Der Abtrünnige (Außenseiter Buch #8): LitRPG-Serie - Alexey Osadchuk - E-Book

Der Abtrünnige (Außenseiter Buch #8): LitRPG-Serie E-Book

Alexey Osadchuk

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Beschreibung

Die Schlacht gegen die Horde der Geister-Morphs ist verloren. Die dunklen Feinde haben Waldstadt überrannt. Das Fuchsvolk ist gezwungen, seine Heimat zu verlassen und auf der anderen Seite des Engsees Zuflucht zu suchen. Nach dem Verlust seines wichtigsten Stützpunkts steht der Orden der Mobjäger am Rand der Vernichtung. Ihres Hauptverbündeten beraubt, müssen die Gnomen sich allein der Armee des Stahlkönigs stellen. Eriks Versuche, den Feind aufzuhalten, haben nichts ausrichten können. Alrak der Herzlose und die anderen dunklen Urwesen sind zu mächtig. Um den Rückzug seiner Freunde zu sichern, setzt Erik verbotene Magie ein. Dafür nimmt das Große System ihm den Rang eines Magisters und erklärt ihn zu einem Abtrünnigen. Trotz der vernichtenden Niederlage und schweren Wunden ist Eriks Geist noch nicht gebrochen. Und obwohl er in den Augen seiner Freunde und Verbündeten von gestern nun ein Überläufer ist – er wird den Kampf gegen die Dunkelheit fortsetzen!

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Epilog

Nachwort des Autors

Über den Autor

Der Abtrünnige

Ein Roman von Alexey Osadchuk

Außenseiter

Buch 8

Magic Dome Books

Der Abtrünnige

Außenseiter Buch 8

Originaltitel: Renegade (Underdog Book #8)

Copyright © Alexey Osadchuk, 2022

Covergestaltung © Valeria Osadchuk, 2022

Designer: Vladimir Manyukhin

Deutsche Übersetzung © Irena Böttcher, 2022

Lektorin: Youndercover Autorenservice

Erschienen 2022 bei Magic Dome Books

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

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Die Personen und Handlung dieses Buches sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit realen Personen oder Vorkommnissen wäre zufällig.

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Kapitel 1

DUNKELHEIT UMGAB MICH. Tintenschwarz. Undurchdringlich. Bebend. Und voller Heißhunger.

Sie versuchte beharrlich, mein Bewusstsein in ihren bösen, stinkenden, bodenlosen Bauch zu schlingen. Doch diesem Ziel kam sie nicht einmal nahe, denn ich wehrte mich.

Mein unerschütterlicher Widerstand versetzte die Dunkelheit in Rage. Das war sie offensichtlich nicht gewohnt.

Ich habe keine Ahnung, wie lange unser stummer Kampf dauerte – den Bruchteil einer Sekunde, ein Jahr, ein Jahrhundert... Vielleicht hatte das Konzept von Zeit auch aufgehört zu existieren. Doch am Ende ließ der Angriff der Dunkelheit nach. Sie entschied sich, die Taktik zu ändern und setzte sich an den Verhandlungstisch.

„Du musst dich MIR unterwerfen!“, zischte sie verächtlich. Aus ihrer Stimme hörte ich Ungeduld und Verärgerung heraus.

„Ich muss überhaupt nichts tun, für niemanden.“

„Drängt es dich denn nicht nach Macht?“, fragte die Dunkelheit, aufrichtig überrascht.

„Nicht auf diese Weise“, erwiderte ich. „Außerdem, was würde dir ein weiterer Sklave bringen?“

„Wer hat denn etwas von einem Sklaven gesagt?“, wandte sie ein, erneut überrascht.

Hm... Das klang unecht.

„Merkwürdig... Du widersprichst dir selbst!“

„Was ich brauche, das ist ein Helfer!“

„Ja, ein Helfer in Fesseln...“

„Ich werde meine Macht mit dir teilen!“, verkündete die Dunkelheit.

Und sie log nicht.

„Ich werde dich zu einer großen Persönlichkeit machen!“, setzte sie ihre lauten Versprechungen fort. Sie musste mein Schweigen falsch gedeutet haben. „Dürstet es dich denn nicht nach Macht und Größe?“

„Man hat mich bereits einmal ‚groß‘ genannt“, entgegnete ich seufzend. „Aber inzwischen schimpfen mich all diejenigen, die mich so sahen, einen Ketzer und Feind.“

„Ja, und jetzt bin ich dein Freund!“, erklärte die Dunkelheit fröhlich.

„Das grenzt an Unverschämtheit“, murmelte ich.

„Mit meiner Hilfe kannst du die gesamte Welt erobern“, donnerte sie. „All deine Feinde werden dir zu Füßen fallen!“

„Und was ist mit meinen Freunden?“, wandte ich ein.

„Wozu brauchst du Freunde, wenn du mich hast?“

„Ein interessantes Argument. Das würde die Dinge vereinfachen, nicht wahr?“

„Natürlich!“

Die Dunkelheit übersah den Sarkasmus in meinen Worten. Obwohl, wen wollte ich hier hinters Licht führen? Sie übersah nicht das Geringste. Sie spielte nur mit mir.

„Ich sehe, was du getan hast“, flüsterte ich.

„Du stellst meine Geduld auf eine harte Probe!“, blaffte die Dunkelheit zornig.

„Und du meine“, erwiderte ich ruhig.

„Lange wirst du mir nicht widerstehen können!“ Sie hatte beschlossen, den Druck zu erhöhen. „Früher oder später wirst du mir gehören!“

„Ich vermute, das wird man abwarten müssen...“

Kurz darauf spürte ich einen leichten Stoß. Hielt die Dunkelheit tatsächlich den Zeitpunkt für einen Angriff gekommen? Ein weiterer Stoß, noch einer, und noch einer...

Ich war in Alarmbereitschaft. Ich versuchte, zu reagieren, doch nichts funktionierte.

Inzwischen verblasste die Dunkelheit um mich herum mehr und mehr. Durch kleine Lücken strömte Licht. Die Lücken wuchsen rasch, schlossen sich zusammen und bildeten lange Schlitze im dunklen Schleier. Es war dünn und schwach, aber es war Licht! Endlich sah ich, nach einer langen, schwarzen Nacht, meinen alten Freund wieder!

Die Stöße setzten sich fort, wurden energischer. Dann hörte ich eine Stimme in meinem Kopf.

„Meister, wach auf! Öffne die Augen! Ich weiß, dass du mich hören kannst!“

Die Worte versetzten mir einen Schlag. Was... Wer?... Was sollte das heißen, „Meister“? Und was war mit den Augen?

Ach ja, richtig – Augen! Ich sollte meine Augen öffnen!

Kaum tat ich es, verschwand die Dunkelheit vollständig. Licht überflutete alles um mich herum.

Das Erste, was ich sah, als meine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, war eine merkwürdige, halb durchsichtige, menschliche Silhouette. Noch bevor sich Furcht in mir festsetzen konnte, informierte meine Erinnerung mich pflichtbewusst darüber, dass dies mein Hüter-Geist war.

Die Stöße hatten aufgehört. Ich verengte die Augen, um besser sehen zu können. Die tentakelähnlichen Glieder des Geistes ruhten auf meinen Schultern.

„Endlich!“

Ich runzelte die Stirn. Irrte ich mich, oder klang die Stimme in meinem Kopf ein wenig mürrisch?

Ich schaute mich um. Der Ort, an dem ich lag, war schwach erhellt. Über mir erstreckte sich eine steinerne Decke. In der Ferne konnte ich etwas hören, das wie Meeresbrandung klang. Ja, das waren Wellen.

Ich schnüffelte. Der Geruch ließ mich zusammenzucken. Ich roch Schweiß, Pisse und Scheiße, und alles schien von meinem Körper zu kommen.

„Wasser!“, keuchte ich mit trockener Kehle.

Der Geist bewegte sich, und eine Sekunde später presste sich der enge Schnabel eines Weinschlauchs gegen meine Lippen. Eine dunkelviolette Flüssigkeit strömte heraus.

Noch bevor ich den Geist fragen konnte, was es war, brannte meine ausgedörrte Kehle regelrecht mit angenehmer Kühle. Befriedigt presste ich die Augen zusammen. Eine Welle von Energie lief durch meinen Körper und ich fühlte mich viel besser, leichter. Doch das hielt nicht lange an. Die Wirkung des merkwürdigen Tranks dauerte nur etwas über eine Minute, dann überkam mich erneut Schwäche.

„Was ist mit mir los?“, stieß ich hervor.

„Du wurdest verflucht“, antwortete die Stimme in meinem Kopf mir ruhig. „Sieh selbst.“

Ich folgte dem Rat des Geistes, öffnete die Oberfläche mit meiner Statistik und vertiefte mich hinein. Zuerst verweigerte mein Gehirn das Denken. Mehrfach las ich den gleichen Satz, ohne zu verstehen, doch endlich kapierte ich und mir wurde klar, was passiert war.

Beim Abgrund! Warum musste mir das bloß passieren?

Der Geist hatte recht, ich war verflucht. Aber das war noch nicht alles. Ich war nicht nur mit einem, sondern mit gleich zwei Flüchen belegt worden. Den ersten hatte Alrak der Herzlose über mich verhängt. Er nannte sich Erschöpfungs-Fluch. Er war so ekelhaft, wie er nur sein konnte. All meine Vorräte waren auf ein Zehntel ihres früheren Wertes geschrumpft, und meine Regenerationsfähigkeit und Weisheit auf ein Zwanzigstel. Davon abgesehen waren die Wirkungen von allen Tränken oder Bannsprüchen, die meine Stärke wiederherstellten oder mich heilten, entweder minimiert oder in ihrer Dauer massiv beschränkt.

Und das war erst der Anfang meiner Probleme. Das Sahnehäubchen war der Ketzer-Fluch, meine „Belohnung“ vom Großen System. Ich wusste, dass ich es mit den Kugeln der Dunkelheit zu weit getrieben hatte und meine Reputation bei den Mobjägern auf null gesunken war. Das hatte dazu geführt, dass ich nun als Abtrünniger galt. Ich hatte jedoch nicht gewusst, dass die Dunkelheit sich meine Schwäche blitzschnell zunutze gemacht und mir ihr Zeichen aufgedrückt hatte.

Das Große System war kaum weniger schnell und unerbittlich gewesen. Als ob es nicht genug gewesen wäre, dass das System seine Bluthunde auf mich losgelassen, also eine allgemeine Jagd auf mich verkündet und meinen ehemaligen Freunden eine hohe Belohnung versprochen hatte, wenn sie ihm meinen Kopf brachten – nein, es musste mir auch noch einen Fluch verpassen!

Dieser Fluch blockierte die Mehrheit meiner Bannsprüche und Fertigkeiten. Insbesondere nahm er mir alles, was mit dem Licht, dem Wald, dem Chaos und natürlich dem Orden der Mobjäger zu tun hatte. Was auch mehrere meiner Artefakte umfasste.

Mit einem schicksalsergebenen Seufzen schloss ich die Augen wieder.

„So schlimm ist es auch wieder nicht“, tröstete mich die Stimme in meinem Kopf.

Ich knurrte unwillig.

„Nicht so schlimm? Ich habe den Zugang zu meinen mächtigsten Bannsprüchen und Fertigkeiten verloren! Viel von dem, was ich mir erarbeitet habe, ist gesperrt. Und Artefakte wie das Armband von Ava sind jetzt, soweit es mich betrifft, nicht mehr als wertlose Andenken.“

„Aber du bist am Leben!“

Abrupt öffnete ich erneut die Augen. Die Worte des Geistes ernüchterten mich. „Ja, du hast recht. Ich bin am Leben! Dafür muss ich mich bei dir bedanken.“

„Das musst du nicht. Solange du am Leben bist, bin ich es ebenfalls.“

„Wieso denn das?“, fragte ich überrascht.

„Ich bin dein Hüter-Geist“, kam vage die Antwort. „Es liegt in meinem eigenen Interesse, sicherzustellen, dass du nicht stirbst. Du und ich, wir sind ein und dasselbe.“

„Mit anderen Worten, du bist so etwas wie mein Haustier?“

„Ja und nein“, erwiderte der Geist. „Die Verbindung zwischen uns ist weit stärker. Wenn du stirbst, verschwinden die Amulette zum Herbeirufen, und deine Haustiere sind frei. Ich hingegen würde mit dir zusammen untergehen.“

„Weshalb bist du dir da so sicher?“, wollte ich wissen. „Und woher weißt du das alles? Soweit ich das verstanden habe, wurdest du doch gerade erst geboren.“

„Das stimmt“, bestätigte der Geist. „Ich wurde in dem Augenblick geboren, in dem du mir die Erlaubnis erteilt hast, den Stein zu verlassen, in den ich eingeschlossen war. Was mein Wissen betrifft... Nun, in den Pausen zwischen meiner Verbesserung der Golems habe ich die Manuskripte in der Bibliothek und im Archiv des Ordens studiert.“

Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Was meinst du mit ‚studiert‘? Und wie hast du darauf zugreifen können?“

„Ich bin doch dein Haustier!“ Die Stimme in meinem Kopf lachte. „Hast du das etwa vergessen?“

Entweder ein Haustier – oder ein Parasit... Ein Urteil darüber behielt ich mir einstweilen noch vor.

Ich hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. Mir gefiel die spitzbübische Art des Geistes immer weniger.

„Weshalb bist du denn so angespannt?“, erkundigte sich der Geist. „Du und ich, wir sind ein und dasselbe. Ich kann dir nichts tun.“

„Ja, das behauptest du!“ Ich beschloss, offen zu sprechen. „Und wer sagt mir, dass das auch stimmt? Bei einem Haustier ist die Sache klar – ich kann den Status und die Beziehung zu mir in den Statistiken sehen. Über dich jedoch kann ich nirgendwo etwas nachlesen.“

„Da hast du recht“, gab der Geist zu. „Das hatte ich nicht bedacht. Für das Große System bin ich etwas Fremdartiges. Deshalb erhältst du keine Informationen über mich. Das liegt jedoch nicht daran, dass ich etwas vor dir verbergen möchte. Nein, das System hat nur nicht genügend Daten über mich. Oder Wesen wie mich.“

„Hast du davon ebenfalls in der Bibliothek gelesen?“, fragte ich.

„Natürlich“, antwortete der Geist knapp.

„Merkwürdig. Ich habe dort niemals Bücher gefunden, in denen so etwas gestanden hätte.“

Es war ein Bluff, und ich bemühte mich, ruhig zu klingen.

„Magister Romas Abhandlung über Wesen aus anderen Welten, Band 2, Seite 128“, ratterte der Geist herunter.

Zu behaupten, diese prompte und erschöpfende Auskunft hätte mich erstaunt, wäre eine Übertreibung gewesen. Mir kullerten beinahe die Augen aus dem Kopf. Mit angehaltenem Atem erkundigte ich mich: „Und wie viele Bücher warst du in der Lage zu lesen?“

„Ich habe alle Informationen in der Bibliothek und im Archiv studiert und meinem Gedächtnis einverleibt“, versicherte der Geist mir und ergänzte: „Ich sollte hinzufügen, dass ich eine Menge nutzloses Zeug gefunden habe, wie zum Beispiel Ausführungen über die internen Verfahren des Ordens oder Manuskripte, die nichts als Kopien von Originalen waren, aber es gab dort jedenfalls sehr viele interessante Sachen.“

„Aber was hat dir denn ermöglicht, all das aufzunehmen?“

„Dein Geist“, war die Antwort, und erneut wiederholte der Hüter-Geist: „Du und ich, wir sind ein und dasselbe.“

„Bedeutet das, meine Eigenschaften sind auch deine Eigenschaften?“

„Das gilt nicht für alle, nur für diejenigen des Geist-Zweiges.“

„Und was ist mit dem Rest?“, erkundigte ich mich.

„Negative Auswirkungen von Bannsprüchen oder Verletzungen wirken sich auf mich nicht aus.“

„Natürlich nicht...“, brummte ich. Mühsam erhob ich mich. Ich tastete meine Arme und Beine ab und kam zu dem Schloss, dass der schreckliche Schmerz sich verflüchtigt hatte. Allerdings spürte ich auch nicht mehr die gewohnte Leichtigkeit meines Körpers, und das alles nur wegen des Fluchs dieses vermaledeiten Geisterbeschwörers. Im Abgrund verrotten sollte er!

„Übrigens, wie ist es dir eigentlich gelungen, mich zu heilen?“, fragte ich. „Wenn ich mich richtig erinnere, hat Alrak mir eine tüchtige Abreibung verpasst.“

„Der Geisterbeschwörer ist mächtig. Ich empfehle dir, dich von ihm und seinesgleichen fernzuhalten. Ich bin noch immer beeindruckt von seiner Stärke und kann nicht verstehen, wie du... nun ja, wie es dir gelungen ist zu überleben.“

„Der Siegelring von Pyrus hat mir erneut den Arsch gerettet“, erklärte ich.

„Ach ja?“ Aus der Stimme des Geistes sprachen Zweifel.

„Bist du etwa anderer Meinung?“, erkundigte ich mich misstrauisch.

„Noch verfüge ich nicht über genügend Daten, um dir eine Auskunft geben zu können“, wich der Geist aus. „Sobald ich dazu bereit bin, werde ich dir mehr sagen.“

Ich wünschte mir, der böse Bug würde meinem Geist eine Störung verpassen!

„Zurück zu meiner Frage – wie hast du mich geheilt? Meine armselige derzeitige Regeneration hat dazu wohl kaum beigetragen.“

„Urwesenblut“, war die knappe Antwort.

„Ah, kapiert“, schnaubte ich. „Hast du viel davon verbraucht?“

„Alles, was du hattest.“

„Was?“ Ich zuckte zusammen. „Aber ich hatte doch mehr als zehn Fläschchen!“

„Lies noch einmal die Beschreibung vom Fluch des Geisterbeschwörers. Gegen den Fluch können so gut wie alle heilenden Elixiere nichts ausrichten.“

Ich hörte den Spott aus diesen Worten sehr wohl heraus – und gewann den Eindruck, dass mein Argwohn den Geist verletzt hatte.

„Ist ja schon gut!“, knurrte ich. „Ich wollte dich nicht beleidigen. Und ich danke dir. Hörst du? Das meine ich ernst!“

„Ich weiß.“

„Kannst du etwa Gedanken lesen?“ Sofort hatte er erneut mein Misstrauen geweckt.

„Nein. Unsere Einheit hat ihre Grenzen. Ich kann lediglich deine Gefühle spüren.“

„Und wie lange war ich bewusstlos?“, beschloss ich, das Thema zu wechseln.

Ich kam mir vor, als wäre ich nicht ich selbst. Vielleicht sollte ich den Geist besser nicht mit all dem belasten?

„Meinen Berechnungen zufolge warst du nach der Zeitrechnung deiner Welt etwas mehr als einen Monat ohnmächtig. Oder, um genau zu sein, 38 Tage, 6 Stunden und 34 Minuten.“

„Aha. Das heißt also... Warte mal, was hast du gerade gesagt? Was meinst du mit der Zeitrechnung meiner Welt?“

Ein verräterischer Schauer lief mir über den Rücken.

„Ähem...“ Der Geist zögerte. „Die Sache ist die... Nun ja, genaugenommen befinden wir uns nicht in deiner Welt.“

Ich versuchte, zu entscheiden, welche Flüche die beste Reaktion auf diese Auskunft darstellten. Noch bevor ich einen Beschluss gefasst hatte, überfiel der Geist mich mit einer Erklärung, die er abfeuerte wie ein Maschinengewehr: „Nachdem ich dich aus Waldstadt geholt hatte, verbrachte ich mehrere Tage damit, den Verfolgern auszuweichen. Die Geistererscheinungen haben erst aufgegeben, als wir das Ende des Waldes erreicht hatten. Gerade dachte ich, wir wären sicher, als der Wald uns – oder vielmehr dich – auf einmal angegriffen hat. Also musste ich zurückweichen. Mehrere Tage lang waren uns beide auf den Fersen...“

„Und was hast du gemacht?“, unterbrach ich ihn kalt. Ich musste mit Gewalt meinen Zorn zurückdrängen.

„Ich habe einen Ort aufgesucht, an dem niemand uns jemals finden kann. Ich habe ein Portal in eine andere Welt benutzt und dich in eine der gefallenen Welten gebracht. Dafür musste ich allerdings den Golem zurücklassen. Er hat die Verfolger von unserer Spur abgebracht und nach Osten gelockt.“

Die letzten beiden Sätze kamen mir mehr wie ein Selbstgespräch vor. Anscheinend bedauerte der Geist es, dass er sich von seiner Schöpfung hatte trennen müssen.

Rasch betrachtete ich meine Hände und Füße, tastete erneut mein Gesicht und meinen Kopf ab.

„Was machst du da?“

„Ich habe einen Körper“, erklärte ich verwirrt. „Wie ist denn das möglich? Mein Amulett des Wanderers blockiert der Fluch. Was bedeutet, dass ich eigentlich eine Seele sein müsste... Und wie konnte ich überhaupt ohne das Amulett ein Portal durchschreiten?“

„Du trägst das Zeichen der Dunkelheit“, erwiderte der Geist. „Du kannst jede der gefallenen Welten mit deinem eigenen Körper betreten.“

Ich schloss die Augen und ließ mich wieder zu Boden fallen. Die Gedanken in meinem Kopf liefen umher wie aufgescheuchte Kaninchen. Ich war gefangen in einem Sturm unterschiedlichster Empfindungen – Zorn, Verwirrung, Angst, Wut...

Der Geist blieb an meiner Seite und schwieg taktvoll. Er hatte recht – wir waren miteinander verbunden. Ich konnte seine Emotionen ebenfalls spüren.

„Jetzt spuck es schon aus, was du sagen willst!“, forderte ich ihn barsch auf. „Deine Gefühle erschweren mir das Denken.“

„Nun, hast du vor, zurückzugehen und dich erneut diesen Monstern zu stellen?“

„Natürlich!“

„Das hatte ich befürchtet...“

„Wenn du nichts Klügeres zu sagen hast, behalte den Rest lieber für dich. Wie gesagt, du erschwerst mir das Denken.“

„Wir brauchen einen Plan“, bemerkte der Geist schicksalsergeben.

„Das gefällt mir schon besser. Kannst du mir helfen, einen Plan aufzustellen?“

Ich hörte einen schweren Seufzer. „Was sollte ich denn sonst machen? Denk daran – du und ich, wir sind jetzt ein und dasselbe.“

Kapitel 2

ICH WUSCH MICH in einer Pfütze vor der entgegengesetzten Wand der Höhle, dann marschierte ich zum Ausgang. Übrigens hatte der Geist mich davor gewarnt, dieses Wasser zu trinken, und das hatte ich auch nicht vor. Der Pfütze haftete ein unverkennbarer Geruch an. Nach meiner Katzenwäsche machte ich um diesen Bereich der Höhle einen weiten Bogen.

Trotz der schlechten Wasserqualität hatte mich das Waschen körperlich und seelisch erfrischt. Mein Gehirn nahm seine Arbeit wieder auf. Je mehr ich jedoch nachdachte, und je klarer mir wurde, in welcher Lage ich steckte, desto mehr verschlechterte sich meine Laune. Und nachdem ich mir meine Parameter näher betrachtet hatte, stürzte sie vollständig ab.

Die Bannsprüche von König Nidas konnte ich vergessen. Das System hatte sie alle gesperrt, ebenso wie die Inkarnation und das Schild des Chaos. Die vier Bonbons, die die Zitadelle des Chaos mir eingetragen hatte, waren ebenfalls als deaktiviert gekennzeichnet, und das Gleiche galt für den Segen des Waldes, die Klinge der Rache und den Pfeil des Zorns, und natürlich die Boni, die mir die Mitgliedschaft im Orden der Mobjäger verschafft hatte.

Meine Artefakte waren gefangen im gleichen Debakel. Die Tränke, Kugeln und Schriftrollen und alle anderen Dinge waren jetzt nichts als toter Ballast. Wie gut, dass sie kein Gewicht hatten und keinen Platz einnahmen.

Die Maske der Schwarzen Witwe, Avas Armband, der Rucksack des Wanderers... Tja, momentan waren sie im Grunde nichts als wertloser Schund. Und das alles bloß wegen dieses verdammten Zeichens der Dunkelheit!

Den letzten Satz musste ich laut ausgesprochen haben, denn der Geist meldete sich zu Wort: „Immerhin hat die Dunkelheit dir mit einer Rüstung ausgeholfen.“

„Ich verstehe nicht, was du meinst.“ Ich erschauerte. „Was heißt das?“

„Nun, als du bewusstlos warst, hat die Dunkelheit mich angesprochen...“

Die Worte trafen mich wie ein Schlag in den Magen. Diese Unterhaltungen mit der Dunkelheit waren also mehr gewesen als Ausgeburten meiner Fantasie?

Der Geist sprach rasch weiter. Offensichtlich hatte er bereits die ersten Anzeichen des Gewitters erkannt, das sich zusammenbraute. „Sieh mal, ich musste schnell eine Entscheidung treffen. Ohne die Dunkelheit wärst du jetzt vollkommen schutzlos. Und dein Wille, der eines Königs würdig ist... Kurz zusammengefasst, hat die Dunkelheit dich vor der Sklaverei bewahrt.“

„Was hat die Dunkelheit sonst noch gemacht?“, blaffte ich ihn an.

„Sie hat meine Fertigkeit der Verwandlung von Objekten und Gegenständen verbessert.“

Schicksalsergeben stieß ich die Luft aus. Das war es also, was mich in die Rüstung des Dunklen Jägers gezwängt hatte. Während ich mir den Kopf zerbrochen hatte, wie es sein konnte, dass die Sache trotz allem noch so relativ gut ausgegangen war. Ich hatte es sogar einer Unterstützung durch die Höheren Mächte zugeschrieben. Damit hatte ich sogar recht – nur waren es nicht die speziellen Höheren Mächte, die ich dabei im Auge gehabt hatte. Nein, es war die Dunkelheit, die mich als neues Spielzeug vereinnahmen wollte.

„Nur um das erwähnt zu haben – ich habe nahezu meine gesamten Funken des Jenseits in die Verwandlung deiner Rüstung gesteckt“, knurrte der Geist. Er klang beleidigt.

„Und was ist mit der Tatsache, dass ich es war, der dir diese Kugeln überhaupt erst gegeben hat?“ Ich schnaubte.

„Da ist noch etwas“, brachte der Geist zu seiner Verteidigung vor. „Aus dem gleichen Grund habe ich die gesamte Zeit, während du bewusstlos warst, damit verbracht, Tränke zu verwandeln. Die verbesserten Elixiere habe ich dir anschließend eingeflößt. Du kannst nichts von dem essen, was du in dieser Welt findest. Wie ich schon sagte – es ist eine gefallene Welt.“

„Du hast also einen vollen Monat damit verbracht, mich mit Tränken zu füttern?“, vergewisserte ich mich, auf einmal nicht mehr wütend.

„Ja.“

„Dann weiß ich jetzt auch, weshalb ich mich wie ein Wrack fühle. Meine Regeneration und meine Weisheit hätten selbst in ihrem stark eingeschränkten Zustand in der Lage sein müssen, meine inneren Reserven wiederherzustellen. Aber diese Tränke darf man nicht missbrauchen, nicht einmal nach einer Verbesserung.“

„Ich weiß...“ Der Geist seufzte. „Aber ich hatte keine andere Wahl! Wir mussten überleben.“

„Ist ja schon gut“, murmelte ich. „Du musst dich nicht in Selbstmitleid ergehen. Was geschehen ist, das ist nun einmal geschehen.“

„Klar“, erwiderte der Geist im gleichen Ton. „Aber du könntest dich wenigstens bei mir bedanken.“

„Ich dachte, du hättest das alles für dein eigenes Überleben getan?“, wandte ich lachend ein. „Oder behauptest du nun etwas anderes?“

„Im Grunde ja. Dennoch...“

„Also gut.“ Erschöpft wedelte ich mit der Hand. „Ich danke dir! Da, bist du nun zufrieden?“

„Aber ja.“

„Du erklärst mir besser, wie du in der Lage warst, dich in unmittelbarer Nähe des Geisterbeschwörers unerkannt zu bewegen. Und gleichzeitig meine Rüstung zu verwandeln.“

„Genaugenommen war er nicht in der Nähe“, antwortete der Geist eifrig. „Er hat einen Bannspruch über dich verhängt, dann hat er dich als seine Trophäe beansprucht, bevor er sich daran gemacht hat, weitere Fuchsmänner abzuschlachten. Am Ende hast du dein dunkles Zeichen erst einen Tag später erhalten. Zu dem Zeitpunkt hatte der Geisterbeschwörer schon zum anderen Ufer des Engsees übergesetzt, um ein Portal zu öffnen.“

„Und warum hast du mich dann nicht schon früher herausgeholt?“

„Das schreckliche alte Weib hat durchgehend Wache gestanden“, setzte der Geist mir auseinander. „Ihre Fähigkeiten übersteigen meine um ein Vielfaches. Ich hatte erst Gelegenheit, dich mitzunehmen, als der Stahlkönig und die anderen vorübergehend abgelenkt waren – durch den Wanderer, der zum Grab des Gründers gereist war.“

Etwas zerriss in mir. „Haben sie die Krone an sich genommen?“

„Ich weiß es nicht“, entgegnete der Geist. „Ich möchte allerdings behaupten, die Wahrscheinlichkeit spricht eher dafür als dagegen. Es war unerträglich, zu sehen, wie wichtigtuerisch der König sich aufgespielt hat, bevor er den Wanderer ins Portal geschickt hat. Und was dann geschah, hatte ich dir ja bereits berichtet.“

Ich schloss die Augen und presste die Stirn gegen die raue Oberfläche der Steinwand. „Egbert hat mit uns gespielt, als ob wir kleine Kinder wären! Seine Diener haben unsere gesamte Verteidigung praktisch im Handumdrehen aufgerollt!“

„Irgendwie ist das alles...“, setzte der Geist an und brach ab. Es wirkte unheilverkündend.

Das machte mich erneut misstrauisch. „Was ist los?“

Der Geist wählte seine Worte sorgfältig. „Du musst wissen... Ich hatte viel Zeit, alles zu durchdenken und die Erinnerungen an all die Informationen aufzufrischen, die ich in den Kellergewölben des Ordens gefunden habe. Dabei haben sich mir verschiedene Tatsachen aufgedrängt...“

„Nun spuck es schon aus!“, trieb ich ihn an.

„Alrak der Herzlose wird das erste Mal in einer Chronik über das Zeitalter der toten Kriege erwähnt. Der Untergang von König Nidas, dem Hauptwidersacher des Vorfahren des Stahlkönigs, hat diesem die Möglichkeit eröffnet, den gesamten Kontinent zu erobern. Doch aus irgendeinem Grund hat er darauf verzichtet. Oder vielmehr, er hat den Kontinent erobert, aber als Befreier von der Armee der Toten, statt diese anzuführen. Nach seinem Sieg wird über Alrak oder eines der anderen dunklen Wesen kein Wort mehr in den Chroniken verloren. Es war, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.“

„Und nun, ein paar Jahrhunderte später, tauchen sie wieder auf, als hätte sie jemand herbeigezaubert“, bemerkte ich nachdenklich.

„Das stimmt“, bestätigte der Geist. „Und erneut dienen sie dem Stahlkönig.“

„Was stört dich denn an dieser Entwicklung?“, erkundigte ich mich.

„Ist das nicht offensichtlich?“, antwortete der Geist, aufrichtig erstaunt. „Die Frage ist doch, wieso hat der Stahlkönig, der auf eine solch überwältigende Macht zurückgreifen konnte, nicht längst die gesamte Welt erobert? Was hat seinen Vorfahren dazu gebracht, sich dieses Märchen auszudenken, er hätte die Legionen der Toten besiegt? Schon damals hätte er sich ohne Weiteres zum Herrscher der Welt aufschwingen können.“

„Willst du damit etwa behaupten, Alrak und die anderen allmächtigen Urwesen seien erst kürzlich in diese Welt zurückgekehrt?“

„Das kommt mir wahrscheinlich vor“, erwiderte der Geist.

„Wenn ja, haben sie sich einen guten Zeitpunkt ausgesucht“, brummte ich, nicht überzeugt. „Gerade als...“

„… Egbert sie am meisten brauchte“, führte der Geist meinen Satz zu Ende.

„Du glaubst also, er hätte sie herbeigerufen?“

„Ja“, antwortete der Geist. „Was weitere Fragen aufwirft. Zum Beispiel – warum hat Egberts Vorfahre Alrak überhaupt gehen lassen? Und warum hat Egbert die Urwesen nicht schon viel früher gerufen?“

Eine Weile lang schwiegen wir beide. Der Geist hatte recht. Darüber musste ich tatsächlich einmal gründlich nachdenken.

Kurz darauf versuchte er, mich wieder aufzumuntern. „Möchtest du dich wirklich erneut auf einen Kampf mit diesen Monstern einlassen?“

„Die Antwort kennst du bereits“, erwiderte ich knurrend.

„Aber was hast du denn davon? Du schuldest schließlich niemandem etwas!“

„Das ist meine Entscheidung“, beharrte ich kalt. „Ich habe Freunde, die Hilfe brauchen.“

„Hmm... Also gut. Aber deine Entschlossenheit allein wird nicht ausreichen. Diese Wesen haben Jahrhunderte damit verbracht, ihre Macht zu stärken. Und selbst auf der Höhe deiner Fähigkeiten hattest du ihnen nichts entgegenzusetzen. Wovon du inzwischen weit entfernt bist.“

Zornig starrte ich die halb durchsichtige Silhouette an, die wenige Schritte von mir entfernt in der Luft schwebte.

„Ich habe einen Plan“, verkündete ich und nahm eine Kugel vorübergehenden Wachstums aus der Tasche.

Der Geist schnaubte. „Eine interessante Lösung. Aber noch ist es zu früh, sie in Betracht zu ziehen. Du willst die Kugel doch wohl nicht jetzt sofort verwenden?“

Beim letzten Satz zitterte seine Stimme merklich.

„Natürlich nicht!“, erklärte ich und hörte einen erleichterten Seufzer. „Wofür hältst du mich denn?“

„Diese Frage lässt sich nur schwer beantworten“, wich der Geist aus.

„Machst du dich über mich lustig?“

„Nein“, widersprach er aufrichtig. „Ich betrachte lediglich nicht alle deine Entscheidungen als rational.“

Ich lachte. „Sprichst du von der Entscheidung, den Krieg gegen die dunklen Mächte fortzusetzen?“

„Hm... Bis zu einem gewissen Grad bist du inzwischen selbst eine dunkle Macht“, wandte der Geist ein und beeilte sich hinzuzufügen: „Und ja, ich sehe keinen Sinn darin, in einem Kampf gegen einen Gegner zu sterben, von dem du weißt, dass er dir von Anfang an haushoch überlegen ist.“

Diese Aussage des Geistes ließ mich zusammenzucken. Wer hätte jemals gedacht, dass der Oberste Magister des Ordens der Mobjäger sich der Dunkelheit anschließen würde? Ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn ich Gallia oder Tannenpopel einen Besuch abstattete. Würden sie versuchen, mich zu töten? Es fiel mir schwer, das zu glauben, aber das Fehlen der Freundschaftsamulette war der Beweis.

Waren die Trolle und das Fuchsvolk nun ebenfalls meine Feinde? Übrigens wurden Bernstein und Onyx nicht länger als meine Familienmitglieder aufgeführt. Eine Meldung informierte mich darüber, dass sie diese „Ehre“ aus eigenem Willen aufgegeben hatten.

Gewaltsam versuchte ich, mich davon abzuhalten, daran zu denken, dass nun auch Mee mir feindlich gesonnen war.

Meine Haustiere hatte man mir nicht weggenommen. Obwohl höchstens der böse Bug wusste, wo sie sich momentan aufhielten. Und vor allem, wie es Kohle ging. Hoffentlich war seine Regeneration in der Lage gewesen, seine Wunden zu heilen. Die Erinnerung an die hünenhaften Brüder, die Kohle praktisch getötet hatten, ließ mich zornig mit den Zähnen knirschen. Diese Mistkerle hatten sich auf die Spitze meiner Todesliste gesetzt!

Um mich von den dunklen Gedanken abzulenken, untersuchte ich meine vergänglichen Taschen. Und fand zu meiner Überraschung das Amulett der Matriarchin der Unholde. Mehrere Minuten lang bestaunte ich es mit geweiteten Augen, als ob ich es noch nie zuvor gesehen hätte.

„Ist etwas?“, erkundigte sich der Geist, der meine Stimmung sofort gespürt hatte.

„Wer hätte vermutet, dass sich ausgerechnet Lu-Moa als der einzige Verbündete herausstellt, der sich nicht gegen mich gewandt hat?“, überlegte ich verwirrt. „Aber wahrscheinlich liegt die Sache bei ihr nicht so einfach. Wir haben uns immerhin einen Bluteid geschworen.“

„Hm... Ich sehe keine Eide“, warf der Geist gedankenvoll ein.

Ich kapierte es nicht. Rasch überprüfte ich die Registerkarte mit den Eiden und erstarrte. Dort wurde kein Eid aufgeführt.

„Aber wie kann denn das sein?“

„Ich kann die Systemmitteilung nicht sehen, vermute jedoch, dass du den Eid als Oberster Magister geschworen hast“, erläuterte mir der Geist. „Also ist er nun ungültig.“

„Wenn das stimmt, verwirrt mich das nur noch mehr.“

„Was verwirrt dich?“

„Die Tatsache, dass die Matriarchin der Unholde sich nicht von unserer Allianz abgewandt hat, obwohl sie nicht mehr durch den Eid gebunden war.“

„Klar – aber das ist doch gut!“, rief der Geist aus und verlieh seiner Stimme einen zuversichtlichen Klang. „Wir haben noch immer Freunde!“

„Vielleicht...“, flüsterte ich nachdenklich. „Vielleicht...“

„Übrigens gibt es etwas, das mich neugierig gemacht hat“, wechselte der Geist rasch das Thema. „Was genau hattest du mit dieser Kugel vor?“

„Wie du korrekt erkannt hast, ist mein Level zu gering, um mich gegen Alrak zu behaupten. Natürlich ist mir klar, dass es noch viel zu früh ist, die Kugel einzusetzen. Erst einmal brauche ich mehr Tafeln.“

„Ich habe ein paar Berechnungen durchgeführt“, erklärte der Geist. „Momentan stecken fast 19 Millionen Erfahrungsessenzen in deinem Rucksack. Das würde ausreichen, sofort auf Level 46 zu springen. Du kannst deine Eigenschaften bis zur Höchstgrenze von 40 verbessern, allein mit Silber- und anderen einfachen Tafeln. Zwischen 40 und 65 brauchst du Goldtafeln. Von denen du momentan nahezu 5.000 besitzt. Das sind mehr als genug, um dich auf Level 65 zu bringen. Anschließend brauchst du Diamanttafeln für das Leveln., von denen du 500 hast. Um dir einen groben Überblick zu verschaffen – gehen wir einmal davon aus, du hättest genügend Essenzen, um all deine Tafeln zu verwenden. Dadurch könnten wir dich maximal bis Level 72 oder 73 steigern. Angesichts dessen, was ich vorhin gesagt habe, würde das deine Stärke auf über 700 Punkte anheben. Ich will es nicht leugnen, das würde dich in einen sehr gefährlichen Gegner verwandeln, selbst mit den wenigen Bannsprüchen, die dir verblieben sind. Aber im Vergleich zum Stahlkönig und seinen Urwesen-Handlangern wärst du noch immer nichts als ein Schwächling.“

„Das weiß ich“, stieß ich hervor.

„Und was hast du dann geplant?“

„Zuerst einmal müssen wir Schlinger und die Schlangen finden. Zu fünft haben wir bessere Chancen zu überleben und an Macht zu gewinnen. Wir brauchen jede Menge Ressourcen, um unsere Stärke zu verbessern – Tafeln, Esses, Kristalle.“

„Und Funken des Jenseits“, warf der Geist ein.

Ich nickte. „Funken des Jenseits und Kugeln der Dunkelheit.“

„Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, das Zeichen der Dunkelheit zu entfernen?“, wollte der Geist wissen.

„Das ist er, ja“, antwortete ich ehrlich. „Aber die Erfahrung hat mir gezeigt, dass die dunklen Wesen die dunkle Magie mehr als alles andere fürchten. So kann ich diese Mistkerle mit ihren eigenen Waffen schlagen.“

„Das stimmt!“, echote ein lautes Zischen durch die Höhle.

Es geschah so plötzlich, dass ich mich instinktiv duckte und die Aura des Schlammwaters aktivierte. Der Geist erschauerte und versteckte sich hinter mir. Ich wollte bereits den Ysh herbeirufen, doch ein weiteres Zischen hielt mich davon ab.

„Verschwende dein Manna nicht, du Narr! Glaubst du etwa, deine armselige Verteidigung könnte mich aufhalten?“

Ein verräterisches Kribbeln machte sich zwischen meinen Schulterblättern breit. Ich kannte diese Stimme. Sie war mir die ganze Zeit in meinen Albträumen gefolgt. Die Höhle verdunkelte sich.

„Ich habe das Gefühl, ich wurde erkannt“, spottete die zischende Stimme.

„Was willst du?“, fragte ich und versuchte, ruhig zu klingen. Der Geist schwieg.

„Du weißt, was ich will!“

„Und du kennst meine Antwort!“

„Du bist ein solcher Dummkopf!“ Ich hörte höhnisches Kichern. „Aber du bist unterhaltsam. Ich liebe es zu beobachten, wie du dich windest.“

Die Dunkelheit um mich herum erstarrte. Sie stand kurz davor, mich zu verschlucken. Panik stieg in mir auf. Am Rande realisierte ich, dass es nicht meine Emotionen waren, die ich spürte. Der Hüter-Geist musste kurz vor einem Nervenzusammenbruchs stehen.

„Also gut.“ Die Dunkelheit wartete und trat einen Schritt zurück. „Ich kann warten...“

Die schwarze Aura löste sich auf. Endlich war ich wieder in der Lage, normal zu atmen. Mit einem lauten Keuchen ließ ich mich an der Wand entlang zu Boden fallen und legte die Hände vor die Augen. Was für ein scheußliches Ungeheuer!

„Ach ja“, meldete die zischende Stimme sich noch einmal zu Wort. „Das hätte ich beinahe vergessen – ich habe eine Information für dich. Aus der Abhandlung über die Eigenschaften von Gegenständen von Magister Timps. Seite 28.“

- Achtung! Ein höheres Wesen (Fehler!) möchte, dass du Seite 28 der Abhandlung über die Eigenschaften von Gegenständen von Magister Timps liest.

Belohnung für diese Quest:

Wissen

Nimmst du die Quest an?

Kapitel 3

ES WAR ZWEI Tage her, seit ich erwacht war. Zwei Tage in meiner Welt. In Ortszeit hatte ich mein Bewusstsein, wie der Geist mir erklärt hatte, erst vor zwölf Stunden wiedergewonnen. Nächtliche Stunden. Er hatte gespürt, dass die Zeit hier anders verlief.

In meinen Augen unterschied die Nacht sich nur wenig vom Tag. Als ich den ersten Blick auf die Welt außerhalb der Höhle geworfen hatte, hatte ich nicht viel erkennen können. Da waren nur Schatten, so weit das Auge reichte. Erst nachdem ich eine Weile angestrengt in die Dunkelheit gestarrt hatte, konnte ich die Umrisse der Felsoberflächen in der Nähe wahrnehmen und hörte den Klang eines fernen Meeres, das mir einen unverkennbaren Geruch von Fäulnis in die Nase steigen ließ.

Ohne meine 50 Punkte in Nachtsicht und die Transformationen meiner Sinne wäre ich nicht einmal dazu in der Lage gewesen.

Der Geist bat mich allerdings, meine magische Sicht nicht einzusetzen. Wie sich herausstellte, konnten die örtlichen Kreaturen, die der Geist „Raubwesen“ nannte, das Aufwallen von Magie spüren. Solange wir tief im Höhlensystem steckten, hatten die Felswände die magischen Strahlen verschluckt. Aber hier im Freien einen Bannspruch zu aktivieren, wäre gleichbedeutend damit gewesen, ein Leuchtfeuer anzuzünden. Auf das sich sofort jedes Raubwesen in der Nähe stürzen würde.

Nahezu die gesamte Zeit, seit ich erwacht war, spürte ich ein unerträgliches Kribbeln. Meine Seele schrie verzweifelt nach einer Rückkehr in meine Welt. Ich musste etwas unternehmen, ich hatte schon zu viel Zeit damit verbracht, bewusstlos herumzuliegen. Dann war der Geist gekommen und hatte noch Öl ins Feuer gegossen. Er hatte ein paar Abhandlungen über den unterschiedlichen Verlauf der Zeit in dieser und meiner Welt zitiert. Doch gnadenlos verdrängte ich jeden Gedanken daran, in meiner Heimatwelt könnten bald bereits Jahrhunderte vergangen sein. Das verräterische Schweigen des Hüter-Geistes zu diesem Thema verriet mir, dass er sich unsicher war, ob nicht genau das eintreten könnte. Was mich nur noch mehr verrückt machte.

Und da ich schon Abhandlungen erwähnt habe... Nach einer längeren Diskussion hatten wir beschlossen, die Quest des Höheren Wesens anzunehmen. Wir konnten keine Gefahr darin erkennen, ein Buch zu finden und eine Seite darin zu lesen. Um die Wahrheit zu sagen, hatte ich gehofft, dass der Geist dieses Buch bereits kannte, doch leider hatte er mich enttäuschen müssen. Im Kellergewölbe von Waldstadt war diese Publikation nicht vorhanden gewesen. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass wir nach unserer Rückkehr in allen Bibliotheken und Buchläden nach Magister Timps‘ Abhandlung forschen würden.

Nachdem ich die Quest angenommen hatte, verbrachte ich eine gewisse Zeit damit, mich über die bizarren Launen dieses mysteriösen Wesens zu ärgern. Warum machte die zischende Stimme uns die Sache so schwer? Warum verriet sie uns nicht einfach, was auf dieser Seite 28 geschrieben stand, statt uns auf die Suche nach dem Buch zu schicken? Als ich dem Geist diese Frage stellte, legte er mir seine Sicht der Dinge dar.

In mehreren Büchern des Ordens wurden Höhere Wesen erwähnt, Große Mächte oder Götter. Diese Götter und Wesen waren nicht berechtigt, ihren sterblichen Vertretern direkt zu helfen, weil dies möglicherweise das Gleichgewicht durcheinanderbringen könnte. Lediglich indirekt, zum Beispiel über Belohnungen, Erfolge oder den Abschluss von Missionen, durften sie eingreifen. Der Geist verschaffte mir auch ein paar Brocken Informationen über die Götter und Höheren Wesen selbst, von denen es sehr viele gab. Wie sich herausstellte, wies die Dunkelheit mehrere Facetten auf, und nicht alle dunklen Götter konnte man über einen Kamm scheren. In ihrer Realität waren sie nicht einmal sämtlich miteinander verbündet. Der Geist wies mich darauf hin, dass mein Zeichen sich eindeutig von dem unterschied, das der Stahlkönig oder Alrak trugen. Und dass die Affinität zur Dunkelheit uns zwar gemein war, jedoch nicht in Freunde verwandelte.

Diese neuen Informationen verwirrten mich. Natürlich wusste ich, dass Götter existierten, aber es war alles so verblüffend... Um ehrlich zu sein, verstand ich jetzt, weshalb meine mysteriöse „Schutzgöttin“ meine Rüstung verwandelt hatte – um die Konkurrenz abzuschrecken. Im Laufe meines mehrstündigen Grübelns kam ich weiter zu dem Schluss, dass es seine Vorteile haben könnte, ihr „Helfer“ zu sein. Darüber hinaus hatte ich ja längst beschlossen, es den dunklen Monstern mit gleicher Münze heimzuzahlen.

Die Rüstung des Dunklen Jägers unterschied sich übrigens nur wenig von der des Gründers. Die Boni für meine Eigenschaften waren identisch. Lediglich der Sammlungs-Bonus für den Besitz aller sieben Teile des Sets hatte sich verändert.

Nachdem ich nichts Besseres zu tun hatte, öffnete ich erneut die Liste mit den speziellen Vorteilen meines neuen Rüstungs-Sets.

- Suche nach Orten der Macht (aktiv)

- Erhöht den Schaden im unbewaffneten Nahkampf um 40 %

- +1.000 Verteidigung

- Erhöht die Kapazität des Lebensvorrats um 40 %

- Erspürt Ströme von Mana, Energie und Leben

- Enthüllt die Substanz von Wesen und Gegenständen

- Sammlungs-Bonus:

- Aktiviert den Vorrat des Zorns des Dunklen Jägers

Zuvor hatte der Bonus im Bannspruch der Hand des Gründers bestanden. Dieser schuf für die Dauer von fünf Stunden eine magische Aura, die den Widerstand gegenüber dunkler Magie für mich und meine Verbündeten um 60 Prozent erhöhte. Statt dieser Hand besaß ich nun einen vierten Vorrat – und eine kurze Beschreibung, was ich damit anfangen konnte.

Wenn ich das richtig verstand, füllte sich der Zornes-Vorrat abhängig von der Zahl der getöteten Feinde auf. Anschließend konnte ich ihn verwenden, um die Durchschlagskraft meiner Angriffs-Bannsprüche zu verstärken.

Noch war es zu früh, diesen Neuerwerb zu feiern, aber wenn dieser Zorn bei einem Kampf auch nur halb so effektiv war wie die Kugeln der Dunkelheit, mussten die bösen Jungs sich gewaltig in Acht nehmen!

Ja, ich hatte meine Verteidigungs-Aura verloren, aber die Erfahrung hatte mir gezeigt, dass diese Aura in der Praxis nur wenig half. Außerdem wurde es Zeit, von der Verteidigung auf den Angriff umzuschalten!

* * *

Der nächste Morgen unterschied sich in nichts von der Nacht. Das gleiche schattenhafte Licht machte es unmöglich, draußen viel zu erkennen. Doch wenn der Geist behauptete, es wäre nun Morgen, war dem nicht viel entgegenzusetzen – ich vertraute ihm. Heute war der Tag, an dem wir beschlossen hatten, die Höhle zu verlassen und zum Portal zu marschieren. Die Reise würde drei Tage dauern. Und zwar drei Tage in dieser Welt, nicht in meiner.

Das erinnerte mich an ein Gespräch, das ich kürzlich mit dem Geist geführt hatte.

„Warum zum Bug hast du mich eigentlich in diese Höhle geschleppt, so weit weg vom Portal?“, hatte ich ihn gefragt.

„Hier gibt es weniger Raubwesen“, war die geflüsterte Antwort.

Nachdem meine „Schutzgöttin“ uns verlassen hatte, hatte ich den Geist gebeten, sich in Zukunft mit lauter Stimme zu äußern. Die mentalen Unterhaltungen verursachten mir rasende Kopfschmerzen. Und da der Geist reichlich schwatzhaft war, dröhnte mir nahezu durchgehend der Schädel. Daher atmete ich immer erleichtert auf, wenn ich ihn mit meinen Ohren hören konnte, auch wenn er meistens flüsterte.

„In der Gegend um das Portal herum wimmelt es nur so vor hungrigen Kreaturen“, fuhr er fort. „Sie würden sich gegenseitig zerfleischen für etwas Nahrung. Nach jahrelanger strikter Diät wäre menschliches Fleisch für diese Wesen ein köstlicher Leckerbissen. Wir hatten großes Glück, dass es Tag war, als wir durch das Portal getreten sind. Wären wir in der Nacht aufgetaucht, würden wir diese dumme Konversation jetzt nicht führen.“

„Was geschieht denn mit den Raubwesen bei Tag?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute, sie werden blind. Ich kann sie zwar nicht sehen, aber es scheint auch hier eine Sonne zu existieren. Und wenn sie am Horizont erscheint, blockiert das die magischen Sinne dieser Wesen. Ich hatte Glück – in der Nähe des Portals fand ich eine andere, kleinere Höhle, in der ich die erste Nacht verbracht habe. Währenddessen studierte ich die örtlichen Kreaturen. Das führte mich zu dem Entschluss, eine große Entfernung zwischen mich und das Portal zu legen. Jetzt werden wir diesen Weg zurückgehen, die Nacht an geschützten Orten verbringen und bei Tag unterwegs sein.“

Tja, und nun war die Sonne aufgegangen und wir wollten losmarschieren. Um ehrlich zu sein, hatte mich das ganze Herumsitzen und Quatschen schon verrückt gemacht. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich mit jeder Sekunde, die ich hier verbrachte, in meiner Heimat Jahre verlor. Deshalb konnte ich mich kaum zügeln, als der Geist endlich unseren Aufbruch verkündete.

Mein Gesamtzustand verstärkte meine Nervosität noch. Mein Körper schrie nach normaler Nahrung und nach Wasser. Meine Regeneration, so schwach sie nun auch war, fraß an meinen inneren Reserven. Meine Lebens- und Energievorräte befanden sich in einer beklagenswerten Kondition. Ich war nun weit dünner und schwächer. Ohne den magischen Vorrat und die Tränke, die der Geist für mich gebraut hatte, wäre ich schon längst tot. Zum Glück war in dieser Welt, anders als in der von Nerz, wenigstens Mana kein Problem.

Einmal stand ich kurz davor, den Unterschlupf des Gierschlunds zu aktivieren. Doch zum Glück spürte der Geist meine Absicht, bevor ich sie in die Tat umsetzen konnte, und redete mir den gedankenlosen Plan aus. Ich musste die Magie, die ich einsetzte, auf ein Minimum reduzieren, sonst spürten uns die Raubwesen in der Nähe auf. Der Geist hatte keinerlei Illusionen über unsere Fähigkeit, sie abzuwehren.

„Bist du bereit?“, fragte er mich leise, als wir im Höhlenausgang standen.

Rasch überflog ich noch einmal meine Haupteigenschaften.

- Level: 0

- Geist: 119

- Stärke: 181,6

- Beweglichkeit: 139,4

- Ausdauer: 50

- Gesundheit: 50

- Verstand: 80

- Weisheit: 6,3

- Wille: 628

- Regenerierung: 5

- Verteidigung: 1.000

- Geschwindigkeit: 90

- Treffsicherheit: 90

- Lebensvorrat: 547/1.177,4

- Energievorrat: 723/1.401,4

- Mana-Vorrat: 9.613/12.099,4

Anschließend studierte ich die Bannsprüche und Fertigkeiten, die mir zur Verfügung standen.

- Unterschlupf des Gierschlunds

- Rammstoß des Gierschlunds

- Kettenblitz des Glitzerfunkenaals

- Verteidigungsaura des Schlammwaters

- Wasserregenerierung des Schlammwaters

- Feuerpfote

- Eispfeil

- Eisatem des Golems

- Sechster Sinn des roten Skolopenders

- Baldachin der Unsichtbarkeit der Schwarzblut-Mutter

- Einäscherung

- Vergessen

- Schadensverteilung

- Steinspitzen

- Eisspeer

- Bannspruch-Auflösung

- Beschleunigte Regenerierung

- Platzen

- Brechen

- Fluch der Schwäche

- Wiederauffüllen der Stärke

- Verderbnis des Abgrunds

- Zusammenschluss mit dem Haustier II

- Gebieter des Schicksals

Ich überprüfte meine Klingen, meine Stiefel und meine Rüstung. Dann sah ich mich um und verkündete entschieden: „Ich bin bereit.“

„Gehen wir“, sagte der Geist, und wir verließen die Höhle.

* * *

Der erste Tag unserer Reise verlief ereignislos. Zuerst kam ich mir vor wie ein blindes Kätzchen. Hätte der Geist mich nicht konstant davor bewahrt zu stolpern und mir den Weg gewiesen, ich hätte mich zweifellos verlaufen.

Doch nach ein paar Stunden fand ich mich besser zurecht, und meine Sicht hatte sich endlich an die örtlichen Verhältnisse gewöhnt. Anschließend wusste ich, wohin ich gehen musste, was die Aufgabe des Geists merklich vereinfachte.

Mehrere Male befahl er mir, anzuhalten und zu warten, während er die Gegend erkundete. Normalerweise mussten wir, wenn er zurückkehrte, nach rechts oder links ausweichen, um das Lager einer ekelhaften Kreatur zu umgehen, die sich vor der Sonne versteckte, um anschließend zu unserer eigentlichen Richtung zurückzukehren. Was übrigens die Sonne betraf – die hatte ich bislang durch den dunklen Nebel noch nicht zu Gesicht bekommen. Eine merkwürdige Welt... Nun verstand ich auch, weshalb der Geist sie eine „gefallene Welt“ genannt hatte.

„Eine meisterhafte Leistung!“, flüsterte der Geist aufgeregt, als wir uns für die Nacht in einer Steinhöhle tief in einer Schlucht einrichteten.

Vorher hatten wir uns vorwiegend mental unterhalten und lediglich knappe Informationen ausgetauscht, um zu verhindern, dass wir uns gegenseitig ablenkten.

„Wir liegen gut in der Zeit!“, begeisterte der Geist sich. „Wir konnten sogar einen Zufluchtsort überspringen, den ich auf dem Hinweg gebraucht habe.“

„Das liegt doch auf der Hand.“ Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich erschöpft auf den Steinboden. „Schließlich musst du jetzt nicht meinen bewusstlosen Körper mit dir herumschleppen.“

Wir hatten tatsächlich gute Fortschritte gemacht. Wenn es so weiterging, konnten wir das Portal bereits am Ende des zweiten Tages erreichen.

„Hör mal“, fand ich endlich den Mut, etwas zu fragen, was mich schon die ganze Zeit beschäftigt hatte. „Bist du sicher, dass sich hier Raubwesen herumtreiben? Bisher habe ich noch kein einziges gesehen.“

Das stimmte. Ich hatte weder Haut noch Haar eines Räubers zu Gesicht bekommen. Ich wollte nicht glauben, dass der Geist mir etwas verschwiegen hatte. Außerdem hatte ich inzwischen gelernt, seine Emotionen zu lesen. Mit jeder Stunde verstand ich seine Stimmung besser. Und mit jeder Stunde veränderte der Geist seinen Charakter. Je länger er an meiner Seite verbrachte, desto menschlicher, lebendiger und authentischer wurde er. Oder so etwas.

„Du solltest froh sein, dass wir keinem Raubtier begegnet sind.“ Er schnaubte. „Und dich dafür bei mir bedanken.“

„Ich danke dir.“ Ich ließ es ihm durchgehen. Der Geist legte großen Wert darauf, dass ich mich für alles Mögliche bei ihm bedankte. Und nicht immer hörte er den Sarkasmus aus meiner Stimme heraus.

„Nur um das erwähnt zu haben – auf dem Hinweg haben wir durchgehend in Gefahr geschwebt“, betonte der Geist. „Da war eine große Herde an Raubwesen. Hätte ich die nicht rechtzeitig entdeckt, könnten wir diese Unterhaltung nicht führen.“

Ich bereitete mich auf eine weitere Ansprache des Geistes vor, in der er sich selbst beweihräucherte, doch aus irgendeinem Grund brach er ab. Dann überfiel mich eine Welle der Panik und des Entsetzens.

„Du darfst keinen Muskel bewegen!“, forderte eine zitternde Stimme in meinem Kopf mich auf.

Ich spürte die Angst des Geistes, und sofort richteten sich an meinem Körper alle Haare auf.

„Was ist los?“, fragte ich mental.

„Sie sind hier!“

Ohne mich zu bewegen, ließ ich den Blick nach rechts schweifen. Zuerst entdeckte ich nichts und wollte schon fragen, ob der Geist sich durch seine eigenen Horrorgeschichten hatte erschrecken lassen. Doch bevor ich den Mund öffnen konnte, erkannte ich auf einmal das riesige Etwas im Eingang zu unserem Unterschlupf. Der undurchsichtige, weißliche Fleck wies zuerst keine bestimmte Form auf, doch das änderte sich in dem Augenblick, in dem er sich vollständig in die Höhle gezwängt hatte.

Am ehesten erinnerte das Ding mich an eine Qualle – lange, schleimige Tentakel, ein breiter, glockenförmiger Körper. Zu meiner Überraschung nannte das System sogar den Namen der Kreatur – Medusa-Seele. Parameter oder einen Level des milchig-weißen Mobs sah ich jedoch nicht.

„Was machen wir jetzt?“, fragte ich.

„Du darfst dich nicht bewegen“, erwiderte der Geist rasch. „Noch kann der Mob uns nicht sehen. Vielleicht zieht er nach einer Weile weiter. Und du darfst auf keinen Fall Magie einsetzen!“

„Wie hat er uns gefunden?“

„Keine Ahnung“, antwortete der Geist. „Ich glaube, der Mob weiß nicht, dass wir hier sind.“

„Du vermutest, er hätte sich rein zufällig in die Höhle verirrt?“ Das bezweifelte ich. „Vielleicht ist er unseren Spuren gefolgt.“

„Was?“, hakte der Geist aufrichtig überrascht nach. „Aber wir haben doch keine Magie verwendet! Und auf andere Weise können die Raubwesen uns nicht finden.“

Die Entfernung zwischen mir und der Medusa-Seele verringerte sich langsam. Ich konnte bereits die flexiblen Fasern sehen, aus denen die Tentakel bestanden. Ich presste den Rücken gegen die Höhlenwand und wagte kaum zu atmen.

Endlich hielt der durchsichtige Großklecks an, drehte sich einmal um die eigene Achse und bewegte sich in Richtung Ausgang.

„Er verschwindet wieder!“ Der Geist klang maßlos erleichtert. „Anscheinend hat er sich tatsächlich nur hierher ver…“

Doch bevor er seiner Freude vollständig Ausdruck verleihen konnte, schnüffelte die Qualle, stoppte abrupt, drehte sich um und schoss blitzschnell auf mich zu.

„Nein!“, rief der Geist entsetzt.

Seltsamerweise löste sein Schrei den Zustand der Erstarrung, der mich erfasst hatte. Ich wurde aktiv. Unterwegs hatte ich längst im Kopf Strategien entwickelt, wie ich mich gegen die örtlichen Mobs wehren konnte. Der erste Schritt war das Herbeirufen der Seelen.

- Du hast die Seele des Langschwänzigen Yshs herbeigerufen!

Sofort schlängelte sich der halb durchsichtige Körper der Schlange mit schnellen Bewegungen um mich herum. Gerade noch rechtzeitig – einer der Tentakel der Qualle stand bereits kurz davor, meine Schulter zu berühren.

Als sie stattdessen auf den Körper der Schlange stieß, zuckte deren flacher Kopf heftig. Das System teilte mir mit, dass der Schaden von meinem Schild absorbiert worden war. Der Qualle war es lediglich gelungen, mir zehn Prozent meiner Verteidigung zu rauben, etwa 2.000 Punkte. Das war nicht allzu schlimm. Um ehrlich zu sein, hatte ich mehr erwartet. Aber wenn ich es mit mehreren dieser Medusa-Seelen zu tun hatte, konnte der Schild nicht lange standhalten.

Der hässliche Tentakel versank im Körper der Schlange und begann zu vibrieren. Rasch verringerten sich meine Verteidigungspunkte. Ich wollte zur Unterstützung den schwarzen Panzerkäfer herbeirufen, doch bevor ich den Gedanken in die Tat umsetzen konnte...

… tat der Ysh etwas, das ich vorher noch nie erlebt hatte. Er griff die Qualle an! Die Windungen seines Körpers lösten sich von mir und wickelten sich stattdessen um die Medusa, die dieser Angriff völlig überraschend traf. Mehr und mehr zogen die Windungen sich zusammen. Die Qualle drohte, zu ersticken.

Sie versuchte, sich zu entziehen, doch dadurch verschlimmerte sie ihre Not nur noch. Mehr und mehr erhöhte sich der Druck, den der Ysh ausübte, und der weißliche Körper der Medusa verblasste zunehmend. Wenige Sekunden später war sie spurlos verschwunden.

Ich hatte alles mit offenem Mund bestaunt. Was bitte war hier los?

Als ob es meine Gedanken lesen könnte, lenkte das Große System mich mit einer Meldung ab:

- Achtung! Die Seele des Langschwänzigen Yshs hat erfolgreich die Seele der Medusa absorbiert!

Wie betäubt starrte ich meinen Beschützer an, nachdem ich zu Ende gelesen hatte. Die Schlange hatte sich erneut um meinen Körper gelegt. Über dem dreieckigen Kopf erschien ein kurzer Text:

- Seele des Langschwänzigen Yshs

- Transformationsstadium: 0 (9 %)

„Nun sieh sich das einer an!“, rief der Geist erstaunt aus.

„Das hatte ich nicht erwartet“, murmelte ich, noch immer verwirrt.

Doch bevor wir unsere Unterhaltung fortsetzen konnten, tauchte im Eingang der Höhle ein weiterer weißlicher Fleck auf...

Kapitel 4

DIE NÄCHSTE KREATUR, die ihren Weg in unseren Unterschlupf fand, sah aus wie eine Hornisse. Das System nannte sie eine „Rassel“. Der Name passte sehr gut. Während die Medusa sich in völligem Schweigen bewegte und lautlos angriff, waren die Flügel der halb durchsichtigen Wespe ständig in Bewegung und verursachten ein rasselndes Geräusch.

Die Rassel drang in die Höhle ein und stürzte sich sofort auf uns. Wie beim letzten Mal, reagierte der Ysh auch jetzt umgehend. Er schnellte zur Rassel und schlang sich um ihren Körper. Diese Absorption dauerte weniger als eine Minute. Die Rassel war nicht einmal in der Lage, einem von uns Schaden zuzufügen.

- Seele des Langschwänzigen Yshs

- Transformationsstadium: 0 (21 %)

Noch hatte ich keine Ahnung, was passieren würde, wenn die Transformation 100 Prozent erreicht hatte, aber instinktiv war ich mir sicher, es würde mir gefallen.

Der Geist hingegen teilte meinen Optimismus nicht.

„Wir sitzen in der Patsche, wie es aussieht“, bemerkte er schicksalergeben und starrte auf die drei Hornissen, die sich gleichzeitig in die Höhle zu drängen versuchten.

„Hör auf zu jammern!“, schimpfte ich und bedauerte gleichzeitig, dass ich vor der Schlacht in meiner Welt alle Fläschchen mit Seelen in meinem Besitz an andere verteilt hatte. „Wir müssen versuchen, aus der Höhle zu entkommen.“

Die kleinste der drei Wespen hatte es inzwischen geschafft, an den anderen vorbei zu stürmen. Fröhlich rasselnd flog sie auf uns zu. Noch bevor sie uns erreichen konnte, hatte der Ysh sie in den Schwitzkasten genommen.

Anders als sein letztes Opfer schaffte es diese Wespe, ihn mit einem gekrümmten Stachel zu verwunden, bevor sie verschwand. Das raubte dem Schild weitere 2.000 Punkte. Das Ding war klein gewesen, aber angriffslustig. Der Hornisse war es gelungen, mehr Schaden anzurichten als die Medusa.

„Es sind zu viele von ihnen!“ Der Geist geriet in Panik.

„Halt die Klappe!“, brüllte ich. „Und beschränke dich auf Beobachtungen, die relevant sind!“

Nachdem er die erste Hornisse absorbiert hatte, wandte der Ysh seine Aufmerksamkeit rasch der zweiten fliegenden Kreatur zu. Übrigens hatte die flinke kleine Wespe der Schlange nicht nur einen gravierenden Schaden, sondern auch ihrem Transformationsprozess sechs Prozent hinzugefügt.

Das nächste Opfer des Yshs war eine riesige Rassel, die frontal gegen die toten Körper stieß, die sich hinter dem Höhleneingang aufhäuften. Sie versuchte, ihm einen Stich zu verpassen, doch der Ysh wich elegant aus, schlang seine Windungen um den enormen Körper und zog sich zusammen. Die Hornisse konnte sich nicht mehr bewegen und die Absorption begann.

In diesem Augenblick wollten sich gleich drei schmalere Hornissen auf meinen langschwänzigen Verteidiger stürzen. Drei Stiche verringerten seine Verteidigung um 6.500 Punkte! Diese Mistkerle!

Ich musste die stürmischen Emotionen des Hüter-Geistes ausblenden. Hätte ich zugelassen, dass sie meinen Kopf füllten, sie hätten mein Gehirn mit Entsetzen und Panik durcheinandergebracht, und mein Schädel dröhnte ohnehin bereits.

Der Ysh hatte die Absorption des letzten Opfers noch nicht begonnen, und sein Schild war bereits unter 10.000 Punkte Verteidigung gesunken. Er brauchte dringend Unterstützung. Ich wollte schon den schwarzen Panzerkäfer herbeirufen, änderte jedoch im letzten Augenblick meine Meinung.

Eine Gestalt erschien an meiner Seite. Ich nickte, und der Schnee-Dämon setzte sich in Bewegung. Er raste durch die Körper der Hornissen mit der gleichen Leichtigkeit, mit der ein rot glühendes Messer durch Butter schnitt. Sofort füllte sich mein Lebensvorrat wieder. Der Hüter-Geist hickste vor Erstaunen.

Mit angehaltenem Atem beobachtete ich, was sich vor meinen Augen tat. War das etwa ein Witz? Der Dämon griff nicht nur drei Gegner gleichzeitig an, sondern anders als sonst hatte er es auch nicht eilig damit, wieder zu verschwinden. Rasch fuhr er herum, nutzte den betäubten Zustand der Hornissen aus und schlug derjenigen, die ihm am nächsten war, seine Reißzähne ins geisterhafte Fleisch.

Die Rassel überlebte nur wenige Augenblicke. Der Schnee-Dämon saugte das gesamte geisterhafte Leben aus ihr heraus.

- Achtung! Der Schnee-Dämon hat die Seele der Rassel erfolgreich absorbiert!

- Transformationsstadium: 0 (11 %)

Ich las die Meldung, bass erstaunt, wie rasch der Dämon die Hornisse besiegt hatte. Derweil ging er bereits auf sein nächstes Opfer los.

Der Ysh beschleunigte seine eigenen Handlungen, als fürchtete er die Konkurrenz. Schon bald meldete das System mir eine weitere Absorption.

- Seele des Langschwänzigen Yshs

- Transformationsstadium: 0 (42 %)

Die letzte Hornisse besiegten der Ysh und der Dämon gemeinschaftlich. Es geschah so schnell, dass meine Augen kaum folgen konnten. Am Ende war der Transformationsfortschritt des Yshs bei 48 Prozent angelangt und der des Dämons bei 29. Beide machten keine Anstalten, sich wieder zurückzuziehen. Gierig beäugten sie den Höhleneingang. Ihre geisterhaften Bäuche verlangten eine Fortsetzung des Festmahls.

„Siehst du?“, triumphierte ich. „Und du hattest solche Angst!“

„Freu dich nicht zu früh!“, unkte der Geist. „Das war erst der Anfang. Die vielen magischen Aufwallungen werden weitere Raubwesen herbeilocken.“

Der Geist hatte es berufen...

Eine Medusa tauchte auf, und sie war nicht allein. Diese Qualle hatte Freunde mitgebracht. Der Ysh und der Dämon stürmten vor, um unsere neuen Besucher zu begrüßen. Angestachelt von Eifersucht wickelte die Schlange sich um gleich zwei dieser Wesen herum.

„Hm... Irre ich mich, oder ist die Schlange gewachsen?“

„Nein, du irrst dich nicht“, murmelte der Geist.

Er klang beleidigt. Meinetwegen – das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Was musste er mir auch immer die Laune verderben? Es geschah ihm nur recht, dass er jetzt gekränkt war. Beim nächsten Mal wusste er es hoffentlich besser. Ich meine, natürlich hatte ich im Grunde nichts gegen einen übervorsichtigen Helfer einzuwenden – aber ein feiger Helfer war etwas völlig anderes. Feiglinge tendierten dazu, alles stehen und liegen zu lassen und zu fliehen, wenn man sie am meisten brauchte. Noch konnte ich dem Geist diese Charakterschwäche jedoch nicht vorwerfen. Immerhin war er dem Geisterbeschwörer entkommen und hatte in dieser Welt überlebt. Er war lediglich nervös. Ich musste ihn unbedingt trainieren, bevor es zu spät war.

Der Ysh bezahlte einen hohen Preis für seine Gier. Der Gegenangriff seiner Opfer verringerte seine Verteidigung um weitere 1.500 Punkte. Noch drei weitere Attacken, und es hatte ihn erwischt.

Während die Schlange mit ihren zwei Quallen beschäftigt war, erledigte der Schnee-Dämon rasch die übrigen Medusen. Außerdem verschlang er hungrig die Seele eines riesigen Käfers, der lediglich seinen Kopf in unsere Höhle hatte schieben können.

Der Gigant steckte fest – was nur zu unserem Vorteil war. Seine Leiche blockierte den Eingang, wie ein Korken in einem Flaschenhals.

Nachdem er erschlagen worden war, schickte das System mir eine seltsame, aber ermutigende Mitteilung:

- Achtung! Der Schnee-Dämon hat die Seele der Panzerpfote erfolgreich absorbiert!

- Transformationsstadium: 1 (2 %)

- Gratuliere! Das Erreichen des ersten Transformationsstadiums hat die Macht der Seele des Schnee-Dämonen erhöht!

Rasch öffnete ich die Beschreibung dieser Wirkung und konnte mir ein selbstzufriedenes Grinsen nicht verkneifen.

„Nicht schlecht“, bemerkte der Geist fasziniert. „Sein Vampirismus ist nun zehn Prozent effektiver!“

Bevor ich etwas erwidern konnte, benachrichtigte das System mich, dass der Kampf des Yshs vorbei war. Sein Sieg hatte ihn viel gekostet – sein Schild war um weitere 3.000 Punkte schwächer geworden. Noch immer fehlten ihm 23 Prozent bis zum Abschluss von Stadium 1 der Transformation.

„Ich glaube nicht, dass die Schlange einen weiteren Angriff überleben kann“, stellte der Geist fest.

Ich blieb stumm. Was hätte ich auch sagen sollen? Der Hüter-Geist hatte recht. Verdammt! Meine Schlange musste sich mit der Transformation beeilen!

* * *

Es waren mehrere Stunden vergangen, seit die erste Medusa unseren Unterschlupf betreten hatte. Die gesamte Zeit über hatten meine Seelen einen konstanten Strom von Raubwesen abwehren müssen. Aber gerade als wir schon glaubten, deren Flut würde uns am Ende verschlingen, versiegte er. Es kamen keine bösen Jungs mehr. Vorsichtig wagte sich der Geist nach draußen und berichtete anschließend, dass die Luft rein war.

Wir vermuteten keineswegs, dass wir nun alle Raubwesen besiegt hatten, die sich in der Nähe aufhielten. Der Geist stellte stattdessen die Theorie auf, sie wären von einem interessanten Ereignis abgelenkt worden. Ob das stimmte oder nicht – wir brauchten eine Pause.

Was unsere Kämpfer betraf, so hatte der Geist sich in seiner Prognose für den Ysh getäuscht. Nach etlichen weiteren Siegen hatte es mein langschwänziger Verteidiger nicht nur geschafft, zu überleben, sondern er hatte auch das erste Transformationsstadium abschließen können. Was zunächst einmal die Kapazität seines Schildes um 10.000 Punkte erhöht und anschließend alle Werte wieder auf den Vollzustand zurücksetzt hatte. Das war eine angenehme Überraschung.

Auf diese Weise hatte der Ysh lange genug überleben und ausharren können, um das Transformationsstadium 4 abzuschließen. Der Dämon hatte weniger Glück. Er hatte es bis zu Stadium 3 geschafft, doch dann war er dem Angriff einer Medusa zum Opfer gefallen. Da er über keinerlei Verteidigung mehr verfügt hatte, hatte es lediglich einen Tentakelhieb gebraucht.

Ich ersetzte den Dämon durch den schwarzen Panzerkäfer, der es bis zu Stadium 2 schaffte. Er tötete seine Opfer mit jeweils einem Schlag und absorbierte sie mit unglaublicher Geschwindigkeit. Allerdings fehlte es ihm ebenfalls an Verteidigung. Daher bereitete ihm der Stich einer Hornisse ein jähes Ende.