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Mit dem Verbot des oppositionellen Nachrichtenmagazins „Compact“ am 16. Juli 2024 erreichte die lange Zeit schleichende und latente, in den letzten Jahren immer schnellere und offensichtlichere Aushöhlung und Aushebelung des Grundgesetzes durch das politische Establishment ihren vorläufigen Höhepunkt. Da der Text der Verbotsverfügung einen aufschlussreichen Einblick in die verfassungsfeindliche Ideologie gibt, die nicht etwa in der Redaktion der „Compact“, sondern vielmehr an der Spitze dieses Staates herrscht, beginnt dieser Buch mit der kritischen Analyse dieses Textes. Daran anschließend zeigt der Autor auf, wie sich die vielen kleinen Anschläge auf die Bürgerrechte, die sich die politische Klasse in den letzten Jahren geleistet hat, zu einer neuen Qualität bündeln: Der Staat des Grundgesetzes droht in den Totalitarismus zu kippen.
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Seitenzahl: 172
Veröffentlichungsjahr: 2024
Manfred Kleine-Hartlage
Der kalte Staatsstreich
Wie Faeser & Co. das Grundgesetz demolieren
Über das Buch: Mit dem Verbot des oppositionellen Nachrichtenmagazins „Compact“ am 16. Juli 2024 erreichte die lange Zeit schleichende und latente, in den letzten Jahren immer schnellere und offensichtlichere Aushöhlung und Aushebelung des Grundgesetzes durch das politische Establishment ihren vorläufigen Höhepunkt. Da der Text der Verbotsverfügung einen aufschlussreichen Einblick in die verfassungsfeindliche Ideologie gibt, die nicht etwa in der Redaktion der „Compact“, sondern vielmehr an der Spitze dieses Staates herrscht, beginnt dieser Buch mit der kritischen Analyse dieses Textes. Daran anschließend zeigt der Autor auf, wie sich die vielen kleinen Anschläge auf die Bürgerrechte, die sich die politische Klasse in den letzten Jahren geleistet hat, zu einer neuen Qualität bündeln: Der Staat des Grundgesetzes droht in den Totalitarismus zu kippen.
Über den Autor: Manfred Kleine-Hartlage, geb. 1966 in München, ist Diplom-Sozialwissenschaftler in der Fachrichtung Politikwissenschaft. Seit 2007 ist er als Blogger, Kolumnist und Sachbuchautor tätig, seit 2017 auch als Romancier.
In seinen Sachbüchern seziert er die Selbstzerstörung der westlichen Zivilisation, speziell Deutschlands und der deutschen Demokratie, in analytischer Klarheit ohne Rücksicht auf Political Correctness und obrigkeitlich erwünschte Fiktionen, Illusionen und Sprachregelungen. Er sieht in dem für die Linke typischen Denken vom Utopie her eine der ideologischen Wurzeln dieser Selbstzerstörungstendenzen, hat sich daher von seinen früheren Bindungen gelöst und rechnet sich heute der Neuen Rechten zu, ohne seine macht- und herrschaftskritische Grundhaltung aufgegeben zu haben.
Manfred Kleine-Hartlage hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit seiner Ehefrau in Berlin.
Inhalt
Das „Compact“-Verbot
Die Selbstentlarvung
Was ist ein „Regime“?
Regierungsamtliche Verhöhnung des Rechtsstaates
„Antisemitismus“
Volksbegriff
Die Strategie des Ministeriums
Der Präzedenzfall, der keiner sein durfte
Das Arsenal regierender Verfassungsfeinde
Missachtung des Neutralitätsgebots
Neutralitätsgebot vs. wehrhafte Demokratie
Das Ende der staatlichen Neutralität und seine Konsequenzen
Systematische Unverhältnismäßigkeit
Strategische Rechtsverletzung
Missachtung des Legalitätsprinzips
Organisierter Missbrauch privater Rechte zur Bekämpfung von Regierungsgegnern
„Gleichbehandlungsgesetz“ als Mittel der Diskriminierung
Die Beleidigungsindustrie
Kampf gegen die Rechtssicherheit
Fazit: Das Grundgesetz im Würgegriff seiner Feinde
Impressum
Bisherige Bücher des Autors
„Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich sicher sein kann, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe.“
Winston Churchill
Das „Compact“-Verbot
Am 16. Juli 2024 morgens um sechs läutete es an der Tür des oppositionellen Journalisten und Verlegers Jürgen Elsässer. Draußen stand ein martialisch bewaffnetes und vermummtes Einsatzkommando der Polizei. Man eröffnete Elsässer, dass seine Firmen COMPACT-Magazin GmbH und CONSPECT FILM GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer er war, „Vereinigungen“ seien, die die Bundesinnenministerin verboten habe. Verboten waren damit auch das Compact-Magazin selbst und praktisch alles, was damit zusammenhing.
Es handelte sich um den bis dahin schwersten Angriff auf die Pressefreiheit in der Geschichte der Bundesrepublik, schwerwiegender als sogar die „Spiegel“-Affäre 1962:
Denn erstens wurde das Erscheinen des „Spiegel“ 1962 durch die konzertierte Aktion der Bundesanwaltschaft mit einem nur allzu kooperativen Verteidigungsministerium zwar be-, aber nicht verhindert. Der „Spiegel“ wurde in der Druckerei des Springer-Konzerns gedruckt und konnte legal und ungehindert ausgeliefert werden. „Compact“ dagegen wurde einfach verboten.
Und zweitens: Als der damalige den Generalbundesanwalt Buback mit einem Durchsuchungsbeschluss und einem Haftbefehl gegen die Redaktionsspitze im Hamburger Pressehaus einfiel, stand wenigstens der Anfangsverdacht einer Straftat (nämlich des Landesverrats durch Preisgabe militärischer Geheimnisse) im Raum.
Gegen Elsässer, die Compact und deren Redakteure lag dagegen überhaupt nichts vor. Nicht einmal zu einem Ermittlungsverfahren hatte es gereicht – und das will etwas heißen in einem Land, dessen Gummiparagrafen gerade bei Meinungsdelikten wie geschaffen dazu sind, der willkürlichen Verfolgung von Kritikern der politischen Klasse Tür und Tor zu öffnen.
Allerdings hätte man es kommen sehen können: Bereits in ihrer Pressekonferenz vom 13. Februar 2024 hatten Bundesinnenministerin Faeser und ihr Adlatus Thomas Haldenwang, seines Zeichens Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, betont, dass sie Oppositionelle (von ihnen beiden ebenso willkürlich wie in den meisten Fällen wahrheitswidrig als „Rechtsextremisten“ beschimpft) auch dann zu drangsalieren gedachten, wenn sie nichts Verbotenes tun:
„Ich möchte rechtsextremistische Netzwerke genauso behandeln wie Gruppierungen der organisierten Kriminalität.“
Dass die einen kriminell sind und die anderen nicht, ist ein Unterschied, auf den es der Juristin Faeser nicht ankommt. So kann nur eine Regierung reden, die bereits bloßen Widerspruch für einen kriminellen Akt hält, also zum Beispiel die Regierung von Nordkorea. In der Bundesrepublik, ihrem Anspruch nach ein liberaler Rechtsstaat, kannte man diese Sprache bis dahin nicht.
Faeser fuhr fort:
„Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.“
Lassen wir die Frage beiseite, wie es um die „Stärke“ eines Staates bestellt ist, der immer weniger Bürger durch seine Leistungen überzeugt und es deshalb offenbar nötig hat, Kritiker mundtot zu machen? Eines Staates, der immer mehr von jener Autorität einbüßt, die er früher dem Vertrauen seiner Bürger verdankte; der diesen Verlust an Autorität durch bloß autoritäres Auftrumpfen zu kompensieren versucht; und dessen Funktionsträger nicht einmal ahnen, dass dies zwei verschiedene Dinge sind?
Wer soll das sein: der „Staat“? Die Regierung? Oder – was kaum noch einen Unterschied ausmacht – die etablierten Parteien insgesamt?
Sie zu verhöhnen, ist durch das Grundgesetz erlaubt und wurde bisher von Kabarettisten, Journalisten und ganz normalen Bürgern völlig legal praktiziert. Einen demokratischen Staat erkennt man daran, dass die Regierung dagegen nichts unternehmen darf, auch nicht in Gestalt unbestimmter Drohungen, mit denen besagte Pressekonferenz nur so gespickt war, die aber mit dem Verbot der „Compact“ eine Konkretisierung erfahren haben, die noch vor nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen wäre. Wir können annehmen, dass die ironisch gemeinte Frage eines Internetkommentators, ob die Regierung demnächst auch Kabarettisten verhaften lassen würde, von der Innenministerin im Geiste längst mit „Ja“ beantwortet wird.
In demokratischen Staaten unterscheidet man allerdings zwischen dem „Staat“ im Sinne der überzeitlichen verfassungsmäßigen Rechtsordnung einerseits und den bloß temporären Regierungen andererseits, denn demokratische Staaten beruhen auf dem Prinzip der Volkssouveränität, und ein souveränes ist eines, das die Freiheit hat, es sich anders zu überlegen: die bisherige Regierung abzusetzen und eine andere zu bestellen, die bisherige Politik zu ändern und eine neue Richtung einzuschlagen. Das – nicht die temporäre Regierung – macht den Staat, das macht die demokratische Rechtsordnung aus.
Wenn Regierungen den ihnen – und eben nicht der Rechtsordnung – geltenden Spott als „Verhöhnung des Staates“ auffassen, setzen sie sich selbst in der Art absolutistischer Könige mit „dem Staat“ gleich und beweisen damit, dass sie die Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats, den sie zu verteidigen vorgeben, nicht begriffen haben.
Sie führen nicht nur den Begriff der Majestätsbeleidigung in neuem Gewande wieder ein, sondern gehen sogar noch einen Schritt darüber hinaus, indem sie nicht erst Beleidigung, sondern bereits bloßen Spott als etwas auffassen, was den „starken Staat“ herausfordert. Sie erklären uns also quasi offiziell, sie zu verhöhnen sei sogar mehr als Majestätsbeleidigung, nämlich Blasphemie.
Faesers Satz impliziert mithin eine Selbstvergöttlichung nach Art römischer Kaiser: Wer sich erdreistet, deren vermeintliche Göttlichkeit als dreiste Anmaßung zu demaskieren, wird den Löwen zum Fraß vorgeworfen. So ungefähr denken also die Leute, die wir als „Verteidiger der Demokratie“ betrachten und offenbar sogar verehren sollen.
Gibt es aber irgendjemanden, der die verfassungsmäßige Rechtsordnung verhöhnt – also das, was aufgeklärte Demokraten unter „dem Staat“ verstehen?
Nun, wenn Frau Faeser legal zulässige Meinungsäußerungen mit Sanktionen belegt und ganze Presseorgane verbietet, weil deren Ansichten ihr nicht passen, dann würde ich dies genau so nennen: eine Verhöhnung der demokratischen Verfassung und der in ihr verbürgten Freiheitsrechte.
Schon die Sprache war verräterisch:
„Ich habe heute das rechtsextremistische ‚Compact‘-Magazin verboten“, sagte sie in ihrer Pressekonferenz am Morgen des 16. Juli 2024 und gab damit praktisch zu, dass der Rückgriff auf das Vereinsrecht eine missbräuchliche Umgehung des eigentlich einschlägigen Presserechts darstellte – formal hatte sie nämlich lediglich das Betreiberunternehmen verboten (das Magazin dagegen sozusagen nur als dessen Anhängsel). Die offizielle Verbotsverfügung (abrufbar auf welt.de) versucht diesen verräterischen Sprachgebrauch dadurch zu vermeiden, dass sie Elsässer unter anderem als „Chefredakteur der ,COMPACT Magazin GmbH‘“ (S. 3) bezeichnet – eine sprachliche und juristische Absurdität, denn eine GmbH hat als solche keinen Chefredakteur, den hat nur das Magazin selbst.
Allein das Vereinsgesetz gab der Ministerin aber eine Handhabe für ihr Vorgehen. Daher musste sie die Existenz einer Vereinigung fingieren, obwohl es sich um ein Unternehmen handelte, in dem Elsässer als Hauptgesellschafter der COMPACT Magazin GmbH, die ihrerseits Hauptgesellschafterin der CONSPECT FILM GmbH ist, allein die letzte Entscheidung über alle relevanten Fragen hatte.
Da es sich aber unbedingt um eine „Vereinigung“ von Personen handeln musste, wurde der betreffende Personenkreis freihändig definiert:
„Die Führungsebene, welche maßgeblich Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Formate der ‚COMPACT-Magazin GmbH‘ ausübt, setzt sich zusammen aus den jeweiligen Geschäftsführern, den einzelnen Gesellschaftern, der Chefredaktion, dem ‚COMPACT-TV‘-Chef, dem ‚Chef vom Dienst‘, dem Vertriebsleiter der ‚COMPACT-Magazin GmbH‘ sowie weiteren Personen, die aufgrund von Kontoberechtigungen eine herausragende Position innehaben.“
(Verbotsverfügung S. 3)
Es handelt sich zum Teil um abhängig Beschäftigte, die überhaupt nicht mit der inhaltlichen Gestaltung betraut sind, durch das Verbot ihren Arbeitsplatz verloren haben und nicht einmal mehr miteinander in publizistischen Zusammenhängen kooperieren dürfen, weil dies sonst wahrscheinlich als Fortführung einer verbotenen Vereinigung gewertet würde.
Da Jürgen Elsässers Ehefrau Dr. Stephanie Elsässer ebenfalls genannt wird, stellt sich angesichts der kreativen Rechtsfindung durch das Innenministerium geradezu die Frage, ob die Eheleute überhaupt miteinander verheiratet bleiben dürfen, oder ob dies bereits als Fortführung einer verbotenen Vereinigung zu werten wäre – was dann implizieren würde, dass man per Ukas des Innenministeriums nicht nur ein Magazin verbieten, sondern auch eine Ehe annullieren könnte.
Das ist gar nicht so satirisch gemeint, wie es vielleicht klingt: Im deutschen Recht gilt das Prinzip, dass ein spezielles Gesetz (lex specialis) dem allgemeinen Gesetz (lex generalis) vorgeht und damit Anwendungsvorrang hat. Wenn dieser Grundsatz nicht mehr gelten soll und man durch das Vereinsrecht das Presserecht umgehen kann, dann wird sich in der Kreativabteilung des Hauses Faeser sicherlich ein karrierebewusster Beamter finden, der diese innovative Formel auch auf das Familienrecht anwendet. Auf der Suche nach passenden Herleitungen wird unser wackerer Beamter in der Rechtslehre der DDR und des Dritten Reichs zweifellos fündig werden.
Jürgen Elsässer allein entschied als Chefredakteur auch, was in der „Compact“ erschien und was nicht. Hätte Elsässer sein Unternehmen, was er ebenso gut hätte tun können, als eingetragener Kaufmann geführt – nichts hätte sich an Inhalt, Arbeitsweise oder Ausrichtung des Blattes geändert, aber die Ministerin hätte sich einen anderen juristischen Dreh suchen müssen.
Es liegt auf der Hand, dass ein Vereinsverbot – wenn überhaupt – nur dort in Frage kommt, wo es auf das Zusammenwirken von Personen ankommt. Nur dann kann es gegebenenfallszielführend sein und dem Verbotszweck des Vereinsgesetzes entsprechen. Faeser hatte aber – wie sie ebenso entlarvend wie zutreffend erklärte – „das Magazin verboten“. Da Elsässer dieses Magazin nach dem Verbot aber nicht einmal als Einmann-Unternehmen hätte fortführen können, liegt der missbräuchliche Charakter der Berufung auf das Vereinsrecht offen zutage.
Was die Ministerin darüber hinaus geflissentlich ignorierte, war die Tatsache, dass das Vereinsgesetz – wie jedes Gesetz, auf dessen Basis Grundrechte eingeschränkt werden können – diese Grundrechte explizit nennen muss und in § 32 auch nennt:
„Die Grundrechte des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.“
Grundrechte aus Artikel 5 des Grundgesetzes, speziell die Meinungs- und Pressefreiheit, gehören also gerade nicht zu den Grundrechten, die auf der Basis des Vereinsgesetzes eingeschränkt werden können. Schon deshalb war das Vorgehen der Ministerin rechtswidrig. Dem Vorgehen des Ministeriums fehlte es also nicht nur an einer verfassungsrechtlichen, sondern sogar an einer einfachgesetzlichen Eingriffsgrundlage!
Und woran liegt es wohl, dass in den 75 Jahren seit Verabschiedung des Grundgesetzes kein einziges Medium, dem man keine Straftaten vorwerfen konnte, nur auf der Basis des Vorwurfs der Verfassungsfeindlichkeit nach Art. 9 verboten wurde? Es gab und gibt solche Medien schließlich zuhauf! Es lag schlicht und einfach daran, dass jeder wusste, dass der Artikel 9 die Grundrechte aus Artikel 5 nicht verdrängen kann.
Die Anwendung des Presserechts aber wäre Ländersache – das Bundesinnenministerium (BMI) mithin unzuständig – gewesen und hätte auch kein Totalverbot gerechtfertigt, allenfalls eine Beschlagnahmung einzelner Ausgaben, und auch dies nur, wenn diese einen strafbaren Inhalt gehabt hätten – was hinsichtlich der „Compact“ nie behauptet worden ist. Schon gar nicht hätten die vom BMI vorgebrachten Pauschalbehauptungen ausgereicht wie die, das Blatt sei „rechtsextremistisch“, seine Macher seien „geistige Brandstifter“, und es sei
„zu befürchten, dass Rezipienten der Medienprodukte durch die rassistischen, antisemitischen, minderheitenfeindlichen, geschichtsrevisionistischen oder verschwörungstheoretischen Publikationen, die offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden“,
wie es in der Verbotsverfügung (S. 72) heißt. Man beachte, dass gerade diese letztere genannte „Befürchtung“ (ob aufrichtig oder vorgeschoben), die darauf abhebt, dass die Leser zu irgendetwas animiert werden könnten, willkürlichen Medienverboten Tür und Tor öffnet:
Allein der Katarakt der soeben zitierten dubiosen Behauptungen des Innenministeriums könnte ja, sobald er ineiner Zeitung steht, deren Leser zu Straftaten gegen Jürgen Elsässer oder andere „Mitglieder“ der vom Innenministerium erfundenen Vereinigung „aufwiegeln“. Folglich müsste das BMI alle Zeitungen verbieten, die diese seine eigene Stellungnahme verbreiten, zumal sie nicht die erste dieser Art ist. (Im Grunde müsste es seinen eigenen Verfassungsschutz und dessen Jahresberichte verbieten, die von diffamierenden Behauptungen und paranoiden Unterstellungen gegenüber oppositionellen Gruppen regelmäßig nur so strotzen.)
Statt Handlungen der Betroffenen zu sanktionieren, hat das BMI also bloße – rechtlich irrelevante – Vermutungen darüber, wie die Leser deren Texte auffassen könnten, zum Anlass eines Verbots gemacht.
Wäre dies zulässig und erforderlich, so hätte die ungleich reichweitenstärkere „Bild“-Zeitung schon vor spätestens 56 Jahren, nämlich nach dem von ihr regelrecht herbeigeschriebenen Attentat auf Rudi Dutschke, verboten werden müssen. Damals aber galt die Pressefreiheit noch als hohes Verfassungsgut und nicht, wie Faeser es offenbar sieht, als entbehrlicher Klimbim, hinter dem sich „Rechtsextremisten“ verschanzen und den man daher getrost mit sophistischen Winkeladvokatenmätzchen aushebeln darf.
Auf eines sei in diesem Zurückhang hingewiesen: Die Partei, gegen deren Mitglieder, Aktivisten und Politiker sich die meisten Gewalttaten richten, ist die AfD – also genau diejenige Partei, für die gilt, dass man die gegen sie gerichteten Diffamierungen schon deshalb nicht ignorieren kann, weil sie in nahezu allen etablierten Medien einschließlich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seit Jahren täglich und oftmals gleichlautend wiederholt werden, nicht selten mit expliziter Zustimmung oder aus dem Munde von Vertretern der politischen Klasse, des BMI und des Verfassungsschutzes. Man bedenke, dass die Reichweite der genannten Instanzen die der „Compact“ um ein Vielfaches übertrifft: Entsprechend wahrscheinlicher ist ein kausaler Zusammenhang zwischen der unaufhörlichen offiziösen Hetze gegen die AfD und den tatsächlich erfolgten Gewalttaten gegen diese Partei, ohne dass dieser Umstand irgendwelche rechtlichen Sanktionen, geschweige denn Publikationsverbote nach sich gezogen hätte.
Es hätte angesichts der uferlosen Ausdehnung des Tatbestands der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB (dessen Unbestimmtheit per se schon mit dem Rechtsstaatsprinzip kollidiert, insofern dieses auch das Bestimmtheitsgebot umfasst) ein Leichtes sein müssen, gegen die Redakteure der „Compact“ ein Strafverfahren einzuleiten, wenn deren Publikationen den unterstellten hetzerischen Charakter tatsächlich gehabt hätten.
Mehr noch: Die politische Klasse (und nicht etwa das Grundgesetz) wurde in jeder einzelnen Ausgabe massiv kritisiert, und doch kam es in all den Jahren zu keiner einzigen Gegendarstellung der Kritisierten – ein starkes Indiz dafür, dass sie, die doch das Geld und die Möglichkeiten gehabt hätten, notfalls einen Rechtsstreit durchzuhalten, keine unwahre Tatsachenbehauptung darin fanden.
Kommen wir nun zu dem Vorwurf, das Blatt propagiere „offensiv den Sturz der politischen Ordnung“ oder richte sich „kämpferisch-aggressiv“ gegen die Verfassungsordnung. Stellen wir zunächst klar, dass diese Frage hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des „Compact“-Verbots vollkommen belanglos ist, denn sowohl die Staatsrechtslehre als auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stimmen darin überein, dass die Meinungs- und Pressefreiheit sogar für wirkliche Verfassungsfeinde uneingeschränkt gilt (erst recht natürlich für Menschen, die lediglich aus durchsichtigen Gründen von der Regierung als solche diffamiert werden), und dieses Recht gilt keineswegs unter Vorbehalt oder auf Widerruf, der im Gutdünken der Regierung stünde.
Als ein Beispiel sei ein Beschluss des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2015 zitiert, mit der einer Klage von „Netzradio Germania“ stattgegeben wurde, eines Internetsenders, dessen Betreiber es mit Sicherheit nicht zurückweisen würden, der extremen Rechten zugeordnet zu werden:
„Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer ‚Vergiftung des geistigen Klimas‘ ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien …“ (1 BvR 2083/15)
Allein mit dieser lapidaren Feststellung des Gerichts werden weite Teile von Faesers Selbstrechtfertigungen rechtlich hinfällig, und das musste der Ministerin klar sein.
Ungeachtet dessen ist die Behauptung des Innenministeriums, beim Chefredakteur der „Compact“ (und allen Personen, die der ominösen „Vereinigung“ angehören), habe man es mit Verfassungsfeinden zu tun, sehr wohl eine Widerlegung wert:
Wenn Faeser einen Anderen nämlich einen Extremisten oder Verfassungsfeind nennt, dann sagt sie damit ja immerhin, dass zwischen ihren eigenen politischen Ordnungsvorstellungen und denen des Betroffenen ein unüberbrückbarer Gegensatz besteht. Ist die Unterstellung der Verfassungsfeindlichkeit also unwahr und der Betroffene kein Verfassungsfeind, so muss es im Umkehrschluss wohl die Ministerin selbst sein, und ihre dem Gegner geltende Diffamierung verwandelt sich ganz von allein in eine Selbstbezichtigung!
Ich glaube ziemlich gut beurteilen zu können, ob die Unterstellung des Ministeriums korrekt ist oder nicht, weil ich selbst von 2015 bis 2024 jeden Monat eine Kolumne zur „Compact“ beigesteuert und darin die öffentliche Sprache der BRD aufs Korn genommen habe. (Und nur, um es klarzustellen: Ich bin dadurch nicht Mitglied einer „Vereinigung“, ich bin einfach ein freier Autor, der für seine Kolumnen ein Honorar bekommt.) Aus dieser Tätigkeit kenne ich die politischen Ansichten von Jürgen Elsässer ganz gut und bin als diplomierter Politikwissenschaftler auch fachlich hinreichend gerüstet, sie einzuschätzen.
Zunächst zu meiner eigenen Haltung:
Ich habe jede Zeile, die ich je veröffentlicht habe, auch zur Verteidigung der verfassungsmäßigen Rechtsordnung dieses Staates geschrieben!
Das gilt für meine Texte in der „Compact“, in anderen Zeitschriften, in meinen eigenen Büchern und Blogartikeln bis hin zu meinen Romanen. Und ich sehe keinen Grund zu der Annahme, Elsässer habe in der „Compact“ irgendetwas anderes getan oder tun wollen! (In seinen jungen Jahren beim kommunistischen „Arbeiterkampf“ der Siebziger vermutlich schon, aber das ist Schnee von gestern.)
Dass man sich damit in den Augen der Machthaber zum „Staatsfeind“ macht, sagt alles über diese Machthaber aus und nichts über die vermeintlichen Staatsfeinde.
Themen der „Compact“ waren das krasse Versagen und die fortgesetzten Rechts- und Verfassungsbrüche durch die politische Klasse dieses Staates, genauer: durch ein Kartell von Parteien, die den politischen Wettbewerb um die besseren Programme suspendiert haben. In allen wesentlichen Fragen der vergangenen mindestens zehn Jahre wurden zwischen den großen Parteien der BRD keine nennenswerten Meinungsverschiedenheiten mehr ausgetragen. Das gilt für die Migrationspolitik, die Energiepolitik, die Währungs-, Klima-, Corona- und Netzpolitik (also die Durchsetzung einer immer umfassenderen Internetzensur) und die Außenpolitik, speziell im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg.
(Wenn ich in diesem Buch das Kürzel „BRD“ benutze, dann geht es mir darum anzudeuten, dass die Diskrepanz zwischen der Konzeption des Grundgesetzes und der Verfassungswirklichkeit dieses Staates mittlerweile zu groß geworden ist, als dass man sie noch als das unvermeidliche Auseinanderklaffen von Ideal und Wirklichkeit bagatellisieren dürfte. Auch wenn immer noch „Bundesrepublik“ draufsteht, ist etwas ganz anderes drin als noch vor zwanzig Jahren. Daher „BRD“. )
Dass alle etablierten Parteien den Wettbewerb zwischen ihnen suspendiert und damit dem Wähler die Entscheidungsmöglichkeit zwischen Alternativen genommen haben, beeinträchtigt zwar dessen Interventionsmöglichkeiten, ist aber per se noch keine irreparable Beschädigung der Demokratie, denn er hat im Prinzip die Option, Alternativparteien ins Rennen zu schicken, auch wenn es schwierig ist.
Zum demokratiegefährdenden Problem wird dies erst, wenn das herrschende Parteienkartell die Artikulation abweichender Auffassungen willkürlich mit dem Ruch der Verfassungsfeindlichkeit belegt, um mit dieser Behauptung Diskriminierungs-, Verbots- und Verfolgungsmaßnahmen gegen oppositionelle Parteien und die sie unterstützenden Medien zu legitimieren und sich damit Kritik und Opposition vom Hals zu schaffen. Ein solches Vorgehen stellt – auch unabhängig von der Frage seiner Legalität – mindestens einen scharfen Bruch mit der über Jahrzehnte gewachsenen politischen Kultur der Bundesrepublik dar:
Als es in den frühen Neunzigerjahren schon einmal zu einer Asylkrise kam, waren die „Republikaner“ die Partei, die den Unmut der Wähler aufgriff und durch einige Wahlerfolge die etablierten Parteien zum Einlenken nötigte. Diese Parteien wussten nämlich sehr wohl erstens, dass die Unzufriedenheit mit der Masseneinwanderung auch in ihrer eigenen Wählerschaft grassierte, zweitens, dass die Bundesrepublik mit der Aufnahme von so vielen Asylanten, wie hereinströmten, unmöglich fertig werden konnte. Mit der Verschärfung des Asylrechts lösten sie nicht nur ein für Stabilität der Bundesrepublik bedrohliches Problem, sondern schafften sich auch die „Republikaner“ vom Hals: mit politischen Mitteln, nicht mit Repression.
Ganz ähnlich war die Ausgangslage in den 2010er-Jahren. Der Unterschied zu den Neunzigern bestand darin, dass die Etablierten sich weigerten