheit.

Aus dem Augenwinkel erblicke ich sogleich eine Asiatin scharf um die Ecke biegen, und grüße sie keck. Sie nennt mir ihren Namen und schaut recht wollüstig und leidenschaftlich. Ich lasse mich zunächst nicht darauf ein, und wiederhole erst einmal flüsternd ihren Namen, um ihn mir besser merken zu können: »Kim Vollak.«

Sie hat das akustisch sehr gut verstanden und bietet mir mit aller Fleischeslust, die in ihr steckt das du an.