Der Bergdoktor 2087 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2087 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Zum ersten Mal wird in St. Christoph eine Waldkönigin gewählt, und die Wahl fällt auf die hübsche und tüchtige Pia Landegger. Die Dörfler gönnen ihr den Sieg von Herzen, denn das arme Madel hat es wahrlich nicht leicht. Seit dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern und ihres Bruders lebt Pia zusammen mit ihrer Großmutter Lydia auf dem Landeggerhof. Pia hat als Forstwirtin einen anstrengenden Job, und die mürrische alte Frau macht ihr mit ihren Launen und ständigen Seitenhieben das Leben noch zusätzlich schwer. Kein Wunder, dass das Madel sich immer öfter in Träume vom großen Glück an der Seite eines Prinzen verliert. Als dann beim nächsten Schützenfest der gut aussehende Angelus Schwarz vor ihr steht, fliegt Pias Herz dem durchtriebenen Hallodri sofort zu ...


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Inhalt

Cover

Die Waldkönigin

Vorschau

Impressum

Die Waldkönigin

Eine junge Forstwirtin sorgt für Aufregung

Von Andreas Kufsteiner

Zum ersten Mal wird in St. Christoph eine Waldkönigin gewählt, und die Wahl fällt auf die hübsche und tüchtige Pia Landegger. Die Dörfler gönnen ihr den Sieg von Herzen, denn das arme Madel hat es wahrlich nicht leicht. Seit dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern und ihres Bruders lebt Pia zusammen mit ihrer Großmutter Lydia auf dem Landeggerhof. Pia hat als Forstwirtin einen anstrengenden Job, und die mürrische alte Frau macht ihr mit ihren Launen und ständigen Seitenhieben das Leben noch zusätzlich schwer. Kein Wunder, dass das Madel sich immer öfter in Träume vom großen Glück an der Seite eines Prinzen verliert. Als dann beim nächsten Schützenfest der gut aussehende Angelus Schwarz vor ihr steht, fliegt Pias Herz dem durchtriebenen Hallodri sofort zu ...

Als Dr. Burger nach dem letzten Patientenbesuch ins Doktorhaus zurückkehrte, fand er seine Familie auf der Terrasse hinter dem Haus vor.

Die zweieinhalbjährige Laura spielte im angrenzenden Garten mit Kuchenförmchen im Sandkasten. Ihr Bruder Philipp, der Filli genannt werden wollte, ließ sein Lieblingsauto über die Fliesen rollen und ahmte lautstark Sirenengeräusche nach. Er war ein wissbegieriger Bub, der es gar nicht mehr erwarten konnte, bald in die Schule zu kommen.

Seine ältere Schwester Tessa, mittlerweile achteinhalb, stürmte sofort auf ihren Vater zu, kaum, dass er die Terrasse betreten hatte. Ihre üppigen schwarzbraunen Locken, denen sie den Beinamen »Schneckerl« verdankte, tanzten dabei um ihr reizendes Gesichtchen mit den dunklen Brombeeraugen.

Sofort überfiel sie ihren Vater mit einem lebhaften Bericht über den neuesten Streich ihrer besten Freundin Rita, der ihren Klassenlehrer, Herrn Werth, sehr aufgebracht hatte.

»Sie hat sich sogar bei dem Wiggerl entschuldigen müssen, bloß, weil sie ein bisschen rote Farbe auf seinen Rucksack ...«

»Das ist ja wohl das Mindeste«, wurde sie von ihrem Vater unterbrochen, der wieder einmal nur den Kopf schütteln konnte.

Er mochte die übermütige rote Rita, aber manchmal trieb sie es eben doch zu weit.

»Dabei ist es der Wiggerl, der immer anfängt, und dann spielt er den Unschuldigen«, schimpfte Tessa und zog die Brauen zusammen.

»Ich glaube, darüber reden wir ein andermal ausführlicher«, erklärte ihr Vater und fuhr ihr durch die Locken.

Seine Frau Sabine stand auf und küsste ihn zärtlich auf die Wange. Wie immer machte ihn das glücklich, und die Eindrücke des Arztalltags, die manchmal sehr bedrückend waren, fielen dann von ihm ab.

Die Frühlingssonne hatte ihrer Haut einen leichten Goldschimmer verliehen, und ihr kurzes blondes Haar leuchtete. Im Sommer ihres Lebens empfand er ihre Schönheit noch anziehender, und am liebsten hätte er sie leidenschaftlich in die Arme gerissen.

»Du siehst heute aus wie der Frühling selbst«, flüsterte er ihr zu, und sein Blick sagte alles.

Sabine trug ein helles Sommerdirndl mit großzügigem Ausschnitt, das ihre ebenmäßige Gestalt betonte. Immer noch errötete sie, wenn ihr Mann ihr ein Kompliment machte, was ihn mit Genugtuung erfüllte.

»Setz dich, Liebling. Magst du etwas von der Zitronenlimonade?«, bot sie ihm an.

Als Martin bejahte, goss sie ihm von der selbst zubereiteten Limonade ein, und er trank das Glas mit einem Zug aus. Dann lehnte er sich in dem bequemen Korbsessel zurück und stieß einen zufriedenen Seufzer aus.

Sein Vater, Pankraz Burger, ließ sich ebenfalls blicken, und nahm dankbar ein Glas Limonade entgegen, ehe er Platz nahm. Poldi, der Rauhaardackel, war ihm gefolgt und ließ sich ausgiebig von der kleinen Laura tätscheln.

Pankraz, siebenundsiebzig, war ein stattlicher, wesentlich jünger wirkender Mann, neigte allerdings zu leichter Körperfülle, da er seiner Vorliebe für leibliche Genüsse nur zu gerne nachgab.

Martin Burger genoss dieses Familienidyll, bis ihm auffiel, dass jemand fehlte – Zenzi Bachhuber, der gute Geist des Doktorhauses. Sie gesellte sich sonst immer zu ihnen, wenn sie zusammensaßen, denn sie gehörte untrennbar zur Familie. Hatte sie doch Martin, der schon im Alter von elf Jahren seine Mutter verloren hatte, mit aufgezogen, sodass eine ganz besondere Beziehung zwischen ihnen bestand.

»Wo ist denn die Zenzi?«, fragte er.

»Bei der Jeggl-Alma. Anscheinend gibt es heute allerhand zu erzählen«, gab Sabine lächelnd Auskunft.

»So, so«, meinte Martin nur.

Die Jeggl-Alma besaß einen Gemischtwarenladen in der Kirchgasse ein Stück vom Doktorhaus entfernt. Das Anwesen beherbergte ebenfalls ein Friseurgeschäft, und im Obergeschoss vermietete die geschäftstüchtige Alma außerdem Fremdenzimmer. Schon mancher Gestrandete hatte bei ihr Aufnahme und Zuspruch erhalten, bis er wieder auf eigenen Beinen stehen konnte.

Dr. Burger fand zwar, dass der »Dorfbrunnen«, so der heimliche Name des Ladens, die Brutstätte des Klatsches war, was er aufs Schärfste missbilligte, doch andererseits hatte Alma das Herz auf dem rechten Fleck, und dafür schätzte er sie.

Mit dem aufmerksamen Blick der fürsorglichen Mutter stellte Sabine fest, dass das Laura-Mauserl sich die Augen rieb und bald weinerlich werden würde. Sie stand auf, bereitete in der Küche das Abendessen der Kleinen zu und fütterte sie geduldig.

Pankraz erbot sich wie fast jeden Abend, seine Enkelin zu Bett zu bringen und ihr eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Doch als Sabine Laura nach oben trug, war sie schon halb eingeschlafen, die Frühlingssonne hatte sie müde gemacht.

Und so saßen sie bald wieder zusammen auf der Terrasse, um den schönen Frühlingsabend zu genießen.

***

Kurz darauf kehrte Zenzi ins Doktorhaus zurück. Dr. Burger beäugte sie misstrauisch.

Zenzi Bachhuber war eine hagere Frau von dreiundsechzig Jahren und mit ihrem Knoten, der fest auf ihrem Hinterkopf saß, eine strenge Erscheinung. Und streng waren auch ihre Prinzipien, besonders was die Kindererziehung anbelangte. Doch glücklicherweise wandte Zenzi sie nie an, dafür liebte sie »ihre Familie«, vor allem aber die Kinder, viel zu sehr. Allen voran Tessa, das Naschkatzerl, konnte sie besonders gut um den Finger wickeln.

»Habt ihr wieder ein paar Likörchen verkostet, du und die Alma?«, fragte Martin.

Zenzi war offensichtlich ziemlich aufgewühlt, ihre Wangen waren gerötet, und aus ihrem Knoten hatte sich doch tatsächlich eine Strähne gelöst.

Die Hauserin funkelte ihn gekränkt an.

»Nein, das haben wir net, was du immer gleich denkst.«

»Oder gibt es ein neues Gerücht?«, spöttelte er.

»Ein Gerücht net, aber eine Neuigkeit, und zwar eine erfreuliche.«

Dann verstummte sie, und Sabine goss ihr ein Glas Zitronenlimonade ein, um ihren Redefluss wieder in Gang zu bringen. Zenzi trank genüsslich, versank dann aber in Schweigen.

»Nun spann uns net so auf die Folter, Zenzerl. Vor allem net, wenn es sich um eine erfreuliche Neuigkeit handelt«, kam ihr Martin entgegen.

»Stellt euch vor, zum ersten Mal gibt es auch bei uns eine Waldkönigin.«

»Unglaublich. Und wer ist die Glückliche?«, wollte Martin wissen.

»Viele Waldbauernhöfe gibt es ja net in der Nähe. Die Pia Landegger wurde einstimmig zur Waldkönigin gewählt.«

»Einstimmig? Das hört man aber selten«, warf Pankraz ein.

»Im Bauernblatt ist ein Bild von ihr. So ein schönes Madel. Und Forstwirtin ist sie auch.«

Tessa hatte, wie so oft, aufmerksam das Gespräch der Erwachsenen mitverfolgt.

»Gibt es eigentlich auch einen Waldkönig?«, wollte sie wissen.

Das löste natürlich allgemeines Gelächter aus, und Tessa begann zu schmollen.

»Na, es gibt nur Wein- und Waldköniginnen, die werden gewählt«, erklärte Sabine schnell, »das ist so Brauch.«

»Höchstens die Vertretung von unserem Förster Reckwitz. Dieser Gabriel Raithner, so heißt er doch, führt sich so auf, als wäre er der König der Wälder«, meinte Pankraz.

Förster Reckwitz war nach einem schweren Unfall, der einen langen Krankenhausaufenthalt notwendig gemacht hatte, nun mit seiner Frau in einer Rehaklinik untergebracht. Während dieser Zeit vertrat ihn Gabriel Raithner, der auch das Untergeschoss des Försterhauses bewohnte.

»Ja, er ist kein einfacher Mensch, aber er hat ja auch recht. Er fühlt sich halt für die Tiere des Waldes verantwortlich«, verteidigte ihn Sabine.

»Sicher ist bei der Jeggl-Alma auch das tragische Schicksal der Familie Landegger zur Sprache gekommen«, nahm Pankraz wieder den ursprünglichen Gesprächsfaden auf.

»Das kann man sich doch denken. Das war ja ein Unglück damals. Fast die ganze Familie ist ausgelöscht worden«, lamentierte Zenzi und bekreuzigte sich.

»Was für ein Unglück? Das muss vor meiner Zeit in St. Christoph gewesen sein«, warf Sabine ein.

»Die Landeggers, die Eltern und die zwei Kinder, sind im Winter nach Mayrhofen zu einer Weihnachtsfeier gefahren. Und das, obwohl ihnen die Altbäuerin dringend davon abgeraten hatte.«

»Die Landegger-Lydia hat nämlich das zweite Gesicht«, fiel Zenzi Pankraz mit gesenkter Stimme ins Wort.

Dann bekreuzigte sich Zenzi hastig noch einmal, denn wie die meisten Gebirgler war sie abergläubisch.

»Auf der Rückfahrt, die Dunkelheit war gerade hereingebrochen, fiel plötzlich ein heftiger Eisregen nieder, und es bildete sich Blitzeis auf der Straße zwischen Mayrhofen und St. Christoph. Alles ging so schnell, dass der Landegger-Quirin nicht mehr reagieren konnte. Er verlor die Kontrolle über seinen Wagen und ...«

Pankraz' Blick fiel auf die Kinder, die an seinen Lippen hingen, und er unterbrach abrupt seine Schilderung.

»Allein die Pia überlebte schwer verletzt«, fuhr er dann fort. »Als sie sich endlich wieder erholt hatte, wurde das Sorgerecht Lydia übertragen, sodass das Madel in ihrer gewohnten Umgebung aufwachsen konnte. Aber gut hatte sie es bei ihr nie gehabt.«

»Das kann man wohl sagen«, meldete sich Zenzi wieder zu Wort. »Die Lydia war ja zeitlebens ein Gifthaferl, und nach dem Tod ihres Sohns und des Enkels ist es noch schlimmer mit ihr geworden. Sie hat der armen Pia sogar vorgeworfen, dass es besser gewesen wäre, wenn sie den Tod gefunden hätte und net ihr Vater oder ihr Bruder. Schließlich wäre sie nur ein nutzloses Madel und daher net imstand, den Hof zu bewirtschaften.«

»Das ist ja furchtbar«, stieß Sabine entsetzt hervor. »Und wie ist es dann überhaupt mit dem Hof weitergegangen?«

»Die Gemeinde hat den Hof vorübergehend bewirtschaftet, und es wurden auch Waldarbeiter von der Kommune gestellt. Inzwischen hat die Pia Forstwirtschaft studiert und danach den Hof übernommen, für ihre Helfer muss sie dadurch allerdings selbst aufkommen. Zuerst haben alle Zweifel gehabt, aber sie hat bewiesen, dass sie ihren Mann steht, wenn man das so sagen darf«, schloss Pankraz.

»Und nun ist sie zu aller Freude sogar unsere Waldkönigin geworden«, fügte Zenzi sichtlich befriedigt hinzu.

Ein kalter Windstoß fuhr über die Terrasse, und da es sowieso Zeit für das Abendessen war, zog man sich ins Haus zurück. Tessa und Filli deckten den Tisch, während Sabine noch einmal nach der kleinen Laura sah.

»Heute gibt es wohl kalte Küche«, neckte Martin Zenzi, die lautstark in der Küche herumzuwirtschaften begann.

»Wie kommst du denn da drauf?«

Zenzi funkelte Martin, der auf der Küchenschwelle stand, aufgebracht an. Sosehr sie ihn auch liebte, so nahm sie es ihm doch übel, wenn er ihre hauswirtschaftlichen Fähigkeiten in Zweifel zog.

Martin Burger unterdrückte ein Lächeln.

»Das ist doch naheliegend, weil du so lange bei der Jeggl-Alma ...«

»Naheliegend? Man kann auch etwas vorrichten«, fiel sie ihm ins Wort und hob einen großen Topf auf den Herd.

»Und hast du auch einen Nachtisch vorgerichtet?«, wollte Tessa wissen.

Auch Filli stand nun am Kücheneingang, was Zenzi überhaupt nicht leiden konnte, da sie sich dann wie belagert vorkam.

»Du kleines Naschkatzerl, du wirst schon sehen. Und, Martin, es gibt eine Frühlingssuppe, die muss ich nur noch aufwärmen. Dazu selbst gebackenes Brot ...«

»Und der Poldi?«

Pankraz' sonore Stimme klang vom Esszimmer her.

»Für den hab ich ein Würstl. Aber nur ein kleines, sonst schimpft die Frau Doktor wieder. Und jetzt will ich meine Ruh haben herinnen.«

Auf dieses Machtwort hin zogen sich alle zurück und nahmen ihre Plätze am Esszimmertisch ein. Sabine kehrte vom Obergeschoss zurück und berichtete, dass das kleine Mauserl tief und fest schlafe.

»Es geht halt nichts über frische Luft«, meinte Pankraz.

Der Senior unternahm häufig lange Spaziergänge mit den beiden älteren Kindern und Laura im Buggy. Natürlich mit Poldi im Gefolge, wenn sich dessen Spur nicht irgendwann in einem Fuchsbau verlor.

»Das duftet ja herrlich«, schwärmte der Großvater, als Zenzi die große altmodische Suppenterrine hereintrug.

Zenzi lächelte, ihr Groll war verflogen. Die Gemüsesuppe war wirklich köstlich und Zenzis selbst gebackenes Brot kross und wohlschmeckend. Als es noch einen Grießpudding mit Zucker und Zimt zum Nachttisch gab, waren alle bester Stimmung.

Nach dem Essen saß man noch ein wenig im Wohnzimmer zusammen, dann war Schlafenszeit für die Kinder, und Pankraz musste ihnen versprechen, eine besonders schaurige Geschichte vorzulesen.

Pankraz Burger sammelte schon seit Jahren Geschichten, Märchen, Sagen und Legenden, die er in seiner Zillertaler Chronik niederschrieb. Manches erfuhr er von alten Frauen in abgelegenen Weilern, die den Sagenschatz bewahrt hatten und ihn mündlich weitergaben, anderes wieder aus Archiven und Kirchenbüchern. Aber irgendwie schien er zu keinem Ende zu kommen, immer wieder gelang es ihm, etwas Neues zu entdecken.

Einige dieser Erzählungen gingen auf das Mittelalter zurück und waren sehr grausam, sodass sie die Kinder schon in Angst und Schrecken versetzt hatten. Daher las Pankraz nun eher harmlose Geschichten von Waldgeistern und hilfsbereiten Feen vor. Denn es durfte nicht wieder dazu kommen, dass die Kinder Albträume bekamen und ins Bett der Eltern krochen.

***

Pankraz und die Kinder stiegen ins Obergeschoss hinauf, begleitet von ihrer Mutter, die überwachte, ob die beiden auch ihre Zähne ordentlich putzten. Lachen und Gekicher schallten von oben herab, was Martin zum Schmunzeln brachte.

Er bot Zenzi seine Hilfe an, was sie wie immer abwehrte, und setzte sich auf das gemütliche Sofa ins Wohnzimmer. Zuvor holte er aber noch eine Flasche Grünen Veltliner, denn im Doktorhaus schloss man den Tag gerne mit einem Glaserl Wein ab.

Wie sehr er diese Familienabende liebte! Jahrelang hatten im Doktorhaus Trauer und Stille geherrscht. Der frühe Tod von Martins Mutter war nicht der einzige Schicksalsschlag gewesen, der die Burgers getroffen hatte. Martins erste Frau Christl war bei der Geburt ihres sehnlichst erwarteten Kindes an unerwarteten Komplikationen gestorben und hatte das Neugeborene mit in den Tod genommen.

Außer sich vor Schmerz hatte Martin Burger seine geliebte Bergheimat verlassen und in München seinen Facharzt für Unfallchirurgie gemacht. Erst als sein Vater die Praxis nicht mehr allein führen konnte, war er nach St. Christoph zurückgekehrt.

Damals war die Praxis im Anbau des Doktorhauses durch einen Röntgenraum, ein Labor, einen kleinen Operationssaal sowie zwei Krankenzimmer für Notfälle erweitert worden. So war praktisch eine Mini-Klinik entstanden, worüber nicht nur Dr. Burger, sondern auch die Dörfler sehr froh waren.

Sie liebten ihren Doktor über alles und nannten ihn schon seit Jahren den »Bergdoktor«. Zusammen mit seinem Freund Dominikus Salt, dem Leiter der Bergwacht, hatte Dr. Burger schon mehr als einen leichtsinnigen Touristen aus Bergnot gerettet, und vielleicht hatte sein Beiname auch dort seinen Ursprung. Jedenfalls war er sehr stolz darauf.

Schon seit jeher half Dr. Burger seinen Patienten nicht nur bei körperlichen Leiden, sondern war auch um ihr seelisches Wohl besorgt und versuchte so manchen, der aus der Bahn geworfen worden war, wieder auf den rechten Weg zurückzuführen.

Nachdem der Bergdoktor damals seine erste Frau verloren hatte, hatte im Mittelpunkt seines Lebens fortan nur noch die Arbeit gestanden. An ein persönliches Glück hatte er nicht mehr zu glauben gewagt.

Doch dann hatte er bei einem Patientenbesuch die junge Wiener Anästhesistin Sabine kennengelernt. Schon beim ersten Blick in ihre Augen war es um ihn geschehen gewesen. Wunderschöne braune Augen hatte sie, in denen goldene Fünkchen tanzten. Sie standen im Gegensatz zu dem leuchtend blonden Haar, das sie später ihrem Sohn Philipp vererbt hatte.

Ja, sie war sehr hübsch, aber vor allem ihr herzliches, zugewandtes Wesen hatte sofort Martins Herz höherschlagen lassen.

Trotz des Altersunterschieds von sechzehn Jahren hatte er begonnen, um Sabine zu werben. Und die fesche Wienerin hatte seine Liebe mit der gleichen Glut erwidert und war die Seine geworden. Immer wieder beteuerte sie, dass sein jugendliches Äußeres sie immer noch anzog – seine sportliche Gestalt, die markanten Züge, sogar der leichte Silberschimmer an seinen Schläfen. Schon als junges Madel habe sie für Männer mit grauen Schläfen geschwärmt, behauptete sie stets.

Sabine hatte alles für ihn zurückgelassen, was ihr bisheriges Leben ausgemacht hatte. Ihre Karriere an einem Wiener Großklinikum, ihre Freunde und Kollegen und die kulturelle Vielfalt und die Zerstreuungen einer pulsierenden Weltstadt. Doch sie hatte es nie bereut. An Martins Seite war sie in dem abgelegenen Gebirgsort glücklich geworden und hatte mit ihm eine Familie gegründet.