tot - Viktor Kamerer - E-Book

tot E-Book

Viktor Kamerer

0,0

Beschreibung

Im Krematorium ist die Hölle los und warum mischt sich die Kanzlerin ein? Ein Supergau, ein Experiment von großer Tragweite und eine Angelegenheit, die Anstand und Sitte vergrämt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 299

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Teil 1: Hauptteil

Kapitel Eins: Eine Familie

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Kapitel zwei: Jonathan

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Sektion 6

Kapitel Drei: Jonathan Und Douglas

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Sektion 6

Sektion 7

Sektion 8

Kapitel Vier: Er Muss Tun Was Er Tun Muss

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Kapitel Fünf: Nachforschungen

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Sektion 6

Sektion 7

Sektion 8

Sektion 9

Kapitel Sechs: Verfolgung

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Zwischenspiel

Kapitel Sieben: Im Garten

Sektion 1

Sektion 2

Kapitel Acht: Schobers Geistreiche Idee

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Kapitel Neun: Einsatz

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Kapitel Zehn: Auf Der Spur

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Sektion 6

Sektion 7

Sektion 8

Kapitel Elf: Gefahr In Der Kaserne

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Kapitel Zwölf: Die Bundeskanzlerin

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Kapitel Dreizehn: Jonathan Und Die Kanzlerin

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Sektion 6

Sektion 7

Sektion 8

Zwischenspiel

Kapitel Vierzehn: Der General Und Sein Major

Sektion 1

Sektion 2

Teil 2: Hauptteil

Kapitel Fünfzehn: Jonathan Kontrolliert

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Zwischenspiel

Kapitel Sechszehn: Gespräch Zwischen Humberg Und Jonathan

Sektion 1

Sektion 2

Kapitel Siebzehn: Neue Gaben - Zwei Männer

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Kapitel Achtzehn: Die Übrigen Seelen - Neue Idee

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Kapitel Neunzehn: Ein Neues Geschäft

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Kapitel Zwanzig: Eine Schöne Begebenheit

Sektion 1

Sektion 2

Teil 3: Endteil

Kapitel Einundzwanzig: Kampf Dem General

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Kapitel Zweiundzwanzig: Telefonat Und Abholung

Sektion 1

Sektion 2

Sektion 3

Sektion 4

Sektion 5

Sektion 6

PROLOG
1

Schwäbisch Gmünd

Ein dunkler, langer Mantel, schlurfende Schuhe in Größe fünfundvierzig, ein schwarzer breitkrempiger Hut. Ein großgewachsener Herr. Hatte er Zweifel oder war er ausgegoren? Reif und bekömmlich? Sein Auftreten mit den dicken, harten Sohlen versprach nichts Gutes, als er laut und grob auf dem Boden seines Krematoriums hinwegging. Die Welt nahm ihn bislang an, das wusste er mit Sicherheit. Viele Freunde hatte er sich angeschafft, nicht zuletzt mit eigenartiger Korruption, denn Gelder flossen als Geschenk und er versprach sich natürlich sehr viel Ansehen und noch mehr Ehre und Ruhm.

Aber würde die Welt, wie er sie kannte, ihn bald doch ausspucken? Hat sein antrainiertes, selbstbewusstes Verhalten irgendetwas Anständiges, und warum waren die Vorhänge zugezogen? Er ging mehr schwer als leicht an einem Foto vorbei, das an der Wand hing. Ein bittersüßes Mädchen kleinen Alters war darauf zu sehen und sie hing da halb nackt an Wand in einem Gang des Krematoriums. Seine Zunge fletschte über seine dicken Lippen und sein gieriger Blick ließ ein Ausnutzen dieses Mädchen in gewissem Maße erahnen. Wer war sie und weshalb hing das Bild von ihr bei einem Mann im Krematorium, der vielen etwas vorgaukeln will, einen gewissen Anstand zu wahren vorgibt? Vielleicht war sie seine Nichte, umso schlimmer wäre das und umso barbarischer war seine Erregung und dessen Höhepunkt.

2

Die Wände waren in dunklen Farben gestrichen und die Decke war hoch und unmöglich zu erkennen. Man erkannte einfach in diesem dunklen, fast nebulösen Räumen jene Decke nicht, vielleicht zog sie sich bis in den Himmel hinauf, wo dieser Herr womöglich seine Zukunft deutlich sah. Er zog jetzt das rechte, etwas längere Bein nach, ging aber unbeirrt und stolz seinen Weg durch dieses Gebäude; sein Gebäude. Wie war es zu erklären, dass er hier, in einer ominösen Dunkelheit sein Dasein fristete, wie ein Wolf im dichten, schwarzgefärbten Wald? Wie kam es überhaupt, dass er ein solches Unternehmen führte, das Pietät voraussetzte, wo er doch mit blutunterlaufenen, dunkelgeränderten Augen sein Inneres nach außen zog?

Aus kurzer Entfernung hörte er einen schrecklich anmutenden Schrei zu ihm durchdringen. Metallisch und hoch, wie ein quietschendes Scharnier eines holzgetäfelten Schrankes. Noch zwei Schritte und er wäre da. Wo ist dieser verdammte Mohamed, habe ich ihm doch aufgetragen alles ordentlich und pünktlich zu erledigen? Wenn der sich wieder verdrückt hat, dann kriegt er es mit mir zu tun. ››Mohamed? Verdammt, wo bist du denn? Muss ich euch beiden denn immer nur suchen? Könnt Ihr nicht einfach tun was euch aufgetragen wird‹‹?

Plötzlich stand der Hinkende vor einem seiner tagtäglich brennenden Öfen, wo vor etwa fünf Minuten wohl gerade etwas großes, vielleicht auch Großartiges, hineingeschoben wurde. Hatten die Angestellten nun ihre vertraglich geregelte Pflicht getan oder waren hier Dämonen im Spiel, die ihnen eine gewisse Faulheit hineingetrieben hatten?

››Dämonen‹‹, schrie der Chef, sichtlich angegriffen von irgendwelchen ominösen Machenschaften hier im Krematorium. Glaubte er daran, dass solche Kräfte hier herrschten? Wenn er sich seine beiden Mitarbeiter so ansah, dann war das durchaus möglich. Nett waren sie, aber der eine hellhäutig und blass, der andere – der eben erwähnte Mohamed – hatte Pickel vom Ausmaß einer Mondoberfläche auf seinem Gesicht gesammelt. Hatten diese beiden überhaupt eine gewisse Kompetenz, hier mit diesen Öfen herumzuhantieren? Der Chef ließ es wohl geschehen. ››Wie habe ich euch nur ausgebildet, Ihr beiden Nichtsnutze. Ihr bringt mir hier noch alles dermaßen durcheinander, dass ich täglich hinter euch herräumen muss. Ich muss die Spinnweben wegputzen und ich muss alles was Ihr tut, zwei Mal kontrollieren. Selbstständigkeit, sage ich euch immer. Das braucht Ihr hier‹‹.

3

Er hatte seine Mitarbeiter überaus schlecht behandelt und mies bezahlt, und doch hatte er eine Art Kameradschaft mit ihnen aufgebaut, ansonsten hätte keiner der beiden auf dieser Stelle durchgehalten, nur durch gelegentliche Aufmunterungen des Unternehmers waren die beiden bei ihm geblieben. Doch was geschah da in diesem bizarr wirkenden Moment?

Kommen wir zurück zum Ofen, der da brennt.

Aus diesem drang nun ein Schrei hervor, doch der Angestellte und der hinkende Unternehmer lächelten sich nur frohen Mutes gegenseitig an. Was war hier in sie gefahren? Es musste ein sogenannter Dämon gewesen sein, dachte sich nun Mohamed, er spürte wohl, dass sich ein übles Geschöpf, eine dunkle Seele, in ihm aufgebaut hatte, doch er konnte und wollte nicht dagegen angehen, schließlich musste er dem Chef gefallen, der Loyalität schätzte wie seine Schweizer Armbanduhr. Der Chef klopfte seinem Untergebenen auf die Schulter und schlurfte mit gewissenhaften Schritten weiter.

››Chef‹‹, rief der türkischstämmige Angestellte ihm hinterher. ››Ist es, weil er ein Deutscher ist? Muss dieser brennen, weil er ein Kartoffelkopf ist? Ich meine: Mir würden Sie das nicht antun, oder? ... Dreck, er würde es doch tun‹‹, fügte er beiläufig und zu sich selbst hinzu.

Der Chef mit dem bürgerlichen Namen Douglas Humberg, meinte, dieser da im Ofen habe ihn, den unangefochtenen Chef dieses Etablissements aus lauter Freude und mit schwingenden Armen als Schwuchtel bezeichnet. Bei diesen Worten strich er mit seiner Hand über eine rote Schleife, die an seiner rechten Brust angehaftet war. Dazu schaute er seinem Untergebenen von unten nach oben an, dann schielte er tief in dessen braungebrannte Augen und setzte sich im Kopf seines Angestellten fest, wie eine Zecke in einer Achselhöhle. Wenn du glaubst du kannst so etwas mit mir machen, dann täuscht du dich gewaltig, Mohamed, flüsterte sich Douglas Humberg selbst zu. ››Gebe dich nicht zu groß, mein Lieber, dann wird alles gut. Verstehst du‹‹?

Der Angestellte schaute an Douglas vorbei und spähte dabei neugierig in den menschenfressenden Ofen hinein, der innen zunächst mit Schamottesteinen, dann aber auch mit gebogenen Edelstahlpaneelen darauf ausgekleidet war.

Zwei Stunden, flüsterte der Angestellte. Diese Zeit bleibt die Leiche jetzt da drin. Und weitere Zeit…

4

Chef Douglas kam später erneut bei dem Mitarbeiter Mohamed und dem Ofen vorbei, als die von ihm an seiner Armbanduhr abgelesene Zeit des Abbrennens vorüber war. Er sah in den Ofen und bemerkte silberne Tropfen auf dem Edelstahlboden des Ofens daliegen. Was waren also diese Tropfen? Musste da nicht vielmehr Asche nach dieser Zeit daliegen? Warum also Silber in Tropfenform? Douglas ging langsam und bedacht um Mohamed herum, starrte dabei immer noch auf das Silber im Ofen und hatte eine schreckliche Ausstrahlung an den Tag gelegt. Was hier vor sich ging, war ihm zum Naturell geworden und er war aus lauter Leidenschaft und Wut nicht in der Lage, nur einen Deut von dem abzuweichen, was hier, wohl immer mal wieder geschieht. ››Die musst du jetzt wegputzen, du weißt schon wie. Ok? Wie immer. Keine Experimente, verstanden‹‹?

Diese Sache war also mit Sicherheit auf eine Regelmäßigkeit hinausgelaufen, wie sonst waren die antrainierten Worte von Herrn Humberg hier zu verstehen? Was bedeutete es sonst, wenn nicht das? Er hatte den Nagel schon auf den Kopf getroffen, das fühlte hier ein jeder, doch die Details und die Erklärung bleibt er uns noch etwas schuldig.

5

Der Angestellte, mit einem Anzug bekleidet, der ihm sehr gutstand, griff neben den Ofen nach einer durchsichtigen Flasche, mit einem halben Liter Fassungsvermögen, und einem Lappen, und wischte die silbernen Tropfen, kurzerhand und ohne jeden Zweifel and den Tag zu legen, weg.

››So, Chef. Es ist wieder einmal geschafft. Ich habe alles nach Ihren Wünschen getan. Warum müssen wir denn die Tropfen wegwischen, Chef‹‹?

Herr Humberg nickte ihm grauenvoll und erregt zu. ››Du brauchst nicht alles zu wissen, OK‹‹?

››Aber es ist interessant, Chef‹‹, blieb Mohamed stur. Douglas dann: ››Die Muschi meiner Mutter ist auch interessant, aber ich muss sie nicht sehen‹‹.

Douglas fühlte sich siegessicher und zwinkerte seinem Angestellten mit runzelnder Stirn zu. Dann griff er nach seinem vermaledeiten Bein und verzog grimmig und schmerzvoll sein Gesicht.

HAUPTTEIL

TEIL 1

KAPITEL EINS

EINE FAMILIE

1

Einige Meter weiter erspähte Douglas eine Familie mit Vater, Mutter und Kind. Er begrüßte sie anständig und mit angenehmer Stimme und hatte so etwas wie ein Lächeln auf dem Gesicht, was man auch akustisch vernehmen konnte. ››Sind Sie Deutsche‹‹? fragte er und hob dabei wie selbstverständlich die Augenbrauen.

Der Vater entgegnete mit einem ››ja‹‹. Ob das denn ein Problem darstelle, dass sie Deutsche seien. ››Nein, nein. Ich selbst bin ja Amerikaner, aber ich habe nichts gegen die Deutschen. Ich lebe schließlich in diesem Land. Da muss man sich schon integrieren‹‹.

Offensichtlich hatte Douglas eine Finte geschlagen und der Familienvater auf der anderen Seite hatte nichts Schräges, Sonderbares erkennen können. Vielmehr lag ihm Douglas mit dem Herzen und dem Charakter sehr nahe, denn beide Männer kümmerten sich umeinander. Douglas führte den großgewachsenen Mann, die ebenso große Frau, und den kleinen Jungen im Saal herum, wo einige Särge bester Qualität ausgestellt waren. Douglas war stolz auf sein Unternehmen und zeigte das auch gerne den Besuchern. ››Die hier sind heute vom Bestatter Poker und Sohn eingetroffen. Wenn Sie möchten öffne ich einen Sarg für Sie. Natürlich nur, wenn Sie starke Nerven haben. Ihr Kind sollte die Augen schließen‹‹.

2

Der einfache Familienvater schüttelte überrascht und ängstlich den Kopf. Die Augen seiner Frau traten aus den Höhlen hervor und das vierjährige, rotbackige Kind fing an zu weinen. Zu den Öfen aber führte er die Kunden nie, zu sehr würde das sein kleines Geheimnis gefährden und es war tatsächlich ein Geheimnis, das wussten nur er und seine Angestellten, und selbst diese ließ er in einigen Teilen im Regen und in Unwissenheit stehen.

Dann aber wirkte Douglas wieder sehr kompetent und sehr vernünftig. Hatte er sein arglistiges Verrücktsein dann doch wieder abgelegt, jetzt, da der Junge weinte? ››Haben Sie einen Angehörigen verloren? Sie möchten sicherlich wissen, wie die Feuerbestattung bei uns abläuft‹‹.

››Hmmh‹‹, sagte der Vater und nickte Douglas Humberg dann doch freundschaftlich zu. ››Sollten die befüllten Särge nicht gekühlt werden, solange, wie sie hier drinnen im Saal stehen‹‹?

Das gefiel dem Unternehmer Douglas überhaupt nicht, dass dieser doch zunächst so freundliche Herr, hier auf seinen Gefühlen herumtrampelte, wo doch dieser Betrieb sein ››Baby‹‹ ist. Douglas räusperte sich und ließ die Antwort auf sich warten. Er presste die Lippen zusammen und ließ ein ››argh‹‹ aus seinem Mund hervorquellen. Schließlich bemerkte der Familienvater Douglas` Bein, das dieser immer wieder und immer kräftig mit seiner Hand rieb. ››Sie haben da ein Malheur, werter Herr‹‹? ››Oh, nein, mein Sohn. Das habe ich schon von Geburt an. Sie sollten das überhaupt nicht beachten. Es ist nur eine verdammte, komplexe Krankheit, genetisch bedingt, aber ich komme sehr gut damit zurecht, oder würden Sie sagen ich humple hier herum››?

››Und wie heißt diese so komplexe Krankheit, wenn ich fragen darf‹‹? Das schlug Douglas jetzt aber arg auf den Magen, dass der einfache Familienvater so frech und keck daherkam. Er selbst wäre ja nie auf solche Fragen gekommen, zu sensibel und mitfühlend sah er sich selbst.

››Wissen Sie, werter Mann. Die Psyche, die Nerven, der Körper. Das hängt alles damit zusammen. Wie die Krankheit jetzt genau und auf Latein heißt, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es scheint mir viel besser, wir wüssten alle weniger über Krankheiten und Leiden. Verstehen Sie, mein Sohn? Ich möchte jetzt und immer überhaupt nicht darüber reden, schließlich verfällt man dabei nur noch mehr in Trauer, Wut und Selbstzerstörung‹‹.

››Hmmh‹‹. Erneut dieser Laut vom Vater der anwesenden Familie. ››Eine interessante Theorie‹‹, sagte der Vater, erneut fragend und jetzt auch noch arrogant.

Obwohl der Vater Douglas` Theorie zuerst skeptisch gegenüberstand, hatte er doch, in Gedanken gefangen, immer mehr die Idee, dass es möglich war, durch Schweigen, Krankheiten gar nicht erst aufkommen zu lassen. ››Interessant‹‹ war hier das richtige Wort und der Vater musste jetzt Herrn Humberg im Auge behalten und ihm Kontra geben, nicht zuletzt wegen seines Sohnes, der einfach ››das Richtige‹‹ von seinem Vorbild erlernen sollte. Gut wer einen tollen, aufmerksamen Vater hat.

3

Der Vater griff sich an das Kinn und fragte, wie das denn mit einer Einäscherung vonstattenginge? Er habe sich zwar schon im Internet informiert, aber vielleicht würde der Feuerbestatter noch einige Details dazu nennen können. Jetzt war wieder Ernst und Nüchternheit eingekehrt, und der Familienvater hatte immer seinen kleinen Sohn im Blick, fest haftete auch der Junge seine Augen auf seinen – stolz war der Junge – umwerfenden Vater.

Douglas griff sich grobschlächtig und anmaßend an die rechte Pobacke und druckste da unbehaglich herum. Er wollte nichts Falsches sagen, zu dämonisch waren die Gedanken, die in seinem Kopf herumschwirrten und ihn angreifbar machten – und das in letzter Zeit immer mehr. Er dachte an die Schreie gerade eben und hatte jetzt noch ein weiteres Bild vor seinen großen Augen, etwas Zukünftiges wohl, das er niemandem zu beschreiben vermochte. Zu grausam ist diese Vorstellung, zu heftig seine in der Luft liegenden Taten. Dann hatte er plötzlich auch die Bilder der letzten Wochen vor sich ablaufen sehen. Die Öfen. Das Feuer, und zuletzt diese silbernen Tropfen, deren Geheimnis er noch immer nicht preisgeben will.

Was war in ihn gefahren, dass er so etwas Grauenhaftes sah? Direkt vor ihm schienen diese Bilder wie in Zeitlupe abzulaufen, mit schrecklichem Filter, wie sie heute auf Handykameras installiert sind. Er gab sich einen schnellen Ruck und schleuderte sodann die Antwort auf die Frage raus: ››Auf die Särge stelle ich einen Stein, einen solchen, der die Hitze und das Feuer überlebt. Darauf zeichne ich den Namen und eine gewisse Nummer darauf. Nach der Kremation kommt der Stein in eine Urne. Daraufhin graviere ich alle Daten, also Namen, Geburts- und Todestag‹‹.

Als er diese langwierige und doch schnell vorgetragene Information geendet hatte, meinte der Familienvater, dass sei ja alles recht und gut. Douglas aber prahlte mit ausgestreckter Brust und lächelte wie ein Berserker. Als der Familienvater ihn hierauf respektlos ignorierte, gab sich Douglas Humberg eine gewisse Schuld. Das sah man an seinem rotbackigen Gesichtsausdruck und seinen schweißnassen Händen. Als er dann über sein kurzgeschnittenes Haar glitt, erkannte der Vater eine gewisse Arroganz und Selbstverliebtheit. Im nächsten Moment beschloss der Vater, dieses Krematorium zu meiden und sich schleunigst aus dem Staub zu machen. In ihm war irgendwie ein negatives Gefühl hochgekommen, das ihn zur Absage weiterer Gespräche und jedweder Verhandlungen verführte. War hier Douglas, mit all dem Mut den er gewiss hat, und mit aller Nüchternheit in der Sache, dann doch zu weit gegangen? Hatte er sich die Familie anders, schräger vorgestellt, so, wie er selbst denn war? Alles in allem war jedoch nun alles verloren, jede Chance auf eine Übereinkunft abgetan, und wieder einmal hatte sich ein Kunde ein Bild von Douglas gemacht, dem der Feuerbestatter selbst kaum entfliehen konnte.

Der Vater drängte Frau und Kind zur Tür hinaus und schloss diese hinter sich. Das müsse er sich nicht geben, und sein Sohn erst recht nicht. Er hatte einen schrecklich missmutigen Blick. Douglas aber war schon wieder ganz in seinem Element, wo er doch dachte, er müsse nur das eine oder andere Mal souveräner auftreten. Er müsse nur die Gespräche ein wenig freundlicher, und doch drängender auf den Abschluss der Geschäfte, halten. Was weiß der denn schon? Dieser Winzling von Mensch, so groß er auch sein mag. Für mich ist er ein Blutegel, der mich nur aussagen will. Das können sie alle vergessen. Mich kann man nicht stoppen. Hört Ihr? Ihr Dämonen. Mich kriegt Ihr nicht klein, keinesfalls. Und so ging er zwei Schritte in Richtung Ofen Marke Selbstbau, und beschleunigte dann bis zum genannten Ofen. Das Feuer darin war bereits verblasst.

4

››Erledigt‹‹? fragte er seinen türkischstämmigen Angestellten, der hier, in Langweile gehüllt, in der Gegend herumstand.

››Chef. Alles ist tot. So wie Sie es wünschen. Ich hoffe nur nicht, dass ich einst sterbe und in diesen unheimlichen Ofen hineinkomme‹‹.

››Mein lieber, bedauernswerter Mohammed. Mache dir keine Sorgen. Du hast mir nichts getan, und das ist das Wichtigste für mich. Tue einfach immer was ich sage und dein Gewissen ist rein‹‹.

‹‹Mein Gewissen ist rein, Chef‹‹? wiederholte Mohammed, mehr fragend als feststellend.

››Na siehst du. Wir verstehen uns doch blendend. Und jetzt gehe in den Eingangssaal und kehre den Boden. Hast ja sonst nichts zu tun‹‹.

Mohammed kniff sich geistig in die Backe. Er musste jetzt ruhig und gelassen bleiben, dann sollte ihm nichts weiter Schlechtes passieren. Er bemerkte zwar schon längst, dass sein überaus selbstbewusster Chef ein undankbarer Chauvinist war, und doch wollte er diese Stelle behalten, und auch diesen Chef behalten, denn er hatte sich in diese Handlungen verliebt, hatte sich in einen Vampir verliebt, wie der Werwolf aus dem ersten ››Underworld‹‹ Film. Nur war Douglas keineswegs – auch für Mohamed nicht – so hübsch wie die werte Hauptdarstellerin Kate Beckinsale., die eine hervorragende Figur in der ganzen Reihe der Underworld-Filme macht.

Mohamed hatte gerade das Bild der Schauspielerin direkt vor seinen Augen, als sich eine sexuelle Erregung in seiner Hose ausbeulte.

5

Douglas kam gerade an seinem Büro an, als…

››Sie sind doch sicherlich verheiratet, Herr Humberg‹‹? fragte nun der vor dem Büro stehende Robert. Robert war ein Russlanddeutscher, klein und dick, aber durchsetzungsfähig wie ein Bär. Er hatte ebenfalls – wie Mohamed - einen schwarzen Anzug und dunkelbraune ››Loyd‹‹ Schuhe an. Doch das konnte ihm hier nicht zur Rettung gereichen. Was maßt sich dieser Typ da an, mich so anzusprechen? dachte Douglas und sah seinen Untergebenen grauenhaft störrisch an. Seine Mutter kann sich mit ihm sehr glücklich schätzen, dachte er weiter. Dann flüsterte er in harschem Ton: ››Gehen Sie an die Arbeit‹‹.

››Wie bitte‹‹? fragte Robert. Herr Humberg war rot vor Wut. Robert bemerkte das, aber viel zu spät und konnte sich jetzt nur noch wegducken, was ihm misslang, als Herr Humberg ihm einen schweren und kräftigen Tritt in den Allerwertesten verpasste, um sich sodann, nach dem unschönen aber notwendigem Ausfall, in seinem geschützten Büro geflissentlich zu verschanzen.

Robert stolperte über seine eigenen Beine, fing sich aber wieder und schimpfte Herrn Humberg hinterher: ››Sie Mistkerl. Eines Tages hetze ich die Bullen auf Sie los. Sie können das ruhig hören, ich habe tatsächlich ein reines Gewissen, Sie aber…was wollen Sie dazu sagen, bei all dem Schund, den Sie hier fabrizieren‹‹. Dann sprach er etwas leiser zu sich selbst: ››Er hat doch keine Ahnung von dem Geschäft hier. Er sollte sich was schämen überhaupt Geschäftsführer hier sein zu können, bei all dem Mist, den er hier redet. Sogar mit den Kunden ist er harsch und intolerant‹‹.

KAPITEL ZWEI

JONATHAN

1

Polizeibehörde

In Schwäbisch Gmünd stand auch ein hervorragend geführtes Polizeirevier. Der Polizeichef hatte sich zum Ziel gesetzt seinen Untergebenen freundlich zu begegnen, so wie wir es vorhin bei Douglas Humberg beobachten konnten. Spaß bei Seite, die Leute da drin waren scheußlich angezogen und mit den Manieren haperte es ebenfalls. Deutsch zu sein bedeutete zwar, nüchtern und beugsam vorzugehen, die Linksradikalen hatten sich zum Ziel gemacht, dem Volk zum Aufgeben ihrer Individualität zu verhelfen, ihnen den Kopf zu waschen und sie linker zu machen als es Ghandi je gewesen war.

Der am Empfang stehende Beamte aber stellte wohl eine Gegensätzlichkeit dar, wie wir gleich, im Verlauf eines Gespräches, sehen und hören werden. Denn auch wenn fast ausnahmslos alle hier für Ausländer aufrecht eingestanden waren, so war dieser eine hier ein wenig anders als die anderen.

››Solche Leute brauchen wir bei der Polizei, junger Mann. LKW Führerschein und Kampfsporterfahrung, sagten Sie? Ich brauche nur noch ihren Ausweis. Ist nur eine Formalität, keine Sorge‹‹.

Ein hochgewachsener, kräftiger, junger Mann stand vor dem Polizeibeamten, der gerade die Bewerbung des 19-Jährigen persönlich und vertraulich annahm. ››Abitur haben Sie auch‹‹? Jonathan nickte, griff in seinen kleinen Rucksack und holte daraus seinen unverbrauchten Ausweis hervor.

Der Polizist kam um den Tresen herum zu Jonathan, der vor dem Tresen stand und geduldig wartete, bis der Polizist sich kurz und knapp seinen Ausweis ansah. Währenddessen schaute der 19-Jährige sich eine Kopie eines Bildes von van Gogh an der Wand an. Er wusste zwar nicht wie das Bild hieß, aber es waren viele gelbe Blumen darauf zu sehen und das hatte Jonathan noch in seiner Erinnerung gespeichert.

Jonathan hatte nichts zu verbergen und so stand er auch da: Selbstbewusst und gerade, wie ein angehender Kommissar. Ein Spezialkommando wäre auch nicht schlecht, dachte er sich und malte sich schon in seinem Bewusstsein Bilder von Einsätzen als Spezialkraft aus. Seine Fantasie kannte keine Grenzen. Die werden mich schon nehmen, dachte er und lächelte den Beamten an.

2

Der junge Mann war einfach vorbildlich und perfekt für die Ausbildungsstelle als Polizist. Der Beamte ihm gegenüber hatte kein Abitur und auch eine Kampfausbildung erlaubte er sich erst spät, während eines Seminars, vor einigen Monaten. Jonathan sah ihm an, dass er dennoch ein kampferprobter Zeitgenosse war, aber er sah ihm auch an, dass er erst vor einigen Monaten politisch etwas nach rechts gerutscht war. Dies bestätigte sich im weiteren Verlauf.

Der Polizeibeamte schaute nun verdutzt drein, sah sich Jonathan nochmals genauer an und kratzte sich am narbigen Hals. Er errötete und ein Kloß hatte sich im Hals gebildet, den er aber sogleich wieder lösen würde, als der Mut ihn überfiel und die Kraft der eigentlich politischen Mitte sich in ihm aufgebaut hatte.

››Sehen Sie hier, junger Mann…stimmt das? Hier steht Sie sind in Betlehem geboren. Dann sind Sie also ein Jude‹‹.

Der Beamte bekam urplötzlich ein bleichweißes Gesicht und Jonathan erkannte, dass dieser Ausweis für den Beamten ein Problem darstellte. Ich denke doch auch nicht schlecht über Sie, dachte Jonathan, wo Sie doch patriotischer sind als jeder andere. Er ging einen Schritt auf ihn zu und meinte, er sei zwar in Israel geboren, sei aber Deutscher wie auch seine Eltern Deutsche sind. Der Beamte sah Jonathan ganz genau an und spürte dessen Art und Weise. ››Jonathan Seelig, also‹‹, las der Polizist und dachte forschend nach. Die Wahrheit schien quasi schon in seinem Kopf zu rattern, doch was die Wahrheit für den Beamten war, das konnte Jonathan nicht ausmachen.

››Ich bin Deutscher, Herr Polizist‹‹.

››Dann haben Sie die Doppelte Staatsbürgerschaft‹‹?

››Nein, nur Deutscher. Mein Vater ist Bauingenieur und meine Mutter Missionarin. Sie waren wegen eines Einsatzes meiner Mutter nach Israel gegangen und da wurde ich geboren‹‹.

››So so‹‹, sagte der Beamte und anschließende Gedanken kreisten in seinem Kopf. ››Und warum genau sind ihre Eltern dahin gegangen? Hatten sie da Vorfahren‹‹?

››Nein, hatten sie nicht‹‹.

‹‹Und trotzdem sind Sie in Betlehem geboren, und das macht schon etwas aus, was Ihre Art und Weise betrifft‹‹. Der Polizist benahm sich munter, doch abwertend, Jonathan Seelig gegenüber. Doch hatte er womöglich recht, so zu handeln und zu reden, wo Jonathan ihm doch in seinen Augen naiv und links vorgekommen war? Jonathan Seelig hatte nicht mehr viel Geduld auf den Rippen. warum musste er sich hier so verteidigen? Gegen einen Typen, der doppelt so große Armmuskeln hatte als er, und der heute, seiner Meinung nach, das Gehirn zuhause gelassen hatte. Das beide sich nicht verstanden kam ihm komisch vor, war doch das Gespräch zunächst sehr positiv verlaufen. Sie mochten sich zunächst sehr, waren auf einer Linie, bis…bis eben der Ausweis ihnen beiden einen Strich durch die hohe und ungerechtfertigte Rechnung gemacht hatte.

Dann sagte Jonathan: ››Wir haben uns doch gerade eben so gut verstanden. Hat nicht jeder die gleiche Chance verdient? Sie sollten sich an die eigene Nase greifen. Sie verstehen nicht, dass selbst wenn ich Jude wäre, ich hier meine Rechte habe‹‹.

››Meine Güte. Dann geben Sie zu, Jude zu sein‹‹.

Jonathan streckte seine Hände zum Beamten aus und forderte: ››Geben Sie mir meine Papiere zurück. Das hat keinen Wert. Sie sind…‹‹

››Was bin ich? Nur langsam Freundchen‹‹, drohte der muskulöse Beamte mit hochgezogener Stirn und leuchtendroten Augen.

3

Jonathan griff nach seinem Ausweis und den sonstigen Papieren, die er dem zunächst so freundlichen Polizeibeamten ausgehändigt hatte, und so machte er kehrt und verließ das große, schlaue Gebäude, mit dem dummen Polizisten darin.

Er hatte immer geglaubt, dass die Polizei integer wäre und eine angenehme und gerechte Institution sei, schließlich wollte er dort eine Ausbildung anfangen, doch das war weit gefehlt. Er musste sich besinnen und überlegen, ob diese Beamtenschaft überhaupt etwas für ihn wäre, oder ob er nicht lieber in die Wirtschaft ginge, wo es womöglich zwar um Geld aber auch um Psychologie ging, und für die interessierte er sich außerordentlich.

Seine Berufswünsche waren also vielseitig: ein Polizist, ein Psychologe, ein Betriebswirt? Was denn nun? Wohin sollte es ihn verschlagen in dieser heute so furchtbar grauenhaften Welt, wo sich links und rechts nicht riechen können und wo Jonathan sich zu den Schwachen einreihen würde. Ob das die richtige Lösung ist, das wusste er auch nicht, zu widersprüchlich waren die Linken, aber die Rechten gefielen ihm auch nicht, wegen ihrer Hauruck-Parolen und -Gedanken. Noch wusste er nicht was die Wahrheit tatsächlich für ihn bereithielt, politisch wie beruflich gesehen.

Er stieg in seinen blauen Subaru, startete den Motor und legte den Rückwärtsgang ein, um sogleich seinen irrgewordenen Gedanken zu entkommen. Der Polizist hatte ihn ganz durcheinandergebracht und ihm eine Wut beigebracht, die er nun zügeln musste. Er konnte sich nicht im Recht wiegen, denn Zweifel hatten ihn überkommen, was die Naivität der einen und die Grobheit der anderen anbetraf. Aber war es auch so, wie Jonathan es spürte? Fühlte er die ganze, unauslöschlichen Realität? War er womöglich gefangen in einer Gehirnwäsche der linken Medien jedweder Art? Ob Zeitung oder das Fernsehen, alle droschen sie auf die Rechten ein, die in Jonathans Augen und Meinung natürlich zu diesem Land dazugehören, nicht zuletzt wegen unserer Demokratie und Meinungsfreiheit.

4

Er gab Gas und fragte sich, was hier gerade geschehen war und wie er nun darauf reagieren sollte. All die Ungerechtigkeit in der Welt, dachte er. Haben die Juden nicht schon genug Leid mitgemacht in der Menschheitsgeschichte? Sind sie doch immer noch quasi im Krieg mit den Muslimen und jetzt auch noch hier mit den Deutschen? Hier, im gelobten Land mit ihrer Zivilisation und ihrer Willkommenskultur. Alles weg? Alles schon wieder der Vergangenheit unterlegen? Und was kann ich dafür, dass ich Jude bin? Habe ich Schuld, dass Netanjahu robust und strickt vorgeht gegen die Muslime nebst seinem heiligen und gelobten Land? Und bin ich denn so anders, als die echten Deutschen, die hier geboren wurden und die mit der Muttermilch schon die Bräuche und Sitten der Deutschen getrunken hatten?

Institut

Er legte den zweiten und dann den dritten Gang ein und machte sich auf den Weg in ein Institut für Feuerbestattung, da gestern sein von vielen geliebter Großvater mit 66 Jahren gestorben war und er ihn nochmal aufgebahrt sehen wollte.

Mehrere weiße Gebäude. Flachdach.

Er klingelte an der Tür und der Angestellte Robert öffnete ihm, herzlich und zuvorkommend. Jonathan hatte aber Besseres zu tun als zu Lächeln und sagte nur das Nötigste. Er wolle seinen Opa in der Kühlkammer besuchen kommen, es dauere auch nicht lange. ››Kein Problem, bleiben Sie solange wie sie möchten. Der Kühlraum ist dort drüben, nur einige Schritte von hier‹‹.

Er kratzte am Holz des Sarges und sah dann seinem Opa unverschämt ins Gesicht. Dieses war eingefallen und auch der Anzug war zu groß. Opa hatte in den letzten Wochen an Gewicht verloren, das wusste Jonathan und das konnte er hier auch beobachten.

Plötzlich hörten die Anwesenden, Angestellte Robert und Jonathan, gut hin, als nämlich ein Ofen, nicht weit von ihnen, zündete. Man konnte das Feuer, die Flammen, hören, und das interessierte den 19-jährigen ungemein, denn schließlich sollte auch Opa baldigst, vielleicht schon heute, eingeäschert werden.

Dass die Sache hier ein wenig spektakulärer war, das wusste der 19-Jährige gewiss noch nicht und sollte er es in Erfahrung bringen, dann würde er wohl die Hölle in Bewegung setzen, um der wieder einmal auftauchenden Ungerechtigkeit Einhalt zu gebieten.

5

Jonathan kam dem glühenden Ofen beträchtlich nahe und sah neugierig durch ein Fenster, das in der Seite des Ofens angebracht war, hinein. Was war das?, dachte er. Das kann nicht wahr sein. Was ist hier nur los, kam es jetzt in ihm auf. Und da kam ihm zum ersten Mal in seinem noch jungen, jungfräulichen Leben so etwas wie eine Vision. Er sah einen schreienden Körper hinter dem Glas, der sich wandte in einem lodernden Feuer im Ofen. Er spürte die Angst und die Qual des Menschen da drin und hatte ein Grauen gesehen mit seinem jetzt dazugewonnenen dritten Auge. Denn es war keine Vision, es war Realität. Denn in den Flammen sah er, tatsächlich und ohne Leugnung, die Seele eines Toten, die sich abquälte und schrie und wandte. Wie furchtbar, dachte er. Was ging hier denn verdammt noch mal vor? So viel er wusste sollten die Seelen der Toten aus dem Körper in den Himmel aufsteigen, doch diese Seele hier wurde verbrannt und dahingemetzelt. Noch immer litt die Seele, verschiedene Farben wurden für Jonathan sichtbar und der Körper, die Leiche, samt dem Sarg, wurden zur Asche. Das Feuer brannte weiter, immer weiter, und die Seele stieß von Wand zu Wand und schrie etwas, das Jonathan zwar vernehmen aber nicht entziffern konnte. Wie schrecklich. Was für ein Irrsinn. Unmenschliches tat sich hier auf und der Verursacher oder Verantwortliche musste gestellt werden. Wieder so eine Ungerechtigkeit, denn keiner hatte es verdient so behandelt zu werden. Sollten die Toten nicht in die ewige Ruhe gelangen, wo Gott und die schönen Engel auf sie warteten? Was befürchtete Jonathan hier in seiner Vorstellung von dieser Verbrennung einer Leiche?

Er konnte sich nicht festhalten und quälte sich jetzt seinerseits, schüttelte den Kopf in alle Richtungen und musste das Grauenhafte mit ansehen.

Der Angestellte hatte sich bereits vom Acker gemacht, doch dann nahte Robert pflichtbewusst, erneut heran. Jonathan versteckte sich hinter dem Ofen, womöglich würde er gleich herausfinden, was die Sache hier auf sich hatte und warum eine gequälte Seele ihrem Verderben ausgesetzt war. Robert stoppte das Feuer, öffnete den Ofen und rief Jonathan. ››Der Herr, wo sind Sie denn? Kommen Sie da heraus. Ich weiß Sie sind hier. Sie hätten das nicht mitansehen sollen. Viel zu heikel für Sie, viel zu schlimm. Aber was ist es das Sie da gesehen haben? Seien Sie beruhigt, es ist nicht das was Sie denken. Es ist nur ein Ofen und wir sind ein ganz normales Institut‹‹.

6

Jonathan glaubte das keineswegs, doch sein Mut und seine Authentizität zwangen ihn aus dem Versteck zu kommen und sich vor Robert aufzubäumen. Aus dem Augenwinkel sah er etwas überaus Komisches, etwas, das ihn verstummen und staunen ließ. Im Ofen standen nun mehrere silberne Tropfen auf der unteren Ebene. ››Ist das normal, dass der Ofen aus Edelstahl ist? Diese Tro…‹‹

Robert durfte es sich mit Jonathan keineswegs verscherzen, schien aber überhaupt kein schlechtes Gewissen zu hegen, und hinderte Jonathan daran, weitere Worte zu verlieren. ››Alles ganz normal. Wie überall‹‹, sagte Robert harsch und strickt.

Jonathan runzelte seine Stirn. ››Ach, so. Hören Sie…ich sehe da drin gerade…‹‹ Prompt hielt er sich nun selbst zurück, da er spürte, dass hier etwas nicht stimmte und dass er hier lieber die Klappe halten sollte. Es lag ihm auf der Zunge, aber es wäre naiv gewesen es auszusprechen und dem Angestellten Robert eine Last aufzuerlegen oder gar etwas Kriminelles auf ihn zu ziehen. Jonathan spürte es, die Wahrheit lag ihm im Herzen.

KAPITEL DREI

JONATHAN UND DOUGLAS

1

Jonathan konnte eins und eins mit einer Hand zusammenzählen. Er hatte diese Seele im Ofen Sterben gesehen, er hatte es mit eigenen Augen sehen können. Das Verderben lag in diesem und womöglich noch in anderen Öfen in diesem Krematorium, und Jonathan war darauf gestoßen wie die Jungfrau zum Kind. Das Fenster, durch das er es gesehen hatte, war wohl irgendwie besonders, und der Innenraum des Ofens war mit Edelstahl ausgelegt. ››Die Seele konnte da gerade nicht herausdringen. Es ist also der Edelstahl. Er macht das Grauen in diesem Haus aus‹‹, flüsterte Jonathan suchend und findend vor sich hin.

Wer war hier verantwortlich? dachte er sich. Wer hat das angeordnet? Wer ist der verfluchte Leiter dieser Anstalt? Und wieso machen da alle mit und keiner lässt die Bombe platzen? ››Ich werde diese Anstalt aus ihrer Verankerung aushebeln. Wieder einmal sehe ich diese Unvernunft, vorhin der Polizist, jetzt dieser Angestellte und die Leiche hier‹‹.

Vor dem Institut

Er war bereits wieder auf dem Parkplatz des weißgekalkten und schauderhaften Instituts. Ein Volkswagen Kombi war ihm aufgefallen, in blau und mit Dellen an der rechten Seite. Er kam näher heran und hörte plötzlich einen Pfiff vom Eingang des Instituts.

››Na Kleiner. Haste ein Problem‹‹?

Ein großer, dicker Mann hatte ihn hier angesprochen, und ihm Angst eingejagt, wie kein anderer zuvor. Es war Herr Humberg, der eine große Fresse zog und übel dreinblickte. ››Ist mein Wagen‹‹, sagte Herr Humberg. ››Willst du was‹‹?

››Die Delle da sollten Sie reparieren lassen‹‹, sagte Jonathan und kratzte sich an der Stirn. ››So ein schönes Auto und Sie lassen es verkommen‹‹?

Herr Humberg zog unwillkürlich ein Taschenmesser hervor, spielte damit in der Hand herum und kam Schritt für Schritt dem Parkplatz gefährlich nahe. Jonathan bekam es nur ein wenig mit der Angst zu tun, er musste sich jetzt erneut aufbäumen und dagegenhalten. Was blieb ihm jetzt anderes übrig als loszulegen und dem großen schwarzgekleideten Herrn Bange einzuflößen?

Doch sogleich war ihm das kleine Messer mit dem möglicherweise großen Effekt aufgefallen. Dieser Mann hat echt Mut, dachte Jonathan. Doch ich auch, war sein nächster