Der Schlüpfer von Melania - Heinz-E. Klockhaus - E-Book

Der Schlüpfer von Melania E-Book

Heinz-E. Klockhaus

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Beschreibung

Ein zuverlässiger Freund, eine außergewöhnliche Sammlung, die kurze Begegnung mit interessanten Menschen, die Blaue Mauritius, eine Prise Humor und Satire, viel Phantasie und ein traumhafter Ausgang machen dieses Buch zu einem wunderbaren Märchen für Erwachsene!

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Seitenzahl: 76

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Es war ein richtig schöner Frühlingstag. Kirsche saß auf seinem Lieblingsplatz, der braunen Holzbank im Garten neben seinem Teich. Den Teich hatte Kirsche selbst angelegt. Fische gab es dort nicht. Aber Kirsche war sehr stolz auf seinen kleinen Teich und bezeichnete ihn als sein Biotop; denn in jedem Jahr kamen die Molche und bekamen dort ihre Jungen. Schon als Kind hatte Kirsche die seltene Gabe, seine Träume Wahrheit werden zu lassen und zum Leben erwecken zu können. Inzwischen war er zu einem richtig gutaussehenden jungen Mann herangereift. Sein Freund Peter, das sprechende Eichhörnchen, war auch schon da und holte sich die übliche Tagesration Nüsse ab. Als Gegenleistung hatte Peter immer ein paar nützliche Ratschläge für Kirsche parat. Diesmal hatte Kirsche sich den Jackpot im Lotto herbeigeträumt. Ganze zwölf Millionen Euro hatte er dabei gewonnen. Und das besondere daran war, er konnte davon ausgeben, was er wollte, es blieben immer zwölf Millionen und wurde nie weniger. Nur den ganzen Betrag auf einmal durfte er nicht ausgeben, dann war alles weg und kam nicht wieder. In der Diele stand eine große Eichentruhe mit großen eisernen Beschlägen und einem großen Vorhängeschloss. Die Truhe hatte seiner Urgroßmutter gehört. Sie hatte früher darin ihre Aussteuer aufbewahrt. So war das früher bei heiratswilligen Töchtern üblich. Nun stand die Truhe aber immer leer. Da kamen die zwölf Millionen für den Lottogewinn gerade recht, die Kirsche in der Truhe verstaut hatte. „Was hast Du mit dem Geld denn vor?“ fragte Peter. „Ich möchte eine Sammlung anfangen,“ sagte Kirsche, „ich habe noch nie etwas gesammelt.“ „Und was willst Du sammeln?“ „Ich weiß es noch nicht. Vielleicht Bierdeckel.“ „Du trinkst doch gar kein Bier,“ sagte Peter. „Oder Bilder, oder Briefmarken,“ sagte Kirsche. „Das ist sehr gewöhnlich,“ sagte Peter. „Hast Du denn eine Idee?“ fragte Kirsche. „Hallo Kirsche!“ rief in dem Moment die Nachbarin Anita, die hinter ihrer Hecke stand. „Hallo Anita!“ erwiderte Kirsche den Gruß. Peter lachte und sagte: „Sammele doch Schlüpfer!“ „Schlüpfer?“ wiederholte Kirsche. „Das wäre wenigstens einmalig,“ sagte Peter. „Du kannst ja gleich bei der Anita anfangen.“ „Das klingt verrückt,“ sagte Kirsche, „aber warum eigentlich nicht? Ich werde sie gut bezahlen. Briefmarken muss man ja auch bezahlen. Und Geld genug habe ich ja auch in der Truhe. Anita, kommst Du mal eben rüber?“ „Was gibt’s denn?“ fragte Anita und kam zu Kirsche in den Garten. „Verkauf mir Deinen Schlüpfer,“ sagte Kirsche. Anita sah ihn an, als käme er von einem anderen Stern. „Was willst Du?“ „Ich will Deinen Schlüpfer kaufen.“ „Hast Du den Verstand verloren?“ fragte sie. „Das wäre das erste Exemplar in meiner Sammlung, die ich heute anfange,“ sagte Kirsche. „Du spinnst doch!“ „Ich zahle Dir tausend Euro dafür.“ „Tausend Euro?“ wiederholte Anita, „für meinen Schlüpfer?“ „Es ist doch nichts dabei,“ sagte Kirsche, „andere Leute sammeln Bilder, oder Bierdeckel, oder Briefmarken. Zweitausend Euro, Anita, weil es mein erstes Exemplar ist. Du kannst dann immer sagen, das erste Exemplar meiner Sammlung stammt von Dir.“ „Zweitausend“, wiederholte Anita. Kirsche legte zweitausend Euro neben sich auf die Bank. „Bitte!“ sagte er. „Ich gehe und hole einen Schlüpfer von mir,“ sage Anita. Kirsche schüttelte energisch den Kopf. „Nein, nein, nein! Ich will den, den Du gerade anhast. Ich brauche den Beweis, dass er in meinem Beisein von Dir getragen wurde. Nur so wird es eine gute Sammlung!“ Anita setzte sich auf die kleine Gartenmauer. „Ich mach’s!“ sagte sie, und ihr Schlüpfer wechselte für zweitausend Euro den Besitzer. Damit hatte Kirsche seine ungewöhnliche Sammlung gestartet. Das Postmädchen brachte einen Brief. Peter nickte Kirsche aufmunternd zu und sagte: „Das zweite Exemplar!“ „Verkaufst Du mir Deinen Schlüpfer, den Du anhast?“ fragte Kirsche. „Bitte???“ sagte das Postmädchen. „Ich zahle Dir fünftausend Euro für den Schlüpfer, den Du anhast.“ Das Postmädchen lachte so laut und schrill, dass sich Peter seine Pinselohren zuhielt. „Fünftausend Euro willst Du mir für meinen Schlüpfer zahlen?“ sagte das Postmädchen, „dafür muss ich fast drei Monate arbeiten.“ Kirsche legte fünftausend Euro auf die Bank. „Es ist für meine Sammlung, die ich heute angefangen habe,“ sagte er, „das wäre mein zweites Exemplar.“ „Das ist doch Spaß, oder?“ sagte das Postmädchen. „Sind fünftausend Euro Spaß?“ fragte Kirsche. „Hier liegen sie neben mir auf der Bank. Gib mir Deinen Schlüpfer und Du kannst das Geld nehmen.“ „Ohne schlechten Hintergedanken?“ fragte das Postmädchen. „Ja, wofür hältst Du mich? Natürlich ohne Hintergedanken!“ sagte Kirsche. Das Postmädchen zog seinen Schlüpfer aus, gab ihn Kirsche, nahm zögernd die fünftausend Euro von der Bank und ging. Man hörte sie noch lachen, als sie schon längst das Grundstück verlassen hatte. „Danke, Peter,“ sagte Kirsche, „ich glaube, das war eine gute Idee von Dir mit der Sammlung.“

Das dritte Exemplar gestaltete sich etwas schwieriger. Es war der Schlüpfer der Sängerin Heidi aus dem Sauerland. Die singende Sauerländerin hatte schon damals Streit mit ihrem Mann, weil ihm ihr Ausschnitt auf dem Coverfoto ihrer CD „Der Sauerlandjodler“ zu gewagt vorkam. Und nun sollte er mitansehen, wie seine Heidi ihren Schlüpfer auszog und verkaufte. „Das wirst Du doch nicht tun!“ hatte er gesagt. Künstler sind eine gute Gage gewohnt, das wusste Kirsche. Deshalb veranschlagte er auch gleich zehntausend Euro für den Schlüpfer. Das war auch für Heidi viel Geld. „Und es gibt auch keine Bedingungen dabei?“ fragte sie. „Nein, nein,“ bestätigte Kirsche, „es gibt keine Bedingungen. Zehntausend Euro für den Schlüpfer, den Du anhast.“ Ehe ihr Mann noch etwas sagen konnte, hatte Heidi ihren Schlüpfer in der Hand. „Das Geschäft gilt!“ sagte sie und schob sich grinsend die zehntausend Euro in den Ausschnitt ihres Dirndlkleides. „Wenn Du lieb bist, darfst Du sie da heute Abend wieder rausholen,“ sagte sie zu ihrem Mann. Er quittierte diese Großzügigkeit mit einem gequälten Lächeln.

„Du stehst in der Zeitung,“ erzählte das sprechende Eichhörnchen. „Warum?“ fragte Kirsche, „ich bin doch gar nicht gestorben!“ „Die Medien haben von Deiner einzigartigen Sammlung erfahren,“ sagte Peter. „Und was schreiben sie?“ „Es werden bereits Schlüpfer angeboten,“ sagte Peter. „Das möchte ich gar nicht. Ich suche mir die Unikate für meine Sammlung lieber selbst aus. Es muss ja nicht gleich die Blaue Mauritius unter den Schlüpfern sein, aber von einigen Promis hätte ich schon gerne eine Trophäe.“ „Ja klar,“ sagte Peter, „für zwölf Millionen in der Truhe lässt sich da schon was machen! Was ist denn da unten mit der Nachbarin?“ „Nee, das ist Familie Neureich. Die machen von morgens bis abends nur Lärm. Da hätte ich Angst, dass auch im Schlüpfer noch ein Motor rattert und es auch nachts im Schlüpfer von denen kracht und donnert. Von Familie Neureich möchte ich lieber keinen Schlüpfer. Es reicht schon, wenn man den ganzen Tag deren Lärm ertragen muss.“ „Ein Schlüpfer, in dem es kracht und donnert,“ sagte Peter lachend, „das soll bei Euch Menschen vorkommen!“ „Ich habe ihn schon mal gefragt, ob ich ihm nicht ein altes Ölfass besorgen soll. Das macht doch auch schön Krach, wenn er den ganzen Tag da draufhaut. Alte Leute, die nicht mehr so gut hören, fühlen sich sonst unter Umständen gar nicht mehr so richtig belästigt von Herrn Neureich. Und das wäre doch schade! Familie Neureich gibt sich ja immer so viel Mühe, den Nachbarn auf die Nerven zu gehen und die Lust zu verderben, sich auch mal draußen aufzuhalten. Dafür rückt Familie Neureich mit ihrem Lärm immer ganz an die fremden Grundstücke heran, damit es ja keiner überhört. An ihrem Haus wollen sie vielleicht ja auch den Lärm gar nicht den ganzen Tag haben. Ich wundere mich, dass sie direkt hinter meiner Hecke nicht schon Lautsprecher installiert haben, damit ihr Lärm noch unerträglicher wird.“ „So schlimm?“ „Ja, so schlimm!“ „Na gut, dann würde ich von denen auch keinem Schlüpfer trauen! Wer weiß, welche Geräusche da herauskommen.“ „Ich nehme auf keine alten Leute mehr Rücksicht, hat mir der alte Neureich mal gesagt,“ sagte Kirsche. „Er ist wohl vor seinem unverhofften Reichtum als Arbeiter so viel in den Arsch getreten worden, dass er es jetzt allen heimzahlen will.“ „Ja ja, Geld verdirbt den Charakter,“ sagte Peter. „Mir reichen jeden Tag ein paar Nüsse, und ich bin glücklich und zufrieden.“ „Und aus meinem Vogelhaus den Meisenknödel hast Du weggeschleppt,“ sagte Kirsche, „glaub ja nicht, dass ich das nicht weiß.“ Das Eichhörnchen kratzte sich seine Pinselohren und sagte: „Mundraub, mein Freund. Mundraub nennt man das! Den Meisenknödel habe ich als Winterreserve gebunkert. Sowas kommt bei den vornehmsten Eichhörnchen vor! Wer seiner Putzfrau einen Geldschein hinlegt, um ihre Ehrlichkeit zu testen, der macht sich strafbar, habe ich mal gehört. So ist das wohl auch mit Deinem Meisenknödel.“ Kirsche lachte. „Also bin ich schuld, wenn Du meine Meisenknödel klaust!?“ „Jetzt hast Du die Rechtslage verstanden,“ sagte Peter.

Kirsche hatte medialen Besuch. „Susanne, verkauf mir den Schlüpfer, den Du anhast.“ „Du bist ja verrückt!“ „Du wärst die erste Tagesschau