Der Bergdoktor 1935 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1935 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Im Herbst bin ich zurück! - Warum die schöne Anni vergeblich auf ihren Liebsten wartete


Sechs Monate Trennung? Eine Ewigkeit für Anni! Tapfer beißt die junge Bäuerin die Zähne zusammen und lässt ihren Liebsten ziehen. Lukas soll nicht merken, wie weh ihr ums Herz ist. Wegen seiner guten Leistungen hat er ein Stipendium für ein Auslandssemester bekommen. Das ist eine Chance, die sie ihm nicht verbauen will.

Um sich von ihrem Schmerz abzulenken, stürzt sich Anni nach Lukas‘ Abreise in die Arbeit auf dem Hof. Ihre seltsame Schwäche und die Kreislaufprobleme führt sie auf die Sehnsucht und die vielen schlaflosen Nächte. Ach, wenn doch erst Herbst wäre!

Doch als die Tage kürzer und die Nächte länger werden, bleiben plötzlich die Anrufe von Lukas aus und Anni ist nur noch ein Schatten ihrer selbst ...

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Im Herbst bin ich zurück!

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6766-9

www.bastei-entertainment.de

Im Herbst bin ich zurück!

Warum die schöne Anni vergeblich auf ihren Liebsten wartete

Von Andreas Kufsteiner

Sechs Monate Trennung? Eine Ewigkeit für Anni! Tapfer beißt die junge Bäuerin die Zähne zusammen und lässt ihren Liebsten ziehen. Lukas soll nicht merken, wie weh ihr ums Herz ist. Wegen seiner guten Leistungen hat er ein Stipendium für ein Auslandssemester bekommen. Das ist eine Chance, die sie ihm nicht verbauen will.

Um sich von ihrem Schmerz abzulenken, stürzt sich Anni nach Lukas’ Abreise in die Arbeit auf dem Hof. Ihre seltsame Schwäche und die Kreislaufprobleme führt sie auf die Sehnsucht und die vielen schlaflosen Nächte zurück. Ach, wenn doch erst Herbst wäre!

Doch als die Tage kürzer und die Nächte länger werden, bleiben plötzlich die Anrufe von Lukas aus und Anni ist nur noch ein Schatten ihrer selbst …

Im Frühling lag ein geheimnisvoller Zauber über dem Zillertal. In den tieferen Regionen wurden die Wiesen und Hänge beinahe über Nacht grün. Die ersten Schmetterlinge tanzten miteinander durch die Gärten. Doch auf den Bergen lag noch Schnee und verriet, dass der Winter noch nicht recht weichen mochte.

Mit einem Becher Kaffee in der Hand trat Dr. Burger an diesem Morgen vor sein Haus und ließ den Blick über die zauberhafte Umgebung schweifen. Es war noch so früh am Tag, dass Dunst zwischen den grünen Hügeln hindurchtrieb, aber der veilchenblaue Himmel versprach wieder einen schönen Tag.

Am Zaun des Doktorhauses neigten sich die Rosen sacht im Morgenwind. Ein Eichhörnchen huschte durch den Garten und so geschwind am Stamm der Kiefer empor, dass es im Nu wieder verschwunden war.

Dem Arzt wurde die Brust weit. So klein sein Heimatdorf auch war, so groß war der Platz, den es in seinem Herzen einnahm. Er war hier aufgewachsen und nach etlichen Jahren in der Fremde heimgekehrt, um die Praxis seines Vaters zu übernehmen. Diese Entscheidung hatte er bislang noch keinen Tag bereut.

In St. Christoph hatte er nicht nur eine Aufgabe gefunden, sondern auch das Glück mit seiner lieben Frau und seinen drei Kindern.

Bis zu seiner Sprechstunde blieben ihm noch zwei Stunden Zeit, deshalb wollte er die Morgenzeitung hereinholen und die neuesten Nachrichten lesen. Dazu kam er jedoch nicht mehr.

Ein Mann wankte die Dorfstraße herauf und taumelte, als wäre er betrunken. Ein Blick auf seine blau verfärbten Lippen verriet, dass nicht der Alkohol seine Schritte wanken ließ, sondern akuter Sauerstoffmangel!

Manuel Hochlechner war erst vor Kurzem ins Dorf gezogen. Der junge Landwirt hatte den Hof seines verstorbenen Patenonkels geerbt und blieb meistens für sich. Er war Mitte zwanzig und wirkte stets ernst, sogar ein wenig verschlossen.

An diesem Morgen waren seine dunklen Haare so zerzaust, als wäre er sich mehrfach mit den Händen hindurchgefahren. Seine Kleidung bestand aus einem Hemd, einer Jeans und Gummistiefeln, die verrieten, dass er geradewegs aus dem Stall kam.

»Ich brauch Ihre Hilfe, Herr Doktor«, stöhnte er und keuchte dabei, als hätte er einen Marathon hinter sich. Trotz der morgendlich kühlen Temperaturen war seine Haut schweißnass. Und seine Fingernägel waren bläulich verfärbt.

Kein gutes Zeichen!

»Eine Biene … gestochen … Allergie«, brachte er noch hervor, ehe seine Beine unter ihm nachgaben. Er wäre auf den Gehweg gestürzt, hätte Dr. Burger das Verhängnis nicht vorausgeahnt und ihm einen Arm um die Schultern geschlungen.

»Komm, Manuel. Ich bring dich in meine Praxis. Dort kann ich dir helfen.« Er stützte seinen Patienten auf dem Weg ins Haus.

Im Sprechzimmer sank der junge Landwirt wie ein nasser Kartoffelsack auf die Untersuchungsliege. Er legte sich jedoch nicht hin, sondern blieb vornüber gekrümmt sitzen und schnappte japsend nach Luft.

»Ich kann net … atmen!«, stieß er mühsam hervor und nestelte an seinem Hemdkragen. »Die Biene saß auf der Mistgabel. Ich hab … in sie hineingefasst.«

»Du wurdest also gestochen? Bist du allergisch auf Bienengift?«

»Ja. Seit meiner Kindheit.«

»Ich verstehe. Wo wurdest du gestochen?«

»Da …« Manuel Hochlechner deutete auf seinen Oberarm.

»Hast du ein Notfallset?«

»Net hier. Hab es irgendwo … liegen lassen. So lange net gebraucht.«

»Alles klar.« Der Bergdoktor untersuchte seinen Patienten. Das Herz des jungen Landwirts raste, und sein Atem ging flach und mühsam. Seine Atemwege waren hörbar verengt. An seinem Oberarm fand sich ein geröteter und stark geschwollener Einstich. Der Stachel der Biene steckte noch in seiner Haut. In seinen weit aufgerissenen Augen stand Todesangst.

Bei einem gesunden Menschen verursachte der Stich eine Biene Schmerzen und Juckreiz an der Einstichstelle. Beides verging nach kurzer Zeit von allein. Bei Allergikern sah das anders aus. Ihnen drohten nach einem Stich Atemstillstand und Kreislaufversagen. Manuel brauchte dringend Hilfe, sonst würde seine Atmung aussetzen – und das konnte jede Sekunde passieren!

Dr. Burger legte einen venösen Zugang und verabreichte seinem Patienten linderndes Kortison, ein abschwellendes Antihistaminikum sowie Adrenalin, das seine Gefäße in Minutenschnelle verengen und damit Blutdruck und Kreislauf stabilisieren sollte.

Tatsächlich kam der Atem seines Patienten nach kurzer Zeit ruhiger.

Der Landarzt entfernte den Stachel behutsam mit einer Pinzette und desinfizierte die Einstichstelle.

»Das Schlimmste wäre überstanden, Manuel.«

»Ich fühl mich wirklich schon besser«, sagte der junge Landwirt und atmete auf. »Haben Sie vielen Dank, Herr Doktor. Mei, unterwegs dachte ich schon, ich würde es nimmer bis zu Ihnen schaffen.«

»Es war knapp, und die Gefahr ist auch noch net ganz vorüber. Ich muss dich zur Beobachtung in die Klinik überweisen.«

»Ins Krankenhaus? Nein, das geht net. Ich muss mich um meine Tiere kümmern.«

»Du wärst gerade beinahe gestorben. Es wäre besser, du würdest für vierundzwanzig Stunden unter ärztlicher Beobachtung bleiben. Nur zur Vorsicht. Gibt es jemanden, den ich für dich anrufen soll und der heute für dich einspringen könnte?«

»Nein.« Ein Schatten schien plötzlich auf das Gesicht des Landwirts zu fallen. »Da gibt es niemanden. Ich muss wirklich wieder auf meinen Hof und die Tiere versorgen. Sie können keinen ganzen Tag ohne Futter und Wasser im Stall auskommen.«

»Du würdest keine hundert Meter weit kommen.« Dr. Burger sah seinen jungen Patienten besorgt an. Manuel war noch neu im Dorf, deshalb wusste er nicht viel über ihn, aber eines war nicht zu übersehen: Das Leben hatte dem Jungbauern schon Wunden zugefügt. Auf keinen Fall würde er ihn ohne Hilfe gehen lassen. »Ich kann herumtelefonieren und jemanden finden, der heute für dich einspringt. Vielleicht dein Nachbar …«

»Mein Nachbar?« Manuel stieß einen rauen Laut aus. »Er würde mir net mal helfen, wenn ich zu nah am Rand eines Abgrunds stehen würde. Vermutlich würde er mir noch einen kräftigen Stoß in den Rücken geben.«

»Der Würtler-Reinhold?« Der Bergdoktor horchte auf. »Gibt es einen Zank zwischen euch?«

»Schlimmer«, erwiderte sein Patient dumpf. »Es ist viel schlimmer!«

***

»Soll ich wirklich net mit reinkommen?« Beklommen schaute Anni ihren Freund an.

Sie standen unter dem gläsernen Dachaufbau vor dem Münchner Flughafen. Rings um sie herrschte reges Treiben. Zahlreiche Reisende strebten mit Rollkoffern an ihnen vorüber. Sie schienen genau zu wissen, wo sie hinmussten.

In der Nähe lockte ein Imbissstand mit sommerlichen Eissorten, aber Anni hätte jetzt keinen Bissen heruntergebracht, und wenn ihr Leben davon abgehangen hätte. Ihr war so flau im Magen, als stünde sie wieder kurz vor ihrer Matura. Der Abschied, vor dem ihr seit Monaten gegraut hatte, war gekommen.

»Ich würde mich lieber hier draußen von dir verabschieden«, sagte Lukas. Seine Stimme klang rau und belegt und verriet, dass ihm das Lebwohl nicht leichtfiel. Ein nagelneuer blauer Trolley stand neben ihm. Darin war sein Handgepäck verstaut. Alles Übrige hatten sie schon vor Wochen vorausgeschickt. Lukas würde sechs Monate in Kalifornien verbringen und brauchte dementsprechend viele Sachen.

Anni brachte die Vorstellung, ein halbes Jahr ohne ihn zu sein, beinahe um, aber sie versuchte, sich ihren Kummer nicht anmerken zu lassen.

»Wir könnten dir noch ein paar Snacks für den Flug besorgen«, überlegte sie. »Und Zeitschriften! Du wirst zwölf Stunden in der Luft sein. Die Zeit kann lang werden.«

»An Bord gibt es Verpflegung«, beruhigte Lukas sie. »Und bestimmt zeigen sie die neuesten Filme. Mir wird es sicher net langweilig.«

»Ich möchte nur, dass dir nichts fehlt.«

»Aber das wird es, ganz egal, was wir jetzt noch kaufen. Du wirst mir unendlich fehlen, mein Schatz.« Er legte die Arme um sie und hielt sie fest.

Seine Wärme hüllte sie ein wie ein schützender Mantel. Anni barg das Gesicht an seiner Schulter und wünschte sich, sie könnte diesen Augenblick so festhalten wie ihren Liebsten, aber er war so flüchtig wie ein Windhauch. Kaum gekommen, schon wieder vorbei.

»Wir werden jeden Tag skypen«, versprach Lukas ihr. »Ich melde mich, so oft ich kann.«

»Das ist gut.« Anni nickte tapfer und blinzelte die aufsteigenden Tränen zurück. Bloß net weinen!, ermahnte sie sich. Mein Schatz soll mich net mit roter Nase und verquollenen Augen in Erinnerung behalten. Sie versuchte ein Lächeln, aber es verrutschte, und ein verräterisches Schluchzen entfuhr ihr.

»Ich muss net fliegen«, sagte Lukas ernst. »Ein Wort von dir, und ich bleibe hier. Meinen Abschluss kann ich auch daheim machen.«

Das war er, der Moment, an den sie sich später noch oft erinnern sollte.

»Nein«, erwiderte sie leise. »Du musst fliegen. Dieses Stipendium für die California State University ist eine einmalige Chance. Professor Stetson wird dich unter seine Fittiche nehmen. Er ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der technischen Orthopädie. Du wirst bei ihm unendlich viel lernen können.«

»Ich freue mich auch darauf, mir bei ihm einiges abzuschauen, aber ich kann mir net vorstellen, sechs Monate ohne dich zu sein.«

»Wir werden das schon schaffen. Schau nur, es gibt so viele großartige Dinge, auf die du dich freuen kannst: auf deine Professoren und die sonnigen Strände. Und vergiss net: In Kalifornien bist du neun Stunden jünger.« Sie kniff verschmitzt ein Auge zu und brachte ihn damit zum Lachen.

»Richtig. Wie konnte ich das vergessen?«

Lukas wurde wieder ernst und sah sie so forschend an, als wollte er sich jeden ihrer Züge genau einprägen. Ihr Herz flog ihm entgegen, als er sie zärtlich an sich drückte und küsste.

Oh, sie liebte ihn so sehr! Lukas sagte stets offen, was er dachte. Das war nur eines der vielen Dinge, die ihr an ihm gefielen. Er hatte ein großes Herz und sah in anderen Menschen stets das Gute.

Anni liebte sein Lachen und die Wärme, die ihr aus seinen braunen Augen entgegenleuchtete. Sie waren beide in St. Christoph aufgewachsen und hatten sich auf einem Sommerfest ineinander verliebt.

Lukas hatte sein Heimatdorf für sein Studium verlassen und stand kurz vor seinem Abschluss. Seine ausgezeichneten Leistungen hatten ihm eines der begehrten Stipendien in den USA eingebracht.

Die Zukunft leuchtete ihnen in den schönsten Farben. Sie hatten vor, nach seiner Rückkehr im Herbst zu heiraten, und Lukas wollte dann auch eine eigene Firma gründen. Er war ein Ass, wenn es um Computer ging. Sein Vater hatte nach einem Unfall ein Bein verloren und hatte eine Prothese getragen. Das war Lukas’ Ansporn gewesen, Prothesen mit Computertechnik auszustatten, um sie beweglicher und vielfältiger einsetzbar zu machen. Er wollte Software entwickeln, die in der Medizin Anwendung fand und Kranken das Leben erleichterte.

Sobald er aus den Staaten zurück war, wollten sie sich ein gemeinsames Zuhause aufbauen.

Wenn er überhaupt zurückkommt, hörte Anni ihre Mutter plötzlich in Gedanken sagen. Für Franziska Würtler schien seine Heimkehr keineswegs festzustehen. Sie war fest davon überzeugt, dass sich Lukas so gut in Kalifornien einleben würde, dass er nicht mehr an eine Heimkehr dachte. Sonne, Meer und braun gebrannte Madeln, hatte sie gesagt. Welcher Mann könnte da widerstehen?

Mein Lukas, dachte Anni. Er ist net so einer, der sein Herz heute der einen und morgen der anderen schenkt. Er wird heimkommen. Und dann heiraten wir.

Bei diesem Gedanken machte ihr Herz einen kleinen glückseligen Hüpfer.

Lukas hatte sich für die sogenannte Summer School angemeldet. Die beiden Durchgänge dauerten bis Mitte August. Danach sollte er das Gelernte in der Firma von Professor Stetson vertieften und Ende September heimkehren. In diesen Monaten würde er alle Hände voll zu tun haben. Während der Summer Sessions wurde genauso viel Lernstoff durchgenommen wie in einem regulären Semester.

Mein Schatz wird unendlich viel lernen können, dachte Anni. Das war gut für seinen Lebenslauf. Dieses halbe Jahr war sein Sprungbrett in die Zukunft. Ihr Sprungbrett!

Lukas hatte im Internet einen günstigen Flug ab München bekommen, deshalb hatte Anni ihn dorthin gefahren. Nun hieß es Abschied nehmen.

»Hab einen guten Flug«, wünschte sie ihm erstickt.

Ihr Freund drückte ihr ein Päckchen in die Hand, das in zartgrünes Geschenkpapier eingewickelt war.

»Mach es auf, wenn ich weg bin, ja?«

Anni wollte etwas Humorvolles erwidern, aber vor lauter Kummer war ihr Kopf wie leer gefegt. Sie brachte nur ein Nicken zustande.

»Pass gut auf dich auf, mein Liebling. Im Herbst bin ich zurück.« Lukas küsste sie noch einmal, dann löste er sich von ihr, griff nach seinem Trolley und strebte dem Eingang zu seinem Terminal zu. Etwas in ihr schien zu zerbrechen, als er durch die hohe Glastür trat und wenig später aus ihrem Blicken verschwand. Nun war er fort!

Am liebsten wäre sie ihm gefolgt und hätte ihn angefleht, sie nicht zu verlassen, aber sie wollte ihm diese wunderbare Möglichkeit nicht verderben.

Lukas würde in Kalifornien so viel lernen können. Diese Zeit würde ihm für das ganze Leben nutzen. Was waren da schon sechs Monate?, sprach sie sich selbst Mut zu. Nur ein Wimpernschlag. Sie würden das durchstehen, dann konnten sie im Herbst heiraten. Alles würde gut werden. Zumindest hoffte sie das sehr.

Anni hatte ihrem Freund eine gerahmte Fotografie ins Gepäck geschmuggelt. Es war ein Schnappschuss, der sie zusammen beim Skifahren zeigte – mit roten Wangen und leuchtenden Augen, während der Schnee um sie herumwirbelte. Das Bild verriet, wie glücklich sie miteinander waren, deshalb liebte Anni es sehr.

Sie blickte auf das Päckchen in ihren Händen hinunter. Mit zittrigen Fingern löste sie das Geschenkband und öffnete es. In der mit Samt ausgelegten Schachtel lag eine Anstecknadel. Sie war aus Silber gefertigt und mit winzigen blauen Blüten besetzt: Es waren zarte Vergissmeinnicht.

Oh Lukas, ich werde dich bestimmt net vergessen.

Nun schossen ihr doch die Tränen in die Augen. Anni drückte das Geschenk an ihre Brust und stand minutenlang ganz verloren vor dem Flughafen. Um sie her verschwamm alles. Sie sehnte sich so sehr nach ihrem Freund, dass sie ihm am liebsten nachgelaufen und ihn noch von dem Abflugschalter weggezerrt hätte.

Doch das würde sie auf keinen Fall tun.

Mit einem Mal verkrampfte sich ihr Magen schmerzhaft.

Ein saurer Geschmack stieg in ihrer Kehle hoch.

Ach, du liebe Zeit!

Erschrocken schaute sie sich nach allen Seiten um.

Da! Ein Hinweisschild für ein WC. Die sanitäre Anlage war zweihundert Meter entfernt. Das könnte sie gerade noch schaffen!

Mit langen Schritten hastete Anni zu der öffentlichen Toilette.

Sie hatte Glück, fand eine freie Kabine und klappte den Toilettendeckel hoch. Dann gab ihr Magen auch schon das wenige wieder von sich, das sie zum Frühstück hinuntergebracht hatte. Schwallartig kehrte sich ihr Innerstes nach außen. Der Kummer schien ihr auf den Magen geschlagen zu sein.

Schließlich sank sie matt auf den Toilettensitz, schlang die Arme um sich und wartete, dass das Unwohlsein verging.

Könnte sie doch bloß den Kalender sechs Monate vorstellen!