Der eiskalte Himmel - Mirko Bonné - E-Book

Der eiskalte Himmel E-Book

Mirko Bonné

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Beschreibung

August 1914. Während über Europa der "große Krieg" aufzieht, beginnt Sir Ernest Shackleton eine gewagte Expedition. Als Erster will er den antarktischen Kontinent zu Fuß durchqueren. Mit an Bord seines Schiffes ENDURANCE: 69 Schlittenhunde, ein Grammophon, ein Fahrrad - und ein blinder Passagier. Zwischen Ölzeug und Gummistiefeln versteckt, nimmt der 17jährige Merce Blackboro Kurs auf den Südpol. Über das subantarktische Südgeorgien geht die Fahrt ins Eis. Doch der antarktische Sommer ist kurz, die Durchfahrt bleibt verschlossen. Im Weddellmeer wird die ENDURANCE über Monate vom Packeis eingeschlossen; von da an driftet sie einem ungewissen Schicksal entgegen. Für die 28 Expeditionsmitglieder beginnt eine entbehrungsreiche Odyssee durch die Weiten des Südpolarmeers, zusammengehalten von Shackletons unbeugsamem Optimismus, vorwärtsgetrieben von Kälte, Hunger und der Hoffnung auf Rettung. "Der eiskalte Himmel" ist ein moderner Abenteuerroman, fesselnd bis zur letzten Seite, voll klirrender Polarluft, voller Lebendigkeit in seinen Figuren und Geschichten. In ebenso genauer wie poetischer Sprache folgt Mirko Bonnés Roman Shackletons legendärer Imperial Trans-Antarctic Expedition durch das Eis und spürt den Beziehungen unter jenen Männern nach, die für 635 Tage aus der Welt fielen.

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Seitenzahl: 533

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Inhalt

[Cover]

Titel

Widmung

Erster Teil DER HÖLZERNE FISCH

1 Gummistiefel und Schokolade

2Emyr, Gwendolyn, Dafydd und Regyn

3Postlagernd Recalada

4Ennid und das Äffchen

5 Schiffbruch

6 Im Gewimmel der Geschützrohrmatrosen

7 Heizerhände

8 »Wie geht es Ihnen, Mister Blackboro?«

9 Käpt’n Scotts Wolldecke

10 Shackleton

11 Vorstellungsgespräche

12 »Kormorane, hoiho!«

Zweiter Teil DIE AUSGELASSENE KÜSTE

1 Grytviken

2 »Woher das Schwein?«

3 Der Ausflug

4 Ein junger Held

5 Der Jonas-Orden

6 Die Bibliothek

7 Skipperliebling

8 Die Predigt

9 Cook oder: Wo wir sind, wissen wir nicht genau

10 Im Eis

Dritter Teil DIE GEFRORENEN BÜCHER

1 »Wir brauchen einen Spalt!«

2 Ein Fahrrad, ein Klavier und ein Ballon

3 Das Gewicht des Lebens spüren

4 Die antarktische Uhr

5 Maschinistenwache

6 Feindschaften

7 Das zitternde Wrack

8 Ein Berg aus Habseligkeiten

9 Die brennende Puppe

10 28 Fische für das Lager der Geduld

11 Weißer Fleck im Schnee

Vierter Teil DIE NAMENLOSEN BERGE

1 Drei Boote

2 Der Handschuh

3 Auf dem schwarzen Strand

4 Anweisungen für die Zeit der Abwesenheit

5 Woge

6 Der unsichtbare Vierte

7 Gespenster

Fünfter Teil DIE FLIEGENDE ENNID

1 Zwischen Ebbw und Usk

2 Sag willkommen, und winke zum Abschied

Mitglieder der Imperial …

Figuren und Ereignisse …

Impressum

Kurzbeschreibung

Autorenporträt

[Leseprobe – Lichter als der Tag]

Für Julika

Wer ist der Dritte, der immer neben dir geht?Wenn ich zähle, bekomm ich nur dich und mich zusammenT.S. Eliot

Erster Teil DER HÖLZERNE FISCH

Gummistiefel und SchokoladeEmyr, Gwendolyn, Dafydd und RegynPostlagernd Recalada – Ennid und das ÄffchenSchiffbruch – Im Gewimmel der Geschützrohrmatrosen – Heizerhände»Wie geht es Ihnen, Mister Blackboro?« Käpt’n Scotts Wolldecke – ShackletonVorstellungsgespräche – »Kormorane, hoiho!«

1 Gummistiefel und Schokolade

Ein zartes Schaukeln seines Gerippes, ein Knacken seiner hölzernen Knöchel, dann einmal gegen die Pier gerumst, damit jetzt keiner mehr eindöst … so vertreibt sich das Schiff die Zeit.

Es wartet darauf, dass es ablegen kann.

Und Recht hat es mit seiner Ungeduld. Worauf warten wir denn?

»Es geht los«, hat Bakewell gesagt. Aber es passiert nichts. Seit Stunden dasselbe, Schaukeln im Dunkel. Völlig gleich, ob ich die Augen auf oder zu habe. Es ist duster wie nachts in einem schwarzen Zelt.

Mensch, schmeckt das Wasser herrlich.

»Hier, musst was trinken«, hat er gesagt und mir die Pulle in den Schrank gereicht. Im Türspalt sein verrußtes Gesicht.

»Und, Kleiner, alles klar? Tu mir bloß einen Gefallen: Wenn du Hunger hast, iss nicht meine Gummistiefel. Iss die von McLeod.«

»Ho ho, Bakewell, sehr lustig, ho ho.« Schon nuckelte ich an der Flasche.

»Na komm, es geht ja los jetzt. Wir beide, was!«

Der Sage nach hat einmal König Artus in meinem Heimatdorf übernachtet – keine Ahnung, ob in einem Schrank, einem Zelt oder im Gasthof »Zur schütteren Linde« an der Landstraße nach Mynyddislwyn. So oder so ist das lange her. Und Pillgwenlly, Wales, ist weit weit weg. Heute ist einer der letzten Tage im Oktober 1914, und ich verlasse Buenos Aires. Ich fahre auf der britischen Barkantine ENDURANCE. Bin ein blinder Passagier.

Drei ihrer Matrosen haben mich auf die ENDURANCE geschmuggelt und in einem Spind für Ölzeug versteckt. Die Missetäter sind Bakewell, mit dem ich auf der USSJOHNLONDON herüberkam, How, den sie Hownow nennen, sowie McLeod, der schon auf der TERRANOVA von Kapitän Scott Richtung Südpol gefahren ist. Nach dem Städtchen, in dem er geboren wurde, wird McLeod Stornoway gerufen. Und Stornoway dürfte kaum bekannter sein als Pillgwenlly, doch hält McLeod viel auf seine Herkunft, und wenn es nach ihm ginge, würde wohl die ganze Welt wissen, wo Stornoway liegt: »Auf den Hebrrriden!«

McLeod, How und Bakewell gehören zu den 27 Männern der Imperial Trans-Antarctic Expedition von Sir Ernest Shackleton. Wenn sie es denn schafft, loszukommen, wird die ENDURANCE Kurs auf die Antarktis nehmen, die erstmals zu Fuß durchquert werden soll.

Wie es aussieht, habe ich vor, ihr 28. Mann zu werden. Und meine Chancen stehen nicht schlecht: Hat die ENDURANCE erst das Feuerschiff bei Recalada passiert, geht sie auf offene See. Über Bord wird der Sir mich nicht werfen lassen, und ob ich als der siebzigste Schlittenhund ende, wie Stornoway in seinem Suff gestern Nacht vorhergesagt hat, wird sich zeigen.

Ein Bullauge müsste der Schrank haben, und unter dem Fenster am besten gleich auch ein Bett. Ich bräuchte nur den Kopf zu heben, und schon läge ich in der silbernen Sonne überm Rio de la Plata. Blitzsauber funkelt die neue Schwebefähre. Es gibt ein besonders langes Hörner- und Trötenkonzert, weil es nicht alle Tage passiert, dass ein britischer Nationalheld unter der Transporterbrücke hindurchfährt. Hunderte von Porteños, Leute aus den Vierteln am Hafen, dürften auf der Pier stehen und Shackletons Walnuss zum Abschied viel Glück wünschen.

»Heilige Seeschlange, riecht es hier drin nach Gummi!«, hat Bakewell gesagt. Ausgerechnet den Ölzeugspind mussten die drei Teerjacken für mich ausgucken, und sie selbst lassen sich oben zwischen den kläffenden Hunden die Sonne aufs Gesicht brennen. Leb wohl, Argentinien!

Auf den Dächern der dottergelben Kontorhäuser von La Boca heulen die Sirenen. Tröten von allen Seiten. Nicht mehr lang, und der Schlepper wird die ENDURANCE freigeben. Gut geraten! Schon johlen sie, jetzt ist sie los! Und ich piepse mit. Heiho! Es geht ins Eis, ins weiße, weiße Eis!

Wir schauen uns den Beardmore-Gletscher an, und wir bestaunen Mount Erebus und Mount Terror, die beiden Eiffeltürme der Antarktis … Mit ein bisschen Glück entdecken wir den Blackboro-Pinguin oder sind die Ersten, die an der unbekannten Schelfeiskante stehen … Pillgwenlly-Land.

Ho ho, ho ho. Wenn schon, denn schon.

So sieht es aus! Was könnte ich nicht alles erzählen, wäre ich nicht so mutterseelenallein. Ich bin ein junger Mann aus einem Nest bei Newport. Bin ein Kind meiner Mutter. Nicht auszudenken! Doch, doch, ein Kind seiner Mutter zu sein ist in Zeiten des großen Krieges etwas Besonderes. In keinem unserer Feindländer bin ich je gewesen, aber ich kenne russische und deutsche Matrosen. Von Großbritannien kenne ich nur Wales und von Wales bloß ein Stück. Um genau zu sein, kenne ich Newport und die südlichen Dörfer zwischen dem Usk und dem Ebbw. Im Usk tummeln sich die größten Forellen von Wales. Ich bin sicher, dass auch König Artus das wusste.

Ich habe einen älteren Bruder, Dafydd, und eine Schwester, Regyn; ihr Mann Herman ist Vorsteher in der ältesten Fabrik von Wales, die ohne zu übertreiben von sich behaupten kann, zugleich die älteste Fabrik der Welt zu sein. In Wales stand die Wiege der industriellen Revolution, aber auch das ist lange her. Mein Schwager Herman und mein Bruder Dafydd gingen am Tag der Generalmobilmachung zum Bahnhof und fuhren zur neuen Fliegerkaserne von Merthyr Tydfil.

How erzählt, die ENDURANCE lag am selben Tag in der Themsemündung vor Anker und wartete auf den königlichen Bescheid, ob die Expedition trotz des Kriegsausbruchs stattfinden solle. Jetzt johlen sie, meine Motorschlittenkameraden, weil es ins weiße Land geht. Und mit »Hurra, hurra!« werden sie den Union Jack aufpflanzen. Aber hätte König Georg nicht bloß sein eines majestätisches Wort telegraphiert – »Go« –, sondern zwei weitere drangehängt: »to War« …, sie hätten alle gehorcht und wären in die Kanonenboote und Schützengräben gestiegen: der Sir und sein Vertreter Wild, Käpt’n Worsley und die beiden Ärzte Macklin und McIlroy, die Forscher, der Maler und der Fotograf, McNeish der Zimmermann, Green der Koch, die beiden Heizer genauso wie Vincent der Bootsmann und alle seine Matrosen. Bloß Bakewell hätte sich an die Mütze getippt und ahoi gesagt: »Nichts für mich. Bin ein Yankee ohne Heimat, und Krieg ist nur wichtig für Leute mit Heimat.«

Recht hast du, Bakie! Und weißt du was? Dass es Wichtigeres gibt, als möglichst viele Deutsche und Russen zu erschießen, das hat auch der König erkannt und nichts anderes hat er gemeint mit seinem »Go«. Der König will, dass wir etwas aus unserem Leben machen. Er will, dass wir die Ersten sind, die die Antarktis von Weddellmeer bis Rossmeer zu Fuß durchqueren. Noch unseren Urenkeln sollen wir erzählen können, wie wir es geschafft haben. Und weil das alles zu viel ist, um es in ein Telegramm zu schreiben, hat der König nur dieses eine aufmunternde Wort schreiben lassen.

Go! Get all the canvas set, boys!

Georg V., König von England, ist ein so vernünftiger Mann wie mein Freund Bakewell aus Joliet, Illinois.

Was an Leinwand da ist, hinauf damit an die Rahen.

Der Sir und der Skipper schreiten an Deck die Reihen der Zwinger ab. Orde-Lees prüft die Zurringe der Schlitten, die keine Zughunde brauchen, weil sie motorbetrieben sind, made in Wales. Am Schanzkleid steht Hurley und filmt. Und hoch oben an einer Rahnock tanzen Bakie, Hownow und Stornoway Tango mit den ersten langbeinigen Böen von Kap Hoorn.

Auf in den Süden des Südens. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Scott, Wilson und Bowers auf dem Rückmarsch vom Pol erfroren sind. Jede Stufe der Tragödie, seit Amundsen ihnen zuvorgekommen war, hat Kapitän Scott in seinem Tagebuch festgehalten, nächtelang hat mein Bruder mir daraus vorgelesen und haben wir uns auszumalen versucht, wie es gewesen sein muss in dem kleinen Zelt inmitten dieses zehn Tage lang brüllenden Blizzards.

Antarktika, Antarktika.

Ich kauere hier seit einer Nacht und einem halben Tag und futtere nichts als Schokolade.

2Emyr, Gwendolyn, Dafydd und Regyn

Ich weiß noch, welches Gesicht meine Mutter machte, als mein Bruder und mein Schwager aus Merthyr Tydfil schrieben: »Mom, sie haben uns hier tatsächlich zum Hangartrupp abkommandiert. Es ist fantastisch. Wir kommen zurück, wenn das Problem der Propellerbewaffnung gelöst ist.«

Mom wusste bis dahin nicht einmal genau, was ein Flugzeug ist.

Für mich bedeutete die ungelöste Propellerbewaffnung, dass ich eine Arbeit annehmen musste, um für die Familie mitzuverdienen. In der Woche nach der Generalmobilmachung begann ich in der Werft zu arbeiten, in der mein Vater seit vierzig Jahren Schiffe baut. Er ist Innenausstatter; besonders der Kunstfertigkeit seiner Täfelungen wegen ist mein Vater Emyr Blackboro in den Häfen am Usk und Severn ein gefragter, wenn nicht berühmter Mann. Meinen muffigen Ölzeugspind könnte er in Tagesfrist in eine reich verzierte Kammer verwandeln. Sie wäre zwar noch genauso unbequem und finster, doch ich bin mir sicher, es würde hier so duften wie nach einem Sommerregen im Obstgarten unseres alten Kontormeisters Simms.

In den Newporter Alexandra Docks übernahm ich eine Reihe kleinerer Jobs: Botengänge, Flick- und Malerarbeiten. Nach Schichtende mischte ich mich unter die Seeleute, die Pfeife rauchend am Wasser saßen und von den Häfen erzählten, in denen sie gewesen waren. Nie nahm einer der Matrosen Notiz von mir. Ich hockte auf dem Berg Kabeltau, den ich seit dem frühen Morgen gespleißt hatte, und merkte, wie ich Stück für Stück immer weiter in mich zusammensank. Ich war so müde wie Checker, der Hund, der durch den Ärmelkanal schwamm.

Die Augen fielen mir zu und die Ohren, so kam es mir vor, auch. Mit einem halben Ohr hörte ich noch, wie sie über die Häuser redeten, die sie in New York besuchen wollten: dass amerikanische Freunde von ihnen versprochen hätten, auf dem Hoboken-Kai zu sein, wenn der Pott in Manhattan anlegte, um sie mitsamt ihren Seekisten geradewegs zum Times Square mitzunehmen, wo die feinen Freunde angeblich wohnten. Der »Froschteich« war ihnen herzlich gleichgültig. Es schien sie nicht im mindesten zu interessieren, dass sie zuvor den Atlantik von Newport nach New York überqueren mussten. Tausende Kilometer schäumenden Ozeans, in dem neben einem ganzen Haufen anderer Unwägbarkeiten auch die Unterseebootflotte des deutschen Kaisers auf der Lauer lag, waren für sie nicht der Rede wert.

Den meisten Matrosen, die ich kennen gelernt habe, scheint das Meer nichts zu bedeuten. Sie tun gerade so, als sei es gar nicht da. Wer will das begreifen? Ich stelle mir meinen Vater vor, der alles liebt, was aus Holz ist. Wie wäre es, wenn er so täte, als sei an einem Baum nichts Besonderes? Hier, meine kalte Plankenwand: Zwei, drei Handbreit dahinter ist nichts als Wasser. Auch im Dunkeln wüsste er sofort, aus welchem Baum sie ist. Er würde daran riechen, einmal mit der Hand darüberfahren … »Ulme, Junge, Ulme.«

Ein paar Abende an der Pier, und ich wusste nicht mehr, was ich von Seeleuten halten sollte. Nur so viel wurde mir klar: dass diese Männer, die oft nur ein paar Jahre älter waren als ich, bestimmt nicht die Sonntagsschule besucht haben konnten. Denn sie fluchten und logen, dass mir Hören und Sehen verging. Inzwischen weiß ich, dass die einzige wahre Liebe dieser gelbzähnigen Maulhelden die Liebe zur Übertreibung ist. Vor ein paar Monaten wusste ich es noch nicht, weswegen ich auch nicht merkte, dass ich schon längst angesteckt war und alles, was ich fühlte, genauso hoffnungslos übertrieb.

Mein Vater schickte mich ab und zu in die Skinner Street, um beim dortigen Schiffsausrüster Muldoon eine Rechnung zu bezahlen. So lernte ich sie kennen: Ennid.

Es dauerte Monate, so kam es mir vor, bis ich mit Ennid Muldoon ins Gespräch kam. Denn zunächst verständigten wir uns abgesehen von den üblichen Begrüßungsformeln nur über Zahlen. Wenn ich den Laden betrat, grüßte ich, wie es sich gehört. Mister Muldoon musterte mich. Ennid erwiderte meinen Gruß. Ich nannte meinen Namen, und Mister Muldoon klappte ein rot eingeschlagenes Buch auf und reichte es seiner Tochter. Ennid nahm das Buch, kam damit zu mir gehinkt – sie hat einen Gehfehler – und sagte: »97.« Ich öffnete Dads Börse und zählte die Summe ab: »97.« Ennid zählte Scheine und Münzen nach: »97!« Im nächsten Moment stand ich draußen vor dem ganz mit grünen Blechplättchen beschlagenen Haus in der Skinner Street und wusste nicht, wie mir geschehen war.

Taumelnd lief ich zum Hafen hinunter. Aber ich sah die Schiffe gar nicht. Ich war so glücklich, ich hätte den erstbesten Matrosen, der mir an der Pier entgegengeschlurft kam, auf den Mund küssen mögen. Und bestimmt hätte ich ihn wenigstens so angelächelt, wie Ennid Muldoon mich angelächelt hatte, wenn ich nicht so traurig gewesen wäre.

Dreht es sich ums Älterwerden, ums Reifen an einer schwierigen Lebenslage, pflegt mein Vater zu sagen, dass man immer derselbe sei: Alles, was sich im Laufe des Lebens verändert, ist in den Augen meines Alten Herrn die wachsende Fähigkeit, Glück oder Unglück als solches zu erkennen. Da ich in Schicksalsdingen nie etwas anderes von ihm gehört habe und er somit der lebende Beweis für seine Theorie ist, wird er schon nicht ganz falsch damit liegen. Nur half es mir wenig, wenn ich mir klar machte, dass ich derselbe war vor und nach Ausbruch des Krieges, derselbe vor und nach einem Tag Schinderei über einem zu flickenden, brettharten Segel, vor und nach Ennid Muldoon. Und mein Glück glaubte ich durchaus erkannt zu haben. Nur deshalb hatte ich ja das verwirrende Gefühl, dass mich mein Glück unglücklich machte.

Ich verstand nicht, was mit mir los war. Die beiden Menschen, die ich um Rat hätte fragen können, hatten andere Sorgen. Mein Bruder Dafydd und mein Schwager Herman bauten ein MG hinter den Propeller von Flieger-Ass William Bishop, und ich wollte nicht schuld daran sein, wenn der sich, statt einen der Richthofenbrüder vom Himmel zu holen, im Luftkampf über Paris selbst durchlöcherte, nur weil seine zwei walisischen Schnellfeuergewehringenieure nicht bei der Sache gewesen waren. Daher entschloss ich mich, Regyn nach Ennid Muldoon zu fragen. Aber ich erntete bloß schwesterliches Unverständnis.

Meine Mutter Gwendolyn riet mir, die Sache zu vergessen und meinen Vater am besten erst gar nicht zu fragen. Mein Vater behauptete später, er hätte sofort gewusst, welche Stunde es geschlagen hatte, und ich will es ihm glauben, obwohl er nie etwas sagte, wenn wir ins Wochenende gingen und am Usk entlang nach Haus ins Dorf zockelten. Ich war stumm, er war stumm, oder ich war stumm, und er pfiff eines seiner selbsterdachten Liedchen.

Eines Morgens aber sagte er auf dem Weg zum Dockkontor: »Schau heute mal in die Zeitung. Da steht alles drin. Lies sie und du weißt, was mit dir los ist.«

Er ließ die Peitsche knallen, und unser Pony Alfonso, das den Montagmorgen so verabscheut wie ich, schnaubte mürrisch und legte einen Zahn zu.

Er meinte es ernst. Wie sollte das funktionieren! Ich war verliebt in Ennid Muldoon, das wusste ich von selbst. Ich war schon einige Male verliebt gewesen, sogar das gefrorene Herz meiner Schwester hatte ich mir warm gebetet. Und ein väterlicher Rat ist immer gut gemeint, man soll ihn nicht einfach in den Wind schlagen.

Nach Feierabend kaufte ich mir den South Wales Echo und verzog mich mit dem zusammengerollten Orakel in die nach Leim duftende Back eines Dampfers, der soeben auf den schönen Namen SAINT-CHRISTOLY getauft worden war.

Und ich überflog die Schlagzeilen:

USA drängen auf Anerkennung der Londoner Seerechtsdeklaration durch die Krieg führenden MächteSkandinavische Staaten wollen strikte Neutralität wahrenJapan fordert Aufgabe des kaiserdeutschen Stützpunktes Tsingtao in China

Der Vormarsch des Krieges war in aller Munde. Die Meldungen in der Abendzeitung vertieften bloß die Informationen, die man im Laufe des Tages überall im Hafen zu hören bekam. Doch je mehr Meldungen ich las, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass sie genauso mich betrafen, wenn auch auf eine Weise, mit der ich nicht gerechnet hatte.

Einige Artikel las ich immer wieder. Und als ich dann noch einmal die Schlagzeilen überflog, passierte, was Dad vorausgesagt hatte:

USA drängen auf Anerkennung der Londoner Seerechtsdeklaration durch die Krieg führenden MächteSkandinavische Staaten wollen strikte Neutralität wahrenDer junge Merce Blackboro aus Newport will Seemann werden

Im Leimgeruch der SAINT-CHRISTOLY wusste ich mit einem Mal, dass nichts anderes als die See der Grund für meine Traurigkeit war.

Ich hatte Fernweh, verzehrte mich vor Sehnsucht, wegzukommen, weg aus Pillgwenlly, weg von meinen Eltern und meiner Schwester, weit weg von Merthyr Tydfil mit seinen Hangars und seiner ältesten Fabrik der Welt. Alles erschien mir so alt wie die Sage von König Artus, so alt wie das Gälisch, das wir sprachen, sobald wir unter uns waren, alt wie die Kelten, die so alt waren wie Moses, der ausgesetzt wurde im Schilf am Ufer des Wassers, yn yr hesg ar fin yr afon.

Ich wollte weg, dorthin, wo alles neu für mich wäre. So wie die Meldungen des South Wales Echo nur ein einziges Thema kannten, den Krieg, der um die Welt lief, so verhieß mir jede seiner Schlagzeilen eine Möglichkeit, die Welt kennen zu lernen, bevor es zu spät war … bevor ich mein Glück machte mit Ennid Muldoon und der Kunstfertigkeit meiner eigenen Täfelung.

Ich will meinem Vater nicht unterstellen, dass er sich wünschte, ich würde zur Kriegsmarine gehen. Ich selbst wünschte nur, er hätte offen mit mir geredet, etwa über seine Enttäuschung darüber, dass es Dafydd, statt zur See zu fahren wie alle guten Waliser, den Franzosen nachmachte und an Flugmaschinen herumschraubte. In Dads Augen ist ein Aeroplan bloß zu einem gut, nämlich dazu, in den Kanal zu stürzen. Fünf Jahre ist es her, dass die ANTOINETTE von Calais nach Dover flog, und noch immer ist Blériot für meinen Vater ein gottloser Schwindler. Hätten wir zur Abwechslung einmal über meine Zukunft gesprochen, ich hätte ihm gesagt, dass Panzerschiffe zwar Matrosen benötigen, die mit ihnen untergehen, dass sie jedoch keine Täfelung benötigen, und sei sie auch so schön anzusehen wie die von Emyr Blackboro.

Aber vor allem hätte ich gern über Ennid mit ihm geredet. Ganz besonders eines Nachmittags, als wir die Droschke im Kontorhof stehen ließen und am Usk entlang zu Fuß nach Hause gingen, vorbei an den von Glockenblumen blauen Weiden, an der Sägemühle und über das Brückchen, wo der Ebbw in den Usk fließt. Dort blieben wir stehen und schauten zu den Goldkringeln um die Kiesel im Wasser hinunter.

»Da! Gesehen? Eine ganz dicke.«

Er zeigte auf die Forelle, die er erspäht hatte. Unbeweglich stand sie mit dem Kopf zur Strömung im Schatten der Brombeersträucher, sie hatte rote und schwarze, hell umrandete Tüpfel. Ein einziger Schlag seiner Schwanzflosse genügte, und der Fisch, erschreckt von unseren Stimmen, verschwand unter einen Stein.

Er schrie mir nach: »Die hinkende Ennid? Das Balg dieses Juden? Kommt gar nicht in Frage. Merce, bleib stehen. Merce …! Merce …!!«

3Postlagernd Recalada

Jeder Pott hat seine unverwechselbare Tröte, und diese hier kenne ich. So freudig tutet auf dem Rio de la Plata nur ein einziges Horn, und bezeichnenderweise ist es das letzte, bevor nur noch der Wind bläst. An der Mündung in den Atlantik liegt das Recalada-Feuerschiff.

Der Signalgruß heißt: »Pull den Mann rüber, ENDURANCE, aber pull ihn sachte. Die Nächsten sollen so viel von ihm haben wie ihr.«

Bei Recalada geht der Lotse von Bord. Ab hier hat für gewöhnlich der Skipper das Sagen, und nur der Skipper. Auf der ENDURANCE ist das anders. Hier hat Shackleton das letzte Wort.

Und still … plötzlich stampft es nicht mehr. Die Maschinen sind aus. So leicht, wie die ENDURANCE hinläuft, haben wir glatte, ruhige See. Gleich rasseln die Ketten, und der Anker fällt.

»Fier weg das Boot!«

Ein Schiff macht immer dieselben Geräusche, ob es hinausfährt oder hereinkommt. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn ein Schiff ändert sich ja nicht, es bleibt gleich, solange seine Mannschaft es nicht zuschanden fährt. Ein Schiff kann weder über seinen Schatten springen noch kann es aus seiner Haut, und dabei spielt es keine Rolle, wie oft die überpinselt wurde. Allein im Hafen von Newport kenne ich ein Dutzend Knirpse, deren Klamotten vom Lackieren der Bordwände mit der Zeit so bunt wie eine Blumenwiese geworden sind. Alle sind sie so grün hinter den Ohren, wie ich es war. Keiner auf diesen Schaukeln, die über der Wasserlinie baumeln, ändert ein Schiff, nur weil er’s heute gelb wie die Sonne und morgen in Tarnfarben anmalt. Der Pott bleibt derselbe.

Was sich unter den Krusten und Schichten aus Farbe verwandelt, ist der Junge. Er verwandelt sich, weil er auf seiner Schaukel Zeit hat, auf dumme Gedanken zu kommen. Und nicht nur dort … egal, was man anpackt, solange es sich nur schön endlos hinzieht und dabei herrlich monoton ist, solange arbeiten die Hände von ganz allein. Man hält es nicht für möglich, welche Erkenntnisse einem in den Kopf steigen, sitzt man erst oben auf seinem zu spleißenden Berg Kabeltau. Man wird der reinste Buddha. Wahrheiten überkamen mich reihenweise. Ich erkannte die Wahrheit über meinen Schwager: Herman hatte die erstbeste Gelegenheit genutzt, um Regyn zu entfliehen. Er hatte meine Schwester satt. Ich erkannte die Wahrheit über Mister Muldoon: Indem er mir mit Geringschätzung begegnete, zeigte er zugleich seine Geringschätzung für meinen Vater, obwohl der seit vierzig Jahren sein Kunde ist. Ennids Vater verdiente eine ordentliche Abreibung. Und mein Vater? Er war anders. Er war nicht nur anders als Mister Muldoon, sondern vor allem anders als ich. Stets derselbe, stets fleißig, stets unbeirrt darauf bedacht, sein Teil zu erfüllen, ist er meiner Liebe für alle Zeit sicher. Doch wenn ich eines nicht bin, dann unbeirrt. Ich gleiche mir selbst keine zwei Tage. Auf der JOHNLONDON haben Bakewell und ich Stunden erlebt, in denen wurden wir umgekrempelt, ausgewrungen, zerteilt und neu zusammengeflickt. Fragend sahen wir einander an: »Bist du’s?« Etwas von Bakewell ist zu einem Teil von mir geworden, und umgekehrt: Ein Stück von mir steckt seither in Bakewell. Immer ist man zum Teil auch der, der vor einem steht. Und vor einem steht immer wieder ein Neuer.

Das Schiff ist nur das Schiff. Es ist weder Teil der See, auf der es schwimmt, noch gehört es zum Land, wo es gebaut wurde und wieder verschrottet wird. Es ist etwas dazwischen. Das Schiff verändert sich auch nicht durch die Behandlung einer Crew. Es fährt gut vorm Wind oder es schabt durch die Wellen wie ein Hobel über zu weiches Holz. An dem Schiff ändert das nichts: Die nächste Mannschaft hat es besser im Griff. Das Schiff bleibt immer gleich, weshalb auch die Geräusche immer gleich sind, die es macht, wenn es in den Hafen kommt und wenn es wieder in See sticht.

Die ENDURANCE lässt das Rattern und Kollern der Ketten hören. Aber weil er sich durchs Eis rammen soll, ist ihr Bug aus meterdickem Holz, so dass der Anker, wird er über Stag gelassen, dumpf gegen die Bordwand donnert, bevor er ins Wasser rauscht und auf Grund fällt. Das Rasseln der Winschen, das Herumlaufen, Herumtrampeln, die Kommandos von Worsley und das Fluchen von einem, der sich nur so zur Kraftarbeit anspornen kann, das alles und noch zig andere Geräusche, etwa mein Magenknurren, gehören dazu, wenn die ENDURANCE stoppt und vor Anker geht.

»Pull! Pull eins, pull zwei, pullpull!«

Am Recalada-Feuerschiff geht der Lotse aus Buenos Aires, Punta del Este oder Montevideo von Bord. An dem Morgen, als sie Bakewell, mich und weitere elf, die überlebt hatten, aus den am Wellenbrecher zerschmissenen Überresten der USSJOHNLONDON zogen und mit uns hierher fuhren, um den Lotsen für Montevideo zu übernehmen, da war auf dem kleinen Feuerschiff ein regelrechtes Lotsenfest im Gang.

Natürlich trinken die Männer nichts; aber sie hocken im Kreis an Deck, schmauchen ihren gelben Virginia oder schniefen den Snuff, der im Döslein die Runde macht. Stünde ich an der Reling, könnte ich sie lachen hören: Antáricanos! Wir haben Scott in freies Gewässer gezogen und Amundsen und Filchner über den Strom gelotst. Kaum ist Mawson vom Pol zurück, dampft Shackleton los. Was soll uns das Weddellmeer! Die See ist überall flüssig, auch unterm Packeis. Aber so silbern, so ist nur der Plata, er ist Gottes Silbertablett.

Wenn es dunkel wird, leuchten die beiden Türme auf Kap Antonio, und die Nachtlotsen kommen. Die übrigen steigen gemeinsam auf das letzte Schiff, das hineinfährt. Es ist ein freundliches Schiff, das feuerrote Recalada-Feuerschiff.

Wenn ein Seemann noch einen Brief nach Haus geschrieben hat, kann er ihn hier abgeben; der Lotse nimmt ihn gegen eine kleine Gebühr in den Hafen mit und verschickt ihn. Und wenn ein Seemann noch einen Brief von zu Haus geschrieben bekommen hat, kann er ihn hier abholen; der Lotse hat ihn gegen eine kleine Gebühr aus dem Hafenpostamt mitgenommen und an Bord hinterlegt, postlagernd Recalada.

Vielleicht erhält Shackleton auf diese Weise einen letzten Gruß vom Ersten Lord der Admiralität Churchill, verfasst von der duftenden Rechten seines Ministerialsekretärs. Oder Königinmutter Alexandra hat eine Note gekritzelt und erinnert zur Erbauung an die gewidmete Bibel, die sie dem Sir ins Gepäck gegeben. Stornoway bekommt Post aus Stornoway. Und Hownow erhält einen liebevoll-mahnenden Brief seiner Frau Helen, die ihm von ihrem Baby berichtet: Es ist ein Junge und heißt wie du, Walter. Bakewell geht, wie die meisten, leer aus. Abgesehen von mir, der ich erstens gerade verhindert und zweitens in seiner Nähe bin, hat er niemanden, der ihm schreiben könnte.

Als Bakewell aus Illinois davonlief, war er elf Jahre alt. Jetzt ist er 26, war Farmersgehilfe in Missouri, Kutschenlenker in Michigan und Eisenbahnbauer in Montana, bevor er als Toppgast nach Newport kam, wo ihm schließlich ich vor Müdigkeit in den Schoß kippte.

Nein, ganz bestimmt und auch wenn es ihn kaum kümmern dürfte, geht der Matrose William Lincoln Bakewell am Recalada-Feuerschiff leer aus.

Das Gleiche gilt für mich. Und dabei hätte ich doch sogar zwei Adressen anzubieten:

Merce BlackboroBlinder PassagierÖlzeugspindENDURANCE

und, für Absender, die es nicht eilig haben:

Merce BlackboroSeemannUSSJOHNLONDONposte restante Meeresgrund

4Ennid und das Äffchen

Bevor ich in Newport an Bord ging, schenkte mir meine Mutter diese sturmfeste Jacke. Ich liebe sie. Ich habe den Grego seitdem nur zum Waschen und Trocknen ausgezogen. Seine Kapuze hält mir Nacken und Ohren auch in meinem Eisschrank schön warm, und weil Mom die hellblaue Joppe mit einem zweiten Futter versehen hat, kann ich auch über mangelnde Polsterung nicht klagen.

Was soll ich traurig sein über fehlende Post von daheim, wenn ich in den Abschiedsbrief meiner Eltern hineinschlüpfen kann?

Außerdem habe ich Ennid Muldoons Fisch. Ennids Glücksbringer ist immer bei mir, seit ich während einer Freiwache im Klüverbaumnetz der durch ruhige See laufenden JOHNLONDON meinem Grego eine mit Knopf verschlossene Tasche zwischen die Futter genäht habe. Darin steckt der kleine Holzfisch und hat einen Zettel im Bauch, den ich erst lesen soll, wenn mich der Mut verlässt.

Aber selbst wenn ich es wollte, könnte ich im Dunkeln nicht lesen, was er mir wohl rät, Ennids weiser Fisch, der sich durch den Stoff wie ein Tannenzapfen anfühlt.

Und ich will es auch gar nicht wissen. Ich war nur einmal drauf und dran, den Zettel zu lesen: als ich auf dem Wrack der JOHNLONDON Bakewell von Ennid erzählte. Wir trieben eine ganze Woche lang hilflos durch stürmische See, und trotzdem fand ich mich nicht sonderlich mutlos. Drum blieb der Fisch in der Tasche. Da werde ich ihn jetzt nicht herausholen.

Runde schlafen? Yes, Sir. Yesser, kleines Nickerchen. Mut, Merce! Mutig ein Bett aus Gummistiefeln gebaut. Bis zum großen Anpfiff ist noch Zeit. Erst wenn die dicke ENDURANCE auf offener See ist und Kurs Südgeorgien nimmt, gibt es für sie kein Umkehren mehr.

Jeder Tag zählt, wenn es ins Eis geht. Selbst Shackleton kann die Antarktis nicht im antarktischen Winter durchqueren. Und doch dürfte Bakewell allmählich auf eine günstige Gelegenheit aus sein, um mich aus dem Spind zu holen und vor den Skipper zu stellen. Hinaus muss ich ja doch irgendwann … soll ja hier unten nicht schwarz werden. Ganz gleich, wie gut Käpt’n Worsley gelaunt ist, weil sich die Segel bis hinauf zur Großoberbramrah im Wind blähen oder weil der Sir, der sich freut wie ein Kind, ihm den Arm um die Schultern gelegt hat – der Käpt’n wird sich kräftig die Lungen freibrüllen, wenn ich mit meinem hellblauen Grego erst vor ihm stehe und mir die Augen reibe, geblendet von so viel Licht.

Die JOHNLONDON war einer der Frachtschoner, die vor dem Krieg die Südamerikaroute befuhren. Meist Dreimaster mit Verstärkungsmaschine, beförderten die Schiffe größeres Stückgut aus Stahl und Eisen, aber auch Holz. Es waren ramponierte Kähne, die oft ins Dock gingen. Die betagte JOHNLONDON stand bei einer Kompanie mit Sitz in Swansea unter Vertrag; den Bauch voller Eisenbahnbohlen, pendelte sie seit Jahren zwischen Wales und Uruguay. Bei uns in Newport war sie schon öfter gewesen, weshalb mein Vater sie kannte; vor Jahren hatte er auf dem Vorderdeck ein neues Forecastle für die Mannschaftsquartiere gezimmert. Als die JOHNLONDON zu Anfang des Sommers an der Pier der Parks-Werft festmachte, gingen wir an Bord, um den Zustand des Forecastles in Augenschein zu nehmen und die nötigen Ausbesserungen in die Wege zu leiten.

Wir arbeiteten mehrere Wochen lang an Aufbauten und Quartieren unter Deck, die in erbarmungswürdigem Zustand waren. Während des Schleppens, Sägens, Einpassens, Schleifens, Feilens und Pinselns lernte ich so gut wie jeden Winkel auf dem Schiff kennen. Ich bemerkte überall Zeichen von Verwahrlosung. Doch unsere drei Schreiner und ich möbelten die alte Amerikanerin noch einmal so richtig auf. Und Dad schenkte ihr sogar einen Hut, mit dem sie stolz tun konnte, denn das Forecastle bekam ein neues Dach aus leuchtendem Kirschbaum.

Wir waren fast fertig, als eines Morgens auf dem sonst immer menschenleeren Schiff das Leben neu zu pulsieren begann. Matrosen und Heizer kamen an Bord. Muldoons Leute lieferten die neue Bewantung der Fock. Ein Automobil brachte den Käpt’n auf die Werft, der sich zunächst mit meinem Vater unterhielt, bevor er unter Deck verschwand. Und schließlich erschienen zwei zwar befrackte und doch nicht sonderlich elegante Herren, der eine Amerikaner, der andere von der Swanseaer Kompanie. Das Anheuern begann.

Unter den ersten Seeleuten, die aus der Back, wo die Prozedur stattfand, wieder ans Licht kamen, war einer, der sich zu mir stellte und anfing, mich über meine Arbeit auszufragen. Wir unterhielten uns eine Weile. Er erzählte, dass er für Montevideo und Rutsch zurück angeheuert habe. Und dann wollte er wissen, ohne dass ich etwas in dieser Richtung angedeutet hatte, ob ich nicht auch Lust hätte.

Vielleicht, sagte ich. Und er lachte, leise und ganz freundlich.

So habe ich Bakewell getroffen. Seither gab es keinen Tag, an dem wir nicht die Köpfe zusammengesteckt haben. Wenn ich überlege, ist es bloß dreierlei, was ich in meinem Schrank vermisse: die Seeluft, das Licht über dem Meer und Bakewell.

»Hier, ihr müsst trinken, du und dein Holzfisch!«

Ein paar Tage später sprach ich mit meinem Vater und sagte ihm, dass ich als Matrose an Bord der JOHNLONDON nach Uruguay fahren wolle. Ich rechnete ihm vor, dass meine Heuer für die drei Monate Fahrt größer sein würde als mein Verdienst für ein halbes Jahr Arbeit im Hafen. Und ich bat ihn, ja zu sagen, weil ich meinen eigenen Weg machen müsse.

Als Matrose ließen mich Käpt’n Coon und sein Bootsmann mit einem müden Lächeln abblitzen. Dieser Bootsmann, den man wie auf fast allen Schiffen, wo Englisch gesprochen wird, Bos’n nannte und der Mister Albert hieß, war ein Typ von Seemann, wie ich ihn bis dahin nicht kannte: Er hatte nichts von den bärbeißigen Schnackern an sich, die auf der Pier herumlungern und nichts Besseres im Sinn haben, als vor einer Frau mit ihrer Potenz zu prahlen oder deren sich aufplusterndem Gatten Dresche anzudrohen. Mister Albert, der Bos’n, fragte mich, ob ich wisse, was das Meer sei.

»Yesser«, sagte ich. »Es ist das Wasser zwischen den Kontinenten.«

»Verteufelt viel Wasser.«

»Sehr viel.«

»Wie gut kannst du schwimmen, Blackboro?«, fragte er und sah in sein Heft.

»Ich glaube, ich schwimme gut, Sir«, sagte ich. »Nicht so gut wie ein Fisch, aber gut.«

»Nicht so gut wie ein Fisch?«

»Nosser.«

»Und wie gut kannst du kochen?«

Einigermaßen perplex gab ich zu, dass ich überhaupt nicht kochen könne … weil ich es noch nie versucht hätte.

»Also könntest du Nachhilfe gebrauchen. Unterschreib hier, und du bist angeheuert als Küchenhilfe.«

Der Messboy verdient nur die Hälfte der Heuer eines Matrosen, so dass ich in puncto Anreize für Dad, mich fahren zu lassen, meine Felle davonschwimmen sah.

Aber dem war nicht so.

Mein Vater erklärte sich einverstanden, und meine Mutter erklärte mir, weshalb er es ruhigen Gewissens tat: Im Verlauf der Abnahme des Forecastles hatte er Käpt’n Coon beiseite genommen und angekündigt, die neuen Aufbauten der JOHNLONDON eigenhändig Stück für Stück wieder abzureißen, falls ihm Coon nicht sein Ehrenwort gab, dass unter seinem Kommando zu fahren für mich bedeute, unter seiner persönlichen Obhut zu stehen. Käpt’n Coon hatte meinem Vater diese Zusicherung gegeben.

Ich verbrachte die letzten Tage vor Auslaufen meines Schiffes in einer merkwürdigen Stimmung. Einerseits hatte ich keine Möglichkeit, an etwas anderes zu denken: Meiner Schwester traten Tränen in die Augen, sobald sie mich ansah, und meine Eltern waren schon deshalb in heller Aufregung, weil sich die Nachricht, dass ihr Sohn nach Uruguay segeln würde, in Windeseile herumsprach. Ich merkte, wie die Leute über mich redeten, und das alles zusammengenommen machte mich so nervös, dass ich nachts nicht mehr schlafen konnte.

Andererseits spürte ich plötzlich eine bohrende Unlust. Wenn ich darüber nachdachte, und das tat ich pausenlos, dann fand ich meinen Entschluss, zur See zu fahren, peinlich und blöd. Was hatte ich mir dabei gedacht? Nichts! Es war bloß ein Gefühl gewesen, und jetzt war da eine ganze Armada aus Gefühlen, die einander schützten und stärkten, um einem jeden vernünftigen Gedanken auf der Stelle den Garaus zu machen. Mal kam ich mir lächerlich vor, dann wieder brach ich in Jubel aus und applaudierte mir für meinen grenzenlosen Mut. Ich durchforstete die Bücherschränke meiner Eltern und Geschwister nach Schilderungen von Schiffsuntergängen. Schauder jagten mir über den Rücken, als ich entdeckte, dass Jack London eigentlich John London hieß, genau wie mein Schiff! Und wenn ich dann die ersten Sätze las, kam es mir vor, als ruderte ich weit auf das Wasser hinaus.

Einzig dank dieser Bücher bin ich in den Tagen vor meiner Abreise noch halbwegs zurechnungsfähig geblieben. In einer durchwachten Nacht las ich den gesamten Robinson Crusoe. In einer anderen schrieb ich Ennid einen Liebesbrief, der in einer Hymne auf ihr Hinken gipfelte. Glücklicherweise las ich ihn mir morgens noch einmal durch.

So einfach, wie ich den Brief wegwerfen konnte, ließ sich die auf der Heuerliste geleistete Unterschrift nicht rückgängig machen. Und als mir klar wurde, dass es kein Entrinnen gab, wurde ich krank vor Angst. Ich weiß noch, wie ich auf dem Rückweg von einer Besorgung für Vater durch die Dock Street kam. Am Ende der Gasse sah ich die Schiffe an der Pier liegen. Die JOHNLONDON war nicht dabei, und doch wurden mir bei dem Anblick die Knie weich. Ich konnte nicht weitergehen. So wie die Leute mich anstarrten, muss ich zum Fürchten ausgesehen haben. Mit glühendem Kopf und wilden Blicken drückte ich mich an eine Wand. Ich fühlte mich in die Enge getrieben, schrecklich allein. Ja, das war der schlimmste Moment. Schlimmer wurde es nicht. Ich rannte davon, und danach ging es mir langsam besser.

Am letzten Tag vor Auslaufen ging ich in Muldoons Laden, um mich von Ennid zu verabschieden. Aber sie war nicht da. Sie sei krank. Mister Muldoon fragte, ob er etwas ausrichten könne, und ich erfand irgendeine Geschichte mit Ennid und Regyn.

»Auf Wiedersehen, Sir!« Ich hielt ihm die Hand hin.

Er griff sie, sah mich aber nicht an.

»Ich habe eine Frage«, sagte ich. Da hob er den Blick und sah mich, wie es schien, zum ersten Mal klar und deutlich vor sich stehen.

»Ich liebe Ihren Laden, Sir. Alles –«, ich zeigte durch das muffige dunkle Geschäft, in dem Ennid zur hinkenden Ennid verkam, »alles hier liebe ich, das, das, alles. Ich würde gern … ich meine, wenn ich zurück bin, Sir, können Sie da vielleicht einen Gehilfen gebrauchen?«

Mister Muldoon klappte sein Buch auf und sah hinein, als stünde dort eine Antwort.

Da ist die Glocke. Vier Schläge.

Auf einer kleinen Schonerbark wie der ENDURANCE hört man die Schiffsglocke in jedem noch so versteckten Kabuff unter Deck. So weiß auch der blinde Passagier, wie spät es ist: vier Glasen. Über dem Meer zwischen Patagonien und den Falkland-Inseln dürfte es nicht heller sein als in meiner Kammer.

Ich will Shackletons Entscheidung nicht vorgreifen, aber mich eingerechnet wird derzeit nicht mehr als ein halbes Dutzend von den 28 Mann Besatzung wach sein: ein Rudergänger, drei auf Wache an Deck, ein Ausguck und der Mann im Ölzeugspind. Der Rest hat Wachskugeln in den Ohren und schlummert. Wenn ich die Augen zumache, sehe ich die große Kastanie auf dem Platz vor Muldoons Laden vor mir und wie ich durch die Straßen am Hafen lief, um mich von dem zu verabschieden, was ich in Wirklichkeit liebte, zum Beispiel die Bäume, anhand deren mir mein Vater die unverwechselbaren Eigenschaften eines jeden Holzes erklärte. Die Angst und alle die Gefühle, die mich bedrückt hatten, waren verschwunden. Am letzten Tag in Newport blieb bloß Wehmut übrig. Ich spürte, wie sich meine Arme und Beine bewegten, und die Luft war so mild und umfloss mich, dass ich meinte, ich würde darin schwimmen, auf der Rodney Street zum Kontor gehen und doch aufrecht dorthin schwimmen.

Von unserem alten Kontormeister Simms erfuhr ich, dass die JOHNLONDON beladen, ausgerüstet und verproviantiert war.

Er zog mich auf: »Crew vollzählig, sobald Küchenhilfe Blackboro heil an Bord gelangt.« Und er teilte mir die Auslaufzeit mit: »Beginn Rattenwache.«

Das sagte mir nichts.

»Mitternacht, Merce.«

Wir plauderten über die Zeiteinteilung an Bord in Glasen und in Wachen, und Simms, der lange Jahre Steuermann gewesen ist, riet mir, ich solle auf der Hut sein, wenn ich nicht Schiffsnauke werden wolle.

Während er weiter Rechnungen sortierte, erklärte er mir, das jedes Schiff seinen Nauken habe.

»Nauke ist so eine Art schwarzes Schaf. Der Buhmann an Bord, das ist Nauke. Er ist immer schuld. Kommt eine Rah herabgerasselt – Nauke war’s. Und bricht Feuer aus im Kohlenbunker – Naukes Schuld. Jeder Skipper erwischt mal einen üblen Tag; dann pfeift er den Steuermann an. Der Steuermann geht zum Bos’n und beschimpft ihn. Die Schikane rappelt die Ränge hinunter, bis sich alle einig sind: Dafür muss Nauke büßen. Es gibt Schiffe mit mehreren Nauken, auf denen musst du aufpassen, dass du nicht Nauke der Nauken wirst. Und es gibt Schiffe, auf denen sind alle …«

Weiter kam er nicht. Vor dem gläsernen Kabuff, in dem Simms sein Bestes gab, um mich vor Naukes Los zu bewahren, stand Ennid. Sie lächelte flüchtig, als sie uns entdeckte, und hob unschlüssig die Hand.

»Die kleine Muldoon«, sagte Simms.

Ich führte sie in Vaters leeres Büro. Es war das erste Mal, dass wir allein waren. Fantastisch sah sie aus mit dem Regenmantel und dem Schirm, der ihr am Arm baumelte. Sie war gar nicht krank, Ennid stand vor mir, und ich fing an zu zählen – zwanghaft, ein Zählzwang. Ich zählte die Fenster im Büro meines Vaters und die Knöpfe an Ennids Mantel. Ich überschlug, dass ich sie fünfmal im Laden ihres Vaters und einmal im Freien gesehen hatte: draußen in den Alexandra Docks auf halbem Wege nach Pillgwenlly. Aber auch da waren wir nicht allein gewesen. Und geredet hatten unsere Väter, während wir einander Blicke sandten, die nicht tief genug sein konnten. Sie stellte sich an eines der Fenster. Es sind vier, dachte ich, tatsächlich vier. Und ich setzte mich auf eine Ecke des Schreibtischs, davon gab es auch vier.

Das gegenüberliegende, neugebaute Kontorhaus hatte dagegen so viele Fenster, dass ich ihre Anzahl nur schätzen konnte. Es war ein ungeheurer Kasten.

»Es ist so«, begann sie. »Ich möchte nicht, dass du auf diese Weise mit meinem Vater redest. Vielleicht kannst du dir denken, dass er dich seit heute für völlig übergeschnappt hält. Was hast du dir dabei gedacht, Merce Blackboro, hm?«

Sie bekam einen hässlichen Mund, das lag in der Familie. Also gut, dachte ich, streiten wir uns. Das wird dir leidtun, um Mitternacht bin ich weg. Beginn Rattenwache. An der Wand über dem Wartestuhl in der Ecke sah ich das in Gold gerahmte Bild hängen, das mir geheimnisvoll und bedeutsam erschien, seit ich es als Junge zum ersten Mal betrachtet hatte. Kaiser Napoleon ist darauf zu sehen, wie er einsam an einem Strand steht und über das Meer blickt. Mein Vater behauptet, es sei die Küste von Südengland, an der Bonaparte einmal irrtümlich gelandet war.

Auch Ennid schwieg. Zum Streit kam es also nicht. Ennid suchte etwas in ihrem Handtäschchen und durchbohrte mich mit einem Blick, als sie es gefunden hatte.

»Ich habe etwas für dich.« Sie hielt es mir hin. Es war bunt, bunt angemalt, ich nahm es und sah, dass es ein kleiner Fisch aus Holz war.

»Es ist ein Glücksbringer.« Sie kam zu mir und nahm mir den Fisch aus der Hand. Sie drehte ihn um und klappte ihn an der Bauchseite auf. Es lag ein Zettel darin.

»Wenn du einmal nicht weiterwissen solltest, dann lies das.«

Sie gab mir den Fisch zurück. Keine Armlänge entfernt stand sie vor mir. Ich zog sie zu mir heran, vergrub das Gesicht in ihrer Halsbeuge und küsste mich nach oben zu ihrem Mund.

»Ich muss gehen«, keuchte sie und machte sich los, und ich hatte die Vorstellung, sie würde mir unter den Lippen zerbröckeln.

»Bleib noch!«

»Wozu?«

Auf dem Stuhl unter dem verlorenen Napoleon ließ mein Vater Arbeiter sitzen, bis sie mumifiziert waren. Da hatte ich einmal mit Zahnschmerzen gesessen, bis ich fast die Besinnung verlor. Ennid setzte sich auf meinen Schoß. Ich küsste sie, und sie sagte zum ersten Mal: »Du Äffchen.« Immer wieder, in jeder Pause zwischen unseren Küssen, sagte sie die zwei Worte. Sie öffnete meinen Gürtel, griff unter ihr Kleid und keuchte: »Du Äffchen. Äffchen!«

Als sie wieder aufstand und sich die Sachen zurechtzupfte, hatte ich den Fisch noch in der Hand. Mein Puls raste, als ich ihr von der verunglückten Hymne auf ihr Hinken erzählte und davon, dass ich den Liebesbrief in den Usk geworfen hatte.

»Dein Glück!«, sagte sie bloß, »dein Glück, mein Äffchen.«

Natürlich frage ich mich, was wohl auf dem Zettel stehen mag. Ich frage mich das, sobald ich nur die Arme verschränke und den Fisch auf der Brust spüre.

Eins, zwei, drei, vier, fünf Schläge. Fünf Glasen.

Bakewell glaubt, allein aus Platzgründen kann auf dem Zettel bloß entweder eine Bibelziffer stehen, ein Spruch wie »Denk an mich!« oder ein einzelnes Wort, so wie in dem Telegramm von König Georg. Und er meint, ich solle besser ihn den Zettel lesen lassen, schon damit er mir sagen kann, was darauf stand, falls ich Ennids Fisch verliere.

Schlau gedacht, Bakewell. Aber nicht schlau genug.

5 Schiffbruch

Wenn ich mich auf die Seite lege und die Beine an den Bauch ziehe, kann ich vielleicht doch etwas schlafen. Ich nehme mir eine Jacke von den Haken als Decke. Denn ob es an meiner Müdigkeit liegt oder daran, dass Nacht ist, mir wird immer kälter. Überall auf dem Spindboden liegen Lappen und zusammenfaltete Tücher, die nach Öl und Teer riechen. Ich stopfe sie mir hier und da unter die Knochen, und so geht es, jetzt liege ich erst einmal. Wenn ich nur die Beine ausstrecken könnte.

Vier Stunden dauert jede Wache. Affenwache von 16.00 bis 20.00 Uhr, Bärenwache von 20.00 Uhr bis Mitternacht, dann die Rattenwache bis 4.00 Uhr morgens, anschließend die Hundewache. Affenwache, weil zu der Zeit fast alle in den Wanten hängen. Bärenwache, weil das Schiff nachtklar gemacht wird, was immer eine Plackerei ist. Rattenwache zum einen wegen der Ratten, von denen dir, wenn du Pech hast, nachts an Deck mehr über den Weg laufen als Männer, zum anderen kommst du dir während der Rattenwache bald selbst wie eine Ratte vor, so schnupperst du in die Dunkelheit, weil du ständig auf der Hut bist, so flitzt du bei jedem Geräusch um die Ecken. Und warum die Hundewache so heißt: Nach gerade mal vier Stunden Schlaf muss man das Schiff tagklar machen, den Ausguck besetzen, die Tagwachen vorbereiten und, was noch am schlimmsten ist, die Männer der Tagwachen wecken, ohne dass sie einem ins Gesicht springen. Am Ende der Hundewache fragt man sich, wer eigentlich müder ist: du oder der, den du weckst. Alle sind hundemüde. Alle müssten geküsst, gestreichelt und gebadet werden am Übergang zur Hundewache. Aber alle fühlen sich bloß geprügelt.

Sechs Schläge.

Genau so spät war es, als die JOHNLONDON auslief: sechs Glasen. Wir verließen Newport mit drei Stunden Verspätung, die sich keiner erklären konnte und über die auch niemand ins Bild gesetzt wurde. Von Anfang an sorgt so etwas für schlechte Stimmung. Die Wachen geraten durcheinander, und schon gibt es Teile der Mannschaft, die im Herzen die Krätze haben.

Keine Chance, ich kann so nicht schlafen. Wo ist die Flasche?

Fast leer.

Wann war Bakewell hier? Wahrscheinlich nach Wachablösung, kurz nach Mitternacht. Ob ich einfach rausgehe und mir selber Wasser hole?

Lieber nicht. Auch wenn jetzt diese Bilder wiederkommen und ich alle die Gesichter vor mir sehe. Wie die Männer an Deck standen und darauf warteten, dass es losgeht: zweiunddreißig Mann über gut 800 Tonnen Holzbohlen im Frachtraum für den Eisenbahnbau in Uruguay. Und zwei dieser übernächtigten Burschen Bakewell und ich.

Mister Albert hatte die Nörgler trotz allem gut im Griff, und zunächst schien die Disziplin an Bord nicht das Problem zu sein. Denn dass die JOHNLONDON ein Problem hatte, wurde selbst mir schnell klar. Es begann damit, dass das Gerücht die Runde machte, die gebunkerte Kohle sei von minderer Qualität. Ich hatte mich gewundert, weshalb man in Schornsteinnähe von einer Rußdusche beregnet wurde, und erhielt damit eine Erklärung. Bakewells Gesicht wurde im doppelten Sinne von Tag zu Tag finsterer. Als wir während einer gemeinsamen Freiwache in unseren Bunks lagen, erklärte er mir, dass die Schmutzschleppe, die das Schiff hinter sich herzog, ein untrügliches Zeichen dafür sei, dass die Kessel zu wenig Kraft lieferten. Die JOHNLONDON würde alle Mühe haben, ihre für diese Verhältnisse viel zu schwere Fracht sicher durch einen größeren Sturm zu bewegen.

Aber ich weiß auch noch, wie glücklich ich war. Es gab Stunden, in denen ich alle Furcht vergaß und mir bewusst machte, welche Freiheit ich genoss. Umgeben von nicht einmal drei Dutzend Männern, sauste ich unter vollen Segeln dahin, und kilometerweit, Hunderte von Kilometern weit rings um uns her war nichts als Wasser. Es ist wunderbar, das Steigen und Fallen der See nicht nur zu beobachten, sondern zur selben Zeit am eigenen Körper zu spüren, dass es ein großes Einatmen und Ausatmen des Ozeans ist. Manchmal, wenn die Arbeit in der Küche getan war und ich an Deck nicht gebraucht wurde, stand ich allein oder mit Bakewell am Schanzkleid und konnte mich nicht satt sehen an der Weite und der Ruhe des grünen Meeres.

Das Schönste ist, wie sich diese Ruhe auf einen selbst überträgt. Ich fing an, den Wind zu vermissen, wenn ich unter Deck war. Ich fühlte mich kräftig, frei und gesund. In solchen Momenten wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass dieses Glück noch anhielt und dass jeder viel öfter die Gelegenheit hatte, so glücklich zu sein. Es bleibt nicht viel von solchen Momenten. Die nie nachlassende Arbeit und die ständig neu auszufechtende Hackordnung unter der Mannschaft sorgen dafür, dass man schnell abstumpft. Man merkt es nicht einmal. Wenn sich dann die See gegen das Schiff wendet, bleibt von dem Glück keine Silbe übrig. Das Meer hat keine Sprache, daher kennt es auch keine Diplomatie. Seine Brecher kommen an Deck und schlagen um sich mit kalten Ketten.

Nach neunwöchiger Fahrt kreuzten wir einige hundert Seemeilen vor der südamerikanischen Küste die ersten Vorboten eines gewaltigen Orkans und begannen zu ahnen, was auf uns zukam. Da sich der Sturm landwärts zu bewegen schien, befahl Käpt’n Coon auf der Höhe von Porto Alegre, Kurs offene See zu nehmen. So hoffte er, das schwere Wetter umfahren zu können. Wir hatten die Hoheitsgewässer Uruguays kaum erreicht, als wir aufs Neue in den Sturm hineingerieten. Und was für ein Sturm. Ehre sei Gott in der Höhe! Was da auf uns zuraste, war kein Orkan mehr. Das Schiff kletterte einen Wogenberg hinauf und machte auf dem Gipfel jedesmal fast Halt, um dann mit irrem Tempo rechts und links zu rollen; dann beruhigte es sich, und für einen Augenblick trat eine Pause ein, als erschräke es vor dem Abgrund. Aber wie eine Lokomotive schoss es hinab, sobald die See es achtern mit voller Kraft traf. Der Bug wurde bis zu den Kranbalken in die milchige Gischt getaucht, die von allen Seiten durch die Speigatten und über die Reling brach. Die schwersten unter diesen Sturzseen hoben die JOHNLONDON so weit aus dem Wasser, dass ihr Bug frei in der Luft schwebte.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Wucht einer derartigen See in einer einzelnen Woge zusammentrifft.

Als die Welle kam, traf sie das viel zu tief liegende Mittschiff und warf den Rumpf zur Seite. Bohlen schossen durch die Frachtluken heraus und zertrümmerten, was sich in ihrer Flugbahn befand, bevor sie ins Meer stürzten. Das Schiff raste mit starker Schlagseite ins Wellental. Die Leereling tauchte völlig unter, bis das Wasser die zerfetzten Lukenrahmen erreichte und in die Frachträume floss, während See auf See über das Schanzkleid brach und sich eisige Ströme über das Deck ergossen. Jeder Handschlag dort war lebensgefährlich. Wer keine Zeit gehabt hatte, sich festzubinden, klammerte sich mit Händen und Füßen an ein Geländer oder ein Spill und hoffte, dass es hielt und er nicht über Bord gespült wurde.

Wir waren alle absolut hilflos, doch die meisten Männer wirkten zudem völlig verwirrt und gelähmt. Ein gemeinsames Ziel schienen sie nur in einem einzigen Punkt zu haben, nämlich darin, dass sie nicht gehorchen wollten. Die meisten jammerten bloß. Nur ein paar von ihnen schrien noch immer ihre Flüche heraus, aber damit nötigten sie mir keinen Respekt mehr ab. Als weder Mister Albert, auf den sie sonst, wenn auch murrend, hörten, noch der Käpt’n, für den sie nichts als Spott übrig hatten, sie dazu bringen konnte, an die Pumpen zu gehen und Segel zu setzen, um das Schiff in den Wind zu drehen, kenterten wir binnen einer Stunde, und alle die Tölpel, Großtuer und faulen Säcke kletterten an den Seiten hinauf und hingen hast-du-nicht-gesehen in der Takelung. Schließlich kroch auch ich dorthin, es war der einzig noch halbwegs sichere Ort. Als der Rumpf überkrängte, konnte Mister Albert nicht aus dem Forecastle heraus und ertrank. Ich sah meinen Koch wie einen Korken im Meer hüpfen, bevor er von einer zur anderen Sekunde unterging und damit all denen folgte, die es gar nicht erst ins Freie geschafft hatten.

Ohne Mister Albert war der Käpt’n so hilflos wie wir. Er hörte nicht mehr auf, die absurdesten Verwünschungen zu brüllen, weil wir nichts taugen würden. Bakewell und der Schiffszimmermann, ein Bulle aus Liverpool namens Rutherford, mussten Vormast und Großmast kappen. Sie hieben zwei Stunden lang auf die Mastbäume ein, während das Wrack auf und nieder stieß und sich selbst in Stücke zerlegte. Von den Masten befreit, richtete sich die JOHNLONDON noch einmal auf, und es war ein Glück, dass wir Holz geladen hatten; jede nicht schwimmende Fracht hätte uns mit sich in die Tiefe gezogen. Erst nachts irgendwann kam der Großmast von den Wanten klar. Wie die Axt, mit der Bakie auf ihn eingedroschen hatte, schlug der gefällte Mast noch lange gegen das Schiff.

Am nächsten Morgen war das Einzige, was aus dem Wasser ragte, das Heck, ein zersplitterter Mast und eine ungleiche Reihe von Streben, wo sich die Reling des Achterdecks befunden hatte. Ich war klitschnass und halb tot vor Kälte. Es gab keinen Platz, um sich auszuruhen. Jede See brach über das Wrack hinweg. In Coons Kajüte schwappte uns das Wasser um die Knie, aber dort war es wenigstens windgeschützt. Der Käpt’n konnte eine Gruppe, die sich um Rutherford bildete, davon überzeugen, dass wir alle nur dann überleben würden, wenn wir abwechselnd einen Ausguckposten besetzten. Nachmittags rief Bakewell herunter, dass ein Schiff in Sicht sei. Alle stürmten hinauf, klammerten sich an die Reling oder kletterten in die verbliebene Takelung, um den Kreuzer im Auge behalten zu können. Aber dessen Kurs führte nicht in die Nähe. Danach wollte keiner mehr den Mann auf dem Mast ablösen. Und nach dem zweiten Tag hatten auch Coon, Bakewell und ich genug. Von da an trieb das Wrack ohne Ausguck im Sturm.

Von den 32 waren noch 13 Mann am Leben. Wir waren fast steif gefroren, hatten nichts zu essen und nur ein paar Flaschen Wein zum Teilen. Alles, was es an Proviant und Trinkwasser gab, war unter Deck bei den Fischen. Frischwasser ließ sich in winzigen Rationen beschaffen, indem wir uns einen herumschwimmenden Deckel angelten. Aber es regnete nicht viel. Wenn es regnete, fingen wir die Tropfen mit dem Hemd auf und wrangen das Wasser entweder sofort in den Mund oder zuerst in den Deckel, bevor wir es tranken. Als sich das Wetter etwas beruhigt hatte, konnte ich Wasser an Stellen des Decks aufwischen, die das Salzwasser nicht erreichte. Aber zu essen hatten wir nichts, und es ließ sich nicht das Geringste besorgen, obwohl am Himmel lauter Vögel waren.

6 Im Gewimmel der Geschützrohrmatrosen

Sieben Glasen vorbei. Einmal noch muss der, der oben auf dem finsteren Deck steht, die Schiffsglocke schlagen, bevor er in seine Bunk krabbeln und schlafen kann. Dann beginnt die Hundewache, und vier endlose Stunden lang wird das Schiff vom Nölen und Grummeln derer regiert, die nur an eines denken können: Kaffee.

Ja, das wär’s! Jetzt einen Becher Kaffee, schwarz wie Lakritz und so ölig und nach Feuer duftend wie das Zeug, das an all den Lappen klebt.

Es müssen mindestens zehn Paar Gummistiefel sein, die ich am anderen Ende zu einem Haufen aufgeschichtet habe, um überhaupt etwas Platz zu haben. Immer wieder rutscht mir einer der schweren Treter auf die Beine oder klemmt urplötzlich zwischen Planken und Rücken. Eine Unzahl von Gegenständen ist mit mir hier eingepfercht. Eine Armlänge über den Stiefeln baumeln die Jacken und Anoraks, Lederhandschuhe, Gummihandschuhe, Fellhandschuhe, alles kreuz und quer durcheinander, und überall liegen die Lappen und Tücher herum und verbreiten einen Geruch wie im Maschinensaal eines Totenschiffes.

Ganz so schlimm ist es nicht. Aber angenommen, die ENDURANCE liefe auf ein Riff auf und kehrte ihr Innerstes nach außen wie die JOHNLONDON am Wellenbrecher vor Montevideo, wo unser Wrack schließlich 90 Seekilometer vor der Küste ganz unspektakulär auf eine Sandbank lief und keinen Mucks mehr von sich gab, so würde sich jeder, der noch Gelegenheit dazu hat, wundern, was alles herausgespült kommt aus Blackboros Kammer. Handschuhe über Handschuhe. Und so viele Lappen, Läppchen und Läpplein, dass man damit den ganzen Weg über den weißen Kontinent mit kleinen, schwarz verschmierten Fahnen bestücken könnte. Am Tag, als die JOHNLONDON auf Grund lief, war die See ruhig, die Sonne schien, und wir hockten wie verhungernde Katzen an Deck und warteten darauf, dass man uns sichtete. Überall im Wasser zwischen den Felsen trieben unsere Habseligkeiten. Und auch fünf Leichen gab das Wrack noch frei. Mister Alberts war nicht darunter. Sie blieb im Forecastle, das mein Vater gebaut hatte, und ging damit unter.

Ich wäre dort nie mehr von Bord, nie nach Montevideo, dann Buenos Aires und schließlich auf die ENDURANCE gelangt, wäre nicht zum Glück für uns alle jener Schiffszimmermann Rutherford wieder zur Vernunft gekommen. Ohne Rutherfords mäßigenden Einfluss hätten zumindest ein paar von seinen Kerlen nicht lange gefackelt und uns, die wir zu Käpt’n Coon hielten, kurzerhand ins Meer geworfen.

Sieben Tage nach unserer Havarie nahm uns ein Küstenfischer auf und brachte uns in den Hafen von Montevideo. In einem kleinen Hospital päppelte man uns ein paar Tage lang auf, bevor eines frühen Morgens die Miliz im Hof stand und Rutherford und seine fünf Wirrköpfe verhaftete. Ich weiß noch, wie ich in dem Pappelwäldchen, das zu dem Krankenhaus gehört, Käpt’n Coon traf, der dort allein spazieren ging, und wie gern ich ihn auf die Vorkommnisse an Bord und die Verhaftungen angesprochen hätte. Aber für einen Schiffsjungen ist das völlig ausgeschlossen.

»Na, Merce, auch unterwegs? Gehen ist besser als stehen«, sagte Coon, und schon war er vorbei. Ich hatte nicht einmal Zeit, mein »Yesser« anzubringen. Ich ging weiter. Da rief er mich, und ich merkte, dass er mir nachkam.

Er habe, sagte er, meinem Dad versprochen, auf mich aufzupassen. Dem Kapitän, der sein Schiff verliert, sei ich zwar keine Rechenschaft schuldig. Trotzdem solle ich ihm bitte sagen, was meine Pläne seien.

Ich sagte ihm die Wahrheit: Ich hatte keine Pläne.

Coon sagte plötzlich: »Die Männer müssen sich vor Gericht dafür verantworten, dass ohne ihr Fehlverhalten der Bootsmann und alle die anderen noch am Leben wären. Das wird wohl einige Monate in Anspruch nehmen. Aber wenn du einverstanden bist, werde ich deiner Familie schreiben, dass es dir gut geht.«

Ich bat mir Bedenkzeit aus. Am Tag darauf erhielten wir übrigen sechs unsere Heuer, und als wir das Hospital verließen, bat ich Käpt’n Coon, meinen Eltern nicht zu schreiben. Mein Entschluss überraschte ihn nicht, er fragte nicht einmal nach meinen Gründen. Vielleicht hat er geahnt, als er mir im strömenden Regen die Hand gab, dass ich ihm keine Gründe hätte nennen können.

Gleich mein erstes Schiff ist untergangen. Ein echter Seemann würde sagen: Diesen Schatten wirst du nicht mehr los. Lass es bleiben! Aber ich bin kein Seemann, so wenig wie ich ein Zimmermann bin und meinem Vater nachkomme. Und könnte Dad mich so sehen, gekauert in meinen Spind, mit schokoladeverschmiertem Mund, er würde mir die Handschuhe und Gummistiefel um die Ohren hauen.

Und Recht hätte er. Warum bin ich nicht zur Marine gegangen und habe auf der INVINCIBLE oder INFLEXIBLE angeheuert, Panzerkreuzer mit einem Schlafsaal im Zwischendeck für 800 Matrosen, die Hängematte an Hängematte dort baumeln? Da kommt keine Einsamkeit auf, da kommt keiner auf dumme Gedanken. Du hast dein Kanonenrohr, in das kriechst du einmal am Tag hinein und machst es sauber, du hast deinen Landurlaub, dein Seegefecht, dein Seemannsgrab und deine Meldung im South Wales Echo:

Seeschlacht mit kaiserdeutschen Verbänden vor Argentinien

Zu unseren auf See gebliebenen Helden zählt Merce Blackboro, Sohn des traditionsreichen Schiffszimmererbetriebes

Der achte Schlag zeigt an: Die Rattenwache ist vorbei. Jetzt rennen sie runter und rütteln die Hunde aus dem Schlaf.

In den Häfen am Rio de la Plata habe ich vom Krieg nicht viel bemerkt. Wenn man den Zeitungen glaubt, ist es bloß eine Frage der Zeit, wann sich Argentinien und Uruguay von dem um sich greifenden Wahnsinn anstecken lassen. Den Leuten, die ich kennen gelernt habe, ist unsere euphorische Feindseligkeit fremd. Hass auf einen Zaren, ein paar alte Könige oder zwei komische Kaiser, die nicht nur ähnlich aussehen, sondern sogar dieselbe Sprache sprechen, ist ihnen unverständlich und empfinden sie als störend. Und so nannten sie uns denn auch Störenfriede, perturbadores.