Der Marduk-Zyklus: Die Marduk-Mission - David Weber - E-Book

Der Marduk-Zyklus: Die Marduk-Mission E-Book

David Weber

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Beschreibung

Der Planet Marduk macht dich stark - oder er bringt dich um ...

Es ist nicht lange her, da war Prinz Roger MacClintock nichts weiter als ein eingebildeter Blender. Doch das war, bevor er mit seiner Leibwache auf Marduk notlanden musste. Bevor er und die Marines des Bronze-Bataillons gezwungen waren, der höllischen Hitze eines Dschungels zu trotzdem, in dem es bis zu sechs Stunden täglich regnet ... während der Trockenzeit. Bevor sie um den halben Planeten marschierten, auf dem es einen Ozean voller riesiger Ungeheuer und unzählige andere Gefahren gibt.

Und tatsächlich: Prinz Roger beweist immer mehr, dass er ein wahrer MacClintock ist, ein Nachfahre der großen Kriegerdynastie. Die Marines, die ihn schützen sollen, stellen fest, dass sie auf ihn zählen können. Und sie sind entschlossen, ihn mit heiler Haut von Marduk fortzubringen ...

Ein großartiges Weltraum-Abenteuer von zwei Meistern der Military-SF! Packende Gefechtsszenen und faszinierende Charaktere! Jetzt endlich wieder erhältlich als eBook von beBEYOND - fremde Welten und fantastische Reisen.

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Inhalt

Cover

Der Marduk-Zyklus

Über dieses Buch

Über die Autoren

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Im nächsten Band

Der Marduk-Zyklus

Marduk: ein höllischer Dschungelplanet, auf dem es bis zu sechs Stunden täglich regnet … in der Trockenzeit. Bewohnt von riesigen Ungeheuern und feindlich gesinnten Eingeborenen …

Hier muss der selbstverliebte Adelsspross Roger MacClintock notlanden, der von seiner kaiserlichen Familie aus fadenscheinigen Gründen auf eine seltsame diplomatische Mission geschickt wurde. Zusammen mit einer Leibgarde, die ihn hasst, muss er einen Ausweg von Marduk finden. Erst im Angesicht dieser Aufgabe erweist er sich seiner Abstammung als würdig – und erfährt schließlich den wahren Grund für seine Mission …

Ein großartiges Weltraum-Abenteuer von zwei Meistern der Military-SF!

Über dieses Buch

Es ist nicht lange her, da war Prinz Roger MacClintock nichts weiter als ein eingebildeter Blender. Doch das war, bevor er mit seiner Leibwache auf Marduk notlanden musste. Bevor er und die Marines des Bronze-Bataillons gezwungen waren, der höllischen Hitze eines Dschungels zu trotzdem, in dem es bis zu sechs Stunden täglich regnet … während der Trockenzeit. Bevor sie um den halben Planeten marschierten, auf dem es einen Ozean voller riesiger Ungeheuer und unzählige andere Gefahren gibt.

Und tatsächlich: Prinz Roger beweist immer mehr, dass er ein wahrer MacClintock ist, ein Nachfahre der großen Kriegerdynastie. Die Marines, die ihn schützen sollen, stellen fest, dass sie auf ihn zählen können. Und sie sind entschlossen, ihn mit heiler Haut von Marduk fortzubringen …

Über die Autoren

David Weber ist ein Phänomen: Ungeheuer produktiv (er hat zahlreiche Fantasy- und Science-Fiction-Romane geschrieben), erlangte er Popularität mit der Honor-Harrington-Reihe, die inzwischen nicht nur in den USA zu den bestverkauften SF-Serien zählt. David Weber wird gerne mit C. S. Forester verglichen, aber auch mit Autoren wie Heinlein und Asimov. Er lebt heute mit seiner Familie in South Carolina.

John Ringo hat über 50 Romane geschrieben, die meisten davon im Bereich militärischer Science-Fiction. Nach einer von vielen Umzügen geprägten Kindheit diente er längere Zeit im US-Militär, bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte. Der Erfolg seiner Bücher erlaubte ihm bald, vom Schreiben zu leben. Viele seiner Romane entstanden in Zusammenarbeit mit anderen Autoren. Er lebt heute in Tennessee.

David WeberJohn Ringo

DIE MARDUK-MISSION

Band 2

Aus dem Englischen vonvon Frauke Meier

beBEYOND

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Die deutsche Erstausgabe erschien 2005 bei Bastei Lübbe Taschenbücher in der Verlagsgruppe Lübbe. Die amerikanische Originalausgabe trägt den Titel »March to the Sea«.

Copyright © 2001 by David Weber and John Ringo

Published by Arrangement with BAEN BOOKS, Wake Forest, NC 27588 USA.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat: Beate Ritgen-Brandenburg / Ulf Ritgen / Stefan Bauer

Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Umschlaggestaltung: Massimo Peter-Bille unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Triff | © DeviantArt: ocd1c-stock

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-4576-6

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für »Onkel Steve« Griswold, USMC,den »Barbaren«, der mich gelehrt hat,dass Menschen stets für ihre eigenen Tatenverantwortlich sind, aber manchmal gute Menschen dieVerantwortung dafür übernehmen müssen, die Fehleranderer Leute in Ordnung zu bringen. Du hast das getan …einunddreißig Jahre lang.Gott sei Dank.

Dieses Buch widme ich Charles Gonzalez.Er ist die Art Mensch, die Quantenmechanik,Dialekte von Amazonasstämmen unddas Erdrosseln deutscher Posten mit einembeeinflussbaren Zwölfjährigen zu diskutierenpflegt.

Kapitel 1

Sergeant Adib Julian, Dritter Zug, Bravo-Kompanie der Kaiserlichen Garde, schlug die Augen auf, sah sich im Inneren des beengten Einmann-Biwakzelts um und legte schlaftrunken die Stirn in Falten. Etwas war anders, aber er konnte nicht sagen was. Was immer es war, seinen scharfen Überlebensinstinkt hatte es nicht alarmiert: Das ließ zumindest darauf schließen, dass vermutlich keine donnernden Horden mardukanischer Barbaren durch die verschlossene Zeltklappe eindringen und über ihn herfallen würden. Das Gefühl aber, dass irgendetwas sich verändert hatte, blieb. Es nagte an ihm, zerrte ihn aus der Tiefe seines Schlummers, brachte ihn dazu, auf sein Toot zuzugreifen. Es verriet ihm, dass von der Uhrzeit her die Dämmerung kaum hereingebrochen sein dürfte, und Julian gähnte. Noch blieb ihm Zeit zum Schlafen, also drehte er sich um, stieß einen Kieselstein in den Schmutz und zitterte in der Kälte …

Er riss die Augen auf, öffnete die Zeltklappe und sprang hinaus in das trübe Licht der frühen Dämmerung wie ein terrestrischer Präriehund.

»Es ist kalt!«, brüllte er begeistert.

Kompanie Bravo war in den letzten Tagen beständig bergauf marschiert. Die Täler am Fluss Hadur hatten sie längst hinter sich gelassen, und auch der Stadtstaat Marshad lag nun weit hinter ihnen. Tatsächlich waren sie weit entfernt von all den Städten, die das zweifelhafte Vergnügen hatten, an der Grenze des Territoriums des verstorbenen und unbeklagten Königs Radj Hoomas zu liegen.

Sie waren besser vorangekommen als erwartet, und doch hatten sie trotz des hohen Marschtempos und der zunehmenden Anzahl an Steigungen eine bemerkenswert erholsame Zeit gehabt. Mit dem Verkauf der erbeuteten Waffen aus Voitan, den verbliebenen Mitteln aus Q’Nkok und den großzügigen Gaben von T’Leen Sul und dem neuen Rat von Marshad waren sie im Stande gewesen, unterwegs alles zu kaufen, was sie gerade brauchten.

In vielen Fällen hatten sie es jedoch gar nicht nötig gehabt einzukaufen, was sie brauchten. Etliche Städte hatten sie wie Staatsgäste empfangen … aus mehr als nur einem Grund. Die Städte hatten Radj Hoomas Ehrgeiz und Habsucht gefürchtet und freuten sich, jenen Fremden, die all dem ein Ende gemacht hatten, jeden nur erdenklichen Gefallen zu tun. Außerdem waren sie von den Besuchern aus einer anderen Welt fasziniert … und vielfach wünschten sie sich auch nur, dass eben diese Besucher die Stadt so schnell wie nur möglich wieder verließen.

Die Handelsvereinigung von Hadur hatte überall Berichte über die Zerstörung der allseits gefürchteten Barbarenföderation der Kranolta in Voitan verbreitet, über die Schlacht zu Pasule und über den Staatsstreich in Marshad; und die Botschaft, die sich in all diesen Berichten verbarg, war klar: Die Menschen durften nicht belästigt werden. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie auf Widerstand gestoßen waren – einmal hatten sie es mit einer Gruppe ganz besonders verblödeter Banditen zu tun bekommen – hatten sie stets erfolgreich die Wirksamkeit klassisch-römischer Kampftechniken mit Kurzschwert und Schild gegen anstürmende Mardukaner demonstriert. Nie waren sie gezwungen gewesen, Gewehre oder Plasmakanonen einzusetzen. Aber dank all der Geschichten, die ihnen vorauseilten, wusste jeder potenziell übel meinende Einheimische, dass diese schrecklichen Waffen aus einer anderen Welt im Hintergrund lauerten … und keiner der Einheimischen hatte noch ein Interesse daran, eben mehr über diese Waffe zu erfahren, als dass sie existierten.

Die Bronze-Barbaren der Kaiserlichen Garde, samt und sonders erfahrene Veteranen, waren sich der Vorzüge einer so Furcht erregenden Reputation vollkommen bewusst. Diese zu erlangen, hatte sie mehr gekostet, als sie hatten zahlen wollen; aber es hatte ihnen auch die Möglichkeit gegeben, wochenlang ohne den geringsten Zwischenfall durch die Lande zu marschieren. Dieser Stand der Dinge, so erfreulich wie er war, hatte ihnen Zeit gegeben, ihre Wunden zu lecken und sich auf die nächste Hürde vorzubereiten: die Berge.

Julian hatte in dieser Nacht keinen Dienst gehabt. Nimashet Despreaux hatte die letzte Wache übernommen. Nun, da er mit einem breiten Grinsen im Halbdunkel stand, lächelte sie ihm zu, während im Lager Stöhnen laut wurde. Der weibliche Sergeant beugte sich über das Feuer, griff nach etwas und kam dann auf ihn zu; Julian derweil tanzte vergnügt vor sich hin.

»Kaffee?«, fragte sie und streckte ihm grinsend die Tasse entgegen. Die Kompanie hatte sich das Kaffeetrinken beinahe vollständig abgewöhnt; es war morgens einfach zu heiß gewesen auf Marduk.

»Oh, danke, danke, danke!«, gluckste der Unteroffizier, nahm die Tasse entgegen und nippte an dem heißen Gebräu. »Gott, das schmeckt herrlich! Ich liebe es.«

»Verdammt kalt«, grummelte Corporal Kane.

»Wie kalt ist es?«, fragte Julian und tauchte in sein Zelt ab, um seinen Helm zu holen.

»Dreiundzwanzig Grad«, informierte ihn Despreaux mit einem munteren Lächeln.

»Dreiundzwanzig?«, fragte Gronningen und sog prüfend mit zusammengezogenen Brauen die kühle Luft ein. »Wie viel ist das in Fahrenheit?«

»Dreiundzwanzig!« Julian lachte. »Verdammt, ich habe meine Klimaanlage auf dreiundzwanzig eingestellt!«

»Etwa dreiundsiebzig, vierundsiebzig Fahrenheit«, erklärte Despreaux ebenfalls lachend.

»Fühlt sich viel kälter an«, verkündete der große Asgarder stoisch. Sollte er tatsächlich frieren, so ließ er es sich nicht anmerken. »Nicht kalt, eher ein bisschen kühl.«

»Wir haben die letzten beiden Monate in vierzig Grad Hitze verbracht«, gab der Truppführer zu bedenken. »Unsere Wahrnehmung dürfte sich verändert haben.«

»Oh-oh!«, meinte Julian und sah sich um. »Ich frage mich, wie die Krabbler damit zurechtkommen!«

»Was ist los mit ihm, Doc?« Prinz Roger war zitternd erwacht und hatte Cord im Schneidersitz im Zelt hockend vorgefunden, still und reglos. Wiederholte Versuche, den sechsgliedrigen mardukanischen Schamanen, der etwa die Größe eines Grizzlybären hatte, aufzuwecken, hatten lediglich gedehnte Ächzlaute als Reaktion gezeitigt.

»Ihm ist kalt, Sir.« Der Sanitäter schüttelte den Kopf. »Sehr kalt.« Warrant Officer Dobrescu befreite den Mardukaner von dem Untersuchungsmonitor und schüttelte mit sorgenvoller Miene erneut den Kopf. »Ich muss die Treiber untersuchen. Wenn Cord schon in einem so schlechten Zustand ist, wird es denen noch schlechter gehen. Sie sind vor der Kälte weniger geschützt als er.«

»Kommt er wieder in Ordnung?«, fragte der Prinz besorgt.

»Ich weiß es nicht. Ich nehme an, er hält eine Art Winterschlaf, aber es ist möglich, dass, wenn es zu kalt wird, etwas in ihnen sich abschaltet und sie umbringt.« Dobrescu holte tief Luft und schüttelte den Kopf. »Ich hatte vor, die mardukanische Körperchemie und Physiologie genau zu studieren. Sieht aus, als hätte ich damit ein bisschen zu lang gewartet.«

»Nun, wir brauchen …«, setzte der Prinz an, wurde jedoch von dem Geschrei außerhalb des Zelts unterbrochen. »Was zum Teufel ist los?«

»Lasst mich los, ihr Tschaischkerlä!«, brüllte Poertena, ehe er die lachenden Marines anknurrte, die aus ihren Ein-Mann-Zelten krabbelten, um ihre Nasen in die Morgenluft zu halten. »Macht endlich, helft miä doch, verdammt noch ma’!«

»Also schön, Leute«, meinte St. John (J.) und klatschte gelassen in die Hände. »Gehen wir ihm doch mal zur Hand!«

»Das«, konstatierte Roger, »ist eine wahrhaft widerliche Menage a … äh …«

»Menage a cinq dürfte der Begriff sein, den Ihr sucht«, half ihm DocDobrescu lachend auf die Sprünge, als er zu dem festgenagelten Waffenmeister und den vier komatösen Mardukanern ging, die sich fest an seinen kleinen Leib klammerten.

Roger schüttelte leise lachend den Kopf, gab aber den Marines einen Wink.

»Geht und helft dem Doc!«

St. John (J.) packte einen von Denats inneren Armen und versuchte, ihn vom Körper des Waffenmeisters zu lösen.

»Das ist echt heftig, Poertena!«, meinte der Marine, ebenfalls bemüht, einen der schleimbedeckten Arme freizubekommen.

»Das erzählst du miä? Wachä auf un’ sehä nichts als Armä un’ Schlaim!«

Roger fing an, an Tratan zu zerren, doch der Mardukaner verweigerte sich stöhnend seinen Bemühungen.

»Die scheinen Sie richtig gern zu haben, Poertena.«

»Sou?« Die Antwort des Waffenmeisters klang ein wenig erstickt. »Geradä versuchän die, mich zu massakrierän! He, lasst mich los!«

»Die mögen eben Ihre Wärme«, grunzte der Unteroffizier, als er Roger zu Hilfe kam. Schnell jedoch gab er etwas nicht Druckreifes von sich und gab wieder auf. Die gemeinsamen Bemühungen der drei Marines hatten bisher nicht gereicht, Denat dazu zu bringen, seinen menschlichen Freund loszulassen, und die bärige Umarmung drohte den Waffenmeister in der Tat früher oder später die Luft abzudrücken. »Jemand soll ein Feuer machen. Vielleicht lassen sie los, wenn wir sie aufwärmen.«

»Und jemand soll mir helfen, Cord zu hierher zu holen«, meldete Roger sich, und ergänzte, als ihm das Gewicht des Mardukaners wieder einfiel: »Mehrere Jemande.« Er sah über den Zaun, hinter dem die Treiber ihr Lager aufgeschlagen hatten. »Ist irgendjemandem eigentlich schon aufgefallen, dass die Packtiere weg sind?«, fragte er nachdenklich.

»Uns hat eine Kaltfront passiert«, meinte der Sanitäter kopfschüttelnd. »Oder das, was auf diesem verrückten Planeten als Kaltfront gelten dürfte.«

Captain Pahner hatte einen Kriegsrat einberufen, um über die nächtlichen Ereignisse zu diskutieren. Die Gruppe saß am Rand des Lagers und blickte auf einen Wald aus Wolken, der sich von ihrem Standort im Vorgebirge in die Ferne erstreckte. Über ihnen ragten einsam und verlassen die eigentlichen Berge empor, hoch hinauf, einsam und unberührt.

»Was für eine Kaltfront?«, fragte Julian. »Ich kann mich an keine Kaltfront erinnern.«

»Erinnern Sie sich an den Regen gestern Nachmittag?«, fragte Dobrescu.

»Klar, aber hier regnet es doch die ganze Zeit«, entgegnete der Unteroffizier skeptisch.

»Aber dieser Guss hat lange angehalten«, stellte Roger fest. »Normalerweise gibt es hier nur viele kurze Schauer. Aber gestern hat es geregnet, geregnet und geregnet.«

»Richtig.« Der Sanitäter nickte. »Und heute ist der Luftdruck etwas höher als gestern. Nicht viel – dieser Planet hat ja nicht viel an Wettersystem – aber der Druckwechsel hat ausgereicht. Egal: die Wolken jedenfalls haben sich aufgelöst, die Luftfeuchtigkeit ist gesunken und die Temperatur …«

»… ist gefallen wie ein Stein«, beendete Pahner den Satz. »So weit waren wir schon. Können die Einheimischen damit fertig werden?«

Seufzend zuckte der Sanitäter mit den Schultern.

»Das weiß ich nicht. Die meisten terrestrischen isothermischen und posithermischen Kreaturen können bei Temperaturen bis knapp über dem Gefrierpunkt überleben, so lange diese niedrigen Temperaturen nicht zu lange anhalten. Aber das gilt für terrestrische Lebewesen.« Wieder zuckte er mit den Schultern. »Was Mardukaner betrifft, Captain, wissen Sie vermutlich genauso viel wie ich: Ich bin Sanitäter, kein Exobiologe.«

Dobrescu sah sich im Lager um. Seine besondere Aufmerksamkeit galt den Flar-ta.

»Diese Packtiere, nun, die scheinen besser angepasst zu sein. Sie haben sich schon während der ersten Wache in der Erde vergraben, und dort sind sie geblieben, bis es wieder wärmer geworden ist. Und ihre Haut ist anders als die der Mardukaner, geschuppt und trocken, während die der Mardukaner glatt und mit Schleim überzogen ist. Ich nehme also an, die Packtiere werden mit der Kälte fertig werden. Aber ich weiß nicht, wie es um die Einheimischen steht«, schloss er bekümmert und deutete auf Cord und den Anführer der Treiber.

Sie hatten sich im Dialekt von Q’Nkok unterhalten, sodass die beiden mardukanischen Repräsentanten dem Gespräch folgen konnten. Nun klatschte Cord in die Hände und beugte sich vor.

»Ich kann Bedingungen wie denen der letzten Nacht durch Dinshon-Übungen standhalten. Aber …«, er deutete mit einer Echthand auf D’Len Pah, »… die Treiber sind darin nicht geschult. Das Gleiche gilt für meine Neffen mit Ausnahme von Denat, aber er beherrscht die Übungen nur schlecht. Außerdem …«, er deutete auf die Flecken auf seiner Haut, »… ist es hier oben furchtbar trocken. Und es wird noch schlimmer werden, nach dem, was Schamane Dobrescu sagt.«

»Also«, fasste Pahner zusammen, »haben wir ein Problem.«

»Ja«, stimmte D’Len Pah zu. Im Licht des Vormittags sah der alte Treiber furchtbar aus. Zum Teil lag das an den gleichen trockenen Flecken, die sich auf seiner wie auf Cords Haut ausgebreitet hatten, aber hauptsächlich sah D’Len Pah so mitgenommen aus, weil bittere Scham ihn quälte. »Wir können nicht mehr lange weiter mit euch ziehen, Lord Pahner, Prinz Roger! Dies ist ein schrecklicher, schrecklicher Ort: Es gibt keine Luft zum Atmen. Der Wind ist so trocken wie Sand. Die Kälte ist grimmig und furchtbar.« Er sah von den Strichen auf, die er mit seinem Stock in den Boden geritzt hatte. »Wir … wir können nicht weiter ziehen.«

Pahner sah sich zu Roger um und räusperte sich.

»D’Len Pah, wir müssen diese Berge überqueren. Wir müssen die Küste auf der anderen Seite erreichen, oder wir finden den sicheren Tod. Und wir können unsere Ausrüstung nicht zurücklassen.« Er blickte zu den hohen Gipfeln hinauf. »Und wir können sie auch nicht ohne die Flar-ta über die Berge tragen! Und die Möglichkeit, einfach Harendra Mukerji zu bitten, uns neu auszustatten, haben wir nicht!«

Der Treiberführer sah sich beunruhigt um. »Lord Pahner …«

»Ganz ruhig, D’Len«, meinte Roger. »Ruhig. Wir werden sie euch nicht wegnehmen. Wir sind keine Straßenräuber!«

»Das weiß ich, Prinz Roger.« Der Treiber klatschte zustimmend in die Hände. »Aber … es ist eine beängstigende Sache.«

»Wir könnten ja …«, setzte Despreaux an, unterbrach sich jedoch sogleich. Nach dem Verlust so vieler erfahrener Unteroffiziere hatte man sie zum Sergeant befördert. Heute war sie zum ersten Mal zu einer Stabsbesprechung hinzugezogen worden, und folglich machte sie der Gedanke, eigene Vorschläge einzubringen, nervös.

»Nur zu«, ermunterte Eleanora O’Casey Despreaux mit einem Nicken, und der Sergeant bedachte die Stabschefin mit einem kurzen dankbaren Blick.

»Also … wir könnten …« Und wieder unterbrach sie sich und drehte sich zu D’Len Pah um. »Können wir euch diese Packtiere abkaufen?« Sie sah Captain Pahner an, in dessen Gesichtsausdruck sich unverkennbar Anspannung zeigte, und zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht gesagt, dass wir es tun werden. Ich habe nur gefragt, ob es möglich ist.«

Roger sah Pahner an. »Wenn wir es können, dann werden wir genau das auch tun«, erklärte er, und der Marine erwiderte seinen Blick, das Gesicht so ausdruckslos, wie es dem erfahrenen Captain geraten schien.

Seine Königliche Hoheit Prinz Roger Ramius Sergei Alexander Chiang MacClintock, Thronerbe dritten Grades des Kaiserreichs der Menschheit, hatte sich unglaublich verändert. Er war längst nicht mehr das arrogante, eingebildete, selbstsüchtige, weinerliche und verzogene Gör, das er gewesen war, bevor ein knapp daneben gegangener Mordanschlag ihn und seine Marine-Leibwache wie Schiffbrüchige auf diesem Höllenloch namens Marduk hatte stranden lassen. In den meisten Punkten war Pahner bereit zuzugeben, dass diese Veränderungen ausgesprochen positiv waren, denn das Bronze-Bataillon der Kaiserlichen Garde war mit der aristokratischen Nervensäge, die zu beschützen es eingeteilt worden war, ganz und gar nicht glücklich gewesen, und das aus mehr als einem guten Grund.

Die Erkenntnis, dass ein gefährlicher, kompetenter (und nicht identifizierter) Jemand einem an den Kragen will, und die Herausforderung, über einen fremden Planeten voller blutrünstiger Barbaren marschieren zu müssen, vorangetrieben von der Hoffnung, den einzig vorhandenen Raumhafen aus den Händen des traditionellen Feindes der Menschheit zurückzuerobern, der den Hafen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter seine Kontrolle gebracht hatte, sollten, wie Pahner vermutete, reichen, um die Denkschemata eines jeden Menschen neu zu ordnen. Angesichts des kaum als vielversprechend zu bezeichnenden Charakters, den Roger vor dem Anschlag gezeigt hatte, hätte Pahner darauf allerdings bestimmt nicht gewettet. Außerdem war er ziemlich sicher, dass er und der Rest der Bravo-Kompanie D’Nal Cord für diese Wandlung zu tiefstem Dank verpflichtet waren. Rogers mardukanischer Asi – technisch gesehen ein Sklave, auch wenn jeder, der den Fehler beging, Cord so zu bezeichnen, vermutlich nicht lange genug gelebt hätte, um auch nur zu bemerken, dass er aus einem merkwürdigen Grund aufgehört hatte zu atmen – war ein großartiger Krieger und der Mentor des Prinzen, und das nicht nur, wenn es um Waffen ging. Der einheimische Schamane war bestimmt die erste Person, die Roger ernst genommen hatte, sowohl als Prinzen wie auch als Protege, und unverkennbar hatte Cords starke Persönlichkeit dem neuen Roger ihren Stempel aufgedrückt.

Das alles war gut. Aber der alte, weinerliche Roger wäre nie auf den Gedanken gekommen, auch nur darüber nachzudenken, dass es zwischen ihm und einer Gruppe barbarischer Viehtreiber auf einem Planeten aus Schlamm, Morast und Regen so etwas wie eine Ehrenschuld geben könnte. Was, wie Pahner sich nur ungern eingestand, in diesem speziellen Moment eine deutlich brauchbarere Einstellung zu den Dingen gewesen wäre.

»Sir«, begann er angespannt, »diese Mittel werden wir für unsere Ausgaben auf der anderen Seite des Gebirges brauchen! Wenn wir aus dem Gebirge raus sind, werden wir unsere Vorräte sofort wieder auffüllen müssen. Vorausgesetzt, die gehen nicht schon unterwegs zu Ende. Und wir wären dann zur Umkehr gezwungen.«

»Captain«, entgegnete Roger in einem ruhigen Tonfall, der auf unheimliche Weise dem seiner Mutter glich, wenn diese sich besonders sachlich gab, »wir brauchen die Flar-ta, und wir werden sie den Treibern, die mit uns durch dick und dünn gegangen sind, nicht einfach wegnehmen. Sie selbst haben gesagt, wir seien keine Straßenräuber und sollten uns nicht wie ebensolche benehmen. Wie also lautet die Antwort?«

»Wir könnten die Bedingungen für die Treiber verbessern«, schlug Gunny Jin vor. »Wir wickeln sie in Kleider, damit sie nicht so viel Flüssigkeit verlieren, und weisen ihnen für die Nächte ein Zelt mit einem Ofen zu. So was in der Art.«

D’Len klatschte bedauernd in die Hände. »Ich glaube nicht, dass ich meine Leute davon überzeugen kann, weiterzugehen. Es ist einfach zu furchtbar hier oben.«

»Wenn ihr der Meinung seid, wir könnten weitergehen«, erwiderte Cord hingegen, »dann werden meine Neffen das tun. Ich bin Asi. Ich werde Roger folgen, wohin er auch geht.«

»Stimmen wir ab«, schlug Roger Pahner vor. »Das heißt nicht, dass ich das Ergebnis, wie es auch ausfällt, unterstützen werde, aber ich würde gern wissen, was jeder Einzelne denkt.«

»In Ordnung«, stimmte der Captain widerstrebend zu. »Ich denke, wir werden all unsere Mittel auf der anderen Seite der Berge brauchen. Dringend.« Er zuckte mit den Schultern. »Despreaux?«

Die junge Unteroffizierin räusperte sich. »Es war meine Idee.«

»Was vermerkt wurde«, entgegnete Pahner lächelnd. »Ich werde das nicht gegen Sie verwenden. Verstehe ich richtig, dass Sie für den Kauf der Tiere stimmen?«

»Ja, Sir. Aber D’Len Pah hat noch nicht gesagt, ob er sie verkauft.«

»Guter Einwand«, meinte Roger. »D’Len? Können wir euch die Tiere abkaufen?«

Der alte Mardukaner zögerte und ritzte Kreise auf den steinigen Boden.

»Wir brauchen wenigstens eines für den Weg zurück in den Wald«, antwortete er dann, bemüht, Zeit zu gewinnen.

»Das bekommt ihr«, entgegnete Roger prompt.

»Und … sie sind nicht billig«, fügte der Treiber hinzu.

»Würdest du lieber mit Captain Pahner oder mit Poertena verhandeln?«, fragte der Prinz.

»Poertena?« Hektisch sah sich der Treiber unter den Anwesenden um. »Nicht Poertena!«

»Wir werden eine faire Lösung finden«, mischte sich nun wieder Pahner ernst in das Gespräch ein. »Falls wir beschließen, sie zu kaufen.« Er dachte einen Moment nach. »Ach, zum Teufel! Wenn. Eine große Wahl haben wir schließlich nicht, oder?«

»Eigentlich nicht, Captain«, bestätigte Roger ihm. »Nicht, wenn wir diese Berge überwinden wollen.«

»Also«, wandte sich der Kompaniechef an den Treiber, »seid ihr bereit zu verkaufen? Gegen Juwelen, Gold und Dianda?«

Resignierend klatschte der Treiber in die Hände.

»Ja. Ja, das sind wir. Auch wenn die Flar-ta wie Kinder für uns sind. Aber ihr wart gute Herren; ihr werdet unsere Kinder gut behandeln. Wir werden einen Preis aushandeln.« Dann senkte er den Kopf und fuhr mit standhafter Stimme fort: »Aber nicht mit Poertena.«

»Gut, dass die nich’ gewusst habän, dass ich Euch übär das Tsch … äh … übär Funk Anwaisungän gegebän habä, Sir«, meinte Poertena, als sie den Treibern zuwinkten, die langsam hangabwärts die Heimreise antraten.

»Ja«, stimmte Roger zu. »Wie habe ich mich geschlagen?«

»Die habän uns übär den Tschai … übär den Tisch gezogän!«

»He!«, protestierte Roger abwehrend. »Diese Viecher sind hier oben immerhin unbezahlbar!«

»Jou«, stimmte Poertena zu. »Abär die nehmän das Geld mit da runtär. Wir habän sichär das Doppeltä bezahlt von dem, was Flar-ta wert sin’. So viel Geld habän die in ihräm ganzän Tschai … im ganzän Lebän noch nich’ gesehän!«

»Wohl wahr«, erwiderte Roger. »Ich bin froh, dass Cranla bei ihnen ist. Vielleicht kann er den Rest Marduks davon abhalten, ihnen ihre Habe abzunehmen, ehe sie neue Tiere haben kaufen können.«

»Tschön un’ gut«, jammerte der Waffenmeister, »abär miä fehlt jetzt viertär Mann zum Kartenspielän. Was machä ich denn jetzt?«

»Kartenspielen?«, fragte Roger. »Was denn für ein Kartenspiel?«

»Ich kann nich’ fassän, dass ich von mein’ eigenän Prinz’ ausgenommän wordän bin«, grollte Poertena später, als er und Denat zusahen, wie Roger fröhlich pfeifend von dannen zog und seinen Gewinn zählte.

»Tja«, gab Cords Neffe mit einem bemerkenswerten Mangel an Mitgefühl zurück, »du erzählst uns doch immer, dass jede Minute ein Trottel das Licht der Welt erblickt! Du hast nur vergessen zu erwähnen, dass du einer von ihnen bist!«

Cord hob die Zeltklappe an, als die Flar-ta zum Stehen kamen. Die drei verbliebenen Mardukaner hatten die Packtiere schon einige Tage lang geritten, während die Menschen einen Pfad durch das Gebirge gesucht hatten. Um der Kälte und der auszehrenden Trockenheit entgegenzuwirken, hatten sich die drei unter einer der Zeltplanen zusammengekauert. Dort, in einem Nest aus feuchten Lumpen, hatten sie den Tag verbracht, gewärmt von den Sonnenstrahlen auf den dunklen Zeltwänden.

Aber als die Packtiere weiter reglos herumstanden, beschloss Cord, es mit den Bedingungen draußen im Freien aufzunehmen. Der Schamane schob einen Klumpen angefeuchteten Dianda weg, schlüpfte aus dem Zelt und machte sich auf den Weg zur Spitze des Zuges. Roger blickte auf und lächelte, als sich der Schamane näherte.

»Vielleicht haben wir Glück!«, verkündete der Prinz und deutete auf einen Haufen Steine. Der Steinhaufen war eindeutig nicht natürlich entstanden, ein recht großer Stapel aus Steinen, direkt am Eingang zu einem von drei Tälern, die von dem Fluss fortführten, dem sie gefolgt waren.

Die Menschen waren eineinhalb Wochen kreuz und quer durch das Gebirge gezogen, immer auf der Suche nach einem Pass, der nicht zu hoch oben in den Bergen lag. Etliche vielversprechende Täler hatten lediglich zu unüberwindbaren Steilhängen geführt. Dieses Tal hätte niemand als vielversprechend eingestuft, da es sich bald stark verjüngte und scharf gen Süden und außer Sicht abknickte. Dennoch gab es unbestreitbar diesen Steinhaufen.

»Das könnte genauso gut die Vorstellung eines Reisenden von einem groben Scherz sein«, stellte Kosutic zweifelnd fest. Der weibliche Sergeant Major schüttelte den Kopf und blickte den schmalen Pfad hinauf. »Und es wird eine Sauarbeit werden, die Viecher da durchzumanövrieren.«

»Aber das ist der erste Hinweis darauf, dass überhaupt irgendjemand hier oben war«, beharrte Roger stur. »Und warum sollte irgendjemand einen falschen Wegweiser aufstellen wollen?«

Pahner maß den Weg, den das Tal nehmen mochte, mit Blicken.

»Sieht aus, als gäbe es da oben einen Gletscher«, stellte er fest und deutete mit einem Nicken auf den Strom, der tosend aus dem Tal hinausdonnerte. »Seht Ihr, wie weiß das Wasser ist, Euer Hoheit?«

»Ja«, antwortete Roger. »Oh! Ja. Das habe ich schon einmal gesehen.«

»Schneeschmelze?«, fragte Kosutic.

»Gletscherwasser«, korrigierte Pahner. »Schuttpartikel aus dem Gletscher schmirgeln die Berge ab. Zumindest ein Teil dieses Wassers stammt aus dem Gletscher.« Er sah sich zu Cord um, ehe sein Blick zu den Flar-ta zurückkehrte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die mit den Bedingungen auf einem Gletscher zurechtkommen.«

»Das ist wahr«, musste Roger zugeben und betrachtete die schneebedeckten Gipfel. »Trotzdem müssen wir uns die Sache ansehen.«

»Nicht wir«, widersprach Pahner. »Sergeant Major?«

»Gronningen«, meinte Kosutic prompt. »Er stammt aus Asgard, also dürfte ihm die Kälte nichts ausmachen.« Sie unterbrach sich und dachte nach. »Dokkum kommt aus New Tibet. Der sollte sich wohl auch im Gebirge auskennen. Und dann nehme ich noch Damdin.«

»Machen Sie das!«, nickte Pahner ihr zu. »Wir werden inzwischen hier ein Lager aufschlagen.« Er beäugte die koniferenartigen Bäume. »Wenigstens gibt es hier mehr als genug Holz.«

Kosutic betrachtete den Pass mit kritischem Blick. In der Woche, seit sie sich in das Tal vorgewagt hatten, waren sie noch auf keine Stelle gestoßen, die die Packtiere nicht hätten überwinden können, aber das hier sah übel aus.

»Glauben Sie, die können da durch?«, fragte Dokkum. Der zierliche Nepalese machte exakt die langsamen, ruhigen Schritte, die er den anderen beigebracht hatte, als diese versucht hatten, wie die Kaninchen im Flachland voranzustürmen. Die schlichte Methode, nur einen Schritt pro Atemzug zu tun, stellte die einzige Möglichkeit dar, sich sicher in einem ernst zu nehmenden Gebirge zu bewegen. Alles andere würde einen Menschen bei der dünnen Luft und den steilen Hängen zu Tode erschöpfen.

Kosutic vermaß den Pass mit Hilfe des Entfernungsmessers in ihrem Helm und blickte zu Boden. »Bis hierher schon. Aber wenn es noch schlimmer wäre, hätte die Antwort ›nein‹ gelautet.«

»Heya!«, brüllte Gronningen. »Heya! Bei Jesus-Thor!« Der große Asgarder thronte hoch oben auf der Anhöhe und schüttelte sein Gewehr mit beiden Händen über dem Kopf.

»Tja, ich schätze, wir haben unsere Passstraße gefunden«, stellte Kosutic mit einem heiseren Lachen fest.

»Verdammt!«, rutschte es Roger heraus, während er den Ausblick in sich aufnahm, der sich unter ihnen auftat.

Die letzten Flar-ta krabbelten soeben den Pass hinauf, als der Prinz zur Seite trat, um besser sehen zu können. Das breite, U-förmige Tal zu ihren Füßen war offensichtlich von einem Gletscher geformt worden, und in der Mitte der tiefen Senke unter ihnen befand sich ein ausgedehntes Gewässer, ein riesiger Hochgebirgssee.

Das Wasser des Sees, der immer noch mehrere tausend Meter unter ihnen lag, war von einem tiefen, intensiven Blau, das an flüssigen Sauerstoff erinnerte. Und genauso kalt sah das Wasser auch aus. Angesichts der Umgebungsbedingungen war das keine Überraschung. Eine Überraschung war dagegen die Stadt am Ufer des Sees.

Die Stadt war groß, beinahe so groß wie Voitan es einst gewesen war, und sie passte nicht in das übliche Muster all der den Menschen bisher bekannten mardukanischen Städte, die sich auf dem Gipfel einer Anhöhe zu drängen pflegten. Diese Stadt breitete sich überall am Seeufer und den dahinter liegenden Hängen aus.

»Sieht aus wie Como«, stellte Roger gerade fest.

»Oder Srinagar«, fügte O’Casey leise hinzu.

»Wie auch immer«, brummte Pahner und wich seinerseits den Tieren aus, »wir müssen da jedenfalls runter! Wir haben keine Hundert Kilo Gerstenreis mehr, und unsere Vorräte an Nahrungsergänzungsmitteln gehen von Tag zu Tag mehr zur Neige.«

»Sie sind immer so wunderbar optimistisch, Captain!«, konnte sich Roger die Bemerkung nicht verkneifen.

»Klar bin ich Pessimist! Dafür bezahlt mich schließlich Eure Mutter«, gab der Marine mit einem Lächeln zurück. Das Lächeln jedoch verwandelte sich rasch in ein Stirnrunzeln. »Wir haben nur noch ein bisschen Gold und ein paar Juwelen übrig, seit wir die Treiber ausgezahlt haben. Oh, und noch etwas Dianda. Wir brauchen Gerstenreis, etwas Wein, Obst, Gemüse – einfach alles. Und Salz. Wir haben fast kein Salz mehr.«

»Das kriegen wir hin, Captain!«, verkündete der Prinz zuversichtlich. »Sie schaffen das immer!« … glaube ich«, meinte der Kompaniechef säuerlich. »Ich schätze, wir werden die Sache wohl auch hinkriegen müssen.« Er pochte auf seine Tasche, aber sein Vorrat an Kaugummi war längst erschöpft. »Vielleicht kauen die da unten ja Tabak.«

»Ist das der Grund dafür, dass Sie Kaugummi kauen?«, fragte Roger verwundert.

»Gewissermaßen. Vor langer Zeit habe ich Pseudonicotin geraucht. Es ist erstaunlich, wie schwer es einem fällt, schlechte Gewohnheiten wie diese abzulegen.« Das letzte Flar-ta trottete vorbei, und der Captain beobachtete den langsamen Zug aus Tieren und Menschen, der sich durch den Pass schob. »Ich denke, wir sollten uns beeilen, um an die Spitze unserer Karawane zu gelangen.«

»Ja«, stimmte Roger zu, während er die ferne Stadt betrachtete. »Ich freue mich wirklich darauf, in die Zivilisation zurückzukehren.«

»Wir sollten nicht zu voreilig sein«, mahnte Pahner, als sie sich auf den Weg machten. »Hier erwartet uns vermutlich eine ganz neue Erfahrung. Neue Gefahren, andere Sitten. Diese Berge bilden eine recht wirkungsvolle Barriere, besonders für einen Haufen mardukanischer Kaltblüter, also sollten wir damit rechnen, dass diese Leute nicht besonders freundlich im Umgang mit Fremden sind. Wir müssen langsam und vorsichtig vorgehen.«

»Nicht so hastig!«, rief Kosutic. »Die Stadt wird uns nicht davonlaufen!«

Die Kompanie marschierte schon seit zwei Tagen durch allerlei Gebirgstäler in die Richtung der fernen Stadt. Wie sich herausgestellt hatte, endete der Pass, durch den sie gekommen waren, an einer Wasserscheide, was einige Umwege erforderlich gemacht hatte. Die Verzögerung bedeutete, dass ihnen nun auch das Futter für die Packtiere ausgegangen war, die dem Leben im Allgemeinen nun zunehmend unwirsch begegneten.

Glücklicherweise waren sie vor kurzem auf ebeneres Gelände mit Moränen und Ausschwemmungen gestoßen. Dieses Gelände war reich bewaldet, weshalb sie das Tempo verringert und den Flar-ta Gelegenheit zum Weiden gegeben hatten. Aber das funktionierte nur, so lange die Spitze der Karawane die langsame Geschwindigkeit beibehielt.

»Verstanden, Sergeant Major!«, bestätigte Liszez über die Funkverbindung in seinem Helm. Dann verringerte er das Tempo und legte schließlich eine kurze Pause ein, um sich umzusehen.

Der Weg, dem sie folgten, war für einen Wildwechsel sehr breit und gut ausgetreten. Die Vegetation zu beiden Seiten ermöglichte einen weiten Blick; die unteren Äste der koniferenartigen immergrünen Gewächse waren nämlich von irgendwelchen Tieren abgeweidet, was den Blick bis in eine angemessene Entfernung freigab … anders als in diesem verdammten Dschungel!

Liszez war am Rand einer Lichtung stehen geblieben, die aussah, als hätte hier, was immer an den Bäumen geweidet hatte, sämtliche Pflanzen samt Wurzel aus dem Boden gerissen; denn der Boden war überall ringsum aufgerissen und umgewühlt worden. Das Gelände jedoch war relativ eben, und der Pfad führte auf der anderen Seite weiter.

Es war ein klarer, kühler Morgen, und der Tau auf den Büschen war noch nicht verdunstet. Für die Kompanie stellte dieses Gelände eine segensreiche Erleichterung dar, und doch wollten alle nur weiter. Nicht allein, weil sie sich auf eine Atempause in der Stadt freuten, sondern auch, weil sie die Küste umso schneller erreichen würden, je schneller sie vorankamen.

Natürlich war auch die Küste nur eine Zwischenstation, aber in den Köpfen jedes einzelnen Soldaten der Kompanie hatte sie längst raumgreifend Gestalt angenommen. Nun schien es, als wäre die Küste selbst das Ziel, und auf den Karten sah es aus, als wären sie schon beinahe dort. Was sie natürlich nicht waren. Bestenfalls lag noch ein wochenlanger Marsch durch den Dschungel auf dieser Seite der Berge vor ihnen; aber wenigstens kamen sie ihrem Ziel näher und näher. Und das war verdammt gut so, wie Liszez sich im Stillen sagte, denn so gut ihre Naniten auch darin sein mochten, aus den unwahrscheinlichsten Quellen nutzbare Nahrung zu extrahieren, gab es doch für alles eine Grenze. Die schweren Verluste, die die Kompanie in Voitan und Marshad hatte hinnehmen müssen, ›halfen‹ ironischerweise ein gutes Stück weiter, denn jeder tote Marine bedeutete ein hungriges Maul weniger, das sich an den kostbaren Vitamin- und Proteinvorräten laben wollte, welche sie auf den Packtieren und dem eigenen Rücken transportierten. Weniger zu stopfende Mäuler bedeutete folglich die Möglichkeit, die Vorräte noch länger zu strecken; aber waren diese erst einmal erschöpft, dann waren sie erschöpft … und die auf Marduk gestrandeten Menschen tot. Je schneller sie also ihre Ärsche auf ein Schiff schaffen und Segel setzen konnten, desto besser!

Liszez sah über die Schulter und beschloss, dass der Zug nun nahe genug war. Er ermahnte sich, sich nur langsam vorwärtszuwagen, sah sich nach möglichen Gefahrenquellen in der Umgebung um und machte sich auf den Weg. Als er den dritten Schritt tat, explodierte der Boden.

Roger musterte die Bäume. Die abgezogene Rinde erinnerte ihn an etwas, und er sah sich zu seinem Asi um.

»Cord, diese Bäume …«

»Ja. Flar-ke. Wir müssen vorsichtig sein!«, warnte der Schamane.

Pahner hatte den Prinzen endlich überzeugen können, dass das führende Packtier kein passender Platz für den Oberkommandierenden sei; aber Roger hatte dennoch darauf bestanden, Patty zu führen und die Kolonne mit seinem großen Elf-Millimeter Magnum-Jagdgewehr zu decken. So hoch im Gebirge waren die wenigen Gefahrenquellen bisher lebloser Natur gewesen; Marduk allerdings hatte sie gelehrt, stets auf alles gefasst zu sein, und nun stellte der Prinz die spezielle Kommandofrequenz an seinem Funkgerät ein.

»Captain, Cord sagt, dieses Gebiet ist ein Flar-ke-Revier. Etwa so wie das, wo wir ihm damals begegnet sind.«

Pahner antwortete zunächst nicht, und Roger erinnerte sich daran, wie außerordentlich zornig der Marine an diesem Tag auf ihn gewesen war. Der Prinz hatte dem Captain nie erzählt, dass das offene Multikanal-Kommunikationssystem der Kompanie für ihn zu jener Zeit so fremd – und verwirrend – gewesen war, dass er die Anweisung des Marines, nicht auf die Flar-ke zu schießen, die Cord verfolgt hatten, schlicht nicht mitbekommen hatte. Roger hatte sich seinerzeit die erste ausgewachsene Standpauke seines Lebens abgeholt; und Pahner hatte so geschäumt vor Wut, dass der Prinz befürchtet hatte, alles, was auch nur entfernt wie eine Entschuldigung geklungen hätte, wäre schlimmer als nur nutzlos gewesen.

Andererseits hätte er, selbst wenn er die Anweisung gehört hätte, trotzdem geschossen. Das wusste er. Und er hätte nicht geschossen, um Cord zu retten – keiner aus der Kompanie hatte damals gewusst, dass der Schamane dort war und auf Rettung hoffte. Nein, er hätte deshalb geschossen, weil er schon unzählige Arten gefährlicher Tiere gejagt hatte, die den meisten Bewohnern der Galaxie nicht einmal bekannt waren, und er hatte in dem Gelände die Spuren an den Bäumen wiedererkannt, mit denen die Tiere ihr Revier markierten. Rindenmarkierungen, die denen sehr ähnlich sahen, von denen sie derzeit umgeben waren …

»Ich verstehe«, sagte der Captain schließlich, und Roger wusste, dass der ältere Mann den gleichen Erinnerungen nachgehangen hatte. Sie hatten nie wieder über die Geschichte gesprochen; und Roger fragte sich manchmal, welchen Einfluss in diesem Punkt die Tatsache gehabt hatte, dass die Flar-ke den Flar-ta, den Packtieren, an die sich die Kompanie inzwischen gewöhnt hatte, zumindest physisch so ähnlich waren. Flar-ta konnten extrem gefährlich werden, wenn sie sich bedroht fühlten, aber von Natur aus zeigten die gewaltigen Herbivoren so gut wie keine Aggressivität. Der Captain musste diese relative Passivität der Flar-ta unterschwellig wahrgenommen und diesen Eindruck, zumindest unbewusst, auf die Flar-ke übertragen haben, wie zum Beweis dafür, dass er Recht gehabt hatte, als er seine Truppen angewiesen hatte, nicht zu schießen. Der alte Roger hätte vermutlich nicht einmal über diese Angelegenheit nachgedacht; der neue jedoch erkannte durchaus, dass Pahner einen möglichen Fehler ebenso ungern eingestand wie jeder andere auch. Das war ein ganz natürlicher Zug, der sich jedoch nur schwer mit einem Mann wie dem Captain in Einklang bringen ließ, welcher ein gut entwickeltes – man könnte beinahe sagen, überentwickeltes – Verantwortungsgefühl besaß. Was wiederum der Grund war, warum Roger das Thema nie wieder zur Sprache gebracht hatte. Er hatte nicht nur gelernt, den Marine zu respektieren, er bewunderte ihn auch; und er war fest entschlossen, die schlafenden Hunde lieber nicht zu wecken, als den Eindruck zu vermitteln, er wolle vergangene Handlungen rechtfertigen … oder versuchen, Pahner mit der Nase auf einen möglichen Fehler zu stoßen.

»Er ist ernsthaft besorgt«, erklärte Roger schüchtern in dem neuerlichen Schweigen.

»Ich weiß, dass er das ist«, entgegnete Pahner. »Er sagt oft genug, dass sie, so ähnlich sie den Flar-ta auch sehen mögen, doch vollkommen anders sind. Ich wünschte nur, ich wüsste, wie dieser Unterschied genau aussieht.«

»Die nächstliegende Parallele, die mir einfällt, ist wohl der Kaffernbüffel auf der Erde, Captain«, meinte Roger. »Für jemanden, der nicht mit ihnen vertraut ist, sieht ein Kaffernbüffel einem gewöhnlichen Wasserbüffel sehr ähnlich. Aber Wasserbüffel sind nicht aggressiv; Kaffernbüffel schon. Tatsächlich sind sie, Kilo für Kilo, die wohl aggressivsten und gefährlichsten Tiere auf Terra. Das ist kein Scherz – es gibt Dutzende dokumentierter Fälle, bei denen Kaffernbüffel den Spieß umgedreht haben und auf die Jäger losgegangen sind.«

»Verstanden«, meinte Pahner in einem vollkommen anderen Tonfall, ehe er auf die Allgemeine Kompaniefrequenz umschaltete. »Kompanie, aufgepasst …«, setzte er an, als ihn schon die ersten Schreie unterbrachen.

Kosutic wusste später nicht zu sagen, wie sie die ersten paar Sekunden hatte überleben können. Die Bestie, die aus dem Boden hervorgebrochen war, erwischte Liszez mit einem Stoßhorn und schleuderte den Grenadier durch die Luft, sodass er, ohne noch einmal abzuprallen, als zerschmetterter Knochenhaufen auf dem Boden landete. Dem Vieh hätte er nicht gleichgültiger sein können. Es war viel zu sehr damit beschäftigt, sich umgehend auf den Sergeant Major zu stürzen.

Irgendwie fand Kosutic sich plötzlich auf der Seite liegend wieder, von der Bestie mit einem an jeder Faser ihrer Muskeln zerrenden Stoß umgeworfen: Der Sergeant Major landete auf der Schulter. Hastig, noch bevor sie ganz auf dem Boden aufgeprallt war, schaltete sie das Perlkugelgewehr auf panzerbrechende Munition um.

Die Kugeln mit dem Wolframkern bohrten sich durch die schwere gepanzerte Schuppenhaut, die von Standardperlkugeln allenfalls angekratzt worden wäre, und die Kreatur brüllte rasend vor Zorn auf. Sie drehte sich um die eigene Achse, aber die Unteroffizierin hatte andere Probleme zu bewältigen – eine ganze Herde der riesigen Biester brach aus dem Boden hervor und raste nun auf die Kompanie zu.

Sie sahen den Packtieren sehr ähnlich, aber nach all den Erfahrungen, die sie während der letzten Monate gesammelt hatte, sprangen die Unterschiede dem Sergeant Major nun direkt ins Auge. Die Flar-ta erinnerten ein wenig an eine Kreuzung zwischen einem Triceratops und einer gehörnten Kröte, aber die Panzerung auf den Schultern war ziemlich schwach, die von Hörnern gekrönte Panzerung des Schädels reichte nicht weit über den Hals hinaus, und ihre Vorder- und Hinterbeine waren mehr oder weniger gleich lang. Diese Kreaturen hier waren jedoch mindestens tausend Kilo schwerer, und ihre Körperpanzerung war im Bereich der Schultern und des Herzens dicker als ein menschlicher Unterarm. Der Schädelpanzer selbst ragte so weit hoch, dass Treiber niemals hätten über diesen hinwegblicken können, und Vorderbeine und Schultern der Bestien waren extrem kräftig ausgebildet.

Gerade noch entging der Sergeant Major einem Tritt eines dieser Mammutbeine und wirbelte herum, um dem Stoß eines Horns zu entgehen. Blitzschnell richtete sie sich auf und schoss weitere drei Male auf die Kopfpanzerung, nur um ungläubig zuzusehen, wie zwei der Geschosse einfach von der unfassbar widerstandsfähigen Körperpanzerung abprallten.

Ein Flackern, nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen, ließ Kosutic in einem Manöver zurückschnellen, das sie nie hätte einstudieren können. Genau über die Stelle, an der sie gerade noch gestanden hatte, galoppierte eine weitere der gigantischen gehörnten Kröten hinweg. Der Sergeant Major wich zurück und rollte sich zweimal herum, als die Herde vorüberdonnerte, ehe sie das Gewehr auf Dauerfeuer einstellte und auf die Bestie richtete, der sie sich als erster gegenübergesehen hatte.

Das Biest stürzte sich auf die ungewohnte Beute, die ihm erneut auswich. Aber es hatte aus dem ersten Malen gelernt und folgte ihren Bewegungen. Die Unteroffizierin wusste, dass sie eigentlich schon tot war – versuchte verzweifelt, sich seitwärts wegzudrehen, konnte aber doch nicht ganz dem Stoßhorn ausweichen, das …

… urplötzlich zur Seite weg kippte, als Patty das größere Tier aus vollem Galopp heraus rammte.

Roger pumpte drei tödliche Kugeln in den ungeschützten Bauch der verwundeten Bestie, ehe er sich herabbeugte und dem Sergeant Major die Hand reichte.

»Los!«, brüllte er und schlug dem Packtier auf den Hals, kaum dass sich die Hand der Unteroffizierin um seinen Unterarm geschlossen hatte. »Heya! Komm schon, dummes Viech! Bring uns hier weg!«

Das Tier wirbelte um die eigene Achse, gab ein wütendes Zischen von sich und stürmte zurück, auf die Kompanie zu, die sich plötzlich von einer Herde Flar-ke angegriffen sah. Patty schien vergessen zu haben, dass sie lediglich ein Flar-ta war. Sie war auf dem Kriegspfad, und die Berge sollten sich lieber in Acht nehmen.

Pahner fluchte schändlich, als Rogers Packtier geradewegs auf die rasenden Giganten zustürmte.

»Gefechtsbereit!«, bellte er auf der Kompaniefrequenz. Er sah, wie ein paar Speere über die gepanzerte Vorderseite der angreifenden Bestien glitten, und schüttelte den Kopf. Die meisten Angehörigen der Kompanie hatte nur noch ein Magazin übrig. Sollten sie das verbrauchen, so blieb ihnen keine Möglichkeit, den Raumhafen zurückzuerobern. Aber sollten sie alle hier sterben, war das schließlich auch nicht mehr von Bedeutung.

»Waffen raus! Panzerbrecher – los!« Er wich einem durchgehenden Packtier aus, während er selbst seine Waffe von der Schulter riss. »Bringt die Packtiere nach vorn! Benutzt sie als Deckung!«

Kurz sah er, wie Roger auf die Lawine der Flar-ke prallte. Wundersamerweise war der Bursche im Stande, sein Reittier davon zu überzeugen, mitten hindurch zu rasen, statt eines der Biester direkt zu rammen. Als sie die Spitze der Kolonne passiert hatten, erkannte er für einen Moment, wie der Prinz das Feuer eröffnete, ehe er in einer Staubwolke verschwand.

Der erfahrene Kompaniechef verbrachte einen Augenblick schierer Verzweiflung. Der Angriff war von vorn erfolgt und hatte sich geradewegs durch die Längsachse der Kolonne gefressen. Das bedeutete, die Marines konnten lediglich auf die Schädelpanzer der Bestien zielen und damit auf den undurchdringlichsten Teil der angriffslustigen Bestien, und die Schüsse, die auf die Angreifer abgefeuert wurden, erzielten so gut wie keine Wirkung. Ein einziges Tier ging vor seinen Augen zu Boden, aber schon im nächsten Moment fand sich die Kompanie erneut inmitten einer Herde wütender elefantengroßer Viecher wieder, weil nichts diese aggressiven Angreifer aufzuhalten vermochte.

Die ersten Granaten detonierten mitten in der Herde, aber nicht einmal sie reichten aus, die Bestien abzuwehren. Und die einzige Möglichkeit, sie zu töten, erforderte einen direkten Treffer auf die ungepanzerte Bauchseite. Es dauerte einen Augenblick, bis ein Gedanke durch seinen Schock sickern konnte, und das Gefühl der Schuld am Tod all derer, die durch diese kurze Verzögerung ihr Leben verlieren mussten, würde ihn bis ans Ende seiner Tage begleiten.

»Auf die Packtiere!«, brüllte er, griff nach den herabhängenden Zügeln des Flar-ta, dem er gerade noch ausgewichen war und schwang sich hastig auf seinen Rücken. »Alle auf die Packtiere!«

Die Stampede mündete in einer Lawine aus Fleisch und Knochen. Von seinem gefahrvollen Platz aus sah Pahner Dutzende Marines unter den Füßen und Stoßhörnern der gigantischen Echsen zu Boden gehen. Aber viele andere – die meisten – bestiegen die Packtiere.

Auch dort waren sie alles andere als sicher, hatten aber wenigstens die Möglichkeit zu kämpfen, während die wütenden Flar-ke mitten durch die Kompanie pflügten, nur um gleich darauf kehrtzumachen und erneut anzugreifen. Die gute Nachricht lautete, dass sie offenbar nicht erkannten, wo die eigentliche Gefahr lauerte, und sich auf die Packtiere stürzten statt auf die scheinbar unbedeutenden Menschen, die tatsächlich für ihre Schmerzen verantwortlich waren, und sie prallten gegen die Flar-ta wie todbringende Lokomotiven aus längst vergangenen Tagen. Donnerndes Krachen der zusammenstoßenden Panzerungen, Schreie und Kreischen aus animalischer Wut und Schmerz erfüllten das Universum, aber endlich konnte die Kompanie ihre Gewehre ins Spiel bringen. Wenn einer der riesigen Herbivoren angriff, konnten die Marines von der Seite Kugeln in ihn hineinpumpen. Sie vergeudeten die Munition, als wäre sie in so unbegrenzter Menge verfügbar wie Wasser auf diesem Planeten, aber es hieß: das oder sterben.

Die Situation glich einem Tollhaus. Da kämpften Marines, von denen einige immer noch zu Fuß waren, um ihr Überleben, andere saßen auf den Packtieren und wieder andere hatten sich auf den Bäumen in Sicherheit gebracht; alle feuerten unentwegt auf die rasende Herde. Und dort griffen die Flar-ke an und drangen auf die Packtiere der Kompanie und die Marines, die noch am Boden waren, ein.

Pahner wirbelte von einer Seite zur anderen, gab, wo er konnte, Anweisung, das Feuer zu konzentrieren, und blickte gerade noch rechtzeitig auf, um zu sehen, wie Roger mitten in den Tumult hineinpreschte. Wo und wie der Prinz gelernt hatte, ein Flar-ta wie ein Schlachtross einzusetzen, blieb ein Rätsel, aber er war der Einzige in der ganzen Kompanie, der sich in dem Durcheinander wie zu Hause zu fühlen schien.

Offenbar hatte er sein Opfer außerhalb des Gemenges ausgewählt, und nun griffen er und sein Reittier mit voller Geschwindigkeit an. Der Aufprall von Patty auf das deutlich größere Tier glich einem Erdbeben.

Das Opfer schrie gepeinigt auf, als sich die Stoßhörner des Flar-ta in seine Leibpanzerung bohrten und es auf die Knie zwangen. Während der Sergeant Major auf die Flar-ke zu beiden Seiten feuerte, pumpte Roger seine Munition in den ungeschützten Bauch von Pattys Gegner. Dann, allein unter Einsatz einiger weniger Befehle und der Fersen, lenkte der Prinz sein Packtier von dem Opfer fort und ritt aus dem Gemenge heraus, um zu einem neuen Angriff anzusetzen.

Pahner versetzte Aburia, die sein Packtier führte, einen Schlag auf den Hinterkopf.

»Bringen Sie uns hier raus! Versuchen Sie, Aufstellung für einen Angriff zu nehmen!«

»Ja, Sir!«

Der Corporal trieb das Tier holpernd zum Galopp, und als sie sich einen Weg durch das Getümmel bahnten, sprangen von beiden Seiten Marines zu Fuß auf sie zu. Pahner riss sie hoch, wenn sie neben ihm waren, bellte Anweisungen und gab seine Munition an andere weiter.

Als er die letzten kämpfenden Ungeheuer passiert hatte, hörte er erneut das Donnern von Fleisch auf Fleisch auf dem Schlachtfeld. Roger war zurück.

»Ich wünschte, die Treiber wären hier!«, grunzte Berntsen, während er auf einen Sehnenstrang einhackte.

»Warum?«, fragte Cathcart. Der Corporal fuhr sich mit dem in seiner Uniformjacke steckenden Oberarm übers Gesicht. Jedes andere Teil seiner Uniform war blutverschmiert.

»Normalerweise hätten die das getan.«

Die Kompanie hatte auf der Lichtung Halt gemacht, die die Bestien für sich als Lagerstätte geschaffen hatte, und dort Schutzmaßnahmen getroffen. Bei all dem Fleisch, das hier herumlag, würden bald ganze Schwärme von Aasfressern auftauchen; aber die Kompanie konnte nicht mehr weitermarschieren. Die Verluste waren brutal gewesen … wieder einmal.

Der freundliche Nepalese, Dokkum, der ihnen alles über die Berge beigebracht hatte, würde New Tibet nie wieder sehen. Binne Nutte würde nie wieder einen Scherz über ihren eigenen Namen machen. Kameswaran und Cramer, Liszez und Eijken, die Liste war lang.

»Eins kann ich dir sagen«, verkündete Cathcart. »Roger hatte beim ersten Mal ganz Recht: Diese Mistviecher sind übel!«

»Ja«, stimmte der Private zu und zerrte an der schweren Haut einer toten Bestie. »Er hatte die ganze Zeit Recht.«

»Ihr hattet damals auf dem Plateau ganz Recht, Roger«, meinte Pahner und schüttelte den Kopf angesichts der Opfer, die innerhalb der Lagergrenzen lagen. »Das sind keine Packtiere.«

»Wie der Unterschied zwischen den Büffeln«, wiederholte Roger matt.

Mit Hilfe der Ausrüstung, die die Treiber zurückgelassen hatten, und einem universellen Antibiotikum von Doc Dobrescu hatte er soeben Pattys Wunden versorgt und genäht. Der Prinz war gezwungen gewesen, diese Arbeit selbst zu erledigen, weil sich außer ihm niemand auch nur in die Nähe des missmutigen Tieres wagen konnte.

»Kaffern und Wasser, meint Ihr?«, fragte Dobrescu, der näher gekommen war und sich nun auf einem zersplitterten Baumstumpf niederließ.

»Von denen habt Ihr schon gesprochen, ehe alles den Bach runterging«, brummte Pahner. »Ich habe bisher noch nie etwas von den Viechern gehört.«

»Captain, Sie stammen nicht von der Erde«, gab Roger zu bedenken. »Aber natürlich haben auch die meisten Leute auf der Erde noch nie von ihnen gehört.«

»In Afrika schon«, kommentierte Dobrescu mit einem bitteren, ironischen Lachen.

»Was sind das für Tiere?«, fragte Pahner und setzte sich ebenfalls.

»Eine Tonne Bösartigkeit auf vier Beinen, das sind sie«, begann Roger zu erklären. »Wenn man auf Büffeljagd geht, setzt man sein Leben aufs Spiel. Wenn sie dich wittern, machen sie kehrt und greifen an. Du bist tot, bevor du weißt, wie dir geschieht.«

»Ich dachte, Büffel fressen Gras.«

»Das bedeutet nicht, dass sie friedlich sind«, erklärte Roger müde. »›Herbivore‹ bedeutet nicht automatisch feiges Vieh‹!« Er deutete auf die toten Flar-ke. »Kaffernkröten!«, knurrte er.

»Was?«, fragte Pahner. Es gab eine Million Dinge zu tun, aber im Moment war er zu erledigt. Dieses eine Mal wollte er das Lager sich selbst überlassen.

»Sie sehen aus wie gehörnte Kröten, aber sie sind bösartig wie Kaffernbüffel.« Roger zuckte mit den Schultern. »Kaffernkröten.«

»Klingt passend«, gab Pahner dem Prinzen Recht und sog die Gerüche aus der Feldküche auf. »Und wie es scheint, werden wir bald herausfinden, wie sie schmecken.«

»Erraten«, kommentierte Dobrescu und stemmte sich mit einem angestrengten Grunzen mühsam auf die Beine.

Wie sich herausstellte, schmeckten sie ganz ähnlich wie Hühnchen.

Kapitel 2

»Also so was sieht man wirklich nicht jeden Tag«, stellte Julian müde fest.

»Hier vermutlich schon«, widersprach Despreaux.

Das Tier sah allenfalls einem Dinosaurier ähnlich. Einem großen Dinosaurier mit kurzen Vorderbeinen und extrem verkümmerten Mittelgliedern … und einem Reiter.

»Cool«, meinte Kyrou. »Straußenpferde.«

Der Reiter blieb vor der Kompanie stehen, sagte etwas mit lauter Stimme und hob eine Hand, um sie zum Anhalten aufzufordern. Die Zügel, die an einem Zaumzeug befestigt waren, das dem von Pferden recht ähnlich war, wurden von den Falschhänden gehalten, womit die oberen Hände für andere Dinge wie herrische Gesten zur Verfügung standen … oder für Waffen. Kosutic trat vor und hielt ihre offenen Hände hoch.

»MsO’Casey nach vorn, bitte!«, gab sie auf der Kompaniefrequenz durch. »Ich verstehe kein Wort von dem, was der Kerl sagt!«

»Bin unterwegs«, antwortete die Stimme der Akademikerin, und Kosutic konzentrierte sich wieder voll und ganz auf den berittenen Mardukaner. Offenbar war er eine Art Gardist, denn er war schwer bewaffnet und trug eine Rüstung. Nicht, dass die Waffen oder die Rüstung Ähnlichkeit mit der waffentechnischen Ausstattung gehabt hätten, die auf der anderen Seite der Berge gebräuchlich war. Außerdem sah der Bursche aus wie ein ganz übler Kunde, der gar nicht erfreut war, sie zu sehen, und der Sergeant Major verhakte die Hände vor dem Leib, um die mardukanische Form eines freundlichen Grußes mit nur zwei Armen so gut wie möglich nachzuahmen.

»Unsere Übersetzerin ist unterwegs«, sagte die Marine höflich in der Sprache, die überall in Hadur benutzt wurde. Natürlich konnte der Einheimische vor ihr sie trotzdem nicht verstehen, dennoch hoffte sie, dass Tonfall und Sprache ihn in irgendeiner Form erreichen würden.

Es schien zu funktionieren, denn der Gardist nickte ihr auf typisch mardukanische Weise zu, senkte die erhobene Hand und lehnte sich zum Warten bequem zurück. Noch immer wirkte er nicht sonderlich erfreut über den Anblick ihrer Kompanie, aber seine Körpersprache deutete an, dass er bereit war, sich in Geduld zu üben … jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt.

Der Sergeant Major nutzte die Pause, um die Umgebung zu studieren. Sie nahm an, dass die Einheimischen schon eine Weile im Voraus von ihrem Kommen gewusst hatten, denn der Reiter hatte sie aufgehalten, als sie gerade aus einem dicht bewaldeten Gebiet weiter oben am Berg herausgekommen und am Rande der bewirtschafteten Felder in der Umgebung ihres Ziels angelangt waren.

Die Bauern, die diese Felder bewirtschafteten, hatten angesichts des Aufruhrs aufgeblickt und sich ein wenig von ihrer Schinderei ablenken lassen. Sie trugen dunkelfarbige Roben, die sie von Kopf bis Fuß verhüllten. Der grobe, dunkle Stoff war stellenweise feucht, und als sie von ihrer Arbeit abließen, entkorkten viele von ihnen einen Wasserschlauch und gossen sich die Flüssigkeit über den Leib. So war unverkennbar, wie die Einheimischen mit der für Menschen so angenehmen Trockenheit des Hochplateaus fertig wurden.

Die Pflanzen, die sie hier anbauten, waren Kosutic weitgehend unbekannt, eine Art kleinwüchsiger Kletterpflanzen, die an Stäben und Netzen emporrankten. Die Pflanzen blühten, und der schwere Duft von Millionen von Blüten legte sich wie eine Decke über die Kompanie.

Abgesehen von ihrer seltsamen Kleidung und den Pflanzen besaßen die Einheimischen auch die ersten Lasttiere, die die Menschen – abgesehen von den Flar-ta – auf Marduk zu Gesicht bekommen hatten. Die elefantengroßen Tiere schienen für bäuerliche Aufgaben eher ungeeignet zu sein; dennoch waren einige der hiesigen Bauern gerade dabei, ein Feld umzupflügen, und statt in Gruppen selbst den Pflug zu ziehen, wie es die Mardukaner jenseits des Gebirges taten, nutzten sie die schweren, sechsbeinigen Tiere, die offensichtlich zumindest entfernt mit dem ›Straußenpferd‹ des Gardisten verwandt sein mussten.

Kosutic wandte den Blick von den Einheimischen ab, als Eleanora O’Casey neben ihr auftauchte, den Gardisten mit einem Lächeln und einem zweifachen Klatschen begrüßte. Der Marsch hatte die Stabschefin des Prinzen in einer Weise abgehärtet, die die zierliche Akademikerin für schlicht unmöglich gehalten hatte, bis sie auf Marduk gestrandet waren. Sie war dünn geworden und drahtig wie eine knorrige Baumwurzel, und ihre Unterarme strotzten nur so vor Muskeln.

»Wir sind Reisende und möchten Euer Land durchwandern«, sagte sie in der gleichen Sprache, die auch Kosutic benutzt hatte. »Wir würden gern Vorräte einkaufen.«

Sie wusste, dass der Einheimische kein Wort verstehen konnte, aber das war in Ordnung. Das ursprünglich extrem beschränkte mardukanische Sprachmodul in dem linguistischen Programm, das sie in ihren Toot geladen hatte, verfügte inzwischen über einen weit umfangreicheren Datensatz. Es war nun erheblich nützlicher als zuvor, und falls es ihr gelang, ihn dazu zu bringen, ein wenig mit ihr zu sprechen, so würde es mögliche Gemeinsamkeiten schnell erkennen.

Der Gardist stierte sie an. Sein Tonfall war streng, beinahe grausam, aber die Worte sagten ihr immer noch nichts, also konzentrierte sie sich darauf, möglichst harmlos auszusehen, als sie ihm zunickte, um ihn zum Weitersprechen zu animieren, während sie ihn gleichzeitig genau betrachtete. Seine wichtigste Waffe war eine lange, schmale Lanze, etwa fünf oder sechs Meter lang, mit einem bösartigen, vierseitigen Kopf aus scharfen Klingen. Die Spitze war merkwürdig lang, und die Stabschefin nahm an, dass sie dazu dienen sollte, auch die feste Panzerung der Kaffernkröten zu durchdringen. Das jedenfalls schien ihr sinnvoll. Die riesigen Herbivoren stellten in diesem Gebiet zweifellos eine üble Plage dar.

Abgesehen von der Lanze hatte der Reiter auch ein langes Schwert mit einer geraden Klinge, das in einer Scheide an seinem Sattel ruhte. Die Waffe hätte aus dem Mittelalter stammen können; aber da Mardukaner beinahe doppelt so groß waren wie Menschen, war auch diese Waffe fast drei Meter lang.

Die letzten beiden Ausrüstungsgegenstände waren in besonderem Maße bemerkenswert: Zunächst trug der Reiter ein Kettenhemd mit einem Rücken- und Brustharnisch, Armund Beinschienen. Die Rüstung, die seinen ganzen Körper bedeckte, stand in starkem Kontrast zu der Schutzkleidung aus Leder und fest gewebtem Stoff, mit der sich die Hadur und die Hurtan begnügten.

Zweitens – und noch interessanter – war da eine große Pistole oder ein kurzer Karabiner in einem Halfter am Sattel. Die Waffe sah höchst merkwürdig aus, aber die Handwerksarbeit war ausgezeichnet. Offensichtlich war sie aus einer Art gehärtetem Stahl gefertigt, nicht aus dem schlichten Eisen, das auf der anderen Seite des Gebirges für beinahe alles herhalten musste, der Messingkolben glänzte matt wie Sommergras. Auch handelte es sich ganz entgegen ihrer Erwartung nicht um eine Arkebuse. Statt einer Lunte, die zuerst in Brand gesetzt werden musste, um dann die Zündmasse zu zünden, war diese Waffe mit einem mardukanischen Gewehrschloss ausgestattet, das dem irdischen Radschloss entsprach. Das lohnte sich ohne Zweifel nur für einen berittenen Krieger, aber zusammen mit der Rüstung war diese Waffe ein Indiz für eine bemerkenswert fortschrittliche metallverarbeitende Industrie.

Nein, in Kansas waren sie definitiv nicht mehr.

Der Soldat hatte bei was immer er auch sagte offenbar einen Punkt erreicht, stieß seine Hand in die Richtung, aus der die Kompanie gekommen war und stellte in scharfem Ton eine Frage.

»Tut mir Leid«, entschuldigte sie sich. »Ich fürchte, ich kann dich immer noch nicht verstehen, aber ich denke, wir machen trotzdem Fortschritte.«

Tatsächlich signalisierte die Software einen partiellen Treffer, wenn sie auch immer noch weit davon entfernt war, die Worte zu erkennen oder ihrem Fluss folgen zu können. Die hiesige Sprache schien zumindest in Teilen von der Sprache abgeleitet zu sein, die die Bewohner in der Gegend des fernen Raumhafens sprachen, aber das hatte nicht viel zu bedeuten. Die Software hätte die gleiche Übereinstimmung zwischen Mandarin und der Sprache amerikanischer Ureinwohner entdeckt: Es handelte sich also lediglich um einen Hinweis darauf, dass sich dieses Gebiet von den anderen Gebieten – und Sprachfamilien – jenseits der hinter ihnen liegenden Berge getrennt entwickelt hatte. Dennoch glaubte O’Casey, sie hätte genug, um wenigstens einen Anfang zu wagen.

»Wir kommen in Frieden«, wiederholte sie unter Benutzung so vieler hiesiger Vokabeln wie möglich, wobei sie auf Begriffe aus dem Originaldatensatz zurückgriff, wann immer ihr die neuen hiesigen Vokabeln fehlten. »Wir sind einfache Kaufleute.« Das letzte Wort entstammte der Sprache, die der Soldat benutzt hatte. »Captain Pahner«, rief sie über Funk, »könnten Sie jemanden mit einem Ballen Dianda herschicken? Ich möchte ihm zeigen, dass wir handeln, nicht plündern. Für ihn sehen wir vermutlich aus wie eine Invasionstruppe.«

»Verstanden«, antwortete Pahner, und einen Moment später trottete Poertena mit einem Ballen ihres verbliebenen Dianda herbei. Das herrlich gewobene Flachsseide hatte sich in der ganzen Region Hadur als hervorragendes Handels gut erwiesen, und sie hoffte, es würde hier ähnlich beliebt sein.

Poertena reichte Kyrou ein Ende des Ballens. Dann breiteten beide den Flachs aus, sorgsam darauf bedacht, den Stoff vom Boden fernzuhalten. Das Ergebnis übertraf O’Caseys Hoffnungen. Der Gardist ließ schweigend die Zügel seines Reittieres auf den Boden fallen, steckte die Lanze in einen Köcher und stieg mit jener lässigen Eleganz ab, die einem Menschen bei einer Person von der Größe eines Mardukaners stets höchst erstaunlich erscheinen musste.

»… dieser … Stoff … wo?«, fragte er.

»Aus dem Gebiet, aus dem wir gerade kommen«, antwortete O’Casey und deutete über die Schulter zu den Bergen. »Wir haben größere Mengen, mit denen wir Handel treiben können, und noch andere Güter.«

»Bebi«, mischte sich nun Poertena ein, in der Hoffnung, das Interesse ihres Gegenübers zu treffen, »bring miä von diesän Tschwertern, von denän aus Voitan!«