Das Spiel meines Lebens - Ann-Katrin Berger - E-Book

Das Spiel meines Lebens E-Book

Ann-Katrin Berger

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Beschreibung

Ann-Katrin Berger ist 27 Jahre alt, als sie die Diagnose Krebs erhält. Nur wenige Wochen nach der Therapie steht die deutsche Torhüterin wieder auf dem Rasen. Vier Jahre später kommt der Krebs zurück. Der Kampf gegen die Krankheit ist für Ann-Katrin wie ein alles entscheidendes Fußballspiel, das sie unbedingt gewinnen muss. Aus dem Spiel ihres Lebens geht sie als Siegerin hervor, so stark wie nie zuvor. Nach ihrem herausragenden Einsatz bei den Olympischen Sommerspielen 2024 wird die Nationaltorhüterin als Elferheldin gefeiert und zu Deutschlands Fußballerin des Jahres gekürt. Ein Jahr später schreibt sie bei der Europameisterschaft der Frauen mit spektakulären Paraden erneut Fußballgeschichte. In ihrer Mut machenden Autobiografie zeigt Ann-Katrin, dass es sich wahrlich lohnt, den Glauben an sich auch in Momenten großer Krisen nicht aufzugeben. Ein Zeugnis immenser Glaubwürdigkeit – und ein Fest nicht nur für Sportbegeisterte.

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Seitenzahl: 245

Veröffentlichungsjahr: 2025

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ANN-KATRIN BERGER

DAS SPIELMEINES LEBENS

Wie ich den Krebs besiegte und Deutschlands beste Torhüterin wurde

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und [email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

 

Originalausgabe

3. Auflage 2026

© 2026 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 MünchenTel.: 089 651285-0

 

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Iris Rinser

Umschlaggestaltung: Sabrina Pronold

Umschlagabbildung: picture alliance / HMB Media | Steffie Wunderl

Satz: Kerstin Stein

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-2918-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2682-6

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

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Für meine Familie und alle Menschen, die mir am Herzen liegen und mich in jedem Kapitel meines ­Lebens bestärkt und unterstützt haben

INHALT

Prolog

Kapitel 1 – Der Schiffsmast im Sturm

Kapitel 2 – Marienkäfer fangen

Kapitel 3 – Der Papatrick

Kapitel 4 – Junge, Junge

Kapitel 5 – Schneller denken als der Rest

Kapitel 6 – Das Aufkleber-Orakel

Kapitel 7 – In den Handschuhen des Idols

Kapitel 8 – Vom Tor zum Sturm in 45 Minuten

Kapitel 9 – Lange Tage, große Chancen

Kapitel 10 – Trauriger Karneval

Kapitel 11 – Muskelkater ohne Ende

Kapitel 12 – Als Papa sich verlor

Kapitel 13 – Fokus mit Weitblick

Kapitel 14 – Improvisiert erfolgreich

Kapitel 15 – Fußballfreunde fürs Leben

Kapitel 16 – Tschüss, Papa

Kapitel 17 – Ich werde doch nicht krank!

Kapitel 18 – Ruhe bewahren

Kapitel 19 – Eine Narbe für die Ewigkeit

Kapitel 20 – Marsmensch im Bunker

Kapitel 21 – Sprungbrett London

Kapitel 22 – Top of the Heap

Kapitel 23 – Corona bei Chelsea

Kapitel 24 – »Hallo, hier ist Michael Fuchs«

Kapitel 25 – Er ist wieder da

Kapitel 26 – Zurück und raus

Kapitel 27 – Entscheidung für New York

Kapitel 28 – Heimkommen, ganz weit weg

Kapitel 29 – Auf der Überholspur

Kapitel 30 – Von Airpods und Airfryern

Kapitel 31 – Mit Wolle zur EM

Kapitel 32 – Vom Tal zum Gipfel und zurück

Kapitel 33 – Mein persönliches Finale

Kapitel 34 – Meine sechs Mindset-Regeln

Prolog

Es ist das Olympia-Viertelfinale gegen Kanada 2024, ich stehe im Tor der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft. Über mir schwingt sich der Dachbogen des Stade Vélodrome in Marseille wie eine riesige La-Ola-Welle. Darunter ein Meer bunter Punkte auf den Rängen: wogende Kappen, Shirts, Jacken, Schals ... gedämpfte Musik mischt sich mit Gemurmel und Pfiffen, wenn eine Spielerin nach vorn geht, unterbrochen von frenetischem Jubel, wenn der Ball ins Netz fliegt, oder einem erstaunten Aufschrei, wenn er es nicht tut.

In den nächsten Minuten entscheidet sich, ob wir ins Halbfinale einziehen oder nach Hause fahren, im Elfmeterschießen, nach einem 0:0 nach Nachspielzeit. Über 120 Minuten habe ich meinen 16er sauber gehalten, wie Mama es mir seit Jahren eingebläut hat: »Das ist dein Reich, der Kasten hinter dir bis zur weißen Linie vor dir. Hier hat niemand sonst was verloren.« Auch kein Ball. Erst recht kein Ball.

Nun sind zwei Elfmeter der Kanadierinnen im Netz gelandet, der eine ungebremst, der andere, nachdem ich die Hände schon drangehabt habe, er mir unterm Körper aber doch noch durchgerutscht ist.

»Halt die Bälle doch auch mal fest«, hat Nationaltrainer Horst Hrubesch mich danach aufgezogen, und ich konterte, dass ich dann selber ja nicht mehr hätte schießen dürfen. Ich liebe Elfmeterschießen, ich empfinde keinen Druck dabei, sondern genieße jeden Moment. Auch diesen.

Wer mich gut kennt, kann das jetzt auch zu Hause auf dem Bildschirm sehen: ob ich müde bin und meine Bewegungen langsamer werden, ob ich wütend bin und mir mit der Faust in die Handfläche schlage ... oder ob ich angespannt bin. Dann bildet sich eine kleine Falte auf meiner Stirn, zwischen den Augen. Jetzt bin ich nicht angespannt, meine Schultern sind locker, die Arme baumeln seitlich, die Knie federn, ein Bein ist leicht nach vorn gestellt. Fast so, als würde ich ein paar Kinder auf dem Bolzplatz beobachten. Dabei habe ich gerade den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt, wie früher, als ich noch im Sturm gespielt habe. Es ist der Elfmeter, der das Spiel entscheiden kann.

Warum sollte ich nervös sein, warum verzichten? Das hier will ich machen, und Nationaltrainer Horst Hrubesch will auch, dass ich es mache: »Wer Anne kennt, weiß, dass sie schießen kann«, hat er vor versammelter Mannschaft gesagt. Er hat mich von Anfang an auf dem Zettel. Wir mögen uns, necken uns oft. Ich fühle mich wohl mit ihm als Coach, verstanden und sicher in dem, was ich tue, wie ich es tue.

Als die Schiedsrichterin vor wenigen Augenblicken fragte: »Wer kommt denn jetzt?«, dachte ich nur Ach, das werde dann wohl ich sein und ging nach vorn. Als ich nun vor dem Tor stehe, statt darin, bin ich ruhig. So wie man ruhig ist vor einem Vortrag, den man in- und auswendig kennt.

Elfmeterschießen habe ich immer wieder im Training geübt. Auf das leere Tor oder mit meinen Torwart-Kolleginnen. Just for fun. Linke Ecke oben, rechte unten und umgekehrt von vorn. In Amerika trainieren die Basketballer Freiwürfe wohl mit zugeschaltetem Lärm und Zuschauerprojektionen auf den Rängen, um die reale Situation zu simulieren. Bei mir wäre das verschenkt, denn alles, was um mich herum passiert, nehme ich im Spiel kaum wahr. Erst recht nicht beim Elfmeterschießen.

Den Kopf muss man bei so was ausschalten, der stört nur. Aber auf den Körper muss man sehr genau achten: Wie öffne ich meine Hüften, wie schließe ich sie, wie kann ich Kraft produzieren, um den Ball präzise in die Ecken zu schieben? Im Gegensatz zu den muskulöseren Männern, die ihre Schusskraft aus den Oberschenkeln oder sogar aus den Waden holen können und deshalb schwerer zu lesen sind, brauchen Frauen ihr gesamtes Körpergewicht, um die Kraft aufzubauen für einen Schuss aufs Tor. Das bedeutet, der ganze Körper verlagert sich nach links oder rechts, und wer im Tor aufmerksam ist, der kann erkennen, wohin der Ball vermutlich gehen wird. Als Torhüterin habe ich viele Spielerinnen Strafstöße, Eckbälle und Elfmeter schießen sehen. Ich weiß, worauf ich achten würde, stünde ich jetzt anstelle der Kanadierin im Tor. Deshalb passe ich nun auf, diese Körpersignale bei meinem eigenen Schuss zu vermeiden. Ihr keine Hinweise zu geben. Als »kaltschnäuzig« wird unsere Kapitänin Alexandra Popp meinen Elfmeter später in einem Interview mit dem ZDF bewundern. Für mich ist es nur logisch, den Spieß umzudrehen. Mittlerweile hat jede Torhüterin, jeder Torhüter einen Zettel auf der Trinkflasche kleben mit Notizen, wer wie schießt. Jeder hat sich vorher mal ein Video angeguckt. Feldspieler sind zu einem gewissen Grad elfmetertransparent.

Die Torhüterin selbst ist hier dagegen meist ein blinder Fleck. Sie schießt nicht, sie hält Elfmeter. Oder lässt sie rein. Stehe ich im Tor, versuche ich, in dem Moment, in dem der Schuss fällt, nicht daran zu denken, was ich vorher gesehen oder notiert habe. Ich will mich nicht von Annahmen zu Fehlern verleiten lassen. Ich will instinktiv handeln – und jetzt will ich die kanadische Nationaltorhüterin dazu bringen, zu reagieren. Nicht falsch, aber zu früh. Zu meinen Gunsten.

Ich gehe tiefer in meinen mentalen Tunnel, blende das Stadion aus, die Leute um mich herum, und sehe nur die Torhüterin vor mir, während ich auf das Signal der Schiedsrichterin warte.

Ich bin wie der Schiffsmast in einem Unwetter, blitzt ein Mantra aus meiner Kindheit kurz durch meinen Kopf.

Ich presse die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, halte den Blick der anderen so lange wie nur irgend möglich und hoffe auf ein Zucken; darauf, dass sie nervös wird und sich zu früh bewegt. Dann nämlich weiß ich, wo sie hinwill. Dann habe ich freie Bahn auf der Seite, von der sie sich wegbewegt.

Und da ist es, das Zucken! Ihr Körpergewicht verlagert sich, ganz leicht nur, als habe der Rasen unter ihr ein klein wenig nachgegeben. Ich mache ein paar schnelle Schritte und ziehe das Bein durch, ziele auf die Torhälfte, von der ich vermute, dass sie ungeschützt sein wird. Ansonsten lasse ich wie automatisiert den Prozess ablaufen, den ich im Training so oft geübt habe.

Das heißt in diesem Fall: Die Kanadierin bewegt sich nach links, also muss ich den Ball rechts reinschieben. Es fühlt sich fast an wie mit den Kolleginnen im Training. Ich spüre meinen Körper. Ich weiß, mit welcher Seite ich mehr Power produzieren kann, und ich weiß, wie ich sie einsetze, um den Ball ins Tor zu heben. Vorbei an der Torhüterin, die zu früh dran ist.

Meine Rechnung geht auf. Der Ball fliegt ins Netz. Mein vielleicht wichtigster Ball bisher. Zumindest einer, der einiges für mich ändern wird: die Rechtfertigung meiner Position als sehr kurzfristig berufene Nummer eins der Nationalmannschaft und eine größere öffentliche Sichtbarkeit – obwohl nichts davon mein Ziel war.

Wer hätte gedacht, dass mich ein geschossener Ball bekannter machen würde als ein gehaltener? Gut fühlt es sich trotzdem an. Jubel bricht los auf den Rängen, ich breite die Arme aus, renne, springe hoch, lache. Die deutschen Spielerinnen stürzen sich auf mich, wir bilden einen pulsierenden menschlichen Ball, ineinander verschlungen, miteinander verbunden in jeder Hinsicht. Es wird umarmt, gelacht, gefeiert. Halbfinale bei Olympia!

Kapitel 1Der Schiffsmast im Sturm

Es ist dunkel im Raum. Nur unter der Tür schiebt sich ein schmaler Streifen Licht hindurch, und zwischen den heruntergeklappten Lamellen der Jalousien schimmert matt die Sonne. Nicht, dass ich das sehen könnte. Ich liege auf einer Isomatte, die Augen geschlossen, und versuche, mich zu entspannen. Hände, Arme, Beine, meinen ganzen Körper.

»Wer sich locker macht, wird stabil. Denn ein entspannter Körper ist ein schwerer Körper«, erzählt eine rauchige Stimme, die ruhig und fest klingt; da spricht jemand, der schon viel erlebt hat und diese Weisheit weitergibt. Ganz sicher. Das Band der Kassette, von der die Stimme kommt, knistert manchmal leise. Wie ein Bonbonpapier, das man zerknüllt.

Ich konzentriere mich aufs Lockermachen, aufs Stabilsein. Denn ich bin ein Schiffsmast, sagt die weise Stimme. Noch sind die Wellen, die mein Schiff umspülen, sanft. Aber sie werden stärker und stärker. Hoch und wild toben sie um den Rumpf. Ich stehe in der Mitte des Decks, ich muss das Schiff in Balance halten und ruhig bleiben, auch wenn Gewitter und Sturm gegen den Holzkorpus prallen. Früher bin ich trotz Unwetters an dieser Stelle der Geschichte oft schon eingeschlafen. Nun öffne ich nach 45 Minuten, als der Sturm vorbeigezogen ist, die Augen und verwandle mich vom kräftigen Schiffsmast zurück zu Ann-Katrin. Sechs Jahre alt. Tochter. Schwester. Schulkind. Und viel zu rastlos, selbst für mein junges Alter.

War meine überbordende Energie für meine Eltern zu Kindergartenzeiten lediglich anstrengend gewesen – und vielleicht etwas nervig –, wurde sie in der Grundschule zum Pro­blem. Ich konnte einfach nicht stillsitzen und mich konzentrieren.

Auf Anraten meines Opas, der eine Zeit lang als Psychologe gearbeitet hatte, brachte mich meine Mutter zu einem Kinderpsychologen. Der schaute mich an wie einen seltenen Schmetterling. Er stellte mir ein paar Fragen, von denen ich heute nicht mehr weiß, wie sie lauteten oder was ich darauf antwortete, weil ich viel lieber um seinen großen Schreibtisch herumgerannt wäre. Dann wollte er ein paar Dinge von meiner Mutter wissen und am Ende diagnostizierte er ADHS: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung.

»Du bist ein Zappelphilipp«, übersetzte meine Mutter – und das traf es ziemlich genau. Stundenlang konnte ich draußen herumtoben, einen Plastikball am Fuß, der aussah wie ein übergewichtiger Marienkäfer, und trotzdem war ich abends nicht müde genug, um zu schlafen. Oder um mich länger als zwei Minuten mit meinen Hausaufgaben zu beschäftigen.

Er würde dazu raten, es mit Medikamenten zu versuchen, führte der Kinderpsychologe aus. Doch in meiner Familie galten Arzneimittel als allerletzte Option, egal ob es sich dabei um Kopfschmerztabletten, Schnupfenspray oder Antibiotika handelte. Ihrem Küken, zehn beziehungsweise zwölf Jahre jünger als die großen Schwestern, regelmäßig ein starkes Stimulans zu verabreichen, kam für meine Mutter nicht infrage. Das teilte sie dem Psychologen sehr nachdrücklich mit. Und so landete ich bei der Alternative: im abgedunkelten Raum auf einer Isomatte, beim Autogenen Training für Kinder.

Einmal pro Woche wurde ich vom hyperaktiven Flummi zum Schiffsmast, der sich locker machte, um stabil zu stehen. Ich lernte, dass es nicht unbedingt langweilig ist, konzentriert bei einer Sache zu bleiben, und dass man seine Gedanken lenken kann. Die Geschichte, zu der ich zunächst oft weggedöst war, zog mich immer mehr in ihren Bann. Immer besser schaffte ich es, mir vorzustellen, wie der Sturm an den Segeln rüttelte, wie das Schiff schaukelte und die Wellen immer größer wurden. Es gefiel mir, dass ich ein riesiges Schiff retten konnte, indem ich einfach da war und nicht einknickte.

Als der Entspannungs-Kurs abgeschlossen war, bekamen alle eine Kassette mit nach Hause. Manchmal schaltete mir meine Mutter die Geschichte abends im Bett ein; um mich herunterzufahren, wenn am nächsten Tag ein Test in der Schule anstand, zum Beispiel. Dann lag ich oben in meinem Stockbett, eingekuschelt in Bettwäsche, die immer ein bisschen nach Waschpulver roch, und hörte der ruhigen Sprecherstimme zu. Meinen Marienkäferball an die Brust gepresst, wenn der vom Spielen auf der Straße nicht zu dreckig war.

Später hörte ich keine Kassetten mehr, sondern von meiner Schwester geliehene oder von Freunden gebrannte CDs, weil ich mein Taschengeld lieber für Bälle oder Spielzeugautos ausgab. Oder es lief Papas Musik: bestenfalls Queen, im Normalfall ABBA, manchmal auch Wolfgang Petry, wenn Papa mich ein bisschen ärgern wollte.

Das Band mit der Schiff-Geschichte gibt es nicht mehr. Wahrscheinlich ist es bei einem Umzug verloren gegangen oder bei einer Ausmistaktion entsorgt worden. Vergessen habe ich das Bild vom Mast, vom Schiff und dem Sturm aber bis heute nicht. Die Übung, mich locker zu machen, um stabil zu werden, hat eine große Rolle dabei gespielt, wie ich mein Leben heute lebe.

In Medienberichten über mich heißt es oft, ich habe »ein Kämpferherz«, ich habe den »Kampf aufnehmen müssen« oder Kämpfen sei das, was ich am besten könne«. Besonders als meine Krebserkrankung publik wurde, war das das Narrativ. Aber ich kämpfe nicht. Im Gegenteil: Wenn das Leben mir etwas hinwirft, dann schaue ich mir das an, entspanne mich und reite die Welle, die da kommt. Egal wie groß sie ist. Egal wie unerwartet sie anrollt. Ich bin Ann-Katrin. 35 Jahre. Fußballprofi. Krebsbesiegerin. Serienfan. Und für viele meiner Freunde fast schon zu gelassen für mein Alter.

Kapitel 2Marienkäfer fangen

Mein erstes Tor war der Durchgang von unserer Küche in den Garten. Eine eckige einflügelige Tür mit weißem Kunststoffrahmen in einem eckigen cremefarbenen Haus in einer ruhigen Seitenstraße, die so klein war, dass es nicht einmal einen Gehweg gab. Wir wohnten in einer von acht exakt gleich gebauten Doppelhaushälften, die sich nur durch die Fassadenfarbe unterschieden. Aber ich wohnte gern dort. So austauschbar das Haus von außen war, so persönlich war es innen. Überall Familienfotos, Pokale und Medaillen von meinen beiden Schwestern und mir, zerlesene Bücher, geliebte CDs, verstreute Spielsachen. Unser Haus stand in Eislingen, einer Kreisstadt mit dörflichem Charakter und ein paar verstreuten Fachwerkhäusern im Landkreis Göppingen, Baden-Württemberg. Rund 22 500 Menschen leben hier, in diesem Städtchen im Filstal, um das sich Berge, Hügel, Wälder, Äcker und Streuobstwiesen reihen. 2002 wurden bei Bauarbeiten auf der Umgehungsstraße B10 Fischsaurierskelette gefunden, der sogenannte »Eislinger Saurierfriedhof«. Es gibt ein Stadtfest mit Konzerten und einem Poetry Slam und einen 50 mal 90 Meter großen Rasenplatz, der zum KSG Eislingen e. V. gehört. Meinem ersten Fußballverein.

Ich war das jüngste von drei Mädchen, meine Schwester Kerstin ist zehn Jahre älter als ich, eine sehr gute Tischtennisspielerin, die unter der Woche eine Schule für Hörgeschädigte mit Internat besuchte und sich am Wochenende mit mir Zimmer und Stockbett teilte. Nicole, zwölf Jahre älter, machte Leichtathletik und wohnte im »Großenzimmer« unter dem Dach. Mama hatte früher Kampfsport betrieben, ging inzwischen noch ab und zu kegeln, war aber ansonsten mit uns Kindern, ihrem Job in der Kühlabteilung eines Supermarkts und später im Büro auch so gut ausgelastet. Mein Vater arbeitete als Elektriker und war von Montag bis Freitag auswärts auf Montage. Am Wochenende fand man ihn auf dem Fußballplatz oder am Grill im Garten hinter unserem Haus, dem einzigen Ort auf unserem Grundstück, wo nie ein Ball herumkullerte. Der Garten war tabu, Mama hatte, nicht ganz unberechtigt, Angst um ihre Blumen, die sie mit viel Hingabe pflanzte und pflegte.

Die Ballgrenze markierte die Schwelle der Terrassentür, und dort saß ich auch an einem Tag im Jahr 1993, einem sonnigen Vormittag, der die üppigen Blütenstauden in unserem Garten mit seinem goldenen Licht kitzelte. Vögel zwitscherten, ein paar Schmetterlinge flatterten träge zwischen den weißen und lilafarbenen Fliederblüten herum. Hummeln brummten um duftende Rosen. Aber das einzige Insekt, das mich, gerade zweieinhalb geworden, interessierte, war mein Marienkäferball.

Mit ihm hockte ich in der geöffneten Tür, die warme Sonne im Rücken, ließ ihn rollen oder auf dem hellen Laminatboden aufprallen. Mama stand an der Anrichte, ein paar Schritte weiter, und werkelte vor sich hin. Sie machte Mittagessen für mich und meine älteste Schwester Nicole, die damals 15 war und bald aus der Schule kommen würde. Mama war froh, dass ich beschäftigt war und sie in Ruhe kochen konnte. Bälle funktionierten bei mir immer, auch ohne Mitspieler.

Einmal musste meine Mutter aber doch in Aktion treten: Als ich den dicken Marienkäfer etwas zu heftig aufprallen ließ, spickte er vom Boden ab, kullerte durch den Raum und dippte gegen ihren Knöchel. Umgehend streckte ich meine Ärmchen aus und beschied ihr: »Haben!«

Mama wischte sich die Hände an einem Spültuch ab, bückte sich nach dem Ball und warf ihn mir sanft zurück, in der Erwartung, dass er sachte an meinen Händen abprallen und irgendwo in meiner Nähe zum Liegen kommen würde. Aber ich fing ihn. Als wäre es das Natürlichste der Welt, schlossen sich meine Fingerchen sicher um den runden Käfer. Kurz war Mama irritiert: Das musste ein Zufall gewesen sein. Oder?

Neugierig geworden, nahm sie mir den Ball erneut aus den Händen, ignorierte meinen Protest – »Nein, Mama, meins!« –, entfernte sich ein paar Schritte und warf ihn mir ein zweites Mal in flachem Bogen zu. Meine Augen waren wie hypnotisiert auf das Spielzeug geheftet. Der Ball flog ... und ich fing ihn wieder. Als ob ich nie etwas anderes gemacht hätte.

Seitdem habe ich viele Bälle gehalten, solche in Insektenoptik aus Plastik ebenso wie klassisch schwarz-weiß gefleckte aus Kunstleder oder solche mit bunten Logos von großen Turnieren. »Sie kann einfach mit dem Ball umgehen«, sagt meine Mutter heute noch aus Überzeugung. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Natürlich braucht man ein gewisses Talent im Profifußball. Aber Talent verleitet auch dazu, dass man sich darauf ausruht. Wenn ich im Tor stehe, bin ich glücklich. Es ist mein Happy Place; ein Ort, an dem ich ganz bei mir bin. Was für manche ein Strandkorb an der Ostsee ist und für andere der Blick von einem Berggipfel, waren für mich schon früh die drei Balken, das Netz und die weißen Linien auf dem Rasen. Mich auf den Boden zu werfen, hin- und herzuspringen, um den Ball zu halten, Grasflecken auf die Hose und schmutzige Knie zu bekommen, fand ich bereits als junges Mädchen toll – und ein bisschen draufgängerisch. Genau das Gegenteil des schüchternen Teenagers, der ich war. Vielleicht zog mich auch deshalb das Tor magisch an.

Es sollte jedoch knapp zwei Jahrzehnte dauern, bis es meine feste Position wurde, mit all ihren Besonderheiten und Herausforderungen – und da begann das Lernen erst so richtig. Seit ich 17 bin, darf ich mittlerweile jeden Tag an diesen Ort zurückkehren und weiterlernen. Torhüterin ist mein Beruf, ich kann davon leben, Bälle zu fangen. Dieses Privileg und das Gefühl von Verbundenheit und Angekommensein, das ich nur in meinem 16er habe, möchte ich mir bewahren, solange es geht. Deshalb tue ich alles dafür, die beste Torhüterin zu sein, die ich sein kann. Denn nur dann werde ich aufgestellt und darf spielen.

Zu meinem Anspruch an die beste Version meiner selbst im Tor gehört auch, den Ball halten, nicht nur parieren zu wollen. Saubere Hände haben heißt das, im Sinne von technisch perfekt, mit sauberem Griff fangen. Halte ich den Ball, habe ich die Kontrolle über das Spiel, wenigstens für einen kurzen Moment. Das Match ist unterbrochen, der Ball sicher bei mir und die Torgefahr erst einmal gebannt. Ich muss mich nicht schnell wieder aufrappeln, mich orientieren und bekomme vielleicht doch noch einen Folgeschuss rein. Den Ball zu halten, ist für mich, wie einen Punkt in einem Text zu setzen. Ein kurzer Stopp, ein schnelles Luftholen, bevor es weitergeht; und eine ernste Angelegenheit für mich.

Seit das Tor mein fester Arbeitsplatz ist, führe ich Strichlisten, wie viele Bälle ich bei meinen Spielen jeweils durchgelassen habe. Null ist immer das Saisonziel. Kein realistisches, aber ein motivierendes. Denn jedes verhinderte Tor bringt mich diesem Ziel einen Schritt näher.

Die Statistik, die sich aus dieser Strichliste ergibt, lege ich am Saisonende als Messlatte an. In der nächsten Saison gilt es, die Gesamtsumme an Toren zu unterbieten. Diese konkrete Zahl hilft mir, mit jedem Anpfiff schmerzende, müde Muskeln zu vergessen, Jetlags zu überspielen und jeden gehaltenen Ball als das anzuerkennen, was er ist: ein Erfolg. Ein gewonnener Zweikampf. Ein Beleg dafür, dass ich zu Recht dort bin, wo ich bin. Selbst wenn wir am Ende nicht als Sieger vom Platz gehen.

Kapitel 3Der Papatrick

Dass meine Fußballkarriere nicht an der heimischen Terrassentür endete, habe ich meinem Vater zu verdanken. Er war ein glühender Fußballfan, wusste die Vereinswechsel sämtlicher Bundesliga-Spieler der vergangenen zehn Jahre auswendig und engagierte sich ehrenamtlich im örtlichen Sportverein, der KSG Eislingen, unter anderem als Spieler in der Kreisligamannschaft, ungelernter Team-Physio und Jugendwart. In letzterer Funktion gründete er zusammen mit dem Fußballvorstand des Vereins 1994 eine Bambini-Gruppe. Die bestand aus zwei Handvoll Jungs aus dem Ort und mir. Inzwischen, mit stolzen vier Jahren, konnte ich nämlich nicht nur Bälle fangen, sondern sie auch mit dem Fuß wegkicken. Das hatte Mama mit mir geübt und reichte aus, um mich für die Mannschaft zu qualifizieren. Wobei es »Mannschaft« nicht ganz trifft.

Ein Einlaufmädchen hat kürzlich vor einem Match auf meine Frage nach ihrer Position geantwortet: »Keine. Wir spielen überall!«, und bei unseren Bambinis war es ganz genauso: Niemand hatte eine zugewiesene Aufgabe. Alle sprangen über den Platz, als hätte jemand ein Bällebad ausgekippt, kickten aufs Tor, im Dreieck oder ins Leere. Keiner hörte dem Coach lange zu, vor allem ich nicht, der Zappelphilipp. Es war herrlich! Ich durfte rennen, gegen Bälle treten und wurde dafür auch noch gelobt. Das Beste aber war: Auf dem Fußballplatz gehörte Papa mir.

Egal wie voll das Wochenende war, er nahm mich immer mit auf den Platz und begleitete mich später auf fast jedes meiner Spiele. Der Fußball, so fand ich schnell heraus, war ein Trick, um ihn zumindest für ein paar Stunden ganz für mich zu haben. Denn auch wenn sich Mama regelmäßig und meine Schwestern sporadisch KSG-Spiele ansahen, interessierten sie sich nicht wirklich für den Sport. Wohl aber für Papa, auf den alle unter der Woche verzichten mussten, und am Wochenende deshalb ihren »Anteil« an ihm beanspruchten.

Der Fußball war mein Ankerpunkt, eine Verbindung zu Papa, die sonst keiner in der Familie hatte. Meine Exklusivzeit, die ich den meist vollen Wochenenden abtrotzte. Also spielte ich. Für ihn, für mich. Für unsere Beziehung. Es war eine ganz natürliche Motivation. Und für mich ein großer Spaß.

Zu Auswärtsspielen schaukelten wir in seinem Auto, mit offenem Fenster, Queen und ABBA im Radio. Manchmal gab er mir nach dem Match Tipps, was ich anders hätte machen können. Meistens schwiegen wir. Aber gerade das fand ich schön. Es fühlte sich vertraut an.

Bei Heimspielen brach Papa immer schon am späten Vormittag zum nur zehn Gehminuten entfernten Vereinsgelände auf. Es war seine Aufgabe, zu kontrollieren, ob für die Matches am Nachmittag alles einsatzbereit war: Kabinen, Ausrüstung und Technik – eine Tafel, auf die per Hand die Spielstände gehängt wurden. Gegen zwölf, wenn ich mit Mittagessen fertig war, durfte auch ich los. Ohne Begleitung, weil es keine Straßen zu queren und keinen Verkehr zu beachten gab. Ich liebte diese paar Minuten Erwachsensein fast so sehr wie das Ziel meines Weges, den Fußballplatz.

Das Gelände der KSG lag mitten in unserem Wohngebiet. Die Rasenfläche rahmten auf zwei Seiten frei stehende Häuser ein, auf der dritten standen ein paar mehrstöckige Gebäude und auf der vierten, einer Längsseite, reckte sich das Vereinsheim empor: ein schnörkelloser, zweistöckiger Bau, der ein bisschen aussah, als habe man zwei Container mit Fenstern übereinandergestapelt. Darin befanden sich ein Gastraum mit schlichtem Tresen und sechs Tischen und eine Kegelstube mit zwei Bahnen. Links an die Außenwand des Vereinsheims schloss sich ein etwas flacherer Bau an: eine unterteilbare Mehrfachsporthalle, die alle Abteilungen der KSG nutzen durften. Unter der Halle lagen die Kabinen und Duschen für die Fußballer ab der D-Jugend. Wer unter zwölf war, war meist ohnehin mit den Eltern vor Ort, wurde von ihnen nach dem Training oder Spiel nach Hause gebracht und dort in die Badewanne gesteckt. Auch meine Schwestern »halfen« dann gern und schrubbten mir die vom Fußball dreckigen Knie mit Begeisterung und Nagelbürste.

Das Spannendste am Vereinsgelände aber war die Treppe hinunter zu den Kabinen. Sie verlief seitlich am Gebäude, damit die Spieler mit den Stollenschuhen nicht durch die Räumlichkeiten laufen mussten. Über dieser Treppe spannte sich ein Gitter wie ein Bogengang, und hinter diesem Gitter türmten sich an den Seiten die Bälle, die nach Gebrauch dort eingeschlossen wurden. Mit meinen gerade mal fünf Jahren hatte ich auf dieser Treppe eigentlich nichts zu suchen. Aber manchmal durfte ich Papa begleiten, wenn er die Bälle aufpumpte. Dann stand ich, der Zappelphilipp, in stillem Staunen unter dem Bällebogen, in dieser Höhle voll mit meinem Lieblingsspielzeug, und hatte für ein paar Minuten nicht mehr den Drang, herumzurennen. Die überbordende Energie schien im runden Leder ein Ventil zu finden. Der Sport, über den mein Vater in meiner Wahrnehmung als Herr der Bälle herrschte, schuf eine große Nähe zu Papa, dich ich selbst dann spürte, wenn er nicht zu Hause war, sondern auf Montage.

Ohne Ball an den Füßen fühlte ich mich dagegen irgendwie alleine und einsam. Scheinbar so unerträglich einsam war ich ohne das runde Leder, dass selbst auf Spaziergängen und Wanderungen mit meinen Eltern an spielfreien Wochenendtagen immer ein Ball dabei sein musste. Der fuhr im Fußraum der Familienkutsche mit oder im Verstaunetz hinten am Fahrersitz und strapazierte Mamas Nerven unterwegs oft sehr, weil wir auf unserer Spazierroute dribbelnd und prellend überhaupt nicht vorankamen. Trotzdem erlaubte sie mir, den Ball mitzunehmen, denn sie verstand die Bedeutung, die er beziehungsweise der Sport, den er verkörperte, für mich hatte. Fußball stand bei uns nicht in Konkurrenz zur Familienzeit. Er war die Familienzeit.

Das galt für die Heimspiele am Wochenende, wo alle zusammen halfen, Getränke beisteuerten und Würstchen grillten, ebenso wie für die Trainingscamps des Vereins. Da fuhren wir Kinder mit unseren Eltern und Trainern übers Wochenende weg, was ich damals total spannend fand. Wir schliefen in einem Matratzenlager, wo immer irgendjemand schnarchte, hustete oder sich im Dunkeln auf die Toilette tastete. Die Mamas und Papas kauften ein und kochten für alle riesige Töpfe voll Nudeln und Chili, und wir Kinder wohnten quasi auf dem Fußballplatz. Morgens hatten wir Techniktraining, nachmittags ein Trainings- oder Freundschaftsspiel. Wir durften richtig oft und viel trainieren und ich streikte nur, wenn der Coach versuchte, eine Übung ohne Ball dazwischenzuschmuggeln. Abends ließen wir uns müde und ohne Murren in unsere Schlafsäcke verfrachten. Selbst ich, deren Energie sonst nie zur Neige ging. Zwei Tage lang ging es nur um Fußball, Essen, Schlafen und Zusammensein. Es war großartig – auch weil an diesem Wochenende Schule und Hausaufgaben kein Thema waren.

Selbst in den Urlaub begleitete uns der Fußball. Schon Tage bevor meine Eltern unseren Wohnwagen reisefertig machten, freute ich mich auf den kleinen Campingplatz am Strand in der Nähe von Barcelona, auf dem wir jedes Jahr unser Sommerquartier bezogen. Wir kannten dort mittlerweile jede Menge Stammgäste, wussten, wer für ein Fußballmatch zu haben war, und gewannen in den Sommerferien regelmäßig das große Eltern-Kind-Turnier am Strand. Nur einmal schnappte uns ein Junge aus dem Ort den Sieg weg. Aber weil der schon mal ein Probetraining beim FC Barcelona mitgemacht hatte, meinem Lieblingsteam, war der zweite Platz für mich ausnahmsweise in Ordnung.

Erst waren wir jedes Jahr zu fünft nach Spanien gefahren. Später zu dritt, weil meine beiden Schwestern lieber mit ihren gleichaltrigen Freunden vereisten – und einmal durfte ich mit Papa allein losziehen, weil Mama eine Weiterbildung machte und für eine Prüfung lernen musste. Sie wollte uns aus dem Haus haben. Papa war einverstanden, die Pfingstferien mit mir in Spanien zu verbringen. Da der Urlaub aber mitten in die Fußballsaison fiel, überlegte er sich vor Ort witzige Trainingseinheiten, damit ich nicht aus der Übung kam und nach dem Urlaub nahtlos ins Vereinstraining einsteigen konnte. So warf er mir zum Beispiel im tiefen Ende des Campingplatz-Pools einen Ball zu, den ich schwimmend und paddelnd zurückschießen musste. Das war furchtbar anstrengend, aber auch wahnsinnig lustig. Ich prustete und lachte und wenn wir genug geübt hat