Showdown (Außenseiter Buch #6): LitRPG-Serie - Alexey Osadchuk - E-Book

Showdown (Außenseiter Buch #6): LitRPG-Serie E-Book

Alexey Osadchuk

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Beschreibung

Nachdem er das Portal in andere Welten versiegelt hat, wird Eric zum Magister des Ordens der Mobjäger ernannt. Als Oberhaupt der einst so mächtigen Organisation kann er nun über alle Reichtümer des Ordens verfügen. Aber Eric weiß sehr wohl, dass er den Kampf gegen den Stahlkönig allein nicht gewinnen kann. Es wird auch nicht ausreichen, den „toten Orden” wieder zum Leben zu erwecken – Eric muss das Existenzrecht des Ordens sicherstellen, denn sein Feind ist immer wachsam. Schon bald wird der Stahlkönig erfahren, dass sein Plan fehlgeschlagen ist, sich die Stahlkrone zurückzuholen, ein allgewaltiges Artefakt und das Symbol der Macht seiner königlichen Dynastie. Es muss gewiss nicht erwähnt werden, gegen wen sich sein Zorn nun richtet … Eric ist sich bewusst, dass eine große Schlacht bevorsteht, eine Schlacht wie die, von der die alten Chroniken sprechen. Und bei der bevorstehenden Machtprobe braucht er treue und mächtige Unterstützer an seiner Seite. Deshalb führt Erics Weg ihn, nachdem er der Dunkelheit getrotzt hat, zum Königreich unter dem Berg, zur Welt der Gnomen. Wenn man den alten Sagen und Legenden Glauben schenken darf, wird er dort Gramner den Vierarmigen finden, den berühmten Schmied. Den er hofft, dazu überreden zu können, in der Schmiede der wahren Flamme ein Brutritual zu zelebrieren.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Showdown

Ein Roman von Alexey Osadchuk

Außenseiter

Buch 6

Magic Dome Books

Showdown

Außenseiter Buch 6

Originaltitel: Showdown (Underdog Book #6)

Copyright © Alexey Osadchuk, 2021

Covergestaltung © Valeria Osadchuk, 2021

Designer: Vladimir Manyukhin

Deutsche Übersetzung © Irena Böttcher, 2021

Lektorin: Lilian R. Franke

Erschienen 2021 bei Magic Dome Books

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00 Praha 9

Czech Republic

IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

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Die Personen und Handlung dieses Buches sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit realen Personen oder Vorkommnissen wäre zufällig.

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Kapitel 1

BEFRIEDIGT ATMETE ICH TIEF EIN, bedeckte die Augen mit der Hand und atmete langsam wieder aus. Eine warme Brise wehte den würzigen Duft des Waldes heran. Die riesigen Mammutbäume wiegten sich im Wind, ihre Zweige knackten, ihre Blätter raschelten. Die Stadt war zu ihrem ursprünglichen Rhythmus zurückgekehrt. Ohne Angst und Sorgen gingen die Leute ihren Geschäften nach. Niemand hätte geahnt, dass die Stadtmauer von Waldstadt vor Kurzem noch den Angriff blutrünstiger Feinde erlebt hatte.

Ich wusste sehr wohl, dass dieser Ruhe sehr bald der nächste Sturm folgen würde. Früher oder später musste dem Stahlkönig klar werden, dass sein Plan fehlgeschlagen war. Ich muss gewiss nicht erwähnen, gegen wen sein Zorn sich richten würde …

Auch wenn ich mir der Gefahren der momentanen Situation bewusst war, spürte ich, so merkwürdig es auch klingen mochte, keine Angst. Um ehrlich zu sein, hatte ich die Nase voll davon, in Furcht zu leben. Ich konnte ohne Übertreibung behaupten, dass ich inzwischen ein anderer Mensch geworden war. Kein Wunder – allein mit der Anzahl an Abenteuern, die ich im Laufe des letzten Jahres erlebt hatte, konnten nur wenige mithalten, das stand fest. Die meisten Leute, die ich in dem gekannt hatte, was ich nun mit Fug und Recht mein altes Leben nennen konnte, verbrachten ihre Tage in gemütlichen Häusern und hatten keine Ahnung, was in der Welt tatsächlich vor sich ging. Und inzwischen hatte die Welt sich massiv verändert, etwas, wobei ich ganz zufällig eine Hand mit im Spiel gehabt hatte …

Murk lenkte mich von der Flut meiner Überlegungen ab.

„Wir sind bereit“, verkündete er mit fester Stimme. In den Augen des Albinos und seiner Krieger stand eiserne Entschlossenheit.

Ich betrachtete die zukünftigen Mobjäger eingehend. Ach, was hieß hier „zukünftige“? In Wirklichkeit waren sie längst Mobjäger. Es fehlte nur eine Kleinigkeit – die Einführung in den Orden.

Die Nordlichter unterschieden sich vom anderen Fuchsvolk. Sie waren hochgewachsen und breitschultrig. Ausgerüstet waren sie mit Gegenständen aus der Waffenkammer. Sehnsüchtig überlegte ich, wie gut es wäre, mehrere Hundert Soldaten dieser Art zu haben. Um eine solche Armee würde jeder König mich beneiden. Momentan verfügte ich lediglich über ein Dutzend Krieger. Innerlich grinste ich. Ich hatte bereits Pläne, wie ich dieses Dutzend in eine ernstzunehmende Kampfgruppe verwandeln konnte.

Wie ein Kommandeur, der seine Truppen begutachtet, musterte ich jeden Einzelnen der Füchse. Die zwei Schwertkämpfer, die Murk mit seinem breiten Rücken beinahe verdeckte, fielen mir besonders ins Auge.

Auch diese beiden kamen aus dem Norden, waren jedoch kleiner und zierlicher als die anderen Fangzähne. Zuerst hielt ich sie für Heranwachsende, aber dann ging mir ein Licht auf – das waren keine Männer, es waren Kriegerinnen! Da Murk sie ausgewählt hatte, mussten sie hervorragende Kämpferinnen sein.

Murk folgte meinem Blick und bemerkte knapp: „Das ist Be… Bernstein.“

Graziös trat sie einen Schritt vor. In ihren grünen Augen, die eine leichte Neigung zum Schielen aufwiesen, standen Sorge und Hoffnung gleichermaßen. Ihr flauschiger Fuchsschwanz, der sich um ihr rechtes Bein gelegt hatte, endete in einer schwarzen Spitze. Trotz ihrer kriegerischen Erscheinung wurde diese Füchsin von Furcht beherrscht. Ich verkniff mir ein Lachen. Bernstein – es war ein passender Name. Im Sonnenlicht funkelte ihr leicht orangefarbenes Fell beinahe wie dieser Halbedelstein.

Aus den Blicken der anderen Krieger schloss ich, dass Bernstein bei der männlichen Bevölkerung von Waldstadt große Aufmerksamkeit genoss. Ich vermutete jedoch, die zwei Schwertklingen, die über ihre Schultern hinausragten, konnten die Leidenschaft selbst des heißesten Verehrers rasch abkühlen.

Ich las ihre Werte. Sie war nicht so gewöhnlich, wie es auf den ersten Blick schien. Ihr Level 30, ihr kräftiger Körperbau, die Narben aus vielen Schlachten und mehr sprachen für sich. Am meisten überraschte mich ihr magischer Vorrat mit etwas über 2.000 Punkten.

Merkwürdig … Ich warf Murk einen nachdenklichen Blick zu. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel, aber ich sah sehr wohl den Funken aufkeimenden Stolzes in seinen Augen. Es war, als freute er sich darüber, dass er ebenfalls ein paar Tricks auf Lager hatte.

Und wie sich herausstellte, war das nicht alles, das er an Überraschungen zu bieten hatte. Die zweite Füchsin trat vor. Auch ihr schwarzer Pelz hatte sich furchtsam aufgestellt, doch ihre himmelblauen Augen sahen mich herausfordernd an. Die krumm verlaufende Narbe auf ihrer rechten Wange verriet mir, dass diese Kriegerin es nicht gewohnt war, zurückzuweichen. Ich bewunderte die ungewöhnlichen Farben ihres Fells, schwarz und weiß, und versuchte, einen Vergleich zu finden.

Als ob er Gedanken lesen könnte, erklärte Murk: „Und dies ist Onyx.“

Ich lächelte. Natürlich! Onyx – ein pechschwarzer Stein mit marmorierten, weißen Adern ...

Die Füchsin bemerkte meine Amüsiertheit, legte den Kopf schief und ließ die weißen Spitzen ihrer Ohren spielen.

Ich versuchte, meine Verlegenheit zu verbergen, und aktivierte meine magische Sicht. Nun sieh mal einer an – eine zweite Magierin!

„Bernstein und Onyx haben erst vor Kurzem ihre magischen Vorräte freigeschaltet“, erklärte Murk. „Wir haben alle zusammengearbeitet, um ihnen genügend Tafeln zu verschaffen. Mächtige Kriegerinnen waren sie bereits vorher, aber jetzt können sie dir auch magische Unterstützung leisten.“

„Mir Unterstützung leisten?“, fragte ich verwundert.

„Wir wissen, dass du ein großer Magier bist, und dein Biest steht immer bereit, dich zu verteidigen. Aber das Oberhaupt eines Ordens darf niemals ungeschützt bleiben. Dein Leben ist jetzt wertvoller als je zuvor. Je besser wir für deine Sicherheit sorgen, desto länger wird der Orden bestehen bleiben.“

Ich runzelte die Stirn.

„Und mach dir keine Sorgen wegen ihrer zierlichen Gestalt“, ergänzte Murk, der meine Reaktion auf seine Weise auslegte. „Im Grunde ist das nur vorteilhaft. Jeder, der dich umbringen will, wird sie maßlos unterschätzen. Dabei kann Onyx dich mit einem magischen Schild schützen, und Bernstein kann sich unsichtbar machen. Sieh dir nur ihre Schwerter an – während du dich verteidigst, werden sie Tod und Verderben unter den Feinden säen.“

Murks Krieger nickten zustimmend. Anscheinend hatten sie bereits abgesprochen, wie die beiden Fuchsschwestern mich am besten schützen konnten. Im Grunde hatte ich gegen eine Leibwache nichts einzuwenden, aber es gab da einen kleinen Haken. Selbst wenn all diese Füchse zu Mobjägern wurden – wer garantierte mir, dass meine eigenen Wachen mir nicht in den Rücken fielen? Davon abgesehen konnten die Füchsinnen mich auf diese Weise perfekt ausspionieren und Murk alles melden, was ich tat. Natürlich hatten wir im Laufe der letzten Wochen bereits Vieles gemeinsam durchgestanden, aber dies war erst der Anfang. Sehr bald, und hoffentlich in naher Zukunft, würde der Orden wachsen. Niemand wusste, ob meine neuen Wachen der Versuchung widerstehen konnten, sich alle Reichtümer selbst unter den Nagel zu reißen. Selbstverständlich würde ich Vorkehrungen ergreifen. Den Magistern des Ordens standen verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, mit denen ich mich übrigens noch immer näher beschäftigen musste. Früher oder später führte jedoch kein Weg daran vorbei, einen zweiten Magister zu ernennen – einen von diesen zwölf Füchsen. Würde Selbstsucht den Betreffenden (oder die Betreffende) in diesem Augenblick dazu bringen, alle Macht für sich selbst zu beanspruchen? Über diese Frage hatte ich mir schon mehrfach den Kopf zerbrochen.

Anscheinend sah man mir meine Zweifel deutlich an. Die Krieger tauschten besorgte Blicke. Mit einem solchen Vorbehalt hatten sie sichtlich nicht gerechnet.

Mein Schweigen hielt an. Einerseits wollte ich meine Verbündeten nicht durch eine Weigerung beleidigen. Andererseits wollte ich auch nicht Tag und Nacht Fangzahn-Spione um mich haben. Insgesamt wusste ich das Angebot trotz seiner Nachteile allerdings sehr zu schätzen.

Unerwartet waren es meine potenziellen neuen Leibwächterinnen selbst, die eine Lösung vorschlugen. Sie sahen sich einander an und traten nach einem kurzen Nicken einen Schritt vor. Dann knieten sie vor mir nieder, und im gleichen Augenblick meldete das Große System mir, dass Onyx und Bernstein meine Familienmitglieder werden wollten. Ich warf Murk einen zögernden Blick zu. Er zuckte mit den Schultern und nickte ebenfalls. Er gestand seinen Kriegern offensichtlich zu, über ihre Handlungen selbst entscheiden zu können.

„Seid ihr sicher?“, fragte ich.

Nach einem weiteren Blickaustausch antworteten beide Magierin nahezu wie aus einem Mund: „Ja!“

Ich schmunzelte. Ihre Blicke verrieten mir, dass die beiden hinterlistigen Ladys sich längst entschieden hatten. Mich beunruhigte die Tatsache, dass sie sich dabei nicht mit ihrem Kommandeur abgesprochen hatten, und die Aussicht, mich in Zukunft um zwei weitere, mir unbekannte Familienmitglieder kümmern zu müssen, bereitete mir Unbehagen. Eines jedoch stand fest – ein Familienmitglied würde niemals das Oberhaupt dieser Familie verraten.

„Nun, wenn eure Entscheidung feststeht, bin ich einverstanden“, erklärte ich. „Ich nehme an!“

Die beiden Kriegerinnen erschauerten, als sie die Systemnachricht erhielten, dass sie von jetzt an unter meinem Kommando standen.

Ich lächelte und streckte die Hand aus, um ihnen aufzuhelfen.

Etwas verwirrt erwiderten sie mein Lächeln. Um ehrlich zu sein verstand ich nicht komplett, was die beiden getan hatten. Es war alles so schnell geschehen … Aber, so seltsam es auch klang, ich freute mich. Meine Familie war soeben gewachsen. Ich hatte mir immer eine Schwester gewünscht, und nun hatte ich auf einmal sogar zwei davon!

Doch nun wollte ich die Einführung in den Orden nicht weiter hinauszögern.

„Folgt mir“, forderte ich die Krieger auf.

Überraschenderweise gab es in Waldstadt keine Statue von Gunnar. Aber ich hatte inzwischen viele Flachreliefs mit Bildern von längst vergangenen Schlachten und Ereignissen gesehen, und in nahezu jedem dieser Reliefs war auch der Ordensgründer abgebildet. Wie so oft, hatten die Künstler ihn als einen drei Meter großen Riesen dargestellt. Als ich das erste Mal solche Bilder zu Gesicht bekommen hatte, hatte ich eine Theorie entwickelt. War es möglich, dass Gunnar tatsächlich so ausgesehen hatte, wenn er seine Inkarnation aktiviert hatte? Wie in Fort Stark war auch der Gunnar in den Reliefs ein Ritter in einer Rüstung, die von Kopf bis Fuß reichte. Zu gern hätte ich diesen Kerl in Aktion erlebt!

Es gab auch andere Abbildungen. In der Waffenkammer befand sich zum Beispiel ein Fresko, in dem Gunnar der Statue von Fort Stark verblüffend ähnlich sah. Stolz stand er da, die Hand erhoben, und wandte sich an die Menge, die sich um ihn drängte.

Ich hatte beschlossen, die Einführung in den Orden vor diesem Fresko zu vollziehen. Ich war mir sicher, Gunnar hätte das gefallen.

Ich führte das Fuchsvolk in die Waffenkammer, drehte mich um und sah den zukünftigen Mobjägern in die Augen.

„Fangen wir an. Tretet näher an das Fresko heran. Und denkt daran, ihr müsst all meine Fragen mit ‚ja‘ beantworten.“

Von den Kriegern kam zustimmendes Brummen.

Murk war der Erste, der vor mich trat.

„Murk von der Rasse des Fuchsvolks, bist du bereit, den Pfad der Jagd zu beschreiten?“, fragte ich laut.

„Ja“, antwortete der Albino feierlich. Das Fell in seinem Nacken hatte sich aufgerichtet.

„Wählst du den Pfad der Jagd aus deinem eigenen, freien Willen heraus?“

„Ja!“, bellte Murk.

„Kannst du deine Absichten nachweisen?“

Der Anfänger der Fangzähne nickte und holte zwei Kristalle aus seiner Tasche.

Ich nahm den Tribut entgegen und verkündete ernst: „Ich sehe, deine Absichten sind ernsthaft und aufrichtig! Dein Beitrag zur guten Sache des Ordens der Mobjäger wurde als würdig betrachtet! Von diesem Tag an bist du ein Bruder unseres Ordens!“

Kaum hatte ich den letzten Satz ausgesprochen, mit dem auch Sly Redtail mich in den Orden eingeführt hatte, sah ich eine Systemmeldung:

- Achtung! Du hast erfolgreich ein Einführungsritual vollzogen!

- Gratuliere! Deine Handlung hat dem Orden 1.000 Entwicklungspunkte eingetragen!

- Derzeitiger Wert: 1.000 (EP)

- Empfangen: Großer geisterhafter Kristall (2)

Ich musste zugeben, die Nachricht verwirrte mich ein wenig. Was zum Bug waren denn diese Entwicklungspunkte? Wofür wurden sie verwendet? Ich betrachtete die Meldung näher und sah, dass das Wort „Entwicklungspunkte“ rötlich schimmerte. Das konnte nur eines bedeuten – das System teilte mir mit, dass sich dahinter ein Hinweis verbarg, der mir mehr verraten würde.

Gewaltsam riss ich meinen Blick von der Mitteilung, straffte mich und setzte die Zeremonie fort. Momentan wirbelten dort neue Informationen wie Schneeflocken in einem Blizzard. Mehr herausfinden konnte ich später immer noch.

Ich trat vor, legte Murk die rechte Hand auf die Schulter und lächelte. „Willkommen, mein Bruder!“

Meine Worte wurden mit begeistertem Knurren aufgenommen. Murk neigte den Kopf. „Ich danke dir, mein Bruder!“

Insgesamt dauerte die Einführungszeremonie eine Stunde. Wie sich herausstellte, konnte ein Mobjäger seine Reputation auch dann verbessern, wenn er sich nicht in der Nähe eines Portals befand. Es gab noch eine andere Methode dafür – man musste dem Orden Tribut zollen, indem man ihm geisterhafte Kristalle überließ, die für die Entwicklung des Ordens bestimmt waren. Über mir wurde ein wahres Füllhorn an Informationen ausgeschüttet. Das System bombardierte mich regelrecht mit immer neuen Details. Ich ahnte bereits, dass mir einige schlaflose Nächte bevorstanden.

Nachdem die Fangzähne mir ihre Kristalle überlassen hatten, erhielt ich die Nachricht, dass Murk bereits über ausreichend Reputation für eine erste Beförderung verfügte. Das System wollte wissen, ob ich bereit war, die Existenz eines neuen Oberjägers zu genehmigen.

Ich atmete erleichtert auf. Denn ich hatte befürchtet, Beförderungen würden ohne mein Wissen erfolgen, was mich beunruhigt hatte. Zwar hatte ich die Einstellungen so geändert, dass dies eigentlich nicht möglich sein sollte, aber bis zu diesem Augenblick hatte ich mir dennoch Sorgen gemacht. Jetzt hingegen war ich überzeugt, alles unter Kontrolle zu haben.

Feierlich verkündete ich, dass unter uns bereits ein erster Oberjäger war, was seine Waffenbrüder jubeln ließ. Ich empfahl Murk, die Wahl seines Pfades nicht zu überstürzen. Er verstand und versprach, damit zu warten, bis er sich mit mir beraten hatte. Nachdem der offizielle Teil nun beendet war, brannten alle vor Ungeduld, sich in der Waffenkammer umzusehen und ihre Wertmarken auszugeben. Ich hatte die Anzahl der käuflichen Gegenstände in den Einstellungen bereits angepasst, sodass genug für alle da war.

Als die frischgebackenen Mobjäger zwischen den Regalen abgetaucht waren, klopfte es an der Tür.

Ich hatte vermutet, es wäre Tannenpopel, der mir zu meinen neuen Kriegern gratulieren wollte, doch da irrte ich mich. Als ich öffnete, standen vier junge Füchse vor der Tür. Ich erkannte sie sofort. Die jungen Sprösslinge der Häuser statteten mir einen Besuch ab. Dann sah ich, dass sie alle Beutel am Gürtel trugen. Aha! Die Patriarchen wollten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sich beim Orden einzuschmeicheln. Und die Beutel waren schwer. Wahrscheinlich befanden sich darin große Kristalle. Nun gut – ich war gespannt!

Nachdem ich nichts sagte, beschloss der Größte der Neuankömmlinge, das Wort zu ergreifen. Er wirkte seinem Vater, Wintry Redpaw, wie aus dem Gesicht geschnitten.

„Geehrter Magister“, sagte der schlaksige Junge würdevoll, nachdem er einen Schritt vorgetreten war, „ich bin Bram Redpaw. Meine Gefährten sind Lars Yelloweye, Gus Graymane und Kai Redtail.“

Als er den vierten Jungfuchs vorstellte, einen mageren, kleinen Kerl, konnte er sich ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen.

„Was wollt ihr?“, fragte ich, ohne sie hineinzulassen.

„Zuerst möchten wir uns für unsere Verspätung entschuldigen.“

„Verspätung?“, wiederholte ich überrascht, obwohl mir durchaus klar war, worauf die vier hinauswollten.

Das brachte den Schlaksigen aus dem Konzept. Hilfesuchend blickte er zu den anderen, denen ebenfalls nichts einfiel.

Rasch hatte Bram sich wieder gefasst. „Wieso fragst du? Wir sind hier, um in den Orden der Mobjäger eingeführt zu werden.“

„Ach, das meinst du“, erwiderte ich gedehnt. „Aber die Einführung ist bereits vorbei.“

„Was?“, rief der schlaksige Jungfuchs. „So rasch? Lass mich dich etwas fragen – wer wurde in den Orden eingeführt?“

„Was spielt das für eine Rolle?“ So langsam ging mir die Arroganz von Wintry Redpaws Sohn auf die Nerven.

Der Junge ignorierte meinen scharfen Ton. Er war es sichtlich gewohnt, dass all seine Wünsche ihm ohne Zögern erfüllt wurden.

„Ich verstehe das nicht“, beharrte er. „Die Einführung kann nicht in Abwesenheit der Söhne der Häuser stattgefunden haben. So etwas ist schlichtweg undenkbar!“

„Glaubst du?“ Ich hob die Arme und grinste boshaft.

Das ließ den Nachwuchs der Häuser zusammenzucken. Wobei Slys Verwandter – sein Sohn konnte es nicht sein – am ruhigsten von allen wirkte. Dennoch verriet das Zittern seiner Schwanzspitze, dass auch er sich fürchtete.

„Ich bin davon ausgegangen, dass meine Bedingungen euch abschrecken würden“, erklärte ich.

„Wir sind keine Feiglinge!“, empörte der Schlaksige sich, stolz das Kinn vorgeschoben. Seine Gefährten nickten, etwas zurückhaltender, um seine Aussage zu bestätigen.

„Sehr lobenswert!“ Ich lächelte. „Dann bitte ich euch, mir zu folgen.“

Ich öffnete die Tür ein wenig, zog sie jedoch sofort wieder zu. Die Jungfüchse, die es eilig gehabt hatten, die Waffenkammer zu betreten, kamen jäh wieder zum Stehen und stießen dabei gegeneinander.

Gespielt schlug ich mir mit der Hand vor die Stirn. „Das hätte ich doch beinahe vergessen – ich habe euch meine Bedingungen noch nicht genannt!“

Nach einem Blick in die mürrischen Gesichter dieser faulen Ausreden von zukünftigen Mobjägern fuhr ich fort: „Ich sehe, ihr tragt schwere Beutel am Gürtel. Die stecken nicht zufällig voller Kristalle?“

„Oh ja“, bestätigte der Schlaksige. „Du hast richtig geraten.“

„Ich sehe, ihr habt eine Menge dieser Kristalle“, bemerkte ich vielsagend. „Bestimmt hat man euch auch gesagt, wofür diese Kristalle verwendet werden, richtig?“

„Das hat man!“, verkündete der Schlaksige stolz. „Und als Erben der mächtigsten Häuser unseres Clans streben wir hohe Ränge im Orden an.“

„Ich verstehe“, kommentierte ich ausdruckslos und betrachtete Sly Redtails Verwandten.

Der dürre Fuchs benahm sich respektvoller und bescheidener als die anderen. Ich hatte sogar das Gefühl, als hätte er sich bewusst aus der Gruppe seiner Gefährten gelöst und ein wenig abseits gestellt. Sly hatte ihm offensichtlich andere Anweisungen gegeben als die anderen Patriarchen ihrem Nachwuchs, die offen versuchten, sich ihren Weg zur Macht im Orden zu erzwingen. Also gut – auf sie wartete eine Überraschung.

„Lobenswert!“, erklärte ich erneut und klatschte sogar in die Hände. „Der Orden braucht solch tapfere Krieger. Schließlich stehen uns unzählige Kämpfe gegen Bestien aus anderen Welten bevor. Tapfere Schwertkämpfer wie ihr werden in einer Schlacht von großem Nutzen sein. Ihr müsst nur zwei oder drei Jahre ehrenhafter Kämpfe hinter euch bringen, und schon werdet ihr im Rang aufsteigen. Ich gebe euch mein Wort.“

Mit jedem meiner Worte wurden die Mienen der armseligen Möchtegerne düsterer.

„Aber was ist mit der Reputation?“, erkundigte der schlaksige Junge sich, dessen Überheblichkeit mehr und mehr dahinschmolz.

„Ja, was ist mit der Reputation?“ Ich erhob meine Stimme. „Mit einem Beutel Kristalle, verdient durch Blut und Schweiß seiner Vorfahren, kann jeder kommen! Und zu einem solchen Angebot sage ich: Nein, danke! Zuerst einmal müsst ihr euch durch eure Taten als würdig erweisen, einen hohen Rang im Orden zu beanspruchen!“ Die letzten Worte brüllte ich beinahe.

Wie erwartet, war kurz darauf keiner der Jungfüchse mehr zu sehen. Mit einer Ausnahme.

„Du bist noch hier?“, fragte ich Kai, der nicht einmal daran gedacht hatte, zu fliehen.

„Ja“, antwortete der kleine Fuchs mit unerwartet ruhiger Stimme.

„Und?“

„Mein Cousin Sly hat mich gewarnt, dass der Auswahlprozess rigoros sein würde.“

„Machen meine Bedingungen dir Angst?“

Der Jungfuchs schüttelte den Kopf. „Die Sache ist die – mein Cousin hat mich gewarnt, ich müsste dem Orden mindestens fünf Jahre lang dienen, bevor ich an eine Beförderung auch nur denken könne. Doch nach dem, was du gesagt hast, sind es höchstens drei.“ Er lächelte unerschrocken.

Ich lachte und öffnete die Tür, um ihn einzulassen. Und so erwarb der Orden einen weiteren Magier.

Kapitel 2

KAI REDTAILS EINFÜHRUNGSZEREMONIE verlief rasch und ohne Aufschub. Das System belohnte mich mit weiteren 1.000 Entwicklungspunkten. Davon abgesehen schenkte Slys Cousin dem Orden alle Kristalle, die er mitgebracht hatte. Seine Reputation eröffnete ihm anschließend den Weg zur Position eines Priors. Aber so leicht verschenkte ich keine Ränge, was Kai verstand. Man hatte ihn gewarnt, ihm stünde eine harte Prüfung bevor. Zuerst einmal musste er sich als gewöhnlicher Jäger beweisen, dann konnten wir weitersehen. Ich würde ihn auf jeden Fall im Auge behalten. Womöglich erwies er sich eines Tages als gute Wahl für den Posten meines Stellvertreters in Waldstadt. Natürlich hatte ich gehofft, diese Aufgabe Tannenpopel überlassen zu können, aber das Urwesen hatte es leider nicht eilig, die Zahl der Ordensmitglieder zu erhöhen. Theoretisch war mir klar, was ihn dazu bewog, aber ich wollte es aus seinem eigenen Munde hören.

Als Kai außer Hörweite war, tauchte Murk auf. Sein zufriedenes Grinsen zeigte mir, dass er seinen Einkaufsbummel in der Waffenkammer genossen hatte.

Wir sprachen kurz über den zukünftigen Pfad meines Oberjägers. Dabei bemerkte ich, dass er keine Zeit verloren hatte. Er hatte sich längst gründlich mit den Informationen befasst, die das System bereitstellte.

Von den fünf Möglichkeiten hatte er die erste gewählt, und dabei speziell den Pfad des Wilden Bestientöters. Um ehrlich zu sein, war es das, was auch mir vorgeschwebt hatte. Als Spurensucher oder Zähmer konnte ich ihn mir nicht vorstellen., und erst recht nicht als Bezwinger der Dunkelheit. Er hatte sich den Pfad des Spurensuchers durch den Kopf gehen lassen, sich am Ende aber doch für den des Bestientöters entschieden.

Das konnte ich gut nachvollziehen. Ein starker Jäger mit hohen Werten für Gesundheit und Ausdauer, der seine Nahkampfwaffen beherrschte – es war ideal. Auf dem neuen Pfad erhöhte sich der Schaden, den er mit diesen Waffen zufügen konnte. Außerdem verfügten Bestientöter über eine starke Verteidigung und waren nahezu unbesiegbar. Erneut las ich die kurze Beschreibung und lachte in mich hinein. Es war, als hätte das System den Text mit dem Gedanken an den Anführer der Fangzähne verfasst.

Nachdem seine Wahl getroffen war, verabschiedete Murk sich für eine Weile aus der Realität. Ich beobachtete eine Weile sein aufgeregtes Gesicht und seine Augen, die über die vielen Zeilen Text flogen. Das erinnerte mich daran, wie ich mich gefühlt hatte, als ich diese ungewöhnlichen Mitteilungen zum ersten Mal gelesen hatte. Erst mehrere Minuten später war er geistig wieder anwesend und erklärte mir seinen gewählten Pfad näher.

Er hatte einen Bonus für gleich drei Eigenschaften auf einmal erhalten: Stärke, Gesundheit und Ausdauer. Doch das war nicht einmal das Beste an der Sache. Murk verfügte nun über einen dritten Vorrat: Wildheit. Das betraf eine merkwürdige neue Fähigkeit seines Pfades. Während einer Schlacht konnten Bestientöter nach und nach etwas sammeln, das sich „Wildheitspunkte“ nannte. War dieser Vorrat bis zum Rand gefüllt, konnte der Bestientöter die gesamte aufgelaufene Wildheit auf einen Schlag freilassen, was den Schaden vervielfachte, den er zufügen konnte. Murks ungeduldige Fuchsschnauze verriet mir, dass der Kerl nur noch einen Wunsch hatte – sich so rasch wie möglich inmitten einer Horde gefährlicher Feinde wiederzufinden, damit er seine neuen Fähigkeiten ausprobieren konnte.

Nun, warum auch nicht? Sollte er ruhig zu einem kleinen Jagdzug aufbrechen. In der Umgebung trieben sich noch immer genügend Schwarzblüter herum. Es wurde Zeit, Ruhe und Ordnung im Land zu schaffen. Darüber hatten wir sogar bereits gesprochen. Der Jungfuchs Kai konnte die Jäger begleiten – er brauchte Kampferfahrung.

Als Murk mit seiner Gruppe loszog, um sich auf die Expedition vorzubereiten, blieben meine neuen Leibwachen zurück. Das war gut, denn wir hatten viel zu besprechen. In den Gesichtern mit den scharfen, kleinen Schnauzen sah ich Neugier, Ungeduld und Vorfreude. Die beiden erwarteten ersichtlich etwas Einzigartiges und Ungewöhnliches. Ich fragte mich, wie alt sie wohl waren. Ich schätzte sie auf drei oder vier Jahre älter als mich.

Eine Frage ließ mich nicht los. Was hatte sie dazu gebracht, gewissermaßen ihre Freiheit aufzugeben? Natürlich hatte ich nicht vor, ihnen einen Schaden zuzufügen, aber dessen hatten sie sich nicht sicher sein können. Oder irrte ich mich da? Hatten sie im Laufe der letzten Tage bereits begonnen, mich abzuschätzen?

Andererseits, wer wusste schon, was hier vor sich ging? Vielleicht hatten sie die Entscheidung nicht aus freiem Willen getroffen, und es war ein schlauer Plan von Murk und den Ältesten der Gemeinschaft der Fangzähne.

Da keines der Häuser sie unterstützte, hatten die Fangzähne sich dem Orden verschrieben. Womit sie meiner Meinung nach die richtige Wahl getroffen hatten. Jetzt hatten sie die Gelegenheit, sich in einer Organisation in den Rängen hochzuarbeiten, die in Zukunft eine der mächtigsten Kräfte der Welt zu werden versprach. Und eben dies in der Vergangenheit bereits gewesen war.

Selbstverständlich gab es gewisse Gefahren. Vielleicht war es zu optimistisch, auf eine zukünftige Macht des Ordens zu hoffen. Doch die Fangzähne schienen sich der Risiken bewusst zu sein. In gewisser Weise balancierten Murk und seine Gruppe schon lange auf Messers Schneide. Noch vor wenigen Tagen hatte ihnen die Hinrichtung am Galgen bevorgestanden.

Und was die beiden Magierinnen anging – nun, man hatte sie mir als Geschenk überlassen. Erinnerungen überfluteten mich. Ich sah es vor mir, als wäre es gestern gewesen: Meister Chis Villa und seine Diener, die eher Marionetten als Wesen mit eigenen Wünschen gewesen waren. Falls sich herausstellen sollte, dass ich mit meiner bösen Vermutung recht hatte und die Ältesten der Fangzähne die beiden Schwestern zu diesem Schritt gezwungen hatten, stand ihnen eine unangenehme Überraschung bevor.

Es gab auch noch eine zweite Möglichkeit, die mich ebenfalls nicht begeisterte. Was, wenn dieser Schritt der spontane Impuls zweier junger Füchsinnen gewesen war, denen es nach Abenteuern dürstete? Ich hatte mehr als genug um die Ohren, auch ohne zwei unausgegorene Ladys beaufsichtigen zu müssen, die scharf auf Kämpfe waren. Allerdings war diese Erklärung mir wenigstens geringfügig lieber.

Tja, und was die Beaufsichtigung betraf … Warum sollte ich das nicht einmal ausprobieren? Mit Schlinger hatte ich schließlich gute Arbeit geleistet. Der Harn und ich verfügten über eine stärkere Verbindung, aber der neue Status der beiden Kriegerinnen vereinfachte mir die Sache. Außerdem waren da noch immer die vertikalen Machtstrukturen des Ordens. Mit anderen Worten: Weil sie gleichzeitig meine Familienmitglieder und Jäger waren, mussten die Fuchsschwestern meine Befehle widerspruchslos befolgen. Was die Ressourcen betraf, die der Clan in sie investiert hatte, die konnte ich notfalls zurückzahlen.

Ich seufzte schwer. Das war alles reine Theorie. Wie die Sache sich in der Realität entwickelte, musste ich abwarten.

„Folgt mir“, wies ich die Füchsinnen an, die mich aufmerksam beobachteten.

Wir marschierten durch die Haupthalle und blieben vor einer kleinen Tür in der hinteren rechten Ecke stehen. Ich wies das System an, meinen Leibwachen den Zugang zu diesem Teil des Gebäudes zu gewähren. Dabei sah ich aus dem Augenwinkel heraus, wie Onyx zufrieden lächelte und Bernstein den Ellbogen in die Rippen stieß.

Pah! Ich schüttelte den Kopf. Die beiden waren solche … Mädchen! Allerdings zeigten ihre vielen Narben, dass sie schon vor langer Zeit erwachsen geworden waren und dem Tod während ihres kurzen Lebens mehr als einmal ins Auge gestarrt hatten.

Das System meldete mir, dass der Zugang gewährt worden war. Wir traten über die Schwelle und kletterten eine spiralförmige Treppe nach oben, die sich wie eine Girlande um das Innere des Mammutbaums wand.

Etwa auf halber Höhe des Baumstamms fanden wir uns in einem weiteren großen Raum wieder. Vor dem heutigen Tage war ich der Einzige gewesen, der ihn hatte betreten können. Wie nebenbei erwähnte ich diese Tatsache, was die beiden zu einem vielsagenden Blicktausch veranlasste.

Der Raum war eiförmig geschnitten. Die Füchsinnen sahen sich erstaunt um, was ich ihnen kaum übelnehmen konnte. Die breiten Fenster blickten hinab auf den Zentralplatz von Waldstadt. Die fünf Meter hohen Wände waren bedeckt mit aufwendigen Holzschnitzereien. Unmittelbar aus dem Fußboden wuchsen bequeme Möbel. Wahrscheinlich hatten die jungen Kriegerinnen bisher zwischen den Wurzeln eines Mammutbaums gelebt, oder in einem der beengten Räume, die wie Pilze von den Bäumen herabhingen.

In die fensterlose Wand waren Türen eingelassen, jeweils ein paar Meter voneinander entfernt.

Ich öffnete eine dieser Türen und rief die Schwestern herbei, die noch immer verblüfft herumstanden. Sie gehorchten sofort und starrten mir neugierig über die Schulter. Sie sahen einen weiteren Raum, sehr gemütlich eingerichtet, mit einem Einzelbett an einer Wand, einem kleinen Tisch unterhalb des großen, ovalen Fensters, drei Sesseln, einem Schrank und einem großen Spiegel. Den Boden bedeckte weiches, hellblaues Moos. Eine Tür führte in ein kleines Badezimmer.

„Das ist ab sofort euer neues Zuhause“, erklärte ich und verbesserte mich umgehend: „Oder vielmehr, dies ist eines der Zimmer, das euer neues Zuhause werden kann. Ihr könnt euch aber auch einen der anderen Räume aussuchen. Sie sehen alle ähnlich aus. Die Wahl bleibt euch überlassen.“

Mehrere Augenblicke lang standen Onyx und Bernstein regungslos und starrten mich an. Dann betraten sie das Zimmer zögernd und unsicher. Kaum hatten ihre Füße den Moosteppich berührt, sprangen sie wieder zurück. Was mich zuerst überraschte, bis mir der Grund dafür klarwurde – sie hatten Angst, etwas zu beschädigen. Doch die Spuren, die sie im hellblauen Moos hinterlassen hatten, verschwanden im Nu wieder. Ermutigend nickte ich den verwirrten, fassungslosen Füchsinnen zu.

Anscheinend hatte ich mit meiner Überlegung, was die bisherige Wohnumgebung meiner Leibwachen betraf, deren Komfort noch erheblich überschätzt. Ihre Zimmer mussten weitaus unbehaglicher gewesen sein. Was eine Vermutung in mir weckte, in welchen Schwierigkeiten die Fangzähne vor meinem Auftauchen gesteckt hatten.

Eines musste ich klarstellen – die Zimmer, die ich den Füchsinnen zeigte, waren angenehm, aber luxuriös konnte man sie kaum nennen. Mein altes Zimmer im Haus meiner Eltern zum Beispiel war größer und komfortabler gewesen.

Übrigens, da ich schon den Komfort erwähnt hatte – inzwischen hatte ich mich in den Einstellungen der lebendigen Stadt umgesehen und festgestellt, dass ich ihre Gebäude verändern konnte. So konnte ich beispielsweise den Stadtwall verstärken, aber ich konnte auch die Größe von Räumen, Zahl und Qualität von Möbelstücken, Fenster und andere Dinge an meine Wünsche anpassen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass dafür die Entwicklungspunkte eingesetzt wurden, von denen ich bereits 18.000 besaß. Je 1.000 hatte jeder neue Jäger für den Orden mir beschert, und Murks Beförderung hatte mir 5.000 eingetragen.

Ein Freudenschrei riss mich aus meinen Betrachtungen. Die Füchsinnen hatten sich endlich gefasst und kapiert, dass ich keinen Scherz gemacht hatte.

Ich ließ mich auf einem der großen, weichen Sessel nieder und beobachtete lächelnd, wie die beiden aufgeregt alles untersuchten. Was war nur aus den furchterregenden Kriegerinnen geworden? Sie waren eindeutig in einer ungleichen Schlacht von zwei aufgeregten jungen Mädchen besiegt worden, die bald das erste Mal in ihrem Leben ein schönes Zimmer ihr Eigen nennen durften.

Die Schwestern diskutierten begeistert, rannten von Raum zu Raum und zeigten einander alles, was sie entdeckt hatten. Hin und wieder hörte ich sie rufen: „Du lieber Himmel! Sieh doch nur, wie groß dieser Schrank ist!“ Oder: „Die Aussicht aus diesem Fenster musst du dir ansehen!“

Nach etwa einer Stunde – ich war zwischenzeitlich eingedöst –, hatten meine Leibwächter sich entschieden. Aus irgendeinem Grund wiesen beide das Zimmer zurück, das ich ihnen zuerst gezeigt hatte. Sie hatten sich für die beiden südlichsten Räume entschieden.

Ich konnte mir ihre Reaktion in etwa vorstellen, wenn ich ihnen verriet, dass ich Änderungen an den Zimmern vornehmen konnte. Voller Trauer dachte ich zurück an meine Mutter. So oft hatte sie meinem Vater mit dem Wunsch nach neuen Möbeln in den Ohren gelegen. Er hatte sich anfangs standhaft geweigert, doch am Ende hatte er seine Position unter dem Ansturm der Worte meiner Mutter immer schmählich aufgegeben.

Diese Erinnerung führte mich zu der an Nerz, an ihr Gesicht, als sie ihrem Elternhaus endgültig Lebewohl hatte sagen müssen. Ein letztes Mal hatte sie den Küchentisch berührt, traurig das Geschirr ihrer Eltern betrachtet …

Die schmerzlichen Erinnerungen zerrissen mir das Herz. Wie von selbst hielt ich auf einmal die kleine Holzpuppe von Nerz in der Hand. Einen Moment lang schloss ich die Augen, seufzte, dann verbarg ich das Amulett widerstrebend wieder. Wie sich herausstellte, war mein Stimmungsumschwung nicht unbeachtet geblieben. Bernstein und Onyx setzten sich neben mich und sahen mich fragend an.

„Haben wir dich auf irgendeine Weise gekränkt?“, fragte Bernstein mitfühlend.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich musste nur an jemanden denken …“

Die Magierinnen sahen sich an. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber ich glaubte, Verständnis in ihren Augen zu lesen.

Um nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf meinen Augenblick der Schwäche zu lenken, straffte ich mich und rieb die Hände gegeneinander.

„Na, gefällt euch euer neues Zuhause?“, fragte ich lächelnd.

„Und ob!“ Onyx‘ Gesicht strahlte vor Glück. „Wir haben das erste Mal unser eigenes Zimmer! Bisher mussten wir mit all unseren Brüdern und Schwestern im selben Raum schlafen.“

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh wir waren, als wir zum Kampf aufbrechen konnten“, ergänzte die rote Füchsin lachend.

„Ja, unterwegs haben wir am Feuer geschlafen, wie eine Königin“, bestätigte Onyx. „Und wir sind nicht mitten in der Nacht wachgeworden, weil unser kleiner Bruder wieder ins Bett gemacht hat.“

Nun lachten beide Schwestern.

Ich lächelte und dachte, dass einige es bestimmt vorziehen würden, nachts von einem bettnässenden Bruder geweckt zu werden, statt von einem wilden Biest, das ein Lager im Wald angriff.

„Ich bin sehr froh, euch an meiner Seite zu haben“, sagte ich laut.

Die Füchsinnen nickten gemeinschaftlich.

„Ich muss euch allerdings vorwarnen – in Waldstadt werdet ihr euch nicht oft aufhalten. Wir haben eine weite Reise vor uns.“

„Und wir folgen dir bereitwillig!“, rief Bernstein, was Onyx enthusiastisch bestätigte, indem sie sich mit der Hand aufs rechte Knie schlug.

Die beiden waren so aufrichtig begeistert, dass meine Theorie wie von selbst in sich zusammenfiel, die Ältesten der Fangzähne hätten eine Verschwörung angezettelt und sie zum Dienst für mich gezwungen. Angesichts meines hohen Willenswertes fiel es mir nicht schwer, die verräterischen Anzeichen für einen solchen Zwang auszuschließen. Ich konnten in den beiden jungen Frauen lesen wie in einem offenen Buch.

„Übrigens …“ Gedankenvoll strich ich mir über das Kinn. „Nachdem wir ja jetzt im selben Boot sitzen, möchte ich ein paar Einzelheiten mit euch durchsprechen.“

Es war eine gewisse Anspannung bei den Magierinnen zu spüren. Ich hatte keine Ahnung, womit sie rechneten, aber was ich anschließend sagte, brachte sie rasch wieder zur Ruhe.

„Ist euch bewusst, dass ich nicht nur eure Level sehen kann, seit ihr meine Familienmitglieder geworden seid, sondern auch eure Eigenschaften?“

Ihre Mimik verriet mir, dass ihnen das nichts Neues war.

„Ja, das wissen wir“, erwiderte Onyx.

„Das ist gut“, bemerkte ich. „Das wird es erleichtern, zu einem gegenseitigen Einvernehmen zu kommen.“

„Beunruhigt dich etwas?“, erkundigte Bernstein sich geradeheraus. Ihre Finger bewegten sich nervös.

„Ja“, antwortete ich ebenso geradeheraus.

„Und was?“, wollte Onyx wissen.

„Es besteht eine auffällige Diskrepanz zwischen euren Leveln und euren Eigenschaften. Ihr habt Level 30 erreicht, aber eure Haupteigenschaften liegen noch nicht einmal bei 13. Könnt ihr mir den Grund für dieses Ungleichgewicht erklären?“

Es entsprach der Wahrheit – als ich die Werte meiner Leibwächter betrachtet hatte, hatten die mich, gelinde gesagt, schwer enttäuscht. Wenn die Lage bei den anderen Jägern ähnlich war, würde der Aufstieg des Ordens länger als erhofft auf sich warten lassen.

Mein Vater hatte mir beigebracht, dass man immer ein gewisses Gleichgewicht bewahren musste. Bevor man das nächste Level erklomm, musste man seine Eigenschaften erst einmal auf den höchstmöglichen Wert bringen. Und was bekam ich hier zu sehen? Aus einem mir unbekannten Grund herrschten beim Fuchsvolk andere Standards. Das hätte ich noch nachvollziehen können, wenn sie über einen unbegrenzten Vorrat an Tafeln verfügt hätten, aber so?

Bernstein unterbrach meine Überlegungen. „Wir verstehen nicht, was dich daran verwirrt“, sagte sie zögernd. „Wir werden dennoch versuchen, es dir zu erklären. Darf ich dir vorher eine Frage stellen?“

Ich nickte.

„Hast du dich gründlich mit unseren Werten beschäftigt?“

Ich nickte erneut.

„Ist dir dabei nichts aufgefallen?“

Ich runzelte die Stirn. „Worauf willst du hinaus?“

„Du hast etwas übersehen. Du hast lediglich auf unsere Eigenschaften geachtet und dabei vergessen, auch unsere Fähigkeiten zu betrachten.“

Rasch rief ich ein weiteres Mal ihre Statistiken auf. Je mehr ich in Bernsteins Werten las, desto höher schossen meine Augenbrauen hinauf.

„Ich sehe, du hast es endlich kapiert.“ Sie grinste.

„Das bedeutet …“ Ich riss mich vom Lesen des Textes los.

„Ja“, unterbrach sie mich leise. „Wir leben von der Jagd. Wir kämpfen oft gegen alle möglichen Arten von Mobs, die Fähigkeitstafeln droppen. Deshalb hat es für unser Volk Vorrang, die Fähigkeiten und Bannsprüche zu steigern. Es stimmt, darunter leiden unsere Haupteigenschaften, aber wie du sehen kannst, sind unsere Fähigkeiten dafür bereits nahezu an der Höchstgrenze angelangt.“

„Und je höher euer Level, desto mehr könnt ihr eure Fähigkeiten steigern“, murmelte ich und kratzte mich verblüfft am Hinterkopf.

Allein Bernsteins Statistik zeigte mir nahezu 20 verschiedene Fähigkeiten auf Level 5 oder 6. Wie hatten sie bloß so viele Tafeln ergattern können? Obwohl, bei Lichte betrachtet lag es auf der Hand. Alle Füchse eines Hauses trugen ihren Teil dazu bei, ihre Krieger, Jäger und Handwerker zu fördern, die sie im Gegenzug verteidigten, ernährten und ihr Eigentum in Schuss hielten. In einem gewissen Ausmaß hatten Schlinger, Mee und ich es ähnlich gehandhabt.

„Genau“, bestätigte Onyx und ergänzte lachend: „Ich würde zu gern jemanden kennenlernen, bei dem Level und Eigenschaften tatsächlich einander entsprechen.“

„Oh, das lässt sich arrangieren“, entgegnete ich und holte das Amulett zum Herbeirufen des Harns aus dem Rucksack.

Kurz darauf stand Schlinger drei Schritte von uns entfernt, gähnte und riss dabei sein Maul mit den beeindruckenden Zähnen auf. Die Füchsinnen erschauerten. Da sie nun meine Familienmitglieder waren, konnten sie die „reiche innere Welt“ des Harns ohne Probleme begutachten. Ich beobachtete sie beim Lesen. Ihnen fielen beinahe die Kinnladen herunter und ihr Nackenfell richtete sich auf. Als die Blicke der beiden Magierinnen sich wieder auf mich richteten, sagten mir ihre begeisterten Blicke, dass sie wussten, wie mein gewöhnliches Höhlenraubtier zu einem solch mächtigen Monster geworden war.

Kapitel 3

NACHDEM SIE SCHLINGER gebührend bewundert hatten, bombardierten die Füchsinnen mich mit Fragen. Sie wollten alles erfahren, von meiner ersten Begegnung mit dem Harn bis hin zu unserer letzten Schlacht gegen den Patriarchen der Schwarzblüter.

Mein Bericht über Mee weckte ihre besondere Aufmerksamkeit. Die Magierinnen waren so interessiert an dem Kobold, dass sie mich nicht einmal unterbrachen und kaum atmeten. Was ich gut nachvollziehen konnte.

Ich war niemand, der es liebte, lange Geschichten zum Besten zu geben, aber in diesem speziellen Fall übte ich mich in Geduld. Schließlich war jedes Wort ein Baustein des Fundaments meiner zukünftigen Beziehung zu den Magierinnen. Und meine Geduld würde, gemeinsam mit meiner Aufrichtigkeit, die Robustheit der Struktur bestimmen.

Gegen Ende unserer Unterhaltung stieß Bernstein, die einfühlsamere der beiden, Onyx mehrfach verstohlen den Ellbogen in die Seite, um sie zu ermahnen, nicht zu viele weitere Fragen zu stellen.

Ich ließ die Fuchsschwestern zurück, damit sie sich in ihren neuen Zimmern einleben konnten, atmete erleichtert auf und eilte ins Büro des Magisters. Das befand sich neben dem Tresor von Waldstadt, oben an der Spitze des Mammutbaums.

Dort durchschritt ich einen schmalen Flur und betrat einen großen Raum, den ich eingehend inspizierte. Die Betrachtung der Wände und Decke entlockte mir ein zufriedenes Schmunzeln. Unzählige Muster, gebildet von eng ineinander verwobenen Giftranken, bestätigten mir, dass jedem eine böse Überraschung bevorstand, der mich hier zu stören wagte. Die mysteriösen Schöpfer dieser Stadt hatten nicht mit Vorkehrungen gespart, was die Sicherheit der Geheimnisse ihrer Magister betraf.

Abgesehen von einem Schreibtisch war der Raum mit etwa einem Dutzend Stühlen möbliert, von denen die meisten sehr bequem wirkten, zwei Sofas entlang einer Wand und hölzernen Säulen mit Zweigen, die sich bis zur Decke erstreckten. Kaum fiel mein Blick auf eine dieser Säulen, erschien ein kurzer Text vor meinen Augen. Das waren keine Säulen, sondern Golems! Zehn dieser stummen Wächter zählte ich, alle jederzeit bereit, auf meinen Befehl hin ungebetene Besucher anzugreifen.

Ich lächelte glücklich, während ich all diese Herrlichkeit betrachtete. Die Stadt gefiel mir mit jeder Minute besser.

Als ich mich umschaute, entdeckte ich eine kleine Tür hinter der am weitesten entfernten Säule. Das System informierte mich darüber, dass dies der Eingang zum Tresor war.

„Schauen wir uns das doch mal an“, murmelte ich und öffnete die Tür.

Das Innere des Tresors erinnerte mich an eine Bibliothek. Da waren Dutzende von Regalen und Hunderte von Nischen, ein großer Tisch und ein bequemer Sessel. Ja, es sah exakt wie eine Bibliothek aus.

Dank der Hinweise des Systems war es eine Kleinigkeit, Informationen über den Inhalt der Regale und Nischen zu erhalten. Aber bevor ich mein Erbe näher untersuchte, wollte ich erst einmal die Beute begutachten, die die Schlacht am Portal mir verschafft hatte.

Ich öffnete den Lederbeutel, den Tannenpopel mit den Artefakten der Leichen der Schwarzblut-Mütter gefüllt hatte, und leerte ihn auf dem Tisch aus. Der Anblick entlockte mir ein Stirnrunzeln. Viel an Beute war das nicht. Die Mamas hatten offensichtlich nicht viel bei sich getragen.

Übersehen hatte Tannenpopel gewiss nichts. Ich war mir sicher, er hatte alles eingepackt – merkwürdige Wurzeln, Haarsträhnen und getrocknete Haut. Einiges davon war eindeutig menschlicher Herkunft.

Ich sah sogar eine Halskette, die aus abgeschnittenen Ohren hergestellt worden war. Hatte der Baummensch sich etwa einen Scherz mit mir erlaubt? Es war ein abschreckender Anblick. Und es roch scheußlich. Ich schaute nicht allzu genau hin, aber es war nicht zu übersehen: die Ohren stammten von Fuchsvolk, Halblingen und Menschen.

Nichts von diesem Mist verfügte über Eigenschaften, also fegte ich alles wieder in den Beutel. Um ehrlich zu sein, selbst wenn das System mir Eigenschaften des üblen Zeugs verraten hätte, wäre ich kaum geneigt gewesen, es zu verwenden. Es sah zu abstoßend aus.

Am Ende lagen nur noch zwei identische Amulette aus pechschwarzen Reißzähnen auf dem Tisch, die den passenden Namen „Augen der Dunkelheit“ trugen.

Ich las die Beschreibung und seufzte enttäuscht. Wie sich herausstellte, hatten die Mütter diese Zähne für ihre Kontroll-Magie verwendet. Zu gern hätte ich über solche Artefakte verfügt, aber sie waren für mich nutzlos, aus einem einfachen Grund: Die Amulette waren mit der Dunkelheit verbunden. Zu schade! Es wäre so nett gewesen …

Nun verstand ich wenigstens den zögernden Blick, mit dem Tannenpopel den Beutel betrachtet hatte. Fürchtete er etwa, ich wäre versucht, mich der Gedanken aller Stadtbewohner zu bemächtigen?

Theoretisch konnte ich seine Befürchtungen nachvollziehen. Unsere Abenteuer im Labyrinth des Schreckens mussten ihm noch in frischer Erinnerung sein. Ich hatte den Blick der Verzweiflung nicht vergessen, der sich auf Tannenpopels Gesicht abgezeichnet hatte, als er inmitten der anderen Gefangenen marschierte. Und mir brach noch immer der kalte Schweiß aus, wenn ich an das Haus von Meister Chi zurückdachte. Ich konnte ohne Übertreibung sagen, dass Gedankenkontrolle die schlimmste Form von Magie war, die ich je erlebt hatte.

Meine beginnende Depression lichtete sich, als ich die Benachrichtigungen über die Beute las, die das Töten des Patriarchen und seiner Frauen mir eingetragen hatte. Abgesehen von mehreren Zehntausenden von Essenzen, 200 Silbertafeln und zehn Diamanttafeln, von denen drei für den Verstand bestimmt waren, hatte das System mir großzügig auch zwei schimmernde Tafeln überreicht.

Die erste erhielt ich dafür, den Patriarchen umgebracht zu haben, und die zweite für das Zerstören des Schwarzblut-Nests. Diese zweite Tafel hatte ich meiner Meinung nach nicht verdient. Noch immer liefen Tausende von Schwarzblütern in der Umgebung von Waldstadt frei herum. Und wie die Lage am anderen Ufer des Engsees aussah, stellte ich mir lieber nicht vor. Das Große System schien jedoch die Vernichtung vom Papa und von den Mamas mit einer Zerstörung des Nests gleichzusetzen. Und sollte ich dem Großen System etwa widersprechen? Vor allem, da es mich so reich beschenkte?

Die erste Tafel nannte sich passenderweise Schwarzblut-Patriarch. Von ihren nahezu 30 Bannsprüchen durfte ich lediglich zwei auswählen. Bei den meisten Mobs konnte ich viele Bannsprüche wegen anatomischer Unvereinbarkeit nicht nutzen. Beim Patriarchen war das Problem die Verbindung mit der Dunkelheit. Etliche der Zauber des Patriarchen waren höchst interessant, aber leider …

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich in seinem Repertoire nichts befand, womit er die Gedanken anderer hätte kontrollieren können. Offensichtlich hatte er dafür ebenso wie seine Frauen Artefakte eingesetzt. Die in seinem Fall leider mit ihm zusammen eingeäschert worden waren.

Insgesamt gewann ich mehr und mehr den Eindruck, als ob es keine Bannsprüche der mentalen Magie gäbe, die sich nicht auf Artefakte stützten. Momentan war das allerdings nichts als eine unbewiesene Theorie. Geister wie der Geist der Dunkelheit vom Portal oder die Königin der Draks kamen gewiss auch ohne Artefakte aus, aber das musste mit ihren natürlichen Fähigkeiten zusammenhängen.

Die beiden Bannsprüche, die ich auswählen konnte, waren in gewisser Weise miteinander verknüpft. Mit beiden war ich bereits vertraut. Den ersten davon, oder zumindest einen, der diesem ähnlich war, setzte ich längst höchst wirkungsvoll ein. Er verschaffte mir Unsichtbarkeit. Was den zweiten betraf, so hatte ich seine Folgen schon mehrfach aus erster Hand beobachten dürfen. Er nannte sich „Bannspruch-Auflösung“. Laut der Beschreibung konnte ich ihn verwenden, um die Unsichtbarkeit eines Feindes zu beenden, ebenso wie diverse andere Wirkungen, die er einsetzte, um meine Aufmerksamkeit abzulenken oder meine Sicht zu blenden. Natürlich entschied ich mich neben der Unsichtbarkeit für diesen Bannspruch.

Ich hatte es nicht eilig, die zehn freien Punkte zu vergeben, die mir das eintrug, sondern studierte stattdessen die zweite schimmernde Tafel.

Die bereitete mir eine angenehme Überraschung. Während ich die Beschreibung las, wurde mein Grinsen immer breiter. Jetzt war ich für ernsthafte Kämpfe besser gerüstet!

Chaos-Wirbelwind

- Beschreibung:

- Einer der mächtigsten Bannsprüche der Chaos-Magie, erschaffen von Ingar dem Schrecklichen.

- Level: 0 + 5 (0/20)

- Art: Angriff/Flächenzauber

- Seltenheit: legendär

- Magische Schule: Chaos

- Wirkung: Derjenige, der diesen Bannspruch verhängt, muss einen bestimmten Punkt auswählen und entfacht dann dort einen Chaos-Wirbelwind.

- Anforderungen:

- Verstand: 15

- Kosten: 10.000 Mana-Punkte

- Wirkungsradius: 50 Meter

- Dauer: 6 Minuten

- Abklingzeit: 7 Tage

Jawohl! Das war ein Geschenk, das eines Königs würdig war! Weder die hohen Mana-Kosten noch die lange Abklingzeit störten mich. Allein die Tatsache, dass ich nun über einen solchen Bannspruch verfügte, wärmte mir das Herz. Schon dreimal war ich dem Tode nahe gewesen, und jedes Mal hatte ein ähnlicher Bannspruch mir das Leben gerettet. Das war immer mit einem Risiko verbunden, aber das war es wert.

Es verblüffte mich, dass die Höheren Mächte so gnädig gewesen waren, mir ein solches Geschenk zu machen. Nun, das hing von der Perspektive ab – anscheinend rechtfertigte die Zerstörung eines Schwarzblut-Nests eine hohe Belohnung.

Und das war noch nicht alles – es galt weiter, die Boni zu untersuchen, die mein Aufstieg in den Rängen des Ordens mir beschert hatte.

Insgesamt hatte es mir Berge von Wertmarken eingetragen. Nahezu 200.000 besaß ich nun davon. Davon abgesehen hatte das System mir netterweise vier große, persönliche Artefakte aus der Sammlung der wahren Rüstung des Gründers zugewiesen. Jetzt fehlten mir nur noch zwei, und die Sammlung wäre komplett.

Abgesehen vom Amulett verfügte ich jetzt über einen Harnisch, Armschienen, Schwertscheiden und einen Gürtel.

Ich betrachtete die Artefakte, die ich auf dem Tisch ausgebreitet hatte, und ertappte mich bei dem Gedanken, wie dumm es gewesen war, dass ich es seit meinem Erwachen aus der Ohnmacht aufgeschoben hatte, meine Belohnungen zu untersuchen.

Natürlich hatten die Dinge sich zuerst in rasender Geschwindigkeit entwickelt. Ich hatte mich beeilen müssen, die Herrschaft über den Orden und die Stadt zu ergreifen, während ich noch keine Ahnung gehabt hatte, wie alles funktionierte. Aber ich brauchte nun einmal alle Asse im Ärmel, derer ich habhaft werden konnte. Die Patriarchen der Häuser warteten nur darauf, mir die Macht zu entreißen.

Ich hatte an diesem Tag, kaum aus der Bewusstlosigkeit erwacht und noch halb benommen, den klugen, alten Männern gegenübergestanden, die inzwischen glaubten, mir freundschaftlich gesonnen sein zu müssen. Allerdings blieb ihnen angesichts der Umstände keine andere Wahl, als weiter nach der Herrschaft zu streben. Die vielen Jahre der Machtkämpfe und der Versuche, das Gleichgewicht im Clan zu bewahren, hatten ihr Wesen verändert. Wahrscheinlich war dies die sprichwörtliche Lebenserfahrung, über die Erwachsene sich so gern lang und breit auslassen.

Auf den ersten Blick war gegen ihre Logik nicht viel einzuwenden. Ich hätte meine Hand darauf verwettet, dass die ausgekochten alten Politiker mich mit Leichtigkeit um den Finger hätten wickeln können, wäre da nicht mein starker Wille gewesen. So merkwürdig es auch war – durch Drohungen hatten sie sich nicht beeindrucken lassen. Ihnen war klar, dass ich im Zweifel keine extremen Maßnahmen einsetzen würde. Am Ende hatte eine Schriftrolle, die ich ausgegraben hatte, die angespannte Lage gerettet. In ihr war die ursprüngliche Vereinbarung zwischen den Magistern des Ordens und dem Fuchsvolk über die Gründung von Waldstadt festgehalten. Auch das wäre an sich keine große Sache gewesen, nur hatten die Vorfahren der derzeitigen Patriarchen diese Vereinbarung mit ihrem Blut unterzeichnet. Und Blutmagie war nun einmal unumstößlich.

Das hatte die Ältesten gezwungen, nach anderen Methoden Ausschau zu halten, mich meiner Macht zu berauben. Eine davon war der Versuch gewesen, mir ihren Nachwuchs unterzujubeln, mit Beuteln voller geisterhafter Kristalle.

Was die Rüstung des Gründers betraf, oder vielmehr meinen zögerlichen Umgang damit – ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Das Problem war, dass all diese Artefakte außer einem bestimmten Rang noch etwas anderes verlangten: einen hohen Wert für den Geist. Um genauer zu sein, musste der zwischen 30 und 45 liegen. Doch das war nicht das einzige Hindernis. Weil mein Geist nicht stark genug war, konnte ich nicht einmal die Beschreibung der Gegenstände lesen.

Ich wollte keinen meiner bisherigen Pläne aufgeben. Der Kampf gegen den Schwarzblut-Patriarchen hatte mir gezeigt, dass meine Widerstandskraft gegenüber mentaler Magie noch immer alles andere als makellos war. Ich wollte die 20 freien Punkte von den schimmernden Tafeln daher in meinen Willen investieren. Das System allerdings zwang mich geradezu, sie stattdessen in meinen Geist zu stecken. Nun ja, genau betrachtet übte das System keinen Zwang aus, aber es führte mir Konsequenzen an einer Stelle vor Augen, wo es mich ernsthaft schmerzte. Verdammt! Wie einfach doch alles wäre, wenn ich nicht länger den Level 0 mit mir herumschleppen müsste! Dieser Gedanke entlockte mir ein skeptisches Schnauben. Er war in einem kurzen Augenblick der Schwäche geboren worden. In Wirklichkeit war mein derzeitiges Level, oder vielmehr das Fehlen eines Levels, ein enormer Vorteil. Da war es entschuldbar, wenn ich hin und wieder herumzappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Nun, diese Katze musste ich wohl im Sack kaufen. Nein, das klang doch zu dramatisch. Ich war mir sicher, diese persönlichen Artefakte würden mich nicht enttäuschen. Aber ich hatte einen guten Grund für meine Entscheidung, meinen Willen zu fördern, nicht meinen Geist – mich motivierte mein Selbsterhaltungstrieb. Zu sehr fürchtete ich, mich unter der Kontrolle eines Feindes wiederzufinden. Sobald das geschah, wäre alles umsonst, was ich bisher erreicht hatte.

Der Stahlkönig hatte einen großen Fehler gemacht. Er hatte es Magister Sato nicht gestattet, meinen Willen zu brechen. Ich verstand noch immer nicht, wieso. Mir fiel nur eine Erklärung dafür ein – seine dunkle Majestät hatte mich, wie schon viele andere, maßlos unterschätzt.

Schon bald würden wir uns auf dem Schlachtfeld wieder begegnen. Ich war gewissermaßen verpflichtet, die Chance zu nutzen, die die Götter mir in den Schoß geworfen hatten.

Ich strich mir über den Nasenrücken und seufzte. Vier persönliche Artefakte von Gunnar, oder ein um 20 Punkte höherer Wille … Was sollte ich wählen? Es schien eine Entscheidung zu sein, die auf der Hand lag. Aber wer wusste das schon? Vielleicht waren dies die letzten schimmernden Tafeln, die ich jemals wieder in die Finger bekommen würde.

Verzweifelt wünschte ich mir, wenigstens einen kurzen Blick auf die Beschreibung der Rüstungsgegenstände werfen zu können. Falls mir auch nur eines dieser vier Artefakte einen Bonus für meinen Willen eintrug, wie Gunnars Amulett, musste ich die 20 Punkte in meinen Geist investieren, keine Frage.

Ich dachte lange und gründlich nach. Am Ende beschloss ich, zehn Punkte zu opfern. Sie reichten aus, um die Anforderungen für die Armschienen und den Gürtel zu erfüllen, die bei 30 beziehungsweise 35 Punkten lagen.

- Gratuliere! Du hast deinen Geist um 10 Punkte verbessert.

- Derzeitiger Wert: 36

„Also los“, murmelte ich und öffnete die Beschreibung der Armschienen.

Rasch überflog ich die Reihen Text und stoppte beim ersten Bonus für meine Eigenschaften. Ich musste die Zeilen mehrfach lesen, um mich davon zu überzeugen, dass ich es richtig verstanden hatte.

Als ich mit dem Lesen zu Ende gekommen war, schloss ich die Augen und hob den Kopf. Meine Lippen verzogen sich zu einem glücklichen Lächeln.

Jawohl! Die Götter waren auf meiner Seite!

Armschienen von Gunnar dem Zerstörer

- Art: Eines der sieben großen persönlichen Artefakte aus der Sammlung der wahren Rüstung des Gründers.

- Seltenheit: legendär

- Wille: +50

- Beweglichkeit: +40

- Besondere Wirkung:

- Der Schaden, der bei einem Nahkampf ohne Waffen zugefügt werden kann, erhöht sich um 40 %

- Anforderungen:

- Rang: Unterprior und darüber

- Geist: 30

- Hinweis:

- Gewicht: keines. Nimmt keinen Raum ein.

- Achtung: Sichere dir alle Gegenstände aus der Sammlung der wahren Rüstung des Gründers, und du wirst eine zusätzliche Belohnung erhalten!

Ich musste mich schwer bemühen, die Fassung wiederzugewinnen. Ich war ein Risiko eingegangen, und es hatte sich gelohnt! Ich stand bereits jetzt besser da, als wenn ich alle 20 Punkte für meinen Willen verwendet hätte. Also konnte ich die letzten zehn Punkte ruhigen Gewissens ebenfalls in meinen Geist investieren. Zuerst jedoch hatte ich noch etwas anderes vor.

Ich nahm eine Handvoll flacher Sechsecke aus Stein aus dem Rucksack und legte sie vorsichtig auf den Tisch. Es waren die Anomalie-Runen „Konzentration“, sieben gewöhnliche und eine große.

„Eure Zeit ist gekommen“, flüsterte ich. „Fangen wir an!“

- Achtung! Der Bonus für die Eigenschaft des Willens der Armschienen von Gunnar dem Zerstörer hat sich um 20 % erhöht!

- Derzeitiger Wert: 60

Alle Gegenstände zu examinieren und die Runen zu aktivieren, kostete mich etwa eine Stunde. Zu meiner Freude stellte sich heraus, dass alle vier Artefakte meinen Willen steigerte. Am Ende brachte ich es darin auf 264 Punkte. Davon abgesehen erhielt ich einen Bonus von 40 % für Stärke, Beweglichkeit, Geschwindigkeit und Treffsicherheit.

Außerdem verfügte jeder Teil der Rüstung über eine besondere Wirkung. Die Brustplatte verschaffte mir 1.000 Punkte Verteidigung, der Gürtel und die Schwertscheiden erhöhte meine Lebens- und Energievorräte um 40 %.

---ENDE DER LESEPROBE---