Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache - David Foster Wallace - E-Book

Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache E-Book

David Foster Wallace

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Beschreibung

Wer das Wesen der Krankheit Depression verstehen will, muss diesen Text lesen Eine frühe Erzählung von David Foster Wallace, erstmals 1984 in The Amherst Review, einer literarischen Studentenzeitschrift, erschienen. Mit erschreckender Offenheit und Formulierungen, die später in seinen Romanen und Erzählungen Eingang finden werden, erzählt der damals 22-jährige David Foster Wallace über einen Studenten, der an Depressionen erkrankt ist. Die starken Medikamente haben ihn auf einen anderen Planeten geschossen, doch scheint ein Leben dort immer noch das kleinere Übel – einen Weg zurück auf die Erde wird es niemals geben. David Foster Wallace kämpfte zeitlebens mit Depressionen und suchte nach Bildern, um zu beschreiben, was ihn quält. Eine schmerzhafte Erzählung, die die Krankheit in ihrer ganzen monströsen Ausweglosigkeit beschreibt und für Nichterkrankte verstehbar macht.

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Seitenzahl: 78

Veröffentlichungsjahr: 2015

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David Foster Wallace

Der Planet Trillaphon in seinem Verhältnis zur Üblen Sache

Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrich Blumenbach

Kurzübersicht

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Titelseite

Über David Foster Wallace

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

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Über David Foster Wallace

David Foster Wallace, 1962 geboren, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Literatur. Er studierte Philosophie und unterrichtete zuletzt Creative Writing am Pomona College in Claremont, Kalifornien. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. »Unendlicher Spaß«, »Kleines Mädchen mit komischen Haaren«, »Kurze Interviews mit fiesen Männern«, »Der Besen im System« und »Der bleiche König«. David Foster Wallace starb am 12. September 2008.

Der Übersetzer

Ulrich Blumenbach hat Romane, Essays und Erzählungen von Agatha Christie, Kinky Friedman, Stephen Fry, Jack Kerouac, Arthur Miller, Will Self, Tobias Wolff und anderen ins Deutsche gebracht. Für die Übersetzung von David Foster Wallace’ Roman »Unendlicher Spaß« wurde er u.a. mit dem Hieronymus-Ring 2009, dem Übersetzerpreis der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung 2009 und dem Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.

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Über dieses Buch

Eine frühe Erzählung von David Foster Wallace, erstmals 1984 in The Amherst Review, einer literarischen Studentenzeitschrift, erschienen. Mit erschreckender Offenheit und Formulierungen, die später in seine Romane und Erzählungen Eingang finden werden, erzählt der damals 22-jährige David Foster Wallace über einen Studenten, der an Depressionen erkrankt ist. Die starken Medikamente haben ihn auf einen anderen Planeten geschossen, doch scheint ein Leben dort immer noch das kleinere Übel – einen Weg zurück auf die Erde wird es niemals geben.

David Foster Wallace kämpfte zeitlebens mit Depressionen und suchte nach Bildern, um zu beschreiben, was ihn quält. Eine schmerzhafte Erzählung, die die Krankheit in ihrer ganzen monströsen Ausweglosigkeit beschreibt und für Nichterkrankte verstehbar macht.

Inhaltsverzeichnis

Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache

The Planet Trillaphon As It Stands In Relation To The Bad Thing

Ich nehme jetzt seit, mal überlegen, rund einem Jahr Antidepressiva, und ich würde mal sagen, da kann ich ganz gut einschätzen, wie die so sind. Sie sind eigentlich ganz okay, aber so, wie es okay wäre, auf einem anderen Planeten zu leben, wo es warm und gemütlich ist und Essen und frisches Wasser gibt: Es wäre okay, aber es wäre natürlich nicht die gute alte Erde. Ich war jetzt fast ein Jahr nicht mehr auf der Erde, weil es mir auf der Erde nicht besonders gut ging. Hier auf dem Planeten Trillaphon, wo ich jetzt bin, geht es mir etwas besser, und das dürfte für alle Beteiligten eine gute Nachricht sein.

Die Antidepressiva wurden mir von einem sehr netten Arzt namens Dr. Kablumbus verschrieben, nachdem ich wegen eines echt absolut lächerlichen Vorfalls, bei dem Elektrogeräte in der Badewanne eine Rolle spielten und über den ich wirklich nicht viel sagen möchte, ganz kurz ins Krankenhaus gekommen war. Ich musste nach diesem total albernen Vorfall zur Behandlung und Nachsorge ins Krankenhaus, und nach zwei Tagen wurde ich in diesem Krankenhaus auf eine andere Station verlegt, in ein weißes Stockwerk weiter oben, wo Dr. Kablumbus und seine Kollegen waren. Erst wurde lang und breit erwogen, mich einer EKT oder »Elektrokrampftherapie« zu unterziehen, aber die EKT tilgt manchmal Erinnerungen – kleine Details wie deinen Namen und Wohnort und so – und ist auch in anderer Hinsicht eine durch und durch furchterregende Angelegenheit, und wir – meine Eltern und ich – entschieden uns dagegen. Ich wohne im Bundesstaat New Hampshire, und dort ist gesetzlich verankert, dass ohne Wissen und Einverständnis des Patienten keine EKT zur Anwendung kommen darf. Ich halte das für ein äußerst gutes Gesetz. Also wurden mir von Dr. Kablumbus, der wirklich nur auf mein Wohl bedacht war, Antidepressiva verschrieben.

Wenn dir jemand von einer Reise erzählt, erwartest du wenigstens eine Erläuterung, warum er überhaupt losgefahren ist. In diesem Sinne sollte ich vielleicht erst mal erzählen, warum die Dinge auf der Erde für mich schon eine ganze Weile nicht so gut gelaufen sind. Es ist total schräg, aber vor drei Jahren litt ich in meinem letzten Jahr an der Highschool zunehmend an etwas, das ich im Nachhinein wohl Halluzinationen nennen muss. Ich glaubte, in meinem Gesicht würde neben der Nase eine riesige Wunde in der Wange klaffen, eine große, tiefe Fleischwunde … die Haut wäre einfach wie eine alte Frucht aufgeplatzt, das Blut ränne heraus, glänzte dunkel, Venen, gelbes Wangenfett und rotgraue Muskelfasern wären deutlich zu sehen, und darunter schimmerten sogar frei liegende Knochen. Wenn ich in den Spiegel sah, war diese Wunde unweigerlich da, und ich spürte die ganze Zeit das Zucken der frei liegenden Muskeln und die Hitze des Bluts auf der Wange. Aber wenn ich einem Arzt, meiner Mom oder anderen Leuten sagte: »Hey, schaut euch mal diese offene Wunde in meinem Gesicht an, ich glaub, damit geh ich besser mal ins Krankenhaus«, dann antworteten sie: »Wie jetzt, du hast keine Wunde im Gesicht, ist mit deinen Augen alles in Ordnung?« Aber wenn ich in den Spiegel sah, war sie unweigerlich da, und ich spürte immerzu die Hitze des Bluts auf der Wange, und wenn ich sie abtastete, sanken meine Finger ganz tief ein und spürten eine Art heiße Gelatine mit Knochen, Sehnen und Schmadder drin. Und ich hatte das Gefühl, alle schauten sie ständig an. Sie starrten sie ganz komisch an, und ich dachte dann: »Oh Gott, denen wird meinetwegen schlecht, die sehen das, ich muss mich verstecken, ich muss hier weg.« Aber wahrscheinlich starrten sie nur, weil ich so verängstigt aussah, Schmerzen zu haben schien, immerzu im Gesicht herumfingerte und taumelte, als wäre ich sternhagelvoll. Mir kam das damals aber völlig real vor. Verquer bis dort hinaus. Kurz vor dem Schulabschluss – also vielleicht höchstens einen Monat davor – wurde es richtig schlimm, wenn ich da die Hand vom Gesicht nahm, sah ich Blut an den Fingerspitzen und Gewebespuren und Schmadder, und ich konnte das Blut sogar riechen, diesen Geruch nach heißem, rostigem Metall und Kupfer. Und als meine Eltern eines Abends mal ausgegangen waren, habe ich Nadel und Faden genommen und versucht, die Wunde zu nähen. Das tat verflixt weh, weil ich natürlich kein Betäubungsmittel hatte. Und wie ich heute weiß, war es natürlich auch übel, weil es überhaupt keine Wunde zu nähen gab. Mom und Dad waren nicht direkt begeistert, als sie nach Hause kamen und ich echte Blutspuren und jede Menge zackige unprofessionelle Stiche aus leuchtend orangem Teppichgarn im Gesicht hatte. Sie waren tierisch erschrocken. Und meine Stiche waren zu tief – anscheinend hatte ich die Nähnadel wahnsinnig tief reingestochen –, und als sie im Krankenhaus die Fäden zogen, blieb das Garn teilweise da drin stecken, und das Gewebe entzündete sich, und dann mussten sie, wieder im Krankenhaus, eine echte Wunde machen, um das zu entfernen, zu drainieren und zu säubern. Das war hochironisch. Und als ich die Nadel zu tief reingestochen habe, muss ich auch ein paar Nerven in der Wange getroffen und kaputt gemacht haben, und jetzt wird mein Gesicht manchmal ohne jeden Grund stellenweise taub, und mein linker Mundwinkel hängt ein bisschen runter. Ich weiß, dass er wirklich runterhängt und dass ich hier diese niedliche Narbe habe, weil es in dem Fall nicht damit getan ist, in den Spiegel zu schauen und sie sehen und spüren zu können; andere Leute sagen mir, dass sie sie auch sehen, auch wenn sie mir das sehr schonend beibringen.

Sei’s drum, in dem Jahr wurde nach und nach wohl allen und sogar mir klar, dass der Steppke hier Probleme hatte. Man besprach sich und diskutierte, und am Ende war man einhellig der Meinung, es wäre wohl das Beste, wenn ich den Beginn des Studiums an der Brown University in Rhode Island verschob, obwohl ich schon in den Startlöchern saß, und lieber noch ein zusätzliches Schuljahr an einer sehr guten, renommierten und teuren Privatschule namens Phillips Exeter Academy dranhängte, die praktischerweise genau hier in meiner Heimatstadt lag. Und das machte ich dann auch. Allem Anschein nach war das eine ganz erfolgreiche Zeit, nur war ich dort immer noch auf der Erde, und auf der Erde ging es mir in dieser Zeit zunehmend nicht gut, obwohl mein Gesicht geheilt war und ich auch kaum noch Halluzinationen von der blutigen Wunde hatte, oder sie blitzte jedenfalls nur noch manchmal ganz kurz auf, wenn ich aus dem Augenwinkel in den Spiegel sah und so.

Aber es stimmt schon, unterm Strich liefen die Dinge für mich damals immer übler, obwohl ich mich in meinem kleinen zusätzlichen Schuljahr ganz gut machte und immer mehr Leute sagten: »Heilige Scheiße, du bist ja wirklich ein sehr guter Schüler und solltest schnellstens an die Uni gehen!« Für mich war sonnenklar, dass ich definitiv nicht schnellstens an eine Uni gehen sollte, aber das konnte ich den Leuten an der Exeter nicht sagen, weil meine Gründe nichts mit elementaren Gleichungen in Chemie oder der Interpretation von Keats-Gedichten in Englisch zu tun hatten. Sie hatten damit zu tun, dass der Steppke hier Probleme hatte. Ich lechze heute nicht gerade danach, eine lange und blutrünstige Darstellung all der niedlichen Neurosen zu liefern, die ziemlich genau zu jener Zeit in meinem Gehirn schrumplige graue Blasen zu werfen begannen, aber ein paar Dinge kann ich schon beschreiben. Zum einen musste ich mich oft übergeben, mir war die ganze Zeit echt schlecht, besonders morgens nach dem Aufstehen. Sobald ich daran dachte, schaltete es sich ein: Wenn ich mich gut fühlte, konnte ich urplötzlich denken: »Hey, mir ist ja grad