Der Junge, der nicht weinen wollte - Xaver Brüßel - E-Book

Der Junge, der nicht weinen wollte E-Book

Xaver Brüßel

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Beschreibung

"Der Junge, der nicht weinen wollte" ist eine autobiografische Geschichte. Sie handelt von Michael, einem jungen Mann, der, von außen betrachtet, immer sehr optimistisch und zuversichtlich ist. Er ist im Allgemeinen sehr fröhlich, versprüht in seinem Umfeld meistens gute Laune und lacht sehr gerne. Dabei ist er sehr hilfsbereit und gibt, ohne etwas zu erwarten. Doch an seine wahren Probleme lässt er so gut wie nie jemanden teilhaben. Diese verarbeitet er auch selbst kaum. Viele Erlebnisse, die an sich nicht positiv sind, versteckt er hinter einem Lachen. Es geht so weit, dass er das selbst nicht einmal mehr bemerkt. Natürlich weiß er, dass sein Leben nicht perfekt verläuft. Wie jeder andere Mensch auch, hat er immer wieder mit einigen Rückschlägen zu kämpfen. Und im Verlaufe seines Lebens ist er nach solchen Rückschlägen immer wieder auf die Füße gefallen. Immer wieder findet er eine Lösung für seine Probleme. Trotzdem verläuft sein Leben nie wirklich einfach. Ich habe ihn einmal gefragt: "Wenn du dich selbst mit einer Comicfigur vergleichen müsstest, welche Figur würde am ehesten auf dich zutreffen?" Er antwortete mir: "Ich denke, es wäre Donald Duck. Immer werden ihm Knüppel vor die Füße geworfen, hat ständig mit neuen Herausforderungen zu kämpfen, doch steht immer wieder auf. Mit dem Unterschied, dass sogar Donald Duck bei allen Schwierigkeiten, und auch wenn es Streit gibt, über all die Jahre seine Freundin Daisy Duck immer an seiner Seite ist." Er hat stets und ständig das Gefühl, dass er mehr Hindernisse überwinden muss als andere Menschen in seinem Umfeld. Und dieses ständige "kämpfen müssen" belastet ihn zusehends. Doch Hilfe anzunehmen fällt ihm sehr schwer und ist ihm zum großen Teil auch sehr unangenehm. Er erzählt uns seine Geschichte und gibt uns teilweise sehr tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt und Gedanken.

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Seitenzahl: 289

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Für meine Kinder:

Ihr seid das Wertvollste und Beste, was mir je passiert ist!

Ich bin unendlich dankbar und stolz auf euch!

Ein lieber Dank geht an:

Simona

Du bist eine wertvolle Ratgeberin

Ein weiterer Dank geht an:

lldi

Für deine Hilfe bei der Korrektur

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

KAPITEL EINS: Meine frühe Jugend

KAPITEL ZWEI: Ende der Schulzeit und Ausbildung

KAPITEL DREI: Meine erste große Liebe

KAPITEL VIER: Meine Transformation zum Positiven

KAPITEL FÜNF: Das Ende meiner Träume

KAPITEL SECHS: Der absolute Tiefpunkt

KAPITEL SIEBEN: Das Leben geht weiter

KAPITEL ACHT: Ein denkwürdiger Abend

KAPITEL NEUN: Eine neue Hoffnung

KAPITEL ZEHN: Turbulentes Ende

KAPITEL ELF: Rückfall zur Liebe und Befreiung

KAPITEL ZWÖLF: Wilde Jahre

KAPITEL DREIZEHN: Der Neuaufbau meines Lebens

KAPITEL VIERZEHN: Eine neue Familie

KAPITEL FÜNFZEHN: Aufbruch in ein neues Leben

KAPITEL SECHZEHN: Es geht dem Ende zu

KAPITEL SIEBZEHN: Ein erneuter Neuanfang

KAPITEL ACHTZEHN: Turbulente 6 Wochen

KAPITEL NEUNZEHN: Ruhe? Fehlanzeige!

KAPITEL ZWANZIG: Pause!

KAPITEL EINUNDZWANZIG: Ein Tanzabend mit Folgen

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG: Es wiederholt sich

KAPITEL DREIUNDZWANZIG: Freundschaft? Plus?

KAPITEL VIERUNDZWANZIG: Glücklich (fast) allein

EPILOG

NACHWORT

VORWORT

Dies ist eine autobiografische Geschichte. Sie handelt von Michael, einem jungen Mann, der, von außen betrachtet, immer sehr optimistisch und zuversichtlich ist. Er ist im Allgemeinen sehr fröhlich, versprüht in seinem Umfeld meistens gute Laune und lacht sehr gerne. Er ist sehr hilfsbereit und gibt gerne, ohne etwas zu erwarten. Doch an seine wahren Probleme lässt er so gut wie nie jemanden teilhaben. Diese verarbeitet er auch selbst kaum. Viele Erlebnisse, die an sich nicht positiv sind, versteckt er hinter einem Lachen. Es geht so weit, dass er das selbst nicht einmal mehr bemerkt.

Er hat gelernt, seinen Schmerz hinter seinem Optimismus zu verstecken - und nicht wirklich zu verarbeiten.

Natürlich weiß er, dass sein Leben nicht perfekt verläuft. Wie jeder andere Mensch auch, hat er immer wieder mit einigen Rückschlägen zu kämpfen. Und im Verlaufe seines Lebens ist er nach solchen Rückschlägen immer wieder auf die Füße gefallen. Immer wieder findet er eine Lösung für seine Probleme. Trotzdem verläuft sein Leben nie wirklich einfach.

Ich habe ihn einmal gefragt: „Wenn du dich selbst mit einer Comicfigur vergleichen müsstest, welche Figur würde am ehesten auf dich zutreffen?" Er antwortete mir: „Ich denke, es wäre Donald Duck. Immer werden ihm Knüppel vor die Füße geworfen, hat ständig mit neuen Herausforderungen zu kämpfen, doch steht immer wieder auf. Mit dem Unterschied, dass sogar Donald Duck bei allen Schwierigkeiten, und auch wenn es Streit gibt, über all die Jahre seine Freundin Daisy Duck immer an seiner Seite hat."

Er hat stets und ständig das Gefühl, dass er mehr Hindernisse überwinden muss, als andere Menschen in seinem Umfeld. Und dieses ständige „kämpfen müssen" belastet ihn zusehends. Doch Hilfe anzunehmen fällt ihm sehr schwer und ist ihm zum großen Teil auch sehr unangenehm.

Als ich mit ihm über sein persönliches Modell des Lebens sprach, sagte er mir, dass er sein Leben auf drei Säulen stehen sieht: seine Familie, seine Partnerin und seine Arbeit. Doch er hat dabei eine wichtige Säule vergessen, wie ich in meinen Gesprächen mit ihm und seiner Geschichte erfahren habe: Musik. Ich sprach Michael darauf an: „Welchen Stellenwert hat Musik für dich in deinem Leben?" Er antwortete: „Einen großen. Ich verbinde so viele Emotionen mit Musik und Liedern. Sie begleitet mich schon mein ganzes Leben. Das liegt sicher auch in der Familie meiner Mutter, denn eigentlich alle meine Cousins und Cousinen spielen ein Instrument. Nur ich hatte nie das Durchhaltevermögen um eines wirklich richtig zu erlernen. Aber ich liebe Musik."

Musik war und ist also auch eine wichtige Säule in seinem Leben. Ich fragte ihn dann nach seinem Lieblingslied. Michael überlegte und sagte: „Das kommt auf den Moment an. Aber eigentlich habe ich kein Lieblingslied. Es gibt so viele!" Kurz danach fügte er hinzu: „Wenn es ein Lied gibt, das beschreibt, wie ich zur Musik stehe, dann ist es sicherlich John Miles mit: Music was my first love." Und während er das sagte, funkelten seine Augen.

Musik transportiert Emotionen, sagt man. Und bei Michael ist das mit Sicherheit ganz besonders so, denn er trägt sehr viele Emotionen in sich. Er lässt sie nicht immer raus, versteckt sie gerne auch mal, oder überspielt sie. Aber sie sind da und ein ganz fester Bestandteil seiner Persönlichkeit. Nein, diese Geschichte handelt weitestgehend nicht von Musik. Doch wenn man mit ihm über Musik redet, dann lässt er sehr viel mehr in sich hinein blicken und zeigt sein Inneres.

Eine Frage musste ich ihm dann noch stellen: „Was war das erste Lied, dass dich emotional sehr berührt hat?" Michael musste nicht lange überlegen und antwortete: „Von Andrea Jürgens: Und darum liebe ich euch beide. Da geht es um ein kleines Kind, das nicht verstehen kann, warum sich seine Eltern trennen. Schon damals war dieses Lied so unendlich traurig für mich, obwohl ich ja meine Eltern hatte. Und später wurde es noch emotionaler, als die Beziehungen zu meinen Frauen in die Brüche ging. Da waren meine Kinder jeweils etwa 6 Jahre alt. Ich habe ihnen nie das Gefühl gegeben, dass sie etwas für die Trennung konnten und immer gesagt, dass Mama und Papa sie immer lieb haben werden." Er hatte feuchte Augen, als er mir davon erzählte. Doch lassen wir ihn seine Geschichte selbst erzählen. Er gibt uns teilweise sehr tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt und Gedanken. Und da es sich um eine sehr persönliche Geschichte handelt, habe ich die Namen der beteiligten Personen und einige Orte verändert.

Wenn du dich beim Lesen dieser Geschichte in einigen Dingen wieder er kennen solltest, dann rate ich dir dringend professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Genauso wie ich das dem jungen Mann aus der Geschichte ebenso rate. Doch Michael ist noch nicht so weit.

KAPITEL EINS

Meine frühe Jugend

Meine Mutter war fortan immer mit mir beschäftigt. So war ich nie in einem Kindergarten, oder einer vergleichbaren Einrichtung. Auch sonst kann ich mich nicht daran erinnern, Kontakt zu anderen Kindern gehabt zu haben, was auch daran liegen könnte, dass ich in den ersten 5 Lebensjahren fünfmal umgezogen bin. Als ich etwa vier Jahre alt war, lernte meine Mutter meinen späteren Stiefvater kennen. Sie heirateten, als ich fünf Jahre alt war. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich beim Standesamt mit dabei war und der Standesbeamte dann meinem Stiefvater und meiner Mutter gratulierte. Ich bin dann aufgestanden, zu ihm hingegangen und habe gesagt: „Du musst mir auch gratulieren, ich habe auch mit geheiratet."

Kurze Zeit später wurde meine Halbschwester geboren. Ein Jahr danach mein Halbbruder - für mich waren es aber immer meine „richtigen" Geschwister. Doch auch wenn ich jetzt wieder eine komplette Familie hatte und mich liebevoll um meine Schwester gekümmert habe, so war ich dennoch irgendwie alleine, da meine Geschwister mehr Zeit miteinander verbracht haben, als mit mir, was aufgrund des Altersunterschieds auch verständlich war. Zu der Zeit hatte ich einen sehr guten Freund aus unserer Nachbarschaft. Dies war zugleich auch der erste Mensch außerhalb meiner Familie, an den ich mich erinnern kann. Wir haben regelmäßig zusammen gespielt und viel Spaß miteinander gehabt. Kurz bevor ich eingeschult wurde, zog die Familie meines Freundes jedoch weg. Ich weiß noch, dass ich in Tränen aufgelöst war als ich diese Mitteilung von meinen Eltern bekommen habe. Ich habe nie verstanden, warum mein bester Freund wegziehen musste. Und obwohl wir später versucht haben meinen Freund wiederzufinden, habe ich ihn dennoch nie wieder gesehen.

Rückblickend habe ich das Gefühl, dass ich immer noch sehr viel Zeit mit mir alleine verbrachte. Natürlich hatte ich auch Kontakt zu anderen Kindern. Ich erinnere mich, dass ich besonders mit der Tochter von Freunden meiner Eltern gespielt habe. Im Alter von etwa zehn Jahren habe ich dieses Mädchen das erste Mal geküsst. Und auch wenn sie gar nicht mein Typ war und ich sie auch gar nicht als attraktiv empfunden habe, so habe ich doch diese „Beziehung" sehr genossen. Sie war da als sich bei mir die ersten sexuellen Fantasien regten. Tatsächlich ging es sogar so weit, dass ich mit diesem Mädchen schon sehr früh, sagen wir, sexuellen Kontakt hatte. Der Beischlaf wurde zwar nicht vollzogen, aber wir waren schon sehr nahe dran. Und auch wenn sie mir emotional nicht so viel bedeutete, so fand ich es doch spannend, einige Dinge mit ihr auszuprobieren. Natürlich kam die Geschichte raus und ich bekam Ärger dafür. Meine Mutter nahm mich dann an die Seite und sagte: „Suche dir doch bitte eine ältere Frau, wenn du sexuelle Erfahrungen sammeln möchtest." Doch mein Interesse am weiblichen Geschlecht war erst einmal erloschen.

* * *

Zur selben. Zeit hatte ich dann, auch viel mehr Kontakt zu meinen Cousins. Überhaupt war die Familie meiner Mutter sehr groß und ich hatte viele Cousins und Cousinen. Doch die meiste Zeit habe ich mit einem Cousin verbracht, der etwa zwei Jahre älter war als ich. Darüber hinaus bekam ich über meine Familie Kontakt zu einer Religionsgemeinschaft und damit hat sich dann mein soziales Umfeld erheblich erweitert. Hier fühlte ich mich wohl und gut aufgenommen. Nahezu meine komplette Verwandtschaft mütterlicherseits war Teil dieser Religionsgemeinschaft. Und tatsächlich habe ich dort auch viele Freunde gefunden. Ab etwa 15 Jahren verbrachte ich kaum mehr Zeit mit mir allein, sondern habe viel mehr Kontakt zu anderen gehabt. Innerhalb dieser Gemeinschaft habe ich dann auch gelernt, vor Zuschauern zu sprechen. Dies half mir ein Teil meiner Zurückhaltung abzulegen und ein gutes Stück selbstbewusster zu werden. Somit konnte ich dann auch meine Referate vor der Klasse freier und ungehemmter halten. Doch von wirklichem Selbstbewusstsein war ich Lichtjahre entfernt. Und auch wenn ich diese Gemeinschaft schon lange verlassen habe, so bin ich für diesen Punkt immer noch sehr dankbar.

* * *

Ich möchte meine Jugenderfahrungen aber noch um ein paar Punkte ergänzen. Dies betrifft mein Verhältnis zu meiner Mutter und meinem Stiefvater. Meine Eltern waren äußerst streng. Und so kam es nicht selten vor, dass wir Kinder auch körperlich bestraft wurden. Ich würde nicht behaupten wollen, dass es eine Form von wirklicher Körperverletzung gab, doch derlei Erziehungsmethoden würden heute sicherlich eine Anzeige nach sich ziehen. Und auch aus einem anderen Grund war Gewalt ein Thema in meiner Kindheit. Mein Stiefvater hat wenigstens einmal meine Mutter so stark geschlagen, dass sie am ganzen Körper Hämatome davon trug. Zu der Zeit war ich etwa acht oder neun Jahre alt. Ich hatte eine wahnsinnige Wut auf meinen Stiefvater, aber ich konnte nichts dagegen unternehmen. Hätte mein Stiefvater meine Mutter, als ich älter war, jemals wieder geschlagen, so bin ich mir sehr sicher, dass ich meinen Vater dafür zur Rechenschaft gezogen hätte. Dieses habe ich ihm aber auch nie wirklich sagen können.

Überhaupt gab es nur sehr wenige Gespräche zwischen mir und meiner Mutter oder meinem Vater, in denen es um Emotionen ging. Und auch in der Pubertät habe ich lieber mit meinen älteren Cousins über meine Gefühlslage gesprochen. Aber auch dies kam eher selten vor. Letztlich habe ich meine Gefühle zumeist mit mir selbst verarbeitet. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass meine Eltern mich nicht wirklich verstehen würden und habe deswegen eher weniger mit ihnen darüber gesprochen. Trotz allem hatte ich immer das Gefühl, dass ich eine relativ sorgenfreie Kindheit hatte. Und diese hatte auch sehr viele schöne Momente, wenn ich mich allein an unsere zahlreichen Urlaube zurückerinnere. Rückblickend betrachtet war ich aber auch in meiner frühen Kindheit bis hin zur Pubertät weitestgehend introvertiert und habe Probleme mit mir selbst ausgemacht. Auch wenn später meine Cousins da waren und ich mit ihnen über einiges mehr hab sprechen können, liebevolle Zuwendungen gab es fast nur von meiner Mutter, aber auch hier eher seltener. Das ist vielleicht das, was ich am meisten an meiner Jugend vermisst habe.

KAPITEL ZWEI

Ende der Schulzeit und Ausbildung

Um noch mal auf meine Schulzeit zurückzukommen, möchte ich noch ein wenig ergänzen.

Das Verhältnis zu meinen Mitschülern, in allen Schulen, die ich besucht hatte, war über all die Jahre in den meisten Fällen eher etwas distanziert. So habe ich, außer zu meinen engeren Freunden, kaum Kontakt außerhalb der Schule mit meinen Mitschülern gehabt. Ich denke, dass sich kaum jemand wirklich ernsthaft an mich erinnern wird. Und so hatte ich bis heute keinen Kontakt mehr zu ehemaligen Mitschülern. Ich wurde nie auf ein Klassentreffen eingeladen und weiß auch gar nicht, ob jemals ein solches stattgefunden hat. Aber selbst wenn man versucht hat mich einzuladen, so wäre dieses sicherlich auch schwierig geworden, da ich, wie gesagt, relativ häufig umgezogen bin.

Meine Leistungen in der Schule waren durchweg immer irgendwo im Mittelfeld. Das lag zum Großteil sicher daran, dass ich immer wenig Lust hatte zu lernen und mir auch meine Eltern spätestens ab der Realschule nicht mehr bei meinen Hausaufgaben helfen konnten. Und auch wenn ich meine Hausaufgaben in der Regel immer hatte, so habe ich mir doch überlegt, welche davon, wirklich notwendig sind und welche weniger. Ich habe relativ früh erkannt, dass meine Lehrer es sehr mochten, wenn man sich am Unterricht beteiligt. Und auch wenn ich eher schüchtern war, so habe ich doch immer rege am Unterricht teilgenommen. Auch das führte dazu, dass ich nicht mehr so viel lernen musste, da ich den Unterrichtsstoff schon sehr gut verinnerlicht hatte. Von meinen schulischen Leistungen hat es mir immer ausgereicht im Mittelfeld zu sein. Ich war kein Streber, aber auch in keinem Fach richtig schlecht (mit einer Ausnahme: auf Physik hatte ich so gar keine Lust und hab mir da auch im Abschlusszeugnis eine 5 erlaubt). Zum Ende meiner Realschulzeit hatte ich nur noch den Ehrgeiz, einen Abschluss zu bekommen, der es mir ermöglichen würde, anschließend das Gymnasium zu besuchen. Und dieses Ziel habe ich mit dem geringstmöglichen Aufwand erreicht. Jedoch war mir eigentlich schon klar, dass ich die Schule nach meiner mittleren Reife verlassen würde, um eine Ausbildung zu beginnen. Und das tat ich dann auch.

Ich hatte mich im Vorfeld darüber informiert, was ich mit meinem Abschluss lernen könnte und bei welchem Beruf ich weitestgehend nur meine Arbeit machen müsste. Ich wollte einen Beruf erlernen, bei dem ich möglichst mit wenigen Menschen zu tun hätte. Aufgrund meiner Interessen kam für mich eigentlich nur eine kaufmännische Ausbildung infrage. Mein Traumjob zu der Zeit wäre die des Datenverarbeitungskaufmanns gewesen. Doch leider stellte sich heraus, dass es in meiner Stadt nur einen Betrieb gab, der eine solche Ausbildung anbot und die freien Stellen nur mit Abiturienten besetzte. Meine zweite Wahl war Industriekaufmann gewesen. Doch auch für diesen Beruf habe ich nur Absagen von den jeweiligen Betrieben erhalten. Zwischenzeitlich „drohte" mir mein Vater, dass ich eine Ausbildung bei der Post machen müsste, wenn ich nicht rechtzeitig eine andere Ausbildungsstelle finden würde. Denn auch mit meinen Bewerbungen bzw. deren Anzahl habe ich es schleifen, lassen, als ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Daraufhin habe ich mich an die dritte Option gewandt, die ich gedanklich hatte, um mich als Bürokaufmann zu bewerben. Und mit der Drohung meines Vaters im Hinterkopf habe ich dann auch Bewerbungen zum Einzelhandelskaufmann geschrieben, auch wenn ich dieses nie wirklich in Betracht gezogen habe. Glücklicherweise konnte ich dann doch eine Ausbildungsstelle als Bürokaufmann finden.

Als ich meinen Ausbildungsvertrag sicher hatte, teilte mir meine Mutter mit, dass ich mich fortan an den Lebenshaltungskosten beteiligen müsse. Wir vereinbarten, dass ich die Hälfte meiner Ausbildungsvergütung als Kostgeld abgebe. Ich war davon nicht begeistert, doch akzeptierte es letztlich.

* * *

An meinem ersten Tag als Auszubildender kam ich so in die Arbeit, wie ich mich auch vorgestellt hatte. Bei meinem Vorstellungsgespräch trug ich nämlich ganz klassisch einen Anzug mit Hemd und Krawatte. Bei dem Betrieb handelte es sich um einen Handwerksbetrieb für Elektro-, Sanitär- und Heizungsinstallation. Und mein Ausbilder hatte mir nach dem Vorstellungsgespräch nicht gesagt, wie ich mich dort anziehen soll. Also erschien ich im Anzug in der Arbeit. Ich bemerkte zwar, dass sonst keiner einen Anzug trug, wollte aber auch nicht mehr nachfragen, da mir das sehr unangenehm war. Nach etwa vier Tagen sagte mir mein Chef, dass wir keine Bank wären und ich doch bitte legere Kleidung tragen soll. Ich bekam einen feuerroten Kopf, doch ab da wusste ich natürlich, woran ich bin und kam dann mit T-Shirt, Jeans und Turnschuhen in die Arbeit.

Mein Chef stellte sich später als Choleriker heraus. Er hat mich oft nach Fehlern von mir in sein Büro gerufen und mich einige Male angeschrien oder mich auch des Öfteren mit herablassenden. Worten bedacht. Und auch wenn ich der Meinung war, dass ich meine Arbeit im Großen und Ganzen sehr zuverlässig und gut machte, so habe ich ihm nie widersprochen. Besonders im ersten halben Jahr litt ich ziemlich unter den Ausbrüchen meines Chefs. Und mehr als einmal dachte ich darüber nach, die Ausbildung abzubrechen und hinzuschmeißen. Das tat ich aber aus Angst vor den Konsequenzen bei meinen Eltern nicht. Und wie so oft, sprach ich auch nicht mit meinen Eltern über meine Situation in der Arbeit und auch nicht darüber, dass es mir dort nicht gut ging. Lieber nahm ich es in Kauf, morgens mit zitternden Händen ins Büro zu kommen und abends nach der Arbeit mit einem großen Seufzer der Erleichterung das Büro wieder zu verlassen.

Ich wollte mir nicht ausmalen, was zu Hause passieren würde, wenn ich meinen Eltern mitteilen würde, dass ich den Job schmeißen wollte. Und das war wirklich keine Übertreibung. Ich bin tatsächlich jeden Morgen mit zitternden Händen ins Büro gekommen und habe am Abend, nachdem ich das Büro verlassen hatte, erst einmal richtig tief durchgeatmet. Aber wie man so schön zu der Zeit gesagt hat: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre." Also habe ich meine Ausbildung trotz allem durchgezogen. Doch auch wegen meiner Ausbildung, bzw. dem Verhalten von meinem Chef, kam ich mir sehr minderwertig vor. Das vielleicht einzige Positive meiner Ausbildung für mein Selbst wertgefühl war, dass ich nach erfolgreichem Abschluss doch sehr stolz auf mich war, es durchgezogen und erfolgreich beendet zu haben.

Parallel zu meiner Ausbildung habe ich auch meinen Führerschein gemacht. Und auch hier war es für mich wie ein Déjà-vu. Denn auch mein Fahrschullehrer entpuppte sich in der praktischen Ausbildung als reiner Choleriker. So unbeschwert und lustig die theoretische Ausbildung war, so zeigte mein Lehrer in der praktischen Ausbildung ein ganz anderes Gesicht. Er konnte sich über kleinste Fehler furchtbar aufregen. So war ich vor jeder Fahrstunde nervös und angespannt. Das wirkte sich natürlich auch auf der Straße aus, denn dadurch war ich immer unsicher. Diese Unsicherheit hat meinen Fahrlehrer erst recht wieder dazu gebracht, mich runter zu putzen und heftig zu kritisieren. Auch hier zeigte sich immer wieder mein mangelndes Selbstbewusstsein. Erst nachdem mein Fahrlehrer krank wurde und eine andere Fahrschule eingesprungen war, verbesserte sich meine Situation und auch meine Leistung. Denn mein neuer Fahrlehrer war immer sehr entspannt und hat mich respektvoll und freundlich auf meine Fehler hingewiesen. Und mit dieser konstruktiven Kritik konnte ich sehr viel besser umgehen und auch verstehen, woran ich arbeiten musste.

* * *

Kommen wir zurück auf meine berufliche Laufbahn. Zum Ende meiner Ausbildung bat ich meinen Chef um ein Gespräch, damit er mir sagt, ob und wie es für mich in dem Betrieb weitergeht. Denn natürlich wollte ich nach meiner Ausbildung auch nicht ohne Job da stehen und mir die Möglichkeit offen halten, mich rechtzeitig für eine andere Stelle zu bewerben. Leider ließ mich mein Chef bei diesem Gespräch im Regen stehen und hat mir einfach keine Antwort darauf gegeben. Das einzige, was er sagte, war: „Darüber reden wir ein anderes Mal." Aber vor meiner Abschlussprüfung kam es zu keinem weiteren Gespräch. Ich hatte das Thema nicht mehr ansprechen wollen, um mir keine weitere Abfuhr abzuholen und mein Chef hat es offensichtlich nicht für notwendig erachtet.

Um meinen weiteren beruflichen Werdegang zu erklären ist es nicht ganz unwichtig zu erwähnen, dass ich mich ab meinem 14. Lebensjahr mit Computern beschäftige. Der zu der Zeit populärste Heimcomputer war der Commodore C64. Diesen wollte ich unbedingt haben. Daraufhin eröffnete mir mein Vater, dass dafür in der Familienkasse zu wenig Geld ist und ich mir diesen Wunsch selbst erfüllen müsse. Mit anderen Worten: Ich würde lange Zeit sparen müssen. Ich durfte aber auch keinen Job annehmen. Meine Mutter befürchtete, dass wenn ich Prospekte austragen würde und dazu später keine Lust mehr hätte, dann sie darauf hängen bleiben würde. Also blieb mir keine andere Wahl als sämtliches Geld, das ich von irgendwo bekommen habe, zu sparen. Doch ich habe es geschafft.

Als ich dann mit meinen Ersparnissen zu meinen Eltern ging, damit diese für mich nun meinen Computer kaufen könnten, weigerte sich mein Vater. Seine Worte waren: „Diesen Computer bekommst du nicht." Meine Enttäuschung war riesengroß. Auf meine Frage nach dem: „Warum?", erklärte mein Vater dann: „Ich möchte nicht, dass du den ganzen Tag nur spielst." In meiner Schulklasse hatten alle diesen Computer und ich wollte natürlich auch irgendwie dazu gehören. Und es war richtig, dass mit diesem Computer tatsächlich eigentlich nur gespielt wurde. Mein Cousin hatte zu der Zeit einen Atari ST. Und meine Eltern und Onkel und Tante haben sich wohl zu dem Thema ausgetauscht. Dann kam für mich die große Überraschung. Mein Vater teilte mir mit, dass er mir diesen Computer kaufen würde. Der Atari ST war jedoch etwa doppelt so teuer wie der C64. Ich habe also nur die Hälfte für meinen Computer bezahlt und die andere Hälfte meine Eltern. Und auch wenn sie die Zeit, die dich am Computer verbringen durfte, sehr reglementierten, so hat dies nicht meine Begeisterung daran trüben können.

Wie gesagt, ich bin sehr Computer-Affin und habe mich sowohl mit Programmierung als auch Technik beschäftigt. Und kurz bevor meine Ausbildung zu Ende ging, wurde in unserem Betrieb auch eine EDV-Anlage angeschafft. Das war für mich sehr positiv. Denn ab dem Moment hat wohl auch meinen Chef bemerkt, dass mir dieses Thema sehr liegt. Doch wie gesagt, hat er sich zu meiner Zukunft in seinem Betrieb nicht mehr geäußert.

Ein Freund von mir, der einige Jahre älter war als ich, kam zum Ende meiner Ausbildungszeit auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte in der Firma, in der er arbeitete, auch anzufangen. Er arbeitete in einem Computerladen, der nur aus zwei Personen bestand: dem Inhaber, der sich um den Ein- und Verkauf kümmerte und meinem Freund, der die Computeranlagen zusammenbaute. Ich sollte dort im Verkauf anfangen, damit sich der Chef hauptsächlich um den Einkauf kümmern konnte. Nachdem ich mir den Laden angeschaut und mit dem Inhaber gesprochen hatte, haben wir dann über mein mögliches Gehalt gesprochen. Dieses sollte sehr viel höher ausfallen als zu der Zeit für einen Berufsanfänger üblich. Ich war von diesem Angebot sehr überrascht, aber es schmeichelte auch meinem Ego. So musste ich nicht lange überlegen und sagte ihm zu. Das Erstaunliche im Nachhinein war, dass ich für meine Berufswahl einen Job gewählt habe, bei dem ich nicht mit Kunden in Kontakt kommen wollte. Doch direkt nach meiner Ausbildung ging ich in den Einzelhandel, wo ich intensiv Kunden betreuen und beraten musste. Da dieses aber in einem Gebiet war, auf dem ich mich sehr gut auskannte, bereitete mir das überhaupt keinen Stress.

Mit dem neuen Job in der Tasche habe ich dann meinem Ausbilder mitgeteilt, dass ich nach bestandener Prüfung aufhören würde. Daraufhin bekam mein Chef erst einmal einen Wutanfall. Er meinte, ich könnte nicht aufhören, er wollte mich ja übernehmen und ich hätte nicht rechtzeitig gekündigt. Mit dem Selbstvertrauen, jetzt einen gut bezahlten Job zu haben, war es das erste Mal, dass ich meinem Chef Paroli geboten hatte. Ich teilte ihm sachlich mit, dass ich meine Ausbildung nicht kündigen muss, sondern der Ausbildungsvertrag mit Ende der bestandenen Prüfung ausläuft, da es sich um einen zweckgebundenen Vertrag handelte. Das hat mein Chef selbstverständlich auch gewusst. Doch wollte er mich mit seiner Art wieder klein halten und verunsichern. Und er war sehr überrascht, dass ich mich dagegen gewehrt habe. Letztlich sind wir darüber überein gekommen, dass ich das Warenwirtschaftssystem dort noch zu Ende einrichte und sind dann im Guten auseinander gegangen. Tatsächlich hat er mir an meinem letzten Arbeitstag für meinen Einsatz gedankt. Dies war umso mehr eine Art Genugtuung für mich als er nämlich immer der Meinung war: „Die Abwesenheit von Tadel ist Lob genug." Somit verließ ich zum Abschluss den Betrieb doch noch mit einem positiven Gefühl.

KAPITEL DREI

Meine erste große Liebe

Wie schon erwähnt, hatte sich mein soziales Umfeld mit Eintritt in die Religionsgemeinschaft stark erweitert. Nach Beginn meiner beruflichen Ausbildung habe ich mich in ein Mädchen verguckt, als ich knapp 17 Jahre alt war. Das Mädchen hieß Jennifer und war die kleine Schwester von einem Freund von mir. Außerdem hatten wir am selben Tag Berufsschule. Und obwohl sie ein Jahr älter war als ich, fand ich sie sehr attraktiv und liebenswert. Doch natürlich habe ich meine Gefühle für sie nicht geäußert. Irgendwann hatte ich nur mit meinem Cousin über sie gesprochen. Aber auch dabei habe ich ihm nur gesagt, dass ich sie sehr interessant finde.

Nachdem ich Jennifer über Monate hinweg regelmäßig drei bis vier Mal pro Woche gesehen habe, hat sich mein Interesse an ihr nur weiter verstärkt. Ich habe es genossen, in ihrer Nähe zu sein, mich mit ihr zu unterhalten und so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen. Es sollte aber natürlich auch nicht so aussehen, als ob ich großes Interesse an ihr hätte. Ich habe meine Emotionen und Gefühle ihr gegenüber zurückgehalten. Doch das fiel mir zunehmend schwerer. Ich habe viel über sie nachgedacht und auch darüber, ob es für uns eine gemeinsame Zukunft geben könnte. Und natürlich war ich immer im Zweifel, ob ich ihr Typ wäre und bei ihr eine Chance hätte. All das hat immer mehr dazu geführt, dass ich mich immer mehr zu ihr hingezogen fühlte und mich weiter in sie verliebte. Ich hatte nur nicht den Mut, ihr das auch zu sagen. Und natürlich habe ich das auch nicht ihrem Bruder, also meinem Freund, mitgeteilt.

Diese Gefühle habe ich fast ein Jahr mit mir herumgetragen. Eines Tages konnte ich mich aber nicht mehr zurückhalten und gestand Jennifer, dass ich mich in sie verliebt hatte. Ich war sehr, sehr, nervös und sicherlich bin ich auch ziemlich rot geworden. Und meine Ängste gingen in Erfüllung. Denn sie erteilte mir, wenn auch höflich und durchaus taktvoll, eine Abfuhr. An die genauen Worte von damals kann ich mich nicht mehr erinnern, sie sagte so etwas wie: „Ich denke im Moment nicht über eine Beziehung nach. Zuerst möchte ich meine Ausbildung beenden. Und eigentlich bist du mir auch zu jung." Für mich brach damit meine Traumwelt zusammen. Ich fühlte mich wie überfahren. Es war ein großer Stich in mein Herz. Meine Traumfrau hatte keine Gefühle für mich. Es gelang mir noch, die Situation mit geheucheltem Verständnis hinter mich zu bringen, aber natürlich tat mir das sehr weh und ich habe vor allem versucht, ihr aus dem Weg zu gehen. Das war aber nicht so einfach, da wir uns mindestens zweimal die Woche sahen. Und jedes Mal gab es wieder einen kleinen Stich ins Herz.

Ich habe mich daraufhin ziemlich zurückgezogen und war emotional völlig fertig. Dies ließ ich mir im Umgang mit meinen Freunden zwar nicht anmerken, doch wenn ich abends allein war, kam es nicht selten vor, dass ich vor Trauer weinte. Und auch diese Enttäuschung habe ich mit mir selbst ausgemacht und sonst so gut wie niemanden daran teilhaben lassen. Über neun Monate trug ich diese mit mir herum. Erst dann schaffte ich es, darüber hinwegzukommen und mir klargemacht, dass sie nicht die einzige Frau auf der Welt war.

* * *

Einige meiner Cousins und Freunde kamen einige Zeit später auf die Idee, öfter in die Nähe der Nordsee zu fahren. Nicht ganz ohne Hintergedanken. Denn in der Nähe war die besagte Religionsgemeinschaft auch vertreten. Und wir waren alles junge Burschen auf Brautschau. Also waren wir häufiger zu Gast in dieser Gemeinde. Hier haben sich ganz lockere Gespräche entwickelt und mir fiel es in der Gemeinschaft meiner Freunde auch leichter, mich mit anderen Mädchen zu unterhalten. Bei unserem zweiten Besuch machten dann meine Freunde den Vorschlag, den Nachmittag am Strand zu verbringen. Daraufhin sind einige junge Leute aus der Gemeinde mit uns dorthin gefahren, unter anderem auch ein paar junge Frauen. Dieser Nachmittag ist mir noch sehr gut in Erinnerung geblieben. Es war ein warmer Sommertag und wir alle waren sehr gut gelaunt. So haben wir ganz unverbindlich miteinander gesprochen, uns im Wasser ausgetobt und Zeit am Strand mit Ballspielen verbracht. Dort fiel mir dann ein Mädchen auf, die mir sehr gut gefiel und von der ich den Eindruck hatte, dass dies auch umgekehrt der Fall war. Als der Tag zu Ende ging, freute ich mich schon darauf, bald wieder in die Richtung zu fahren. Ich hatte zu der Zeit zwar schon meinen Führerschein angefangen, aber noch nicht beendet. Also war ich auf meine älteren Freunde angewiesen, wann diese wieder dorthin fahren würden. Ich musste nicht allzu lange warten. Mit mir und dem Mädchen entwickelten sich immer mehr Gespräche. Und so tauschten wir schließlich unsere Telefonnummern und Adressen aus.

Ich weiß noch gut, dass ich mit ihr drei oder vier Mal sehr lange telefoniert habe - bestimmt jedes Mal 2 bis 3 Stunden. Zur damaligen Zeit handelte es sich dabei um recht teure Ferngespräche und meine Mutter kam regelmäßig mit der Telefonrechnung zu mir und verlangte, dass ich mich daran beteilige. Und so musste ich von meinem eh schon knappem Geld einige Male nochmal um die 100 DMark Telefongebühr en übernehmen. Das nahm ich aber gern in Kauf. Natürlich haben wir auch Briefe geschrieben, wie es damals so üblich war, wenn man eine größere Distanz überbrücken musste. Später haben wir uns auch gegenseitig besucht. Zuerst war ich bei ihr zu Hause und anschließend kam sie auch zu mir. Allerdings hat der jeweils andere immer auswärts schlafen müssen, denn innerhalb unserer Gemeinschaft war es „verboten" vor der Ehe sexuellen Kontakt zu haben oder auch nur den Anschein dessen zu erwecken. Aber auch das hat uns nicht wirklich gestört. Wir genossen einfach die gemeinsame Zeit und nutzten sie, um uns besser kennenzulernen.

Mit der Zeit entwickelte ich Gefühle für dieses Mädchen und wenn wir uns sahen, sind wir oft Händchen haltend spazieren gegangen. Ich wollte den nächsten Schritt machen, denn ich wusste ja, dass ich ihr auch sehr sympathisch war. Ich schrieb ihr dann einen langen Brief und ihr darin mitgeteilt, dass ich mir eine gern einsame Zukunft mit ihr sehr gut vorstellen könnte. Und ich war überzeugt davon, dass es bei ihr auch auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie war die zweite Frau, in die ich mich verliebte und ihr das auch gesagt hatte. Um so enttäuschter war ich, als dann ihre Antwort kam. Denn mit einer erneuten Abfuhr hatte ich in diesem Fall überhaupt nicht gerechnet. Sie antwortete mir, dass ich ihr sehr sympathisch sei, aber sich bei ihr darüber hinaus keine weiteren Gefühle für mich entwickelt hätten. Somit war das für mich die zweite Abfuhr bei einer Frau. Ich war zwar verletzt und natürlich enttäuscht, aber dieses Mal habe ich es sehr viel schneller überwunden. Und auch wenn meine Freunde wussten, dass ich mich für dieses Mädchen interessiere - und sie war in vielen Gesprächen mit meinen Freunden ein Thema - so habe ich diese Abfuhr mal wieder verheimlicht und mit mir selbst ausgetragen.

Dass die Enttäuschung nicht allzu lange anhielt, war auch noch einem weiteren Umstand geschuldet. Denn mein Freund, in dessen Schwester ich mich ja zuerst verliebt hatte und mit dem ich auch danach weiterhin relativ viel Kontakt hatte, erwähnte in einem Nebensatz, dass Jennifer durchaus Interesse an mir hätte. Das war für ihn nur eine beiläufige Bemerkung wert, denn er konnte zu dem Zeitpunkt nicht wissen, dass mit mir und dem anderen Mädchen nichts mehr war und gedacht, dass mein Fokus voll und ganz auf dieses Mädchen liegt. Ich konnte jedoch meinen Ohren kaum trauen. Hatte ich mich verhört? Ich habe dann bei meinem Freund noch einmal nachgehakt: „Wie meint sie das?" Mein Freund antwortete: „Na ja, sie wird wohl bemerkt haben, dass du doch ein sehr netter Kerl bist." Ich war wie von den Socken. Aber ich wollte mir nicht schon wieder Hoffnung machen. Ich fragte noch mal genauer nach: „Ja, und was hat Jennifer dann über mich gesagt?" Langsam dämmerte es meinem Freund wahrscheinlich, dass auch ich immer noch Interesse an seiner Schwester hatte. Er antwortete mir dann: „Sie hat zu mir gesagt, dass sie es schade findet, dass du nun mit einem anderen Mädchen ausgehst und dass sie dich sehr gern hat." Und im Anschluss fragte er mich: „Aber was ist mit dir und deiner Freundin?" Ich habe ihm dann gesagt, was passiert ist und dass ich seine Schwester immer noch sehr attraktiv fand und mich freuen würde, mit ihr zusammen wieder etwas zu unternehmen. Er versprach ihr das auszurichten.

* * *

Und so kam es, dass wir wieder mehr miteinander redeten. Jennifer hatte in der Zwischenzeit ihre Ausbildung abgeschlossen und ich war kurz davor. Wir sind übereingekommen es langsam angehen zu lassen und uns Zeit dafür zu nehmen uns gut kennenzulernen und nichts zu überstürzen. Aber wir haben natürlich sehr viel Zeit miteinander verbracht, lange Gespräche geführt und uns oft getroffen. Für mich ging ein Traum in Erfüllung und ich fühlte mich im siebten Himmel. Und so sehr ich auch immer meinen Schmerz verborgen habe, so habe ich meine Freude doch auch gern mitgeteilt. Und so war ich auch damals schon immer der Typ, mit dem man viel lachen und Spaß haben konnte, auch wenn ich sonst eher schüchtern war.

Als ich dann endlich mit meiner großen Liebe zusammen war, habe ich das auch meinen Eltern erzählt. Meine Mutter hat meine Freude nicht wirklich geteilt. Sie war jetzt nicht dagegen, aber sie sagte mir, ich solle vorsichtig sein. Warum sie das sagte, wusste ich nicht. Ich habe zwar nachgefragt, aber ihre Antwort war dann: „Du musst tun, was du für richtig hältst." Dabei habe ich es erst einmal belassen. Merkwürdig fand ich es allerdings schon. Ich habe es damit abgetan, dass ich ihr ältester Sohn war und sie mich einfach schützen wollte.