Der Dreieck-Schlitzer - juergen von rehberg - E-Book

Der Dreieck-Schlitzer E-Book

Juergen von Rehberg

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Beschreibung

Vier Morde, auf bestialische Weise begangen, scheinen für das "Dream-Team Hunter" unlösbar zu sein. Ein in die Haut geritztes, auf der Spitze stehendes Dreieck im Bereich des Herzens der Opfer gibt ihnen ein Rätsel auf. Während ihrer Recherchen ergeben sich viele sehr persönliche Momente, die bisweilen von einem gewissen Humor geprägt sind. Die Lösung des Falles haben die drei Kriminalisten zu einem großen Teil dem "Kommissar Zufall" zu verdanken.

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Das erfolgreichste Trio in der Landespolizeidirektion bestand aus ChefInsp Christian „Chris“ Jäger, BezInsp Paulus „Pauli“ Obermann und BezInsp Stephanie „Fanni“ Herzog.

Christian Jäger, ob seines Namens auch scherzhaft gern einmal „Hunter“ genannt, in Anlehnung an eine amerikanische Krimi-TV-Serie, klopfte an die Tür von Brigadier Mag. Erwin Holderbaum und betrat nach einem kurzen „Herein!“ das Zimmer seines Chefs.

„Du hast mich rufen lassen?“, fragte ChefInsp Jäger und nahm unaufgefordert vor dem Schreibtisch seines Chefs Platz.

„Setz dich doch bitte, mein Junge“, sagte der Leiter der Dienststelle lächelnd, der sich mit der flapsigen Art seines Neffen schon längst abgefunden hatte.

Christian Jäger war der Sohn seiner Schwester Eva, die mit Christians Vater verheiratet war. Erich Jäger, ebenfalls Polizeibeamter, war vor zwölf Jahren im Dienst erschossen worden.

Erwin Holderbaum, damals noch Bezirkshauptmann, kümmerte sich nach dem tragischen Tod seines Schwagers um seine Schwester und den damals noch kleinen Christian.

Er unterstützte ihn auch, als er – gegen den heftigen Widerstand seiner Mutter – in den Polizeidienst eintrat. Und für Christian war Onkel Erwin fortan Vaterersatz und großes Vorbild.

„Wie geht es Jutta und der kleinen Petra?“, fragte Erwin Holderbaum, und Christian antwortete:

„Danke, gut, Onkel Erwin; aber deswegen hast du mich sicher nicht rufen lassen.“

„Ich darf mich doch nach meiner Lieblingsnichte und dem kleinen Sonnenschein erkundigen, Chefinspektor Jäger“, erwiderte Erwin Holderbaum, „oder spricht etwas dagegen?“

„Natürlich nicht, Herr Magister“, antwortete Christian Jäger lachend, „aber sag schon, warum hast du mich wirklich rufen lassen?“

„Es ist schrecklich mit euch jungen Leuten“, antwortete Erwin Holderbaum, „ihr habt einfach keine Geduld.“

Erwin Holderbaum schaute seinen Neffen an. Er war stolz auf den Burschen, der eine blitzsaubere Karriere hingelegt hatte und das ohne seine Protektion.

Es gab sicher nicht viele Polizisten, die es mit 26 Jahren schon zum Chefinspektor gebracht hatten. Und das war ganz bestimmt noch nicht das Karriereende.

„Ist das <Dreamteam Hunter> einsatzbereit?“

Christian Jäger war nicht wirklich überrascht, als er die Frage seines Onkels hörte.

Sein Spitzname „Hunter“ war allbekannt und machte auch nicht vor seinem Onkel halt. Und die Bezeichnung „Dream-Team“ stammte sogar von ihm.

Die Aufklärungsquote von Christian Jäger und seinen beiden Mitstreitern Paul Obermann und Stephanie Herzog war beeindruckend, und hatte schon einige Neider auf den Plan gerufen.

„Allzeit bereit, Onkel Erwin“, antwortete Christian Jäger und hob seine rechte Hand zum Pfadfindergruß auf Schulterhöhe.

Erwin Holderbaum hatte – nach dem Tod seines Schwagers – seiner Schwester nahegelegt, ihren Sohn Christian, der den Tod seines Vaters nicht zulassen wollte, zu den Pfadfindern zu schicken.

Anfänglich dagegen, musste Eva Jäger schon sehr bald erkennen, dass dies eine richtige und ebenso sinnvolle Entscheidung war. Christian war in Strukturen eingebunden und ging in der Gemeinschaft voll auf.

Onkel Erwin erwiderte den Gruß, der ihm durchaus geläufig war. Er war selbst dabei und schied aus, als er ein „Ranger“ war. Danach begann er eine Ausbildung bei der Polizei.

„Ich habe einen speziellen Fall für dich und dein Team“, sagte Erwin Holderbaum, und bevor er weitersprechen konnte, sage Christian Jäger spontan:

„Der Dreieck-Schlitzer“.

„Ja“, antwortete Erwin Holderbaum, dem diese Bezeichnung nicht sehr gefiel, die er aber tolerierte.

„Mach dich sofort daran“, fuhr Erwin Holderbaum fort, „ich bekomme schon mächtig Druck von ganz oben.“

„Wie das?“, fragte Christian Jäger.

„Das Opfer ist Marianne Ziegler, die Tochter des Ministers.“

„Ja, dann…“, sagte Christian Jäger lapidar, der Probleme mit Obrigkeiten hatte, die ihren Stand dazu ausnutzten, um sich eine Bevorzugung zu verschaffen.

„Mach es einfach, Burli“, sagte Onkel Erwin, und Christian Jäger musste lächeln. So hatte ihn sein Onkel seit Ewigkeiten nicht mehr genannt.

Die Mutter tat es hin und wieder und das, obwohl Christian sie immer wieder einmal gebeten hatte es zu unterlassen. Gewirkt hatte es jedoch nie.

„Ich kümmere mich darum“, sagte Christian Jäger und verabschiedete sich von seinem Onkel Erwin, den er außerhalb dieses Zimmers, in den restlichen Diensträumen des Gebäudes, stets respektvoll mit „Herr Magister“ ansprach.

*****

Als ChefInsp Jäger mit seinen beiden Kollegen wenig später den Pathologen aufsuchten, wurden sie überrascht.

Anstelle des alten Dr. Zieselmann, empfing sie ein eher kleinerer Mann, vom Alter her nur schwer einzuschätzen, mit den Worten:

„Mag. Holderbaum hat Sie schon avisiert.“

ChefInsp Jäger betrachtete den Mann mit einem gewissen Argwohn, hatte er doch seinen Onkel Erwin gerade in einer eher despektierlicheren Art benannt.

„Und wer sind Sie?“, fragte Christian Jäger in einem leicht aggressiven Tonfall, „und wo ist Dr. Zieselmann?“

„Letzteres vermag ich nicht zu beantworten“, erwiderte der kleine Mann in sachlichem Ton, „und was meine Person betrifft, so darf ich mich vorstellen:

Ich heiße Dr. Dr. Michael Winter und bin ab heute der Pathologe in diesem Institut.“

Die drei Kriminalisten sahen einander erstaunt an, und der BezInsp Paulus Obermann fragte sich gerade, wozu ein Mensch zwei Doktortitel braucht.

Als könnte der Pathologe Gedanken lesen, sagte er nicht ohne einen gewissen Stolz:

„Der zweite Doktortitel steht für <Doktor der Philosophie>, und wofür der erste Titel steht, ist ja wohl offensichtlich.“

„Zeigen Sie uns bitte die Leiche von Marianne Ziegler“, sagte ChefInsp Jäger im selben Tonfall, wie zuvor. Seine Aversion wider diesen Menschen hatte gerade noch etwas zugenommen.

„Wollen Sie nicht zuerst sich und Ihre Begleitung vorstellen?“, fragte Dr. Dr. Winter mit einem Lächeln, welches ihn die letzten Sympathien kostete, sollten je welche vorhanden gewesen sein.

„Ich bin Chefinspektor Jäger, und das sind die Bezirksinspektoren Obermann und Herzog“, sagte Christian Jäger, „und jetzt zu der Leiche, wenn ich bitten darf.“

„Sie dürfen, mein Lieber“, erwiderte der Pathologe, und bevor Christian Jäger sich diese Bezeichnung verbitten konnte, bedeutete er den drei Kriminalisten mit einer Handbewegung ihm zu folgen.

Dann zog er aus einem Kühlfach die Leiche der jungen Frau heraus, an deren rechten Großzehe ein Schildchen hing mit der Aufschrift: „Marianne Ziegler“.

„Voilà, hier ist das gewünschte Objekt.“

„Was ist das denn?“, fragte BezInsp Herzog und deutete auf die linke Brust der Toten.

„Das, meine Liebe“, antwortete Dr. Dr. Winter, „das ist deutlich erkennbar ein Dreieck.“

„Ich weiß, Herr Doktor“, antwortete Stephanie Herzog, „weil es nicht rund ist; denn sonst wäre es ja ein Kreis.“

Stephanie Herzog war nicht auf den Mund gefallen, und das war schon mehrmals hinderlich im Bezug auf ihre Karriere. Sie war um einiges älter als Christian, und eigentlich müsste sie schon ChefInsp sein, wäre das nicht das besagte lose Mundwerk.

Paulus Obermann erschrak. Er war erst vor kurzem in Christians Abteilung gekommen und kannte seine ältere Kollegin noch nicht gut.

Christian lächelte. Er sah zu Stephanie und nickte ihr zu, als kleiner Beweis seiner Dankbarkeit.

BezInsp Herzog nickte zurück. Hatte sie anfänglich noch etwas geschmollt, als ihr der wesentlich jüngere Kollege vor die Nase gesetzt worden war, so waren sie inzwischen doch gute Freunde geworden.

„Also was ist jetzt mit dem Dreieck, Herr Dr. Doktor?“, fuhr Stephanie fort, „was können Sie uns dazu sagen?“

Jetzt zuckte sogar Christian leicht zusammen. Stephanie drohte gerade den Bogen etwas zu überspannen.

Der Pathologe sah sie an, und alle im Raum Anwesenden harrten der Dinge, die da jetzt kommen würden.

„Das Dreieck wurde mit einem Messer flach in die Haut geritzt“, überspielte der Pathologe die Situation in betont lässiger Art, denn in seinem Innersten brodelte es gewaltig, was sein gerötetes Gesicht erkennen ließ.

„Es dürfte sich wahrscheinlich um ein mittelgroßes Küchenmesser handeln; aber das muss ich erst noch genauer untersuchen.“

„War das die Todesart?“, meldete sich jetzt Paulus Obermann zu Wort.

„Nein, dazu war die Messerführung nicht tief genug“, antwortete der Pathologe, der sich nun in sachlicher Weise zu der Toten äußerte. Vermutlich hatte er keine Lust mehr sich weiteren verbalen Angriffen von BezInsp Herzog auszusetzen.

„Letal war ein Stich ins Herz des Opfers, zentral in der Mitte des Dreiecks ausgeführt.“

„Mit dem selben Messer?“, fragte Paulus Obermann, was einen vorwurfsvollen Blick seiner beiden Kollegen nach sich zog.

„Dazu ist die Einstichstelle doch viel zu fein, Pauli“, sagte Christian, „siehst du das nicht?“

„Ich habe es nicht klar erkennen können“, versuchte sich Paulus herauszuwinden, dem es gerade sehr peinlich war, dass ihn sein Kollege vor dem Pathologen mit seinem Spitznamen „Pauli“ angesprochen hatte.

Es hatte sich eingebürgert, dass die drei Kriminalisten sich untereinander mit „Chris“, „Fanni“ und „Pauli“ anredeten, zumal ihre normalen Vornamen sich wunderbar dazu anboten.

Aber gerade eben - vor dem Herrn Dr. Dr. – fand das Paulus nicht so prickelnd. Er dokumentierte das auch mit einem vorwurfsvollen Blick zu Christian, der diesen aber nur leicht streifte.

„Ob Stilett oder eine Stricknadel, das muss ich erst noch herausfinden“, sagte der Pathologe, „ich habe die Leiche noch nicht lange auf dem Tisch.“

„Dann geben Sie mal ordentlich Gas, Herr Doktor“, sagte ChefInsp Jäger. „Der Herr Magister Holderbaum wird Ihnen ja gesagt habe, um wen es sich bei der Leiche handelt.“

„Und wenn diese Dame die Königin von Saba wäre, so würde es trotzdem die Zeit in Anspruch nehmen, die es braucht, um ein seriöses Untersuchungsergebnis zu erstellen“, antwortete der Pathologe in seiner ursprünglichen, überheblichen Art, zu welcher er gerade zurückgekehrt war.

*****

„Was für ein Kotzbrocken“, zischte Fanni Herzog, „ich will mein <Zieselmännchen> wiederhaben.“

„Ich fürchte, das wird nicht möglich sein“, sagte Chris Jäger, „der kommt nicht wieder.“

„Wieso bist du dir so sicher?“, fragte Fanni.

„Weil ich es weiß“, antwortete Chris, „ich habe es vergessen euch zu sagen, tut mir leid. Dr. Zieselmann ist in Pension gegangen. Er wollte keinen großen Abgang. Er wird sich demnächst mit uns drei zu einem Abendessen treffen. Den genauen Zeitpunkt will er mir noch mitteilen.“

„Heißt das, wir müssen künftig mit diesem Zwerg zusammenarbeiten?“, fragte Fanni in Anspielung auf die Körpergröße des Pathologen.

„Ja“, antwortete Chris, „das heißt es wohl. Wir werden uns schon an ihn gewöhnen.“

„Ihr vielleicht“, erwiderte Fanni, „ich niemals!“

Fanni hatte zu Dr. Zieselmann eine ganz besondere Beziehung. Er hatte ihr einmal quasi das Leben gerettet, als er rechtzeitig einen drohenden Blinddarmdurchbruch erkannte, und sie umgehend ins Spital gebracht hatte.

„Also Dream-Team, an die Arbeit!“

Mit diesen Worten beendete Chris die leidige Diskussion um den neuen Pathologen.

„Die Kernfrage ist doch, hat das Dreieck etwas zu bedeuten, und wenn ja, was?“, eröffnete Chris die Untersuchung im Mordfall „Marianne Ziegler“.

„Ich habe mich schon schlau gemacht“, sagte Pauli. „Es gibt eine allgemeine und eine psychologische Bedeutung.“

„In unserem Fall gehe ich eher von einem psychisch gestörten Täter aus“, sagte Chris, „also was kannst du uns dazu sagen?“

„Das Dreieck ist ein Symbol der Weiblichkeit. Und weil es auf der Spitzte steht, symbolisiert es die Umrisse einer natürlichen Schambehaarung und wird daher mit der Vagina assoziiert.“

Pauli genoss seinen Auftritt, und er schaute erwartungsvoll in die Gesichter seiner Kollegen. Statt der erwarteten lobenden Worten fragte Chris:

„Heißt das es macht einen Unterschied, wie herum das Dreieck steht?“

Und noch bevor Pauli weitere Wissensergüsse von sich geben konnte, fuhr Chris fort:

„Ist ja auch egal, es steht nun einmal auf der Spitze, und das allein ist wichtig für uns.“

Und zum großen Erstaunen von Pauli, setzte Chris nach:

„Gute Arbeit, Pauli!“

„Also gehen wir von einem Psychopathen als Mörder aus“, sagte Pauli.

„Oder von einer Psychopathin“, warf Fanni ein.

Chris sah seine Kollegin erstaunt an und fragte:

„Glaubst du wirklich, dass eine Frau als Täter in Frage kommen könnte?“

„Warum nicht“, antwortete Fanni. „Frauen sind doch zu allem fähig; glaubst du nicht auch?“

Chris ließ diese Frage unbeantwortet. Stattdessen sagte er:

„Dann wird es wohl Zeit, dass wir das Umfeld der Toten abklopfen.“

„Und wo fangen wir an?“, fragte Pauli.

„Ich denke, bei ihren Eltern“, antwortete Chris.

„Du willst mit dem Minister reden?“, fragte Pauli, „bekommen wir da so ohne weiteres einen Termin?“

„So ohne weiteres wohl kaum“, sagte Fanni, „aber wir werden das Kind schon schaukeln.“