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Freundestreue - Warum Maximilian für Christoph sogar seine Liebe verriet
"Brüder könnten sich nicht besser verstehen", heißt es im Dorf, wenn von Maxim Rieder und Chris Schaller die Rede ist. Wenn sie etwas planen, dann immer gemeinsam. Als sie hören, dass am Kreuzgrat ein Wilderer Jagd auf junge Gamsböcke macht, ist klar, dass sie eingreifen müssen. Als Bergwachtler und geübte Kletterer haben sie die besten Chancen, den Burschen in eine Falle zu locken.
Schon ein paar Nächte brechen sie auf und warten mit angespannten Sinnen in ihrem Versteck auf den Lumpen. Tatsächlich taucht kurz vor Sonnenaufgang eine schwarz gekleidete Gestalt mit Flinte auf. Chris und Maxim nicken sich zu und lösen sich aus ihrem Versteck ...
Dann fällt ein Schuss! Doch nicht der Wilderer bricht zusammen, sondern Chris!
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Seitenzahl: 110
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Freundestreue
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-6569-6
www.bastei-entertainment.de
Freundestreue
Warum Maximilian für Christoph sogar seine Liebe verriet
Von Andreas Kufsteiner
»Brüder könnten sich nicht besser verstehen«, heißt es im Dorf, wenn von Maxim Rieder und Chris Schaller die Rede ist. Wenn sie etwas planen, dann immer gemeinsam. Als sie hören, dass am Kreuzgrat ein Wilderer Jagd auf junge Gamsböcke macht, ist klar, dass sie eingreifen müssen. Als Bergwachtler und geübte Kletterer haben sie die besten Chancen, den Burschen in eine Falle zu locken.
Schon ein paar Nächte brechen sie auf und warten mit angespannten Sinnen in ihrem Versteck auf den Lumpen. Tatsächlich taucht kurz vor Sonnenaufgang eine schwarz gekleidete Gestalt mit Flinte auf. Chris und Maxim nicken sich zu und lösen sich aus ihrem Versteck …
Dann fällt ein Schuss! Doch nicht der Wilderer bricht zusammen, sondern Chris!
Das schöne Alpenhaus »Am Lindeneck« war früher im Besitz der alteingesessenen und angesehenen Familie Angerer gewesen, aus der auch Toni Angerer stammte, der amtierende Bürgermeister von St. Christoph.
Lindeneck war anno dazumal ein großbäuerlicher Hof gewesen, nicht weit vom Kirchplatz in St. Christoph entfernt und von allen Himmelsrichtungen aus schnell zu erreichen. Die jeweiligen Besitzer hatten das Anwesen im Schatten der alten Linden zwar nach ihrem Gutdünken bewirtschaftet, letztendlich aber doch den großen Aufwand gescheut.
Vor etwa hundertfünfzig Jahren schließlich war Lindeneck – mit allem Inventar – an den vermögenden Wiener Fabrikanten Donat Enzlinger verkauft worden, der die landwirtschaftlichen Nebengebäude nach und nach hatte abreißen lassen. Rundherum war ein weitläufiger Naturgarten mit Hecken, Beerensträuchern und Obstbäumen entstanden. In dieses Idyll fügten sich die wunderschönen Linden auch heute noch harmonisch ein.
Inzwischen gehörten das Haus und die Gärten dem Ehepaar Josef und Greta Enzlinger, die den gepflegten Besitz zusammen mit einer runden Summe und diversen Wertstücken geerbt hatten.
Haus Lindeneck war ein Platz für alle, die sich nach Ruhe sehnten und mit Blick auf das prächtige Alpenpanorama Stress und Sorgen vergessen wollten – wenigstens so lange, wie es ihre Zeit erlaubte.
Hier konnte man tief durchatmen, sich erholen und echte Geborgenheit erleben. Ein Hotel war Lindeneck nicht, die Enzlingers bezeichneten ihr Haus als »Naturpension und Alpenhaus zum Wohlfühlen«. Meistens waren die gemütlichen Zimmer, insgesamt zwanzig, schon für das ganze Jahr reserviert.
Luisa, die sechsundzwanzigjährige Tochter des Ehepaares Enzlinger, war mit in das kleine »Unternehmen« eingestiegen. Wie ihre Mutter, so hatte auch sie sich im Hotelfach ausbilden lassen, aber Luisa durfte sich außerdem noch »Gesundheits- und Ernährungsberaterin« nennen.
Alle, die sich bisher mit gesundem Essen, regelmäßiger Bewegung und natürlichen Helfern aus der Natur – Kräuter, reines Wasser, Wald und sauerstoffreiche Luft – nicht befasst hatten, erhielten im Haus Lindeneck die Gelegenheit dazu.
Unterstützt wurden die Enzlingers durch ein treues Team, zu dem auch Köchin Burgl gehörte. Stets gut gelaunt, sorgte die Burgl für eine gesunde, ausgewogene Vollwertkost mit regionalen Zutaten. Falls einige Gäste besondere Wünsche hatten, richtete sie sich danach, zum Beispiel mit vegetarischen Gerichten.
Ungesundes Essen kam jedenfalls nicht auf den Tisch. Wer Speckknödel, Geselchtes mit Fettrand und Sahnesoßen bevorzugte, war hier fehl am Platze und tat besser daran, seine Mahlzeiten woanders einzunehmen.
Das hieß natürlich nicht, dass man im Lindeneck auf Gaumenfreuden verzichtete, im Gegenteil. Köstlich war, zum Beispiel, das hausgemachte Eis aus guter Alpenmilch, dazu Früchte aus eigenem Anbau.
Für die leichten, lockeren Rührkuchen mit Obst der Saison ließ man sogar gern mal eine Torte stehen. Die gab es nämlich auch, wenn auch nicht mit vollfetter Sahne oder schwerer Buttercreme. Man konnte ruhig zwei Stücke vertilgen, ohne dass hernach der Magen anklopfte und moserte: »He! Hallo, das war zu fett! Ich leite es gleich an die Galle weiter. Das kann noch richtig Ärger geben!«
Die Galle verstand nämlich gar keinen Spaß. In bestimmten Fällen wurde sie so grantig, dass sie Steine bildete und hernach selbst nicht wusste, wie sie diese lästigen Dinger wieder loswerden sollte.
Wer schon mal eine Gallenkolik erlitten hatte, wusste, dass die Galle nicht mit sich spaßen ließ. Sie steckte einiges weg, aber wenn es ihr reichte, tat sie sich manchmal sogar noch mit der Leber zusammen. Dann war wirklich Schluss mit lustig.
Dr. Burger in der Kirchgasse erklärte es einigen Patienten, die sich um fettes Essen – und vielleicht auch zu viel Bier und Wein – nicht scherten, manchmal auf diese humorvolle Weise. Es gab Patienten, die medizinische Fachausdrücke gar nicht hören wollten. Andere hingegen bestanden darauf.
Wer gesundheitliche Beschwerden hatte, den schickten die Enzlingers sofort zu Dr. Burger. Sie maßten es sich nicht an, medizinische Ratschläge zu geben. Das wollten sie nicht, und das konnten sie natürlich auch gar nicht. Falls Dr. Burger aber eine bestimmte Diät oder eine Aufbau-Kost für einen der Lindeneck-Gäste empfahl, richteten sie sich genau danach.
So war es im Laufe der Jahre dahin gekommen, dass der Doktor und die Leute vom Haus Lindeneck hin und wieder, wenn es die Situation erforderte, auf dem Gebiet gesunder Ernährung zusammenarbeiteten. Gleichzeitig war es nötig, sich zu entspannen und zu lernen, dass man vieles im Alltag nicht so eng sehen sollte.
Demnächst wollte man einen Vortrag zu diesem Thema halten – Dr. Burger aus der Sicht des Mediziners, Luisa Enzlinger im Hinblick auf gesunde Ernährung und Entspannung, immer mit besonderer Betonung der heilsamen Naturkräfte.
Luisa war eine hübsche junge Frau, warmherzig und voller Liebe für Menschen, Tiere und sogar für Pflanzen. Es kam vor, dass sie den Apfelbäumen gut zuredete, damit im Herbst die Ernte üppig ausfiel. Unter ihren geschickten Händen wuchs jeder kleine Setzling zu einer prachtvollen Staude heran.
Die sehr glücklichen Lindeneck-Hühner wurden mit gesundem Futter verwöhnt, legten die besten Eier von ganz Tirol und tuckerten gelegentlich an den Liegestühlen der Gäste vorbei, als sei das ihr gutes Recht. Hin und wieder nahmen sie gern ein paar Krümel entgegen.
Für Unterhaltung sorgte auch Haus-Fasan »Jakob«, den Luisa als kleinen, federleichten Wicht allein und verlassen auf einem Feld gefunden hatte. Jakob wäre garantiert auf der Speisekarte eines Fuchses gelandet, wenn Luisa ihn nicht vor einem Jahr mit heimgenommen und aufgepäppelt hätte.
Inzwischen stolzierte der gefiederte Hausgenosse gelassen überall dort herum, wo es ihm gerade gefiel. Dabei präsentierte er gefällig sein Gefieder. Ein eitler Pfau war er zwar nicht, aber er hielt sich offenbar für recht beeindruckend und genoss es sichtlich, wenn ihn die Gäste bewunderten.
In diesem Idyll rund um Haus Lindeneck tauchte seit einem halben Jahr hin und wieder ein junger Mann auf, der eigentlich alles hatte, was ein Mädchen sich nur wünschen konnte.
Sein Name war Maximilian Rieder, im Dorf und daheim wurde er »Maxim« genannt. Er sah nicht nur so gut aus, dass jede Frau in seiner Nähe Herzklopfen bekam, sondern er hatte auch Schneid, war sportlich und alles andere als ein Langweiler.
Obendrein erbte er den elterlichen Seiserhof im Weiler Hochbrunn, nur knapp zwei Kilometer von der Dorfmitte entfernt und in bester Lage. Zum Hof gehörten Almen, ein großes Waldstück, Talwiesen und Maisfelder sowie weitläufige Weideflächen, die Maxims rührige und geschäftstüchtige Eltern verpachtet hatten. Zwei schöne Grundstücke, beide als Bauland ausgewiesen, dienten als »Rücklage«, obwohl die Familie Rieder auf diesen Notgroschen nicht angewiesen war.
Maxims Schwester Silvia lebte mit ihrem Mann im Südtiroler Pustertal, sie hatte eine sehr ansehnliche Mitgift erhalten. Silvia und ihr Ehemann Stefan betrieben winters eine Skischule und vermieteten ganzjährig Ferienwohnungen. Außerdem bewirtschafteten sie einen Berghof.
Alle Mitglieder der Familie Rieder lebten, trotz der guten Finanzlage, sehr bodenständig. Nie wäre einer von ihnen auf die Idee gekommen, sich als etwas Besseres zu sehen.
Genauso dachten auch die Enzlingers. Niemand auf der Welt brauchte vergoldete Wasserhähne oder selbstfahrende Luxusautos, Angeberei fanden sie einfach nur abstoßend.
Ob es diese Übereinstimmung war, die Luisa und Maxim, beides echte »Sonntagskinder«, zusammengebracht hatte, ließ sich nicht sagen. In erster Linie genossen sie natürlich das überwältigende Gefühl, ineinander verliebt zu sein. Nicht jeder erlebt so eine Liebe direkt aus dem Himmelsblau heraus.
Wie geht so etwas – Liebe, die einen wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft?
Man kennt sich, man trifft sich gelegentlich bei Veranstaltungen, man mag sich. Mehr erst einmal nicht.
Aber dann schaut man sich eines Tages an und kann den Blick nicht mehr abwenden. Der Himmel öffnet sich, die Sterne fallen herab und werden zu leuchtenden Blüten. Verliebte sehen daher auch am Tag die Sterne der Nacht.
Sich verlieben, spüren, dass Amors Pfeile das Wunder der Liebe wahr werden lassen – was könnte schöner sein auf dieser Welt?
Luisa und Maxim hatten sich gerne von dem goldenen Pfeil treffen lassen. Dass Luisa im Geiste schon die Hochzeitsglocken hörte, während Maxim noch nicht übers Heiraten gesprochen hatte, war derzeit das einzige Wölkchen im Paradies.
Hielt er vielleicht nichts von der Ehe?
Luisa vermied es, ihn mit Fragen unter Druck zu setzen oder ihn zu bedrängen.
Männer, die man an der Leine führen wollte wie ein braves Hündchen, wurden schnell zu Windhunden, die nur eins im Sinn hatten: die Flucht in die Freiheit!
Maxim ließ sich eh nicht anketten. Wenn er sich manchmal vorzeitig verabschiedete und Luisa ihn gern zurückgehalten hätte, dann war es besser, ihn gehen zu lassen. Denn er kam wieder – und dann blieb er umso länger bei ihr.
Er brauchte das Gefühl, im Bergwind eins zu werden mit der großen Freiheit. Maxim war schon als Bub ein Kind der Berge gewesen. Immer hatte er den Blick hinauf zu den Gipfeln gerichtet und später, wenn er nach dem Aufstieg am Gipfelkreuz gestanden hatte, voller Ehrfurcht in die unendliche Ferne.
***
Am heutigen zweiten Juli-Sonntag, der sommerlich warm und sonnig war, erschien Maximilian Rieder gegen drei Uhr mittags im Lindeneck. Luisa verzierte gerade einen Himbeerkuchen mit Mandelblättchen, die sie um den Rand legte, bis das Ganze ausschaute wie eine große rote Blüte.
»Kuchen muss kein Kunstwerk sein«, scherzte Maxim. »Wozu dieser Aufwand? Eure Gäste werden sich darauf stürzen und jedes Stück verschlingen. Das war’s dann mit der Dekoration.«
»Das verstehst du nicht«, erwiderte Luisa. »Bevor man etwas isst, schaut man es an. Jeder Kuchen muss verlockend sein, er muss Träume wecken und vielleicht auch Erinnerungen an die Kindheit, als aus der Küche herrliche Düfte durchs Haus zogen. So etwas hat sehr viel mit Romantik zu tun.«
»Na ja, wie man’s nimmt, Spatzl.«
»Ich bin romantischer als du«, setzte Luisa hinzu. »Ihr Männer müsst langsam an die Romantik herangeführt werden. Das ist die Aufgabe der Frauen. Männer sind eben ein bisserl klobiger. Romantik und Fantasie brauchen Flügel. Diese Flügel fehlen dir noch, Maxim. Aber ich werde daran arbeiten.«
»Du kannst gern an allem arbeiten«, flachste er. »Ich stelle mich dir in jeder Beziehung gern zur Verfügung.«
»Du bist immer so direkt. Einfach drauflos.«
»Aber das stimmt doch gar net, meine kleine, süße Himbeere. Willst du etwa abstreiten, dass ich mir ganz viel Zeit für Zärtlichkeiten nehme, die dich glücklich machen?«
Sie errötete. »Also wirklich, das passt doch jetzt net hierher. Ich weiß, worauf du hinauswillst.«
»Ich hab dich ein Weilchen net gesehen, Engerl. Heute sind wir auf den Tag genau ein halbes Jahr fest zusammen. Ist es da ein Wunder, dass ich dich ein bisschen verwöhnen will?«
Er nahm sie in die Arme und küsste sie. Das Tütchen mit den Mandeln fiel ihr aus der Hand, und der Rest der Blättchen verteilte sich auf dem Küchenboden.
Wenn Maxim und Luisa sich küssten, vergaßen sie alles um sich her. Sie hörten nichts, sie sahen nichts und waren ganz füreinander da, tief versunken in ihre zärtlichen Gefühle.
Natürlich merkten sie jetzt nicht, dass Jakob hereinwippte, wobei er sich so leise wie möglich verhielt. Die Haustür hatte halb offen gestanden, für ihn eine Art Einladung, wieder einmal nach dem Rechten zu sehen.
Hin und wieder hatte Jakob bestimmte Ahnungen, obwohl er ja »nur« ein Fasan und somit ein sogenannter Hühnervogel war. Seine Ahnungen bestätigten sich, als er auf dem Fußboden die feinen Mandelplättchen entdeckte.
Begeistert pickte er diese wundervolle Leckerei auf und wollte sich danach wieder davonmachen. Doch er hatte die Rechnung ohne Mimi, die Hauskatze, gemacht!
Mimi hatte zwar noch nie die Absicht gehabt, Jakob zu rupfen, aber sie mochte ihn nicht. Und wenn man jemanden nicht mochte, war man nicht freundlicher zu ihm, als es unbedingt sein musste.
In gewisser Weise hatte Mimi allerdings großen Respekt vor Jakob, weil er beim Laufen immer mit dem Kopf ruckte und so tat, als wolle er in ihr rosa Näschen hacken. Zweimal war es ihm schon gelungen, und Mimi hatte mit gesträubtem Fell das Weite gesucht.
Ein kleiner Denkzettel musste also sein, und die Gelegenheit war günstig …
Mimi näherte sich von hinten und versetzte dem gefiederten Feinschmecker mit der Pfote einen kleinen, aber gezielten Hieb auf die Rückenfedern.
Die Rückenfedern waren Jakobs ganzer Stolz. Um sie zu pflegen, nahm er gelegentlich ein Sandbad und verrenkte sich dann regelrecht, weil er sich putzen wollte. Sein Federkleid hatte wirklich die beste Behandlung verdient!
Doch das Entsetzliche geschah: Er verlor ein paar Federn und kreischte so laut auf, wie er es noch nie getan hatte. Mimi erschrak, fauchte und versteckte sich unter der Küchenanrichte.
»Jesses!«