Der Bergdoktor 2223 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2223 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Gabriel Dornegger ist ein ausnehmend attraktiver Mann mit seiner hochgewachsenen Gestalt, den schwarzen Locken und den honigbraunen Augen. Aber es funkelt auch oft etwas Gefährliches in ihnen auf, eine Wut, die er kaum unterdrücken kann. Alle wissen, dass man sich vor ihm in Acht nehmen muss, auch wenn er sehr charmant sein kann.
Auch Verena, die mit ihrer Großmutter in einem kleinen Waldhaus lebt, geht Gabriel tunlichst aus dem Weg, wenn er in der Dämmerung zu seiner Jagdhütte unterwegs ist. Doch dann kommt der Tag, an dem sie weinend am Straßenrand steht und auf den Bus wartet, um in Mayrhofen Medikamente für die erkrankte Großmutter zu holen. Der Bus kommt nicht, stattdessen hält plötzlich Gabriels Wagen neben ihr. "Na los, ich fahre dich!"
Verena merkt sofort, dass er getrunken hat. Doch in ihrer Not ignoriert sie alle Befürchtungen und steigt ein. Und dann geschieht der verhängnisvolle Unfall ...


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Inhalt

Cover

Der Nichtsnutz von St. Christoph

Vorschau

Impressum

Der Nichtsnutz von St. Christoph

Dr. Burger und die Wandlung eines haltlosen Mannes

Von Andreas Kufsteiner

Gabriel Dornegger ist ein ausnehmend attraktiver Mann mit seiner hochgewachsenen Gestalt, den schwarzen Locken und den honigbraunen Augen. Aber es funkelt auch oft etwas Gefährliches in ihnen auf, eine Wut, die er kaum unterdrücken kann. Alle wissen, dass man sich vor ihm in Acht nehmen muss.

Auch Verena, die mit ihrer Großmutter in einem kleinen Waldhaus lebt, geht Gabriel tunlichst aus dem Weg, wenn er in der Dämmerung zu seiner Jagdhütte unterwegs ist. Doch dann kommt der Tag, an dem sie weinend am Straßenrand steht und auf den Bus wartet, um in Mayrhofen Medikamente für die erkrankte Großmutter zu besorgen. Der Bus kommt nicht, stattdessen hält plötzlich Gabriels Wagen neben ihr. »Na los, ich fahre dich!«

Verena merkt sofort, dass er getrunken hat. Doch in ihrer Not ignoriert sie alle Befürchtungen und steigt ein. Und dann geschieht der verhängnisvolle Unfall ...

»Sind noch viele Patienten im Wartezimmer?«, wollte Dr. Burger von Bärbel Tannauer wissen, nachdem er die Sprechstunde wegen eines plötzlichen Notfalls unterbrochen hatte und erst nach zwei Stunden zurückgekehrt war.

Er wirkte ziemlich abgekämpft, denn die Umstände des Unfalls, zu dem er gerufen worden war, hatten ihn zutiefst erschüttert. Der Altbauer einer der größten Höfe in der Umgebung hatte seinen Geländewagen rückwärts in die Scheune gefahren, dabei aber nicht beachtet, dass sein dreijähriger Enkel dort spielte. Der kleine Stefferl war unter den Wagen geraten und konnte nur unter großer Mühe befreit werden.

Als Dr. Burger eintraf, hatte er den Kleinen, das einzige Kind des Hofbauern und seiner Frau, leblos vorgefunden. Wie von Sinnen war Stefferls Mutter gewesen, sie hatte ihren Schwiegervater angeklagt, der bleich und gebrochen am Scheuneneingang lehnte. Sein Vater hatte neben dem Kleinen gekniet und bitterlich geweint.

Es war dem Bergdoktor gelungen, das Kind wiederzubeleben, offensichtlich hatte Stefferl Knochenbrüche und ein Schädeltrauma erlitten. Dr. Burger befürchtete, dass das Kind auch innere Blutungen hatte, was besonders lebensbedrohlich war.

Endlich war die Rettung eingetroffen, und Stefferl war in die Unfallklinik nach Mayrhofen gebracht worden. Sein Vater hatte sich wieder etwas gefasst und war mitgefahren. Der Bergdoktor hatte sich noch eingehend um die Mutter und den Großvater des Kindes gekümmert, erst dann war er in die Praxis zurückgekehrt.

»Nur die Dornegger-Agnes ist noch da. Ihr scheint es net gut zu gehen«, erwiderte Bärbel, die etwas bedrückt wirkte.

»Hat es sonst etwas gegeben?«, fragte der Bergdoktor.

»Die Leitnerin war da und hat ein Rezept für ihren Mann geholt, der wieder mal ein neues eingebildetes Leiden entwickelt hat.«

»Aber aber!«

»Das stimmt doch. Der lässt sich halt nur zu gern von seiner Frau hegen und pflegen«, gab Bärbel grimmig zurück. »Unglücklicherweise hat der Gottlieb Hähnel sie kommen sehen, und sie haben sich hier vor dem Empfang ganz furchtbar gestritten. Dass die beiden net in Frieden miteinander leben können.«

Gottlieb Hähnel, der nicht zu Unrecht »Streithähnel« genannt wurde, und die Leitnerbäuerin waren schon seit ewigen Zeiten verfeindet und ließen keine Gelegenheit aus, sich zu beschimpfen.

»Furchtbar, die beiden. Aber wenn sie sich nicht mehr streiten könnten, würde ihnen etwas fehlen«, meinte der Bergdoktor kopfschüttelnd.

»Und eh der Streithähnel schließlich gegangen ist, hat er noch gesagt, dass man ihn in der Praxis vernachlässigen tät«, berichtete Bärbel ziemlich aufgebracht.

»Ach! Dann werde ich ihm wohl einen Hausbesuch abstatten und ihm eine Aufbauspritze geben müssen«, schlug der Bergdoktor vor.

»Jessas, das tät ihm sicher net gefallen.« Bärbel lachte, denn nichts fürchtete Gottlieb mehr als Spritzen.

Wenig später betrat Agnes Dornegger das Sprechzimmer und nahm umständlich Platz. Der Bergdoktor musterte sie kurz und stellte fest, dass die Bäuerin einen leidenden Eindruck machte. Obwohl erst Mitte vierzig, war sie vor der Zeit gealtert und hatte außerdem stark an Gewicht verloren.

»Ich fühl' mich net gut, Herr Doktor. Nachts kann ich nimmer schlafen, und ich bring' keinen Bissen mehr herunter. Alles ist mir zuwider, kraftlos und matt bin ich wie eine alte Frau«, begann sie, dann versagte ihr die Stimme.

»Das ist für viele Frauen eine schwierige Zeit. Hast du das Naturmittel eingenommen?«, fügte er fragend hinzu.

»Ja, aber es hat nichts genützt.«

»Ich glaube, dass dein Zustand eine andere Ursache hat. Etwas bedrückt dich derart, dass du keine Freude mehr am Leben hast. Ist es nicht so?«

Agnes schluchzte auf.

»Es ist der Bub, der Gabriel. Immer schlimmer führt er sich auf, vor nichts und niemandem hat er Respekt, auch net vor seinen Eltern. Das drückt mir das Herz ab. Wie glücklich waren wir, mein Albin und ich, als er zur Welt gekommen ist. Ein schönes Buberl war er, aber bald hat er uns immer größere Sorgen gemacht.« Wieder kämpfte sie mit den Tränen.

»Habt ihr euch keine Hilfe gesucht?«, fragte der Bergdoktor.

»Der Albin hält davon nichts. Der hat den Gabriel immer geschlagen, wenn sich jemand über ihn beschwert hat. Und mir hat er vorgeworfen, das käm' davon, dass ich den Buben verwöhnt hätt', und so ist es auch zwischen uns deswegen zu Streitigkeiten gekommen.«

Die Stimme versagte ihr für einen Moment.

»Schon als Kind war unser Gabriel schwierig. Dauernd hat er sich mit den anderen Buben geprügelt, und auf den Lehrer hat er net gehört. Einmal, da war er gerade zehn, hat er im Winter die Jacken von seinen Mitschülern draußen auf dem Flur von den Garderobehaken gerissen, im Schulhof auf einen Haufen geworfen und sie angezündet. Das war vielleicht ein Schaden! Danach hätt' er zu einem Psychologen gehen sollen, aber sein Vater hat es net zugelassen, denn davon hält er überhaupt nichts. Eine Tracht Prügel wär' allemal besser, hat er gemeint.«

Wieder verstummte Agnes und tupfte sich die Augen trocken.

»Jetzt als erwachsener Mann ist es immer noch net besser mit ihm geworden. Erst bandelt er mit den Madeln an, und wenig später lässt er sie sitzen. Die Birkner-Susi hat wegen ihm Schlaftabletten geschluckt und konnte grad noch gerettet werden. Danach ist sie von hier weggezogen, sehr zum Kummer ihrer Eltern.«

»Ja, ich erinnere mich«, sagte der Bergdoktor.

»Und seine Schwester, die Cilli, plagt er auch. Er behauptet, dass wir sie ihm immer vorgezogen haben. Das mag wohl sein, denn die Cilli ist ein liebes Madel, ein richtiger Sonnenschein. Alle können sie gut leiden.« Agnes stieß einen tiefen Seufzer aus, ehe sie fortfuhr: »Seine Großtante hat ihm so viel vererbt, dass er finanziell unabhängig ist, was alles net besser gemacht hat. Er hat den Anbau neu ausstatten lassen und sich einen riesigen Wagen zugelegt, mit dem er über Land fährt. Oft genug feiert er mit seinen Spezln, dann hocken sie alle im Hof vor dem Anbau und trinken und johlen die ganze Nacht. Eine Schande ist das! Ich trau' mich kaum noch aus dem Haus«, schloss sie.

»Es ist kein Wunder, dass du bei diesen Lebensumständen solche Beschwerden hast«, meinte der Bergdoktor.

»Daran lässt sich halt nichts ändern«, seufzte Agnes niedergeschlagen.

»Nun, der Gabriel könnte sich eine andere Bleibe suchen, das wäre doch schon mal eine Lösung«, schlug der Bergdoktor vor.

»Freiwillig geht er bestimmt net. Und sein Vater tät ihn auch net wegschicken, schließlich ist er der Hoferbe, das zählt«, sagte sie bitter.

Dr. Burger dachte kurz nach.

»Ich mache dir einen Vorschlag: Am besten gehst du auf längere Zeit zur Kur, damit du wieder zu Kräften kommst und Freude am Leben hast. Du musst jetzt einmal an dich denken. Deine Tochter kann ja in der Zeit die Hauswirtschaft übernehmen, die Cilli soll ja sehr tüchtig sein«, sagte er dann.

Flüchtig huschte ein Lächeln über das Gesicht der Bäuerin und ließ sie wieder viel jünger erscheinen.

»Ja, das ist sie, ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder. Der Gabriel geht halt nur seinem Vergnügen nach.«

Es war allgemein bekannt, dass Gabriel zwar lernfaul, aber intelligent und schlau genug war, um die Schule zu durchlaufen. Es hieß, man hätte drei Kreuze geschlagen, als Gabriel den Abschluss gemacht hatte, denn für die Lehrer war sein Verhalten unerträglich gewesen. Danach absolvierte er eine Ausbildung als Forstwirt, denn die Dorneggers besaßen ein großes Waldstück, das sie bewirtschafteten.

Wie es seiner wilden Natur entsprach, ging Gabriel leidenschaftlich gern auf die Jagd, überhaupt hielt er sich gern in den Wäldern auf, wenn er nichts gerade mit seinen Spezln unterwegs war oder feierte.

»Ich kann dir Bad Wörishofen in Bayern empfehlen. Wenn du damit einverstanden bist, melde ich dich für einen längeren Aufenthalt an«, sagte er.

»Ja, das tät mir bestimmt gut. Und mein Mann kann mich net daran hindern, ich hab mein eigenes Geld«, erklärte sie entschlossen.

»Gut. Ich werde mich mit der Kurklinik in Verbindung setzen«, versprach der Bergdoktor.

Sie verabschiedeten sich freundlich voneinander. Der Bergdoktor nahm sich vor, schon morgen alles in die Wege zu leiten, damit die Bäuerin ihre Kur, die dringend notwendig war, antreten konnte.

***

Nun aber hoffte er, einen ungestörten Abend mit seiner Familie verbringen zu können. Schon als er den Flur betrat, schallte ihm fröhlicher Lärm entgegen. Die achtjährige Tessa kroch auf allen Vieren durch das Wohnzimmer und ließ ihre kleine Schwester Laura auf dem Rücken reiten, angefeuert von ihrem Bruder Filli.

Filli, der eigentlich Philipp hieß, würde bald in die Schule kommen, worauf er sich sehr freute, denn er war ungemein wissbegierig. Er hatte den blonden Haarschopf seiner Mutter geerbt, Tessa hingegen hatte Brombeeraugen und schwarzbraune Locken, denen sie den Kosenamen »Schneckerl« verdankte.

Als Tessa ihren Vater erblickte, ließ sie die kleine Laura sofort herabgleiten und umarmte ihn stürmisch.

»Gut, dass du rechtzeitig bei uns bist, heute ist nämlich Spieleabend«, sprudelte sie aufgeregt hervor.

»Ach ja«, murmelte er, denn Martin hatte kein besonders glückliches Händchen und verlor fast immer beim Monopoly.

Er beugte sich zu Laura hinunter, die laut protestierend am Boden saß, und nahm sie auf den Arm. Die Zweijährige beruhigte sich sofort und begann sogar zu glucksen und zu kichern, als Filli sie an den Füßen kitzelte.

Als Sabine Burger von der Terrasse hereintrat und ihren Mann mit den Kindern vor sich sah, ging ihr das Herz auf. Einen besseren Vater als Martin konnte sie sich nicht vorstellen, und auch dafür liebte sie ihn.

Sie gab ihm ein Busserl auf die Wange und nahm ihm Laura ab, denn die Kleine musste noch gefüttert und ins Bett gebracht werden.

Martins Blick ruhte liebevoll auf seiner Frau. Wie glücklich sie ihn gemacht hatte! Nach dem tragischen Tod seiner ersten Frau Christl hatte er die Heimat verlassen, erst nachdem sein Vater Dr. Pankraz Burger die Praxis nicht mehr allein führen konnte, war er zurückgekehrt. Er hatte das Doktorhaus um einige Räume, die Labor, Röntgen und auch zwei Krankenzimmer enthielten, erweitern lassen, sodass die Dörfler sie bald die »Mini-Klinik« nannten.

Lange hatte in seinem Leben nur die Arbeit im Mittelpunkt gestanden. Mit seinem Freund Dominikus Salt, dem Leiter der Bergwacht, hatte er außerdem so manchem leichtsinnigen Touristen das Leben gerettet. Aber nicht nur deshalb nannte man ihn den »Bergdoktor«. Er nahm sich nicht nur der Gesundheit seiner Patienten an, sondern auch ihrer seelischen Nöte, und half sogar Gestrauchelten wieder auf den rechten Weg zurück.

Dann aber war er auf die junge Wiener Anästhesistin Sabine getroffen, die in St. Christoph ihre Tante Rika besuchte. Ein Blick in ihre braunen Augen, in denen goldene Pünktchen funkelten, hatte genügt, um sich hoffnungslos in sie zu verlieben. Und sie hatte seine Gefühle erwidert und alles zurückgelassen, was bisher ihr Leben ausgemacht hatte – ihre Tätigkeit in einem Wiener Großklinikum, ihre Freunde und Kollegen und das pulsierende Leben der Großstadt.

Doch sie wurde nicht müde zu beteuern, dass sie es nie bereut hätte. Auch der Altersunterschied von sechzehn Jahren – der Bergdoktor war nun einundfünfzig alt – spielte für sie keine Rolle, denn Martin Burger wirkte ungemein sportlich und jugendlich.

»Soll ich dem Laura-Mauserl etwas vorlesen?«

Pankraz Burger war aus seinem Kabinettl, das sich an den Wohnbereich anschloss, hervorgetreten, gefolgt von Rauhaardackel Poldi. Er war ein stattlicher Mann Mitte siebzig, dessen gewölbte Leibesmitte verriet, dass er gutes Essen zu schätzen wusste, und einen guten Tropfen ebenfalls.

»Ja, das wär' mir sehr recht. Dann könnte ich der Zenzi noch in der Küche helfen«, gab Sabine zurück.

Er trug Laura hoch ins Kinderzimmer und setzte sich an ihr Bett, um ihr ein Märchen vorzulesen. Bald schon war sie eingeschlafen. Pankraz zog noch die Decke zurecht, dann stieg er leise hinunter. Tessa und Filli hatten inzwischen den Tisch gedeckt, und der Eintopf, den Zenzi dann aus der Küche brachte, duftete verlockend.

»Alles Gemüse aus unserem Garten«, erklärte Zenzi stolz, »und das Brot ist auch selbst gebacken.«

Zenzi Bachhuber war der gute Geist des Doktorhauses. Sie hatte Martin Burger, der schon früh seine Mutter verloren hatte, aufgezogen. Sie war Anfang sechzig, eine hagere Frau, deren grauer Haarknoten ordentlich an ihrem Hinterkopf saß.

Auch wenn sie strenge Erziehungsprinzipien vertrat, so wandte Zenzi sie nie an, denn sie liebte die Kinder von Herzen. Untrennbar gehörte sie zur Familie, genauso wie Tessa, ursprünglich ein Adoptivkind, was aber längst vergessen war.

»Ein Gedicht«, sagte Pankraz genießerisch. »und Würsteln sind auch drin.«

Poldi hatte sich unter dem Tisch zu Füßen seines Herrchens niedergelassen, denn er wusste genau, dass Pankraz ihm ein Leckerchen herunterreichen würde.

»Gemüse«, fügte Pankraz noch hinzu »davon kann ich getrost zweimal nehmen.«

»Aber nur, wenn du die Würsteln weglässt«, wandte Sabine ein, die in steter Sorge um den Cholesterinspiegel ihres Schwiegervaters war.

Pankraz seufzte theatralisch auf und nahm sich nur von dem Gemüse, das Würstl reichte er zu Poldi hinunter, auch wenn das nicht die Billigung seiner Schwiegertochter fand. Denn sie fand, dass auch der Dackel nicht an Gewicht zulegen sollte, um gesund zu bleiben.

Aber Sabine meinte es ja gut, das wusste er. Er schätzte sie sehr, denn sie hatte aus seinem vereinsamten Sohn einen glücklichen Mann gemacht und ihm Enkel geschenkt. Poldi bekam also nur ein Würstl, und er selbst verzichtete ganz darauf.

Nach dem Essen spielte man Monopoly, und wie erwartet, gewann wieder einmal die Zenzi.

»Du bist mit den Gedanken halt wohl woanders«, hielt sie Martin vor. Der nickte stumm.

Sabine warf ihrem Mann einen kurzen Blick zu.

»Ich glaube, wir gehen heute früh zu Bett.«

»Recht hast du.«

»Ich lese euch etwas vor«, erbot sich Pankraz, denn die Kinder wollten natürlich noch länger aufbleiben.

»Aber nur, wenn du mit verstellter Stimme vorliest, Opa«, verlangte Filli energisch, und Tessa nickte.

»Auf jeden Fall«, versprach Pankraz, und dann machten sich die beiden bereitwillig für die Nacht fertig.

Als es schließlich ruhig im Haus wurde, schilderte Martin, wie sehr ihn sein Einsatz bei den Sonnleitners erschüttert hatte.

»Der Stefferl ist ihr einziges Kind, wahrscheinlich werden sie sogar kein weiteres mehr bekommen. Ich werde morgen gleich in Mayrhofen anrufen, um mich nach dem Büberl zu erkundigen«, schloss Martin.

»Ja, dann hast du wenigstens Gewissheit.«

Sabine schmiegte sich zärtlich an ihn. Endlich waren sie allein und ungestört in ihrem blauen Schlafzimmer, das ihr Refugium war. In diesem Raum war alles in Blautönen gehalten, selbst der Hintergrund des Tiroler Schranks, der kunstvoll mit weißen Rosen und Herzen bemalt war, wies ein tiefes Blau auf. Der Mittelpunkt aber war ein romantisches Himmelbett mit weißen Vorhängen, wo das Paar sich alles anvertraute, was es bewegte, und Martin und Sabine den Bund ihrer Liebe erneuerten.

»Dann war auch noch die Dornegger-Agnes im Wartezimmer. Es geht ihr gar net gut«, fuhr Martin fort.

»Das glaub' ich. Die Sorgen um ihren Gabriel haben sie ganz zermürbt. Den Taugenichts hätt' ich schon längst vom Hof gejagt«, meinte Sabine.

»Das klingt aber nicht sehr mütterlich, Schatzerl«, erwiderte Martin erstaunt.

»Mag sein. Aber dem Gabriel hat man halt immer alles durchgehen lassen, und deswegen glaubt er, er könnte sich alles herausnehmen ...«

»Sein Vater hat ihm aber mehr als einmal eine Tracht Prügel verabreicht, hat die Agnes mir erzählt«, wandte Martin ein.

»Das ist der falsche Weg. Gespräche, die ihn zur Einsicht bewegt hätten, wären besser gewesen. Vielleicht sogar mit einem Schulpsychologen.«

Martin gab keine Antwort, und Sabine stellte fest, dass er vor Erschöpfung eingeschlafen war. Auch sie legte sich zurück, und bald schon fielen ihr die Lider zu.

Pankraz Burger hatte eigentlich noch an seiner Zillertaler Chronik schreiben wollen, doch auch sein Kopf sank auf seine Aufzeichnungen nieder. Erst nach einer Weile schrak er von einem Geräusch auf; er stand auf und ging endlich zu Bett, wo er rasch einschlief.