Kadonien - Heinz-E. Klockhaus - E-Book

Kadonien E-Book

Heinz-E. Klockhaus

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Beschreibung

Ein Buch im Ruhrgebiets-Jargon – sprachgewandt, urkomisch und voller Gags. „Kadonien“, das ist die lustige und originelle Geschichte von vier ebenso originellen Typen, erzählt von einem von ihnen, dem Arbeitslosen Willi Wittischek. Die Geschichte spielt in Gelsenkirchen-Horst und ist dementsprechend im Ruhrgebiets-Dialekt geschrieben. Als die Firma Schimanski Stahl und Eisen „die Schotten dicht macht“, wird Willi Wittischek arbeitslos. Aus Langeweile sucht er per Zeitungsinserat Partner zum Kartenspielen und lernt so das Ehepaar Dr. Hans-Werner und Ilse Böse sowie die Steigerswitwe Hilde Kowalski kennen. Wittischek erzählt seinen neuen Freunden eigentlich völlig beiläufig von seinem Traum, einen eigenen Staat zu gründen, in dem alles gerecht und ehrlich zugeht. Dr. Böse ist von dieser fixen Idee fasziniert und kauft von der Bergwerksgesellschaft das Gelände der stillgelegten Zeche Nordstern. Es gelingt ihm sogar, von der Stadt Gelsenkirchen, von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und schließlich auch über einen ehemaligen Studienfreund im Trubel des Umzuges der Bundesregierung von Bonn nach Berlin vom Kanzleramt die Bestätigung zu erhalten, dass „Kadonien“ auf dem ehemaligen Zechengelände Nordstern als souveräner Freistaat anerkannt wird. Willi Wittischek, Hilde Kowalski und das Ehepaar Böse verleihen sich selbst die Titel zum Großherzog und zur Großherzogin von Kadonien und hissen auf dem Förderturm ihre Staatsfahne. Dem gemeinsamen Kanasterspiel entsprungen nennen sie ihre Währung „Jokers“ und werden in ihrem herrschaftlichen Frieden erst gestört, als der Nachbarstaat Deutschland damit beginnt, auf dem Zechengelände Nordstern die Bundesgartenschau vorzu-bereiten. Dr. Böse, inzwischen Großherzog Hans-Werner von Kadonien, ist auch dieser Situation gewachsen und weiß durch die Errichtung eines Supermarktes in der ehemaligen Waschkaue und eines Kiosk über die zahlreichen Besucher der Bundesgartenschau an Devisen für Kadonien zu kommen. Als der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland dem Freistaat Kadonien einen Besuch abstattet, gibt Dr. Böse seinen Freunden bekannt, dass er als Euro-Koordinator nach Brüssel berufen wurde und Herrn Wittischek vorher diesen Traum vom eigenen Staat erfüllen wollte. Die Attraktionen der Bundesgartenschau Gelsenkirchen sind in die Handlung dieses Buches eingebunden.

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Wie an jedem Werktach klingelte auch an diesem Morgen mein Wecker. „Willi Wittischek, Schimanski Stahl und Eisen ruft.“ Wie an jedem Werktach schimpfte ich auf den fadammten Wecker und wusste nich, dattich bald sein Klingeln vermissen würde. Zähneputzen, waschen, rasieren, anziehen, frühstücken, Blick inne Zeitung, wat wieder für Grausamkeiten und für Ungerechtichkeiten inne Welt passiert sind. Nix tut so gut wie’ne Tasse Kaffe, wenne noch müde bis. Halb sieben begrüss ich meinen alten VW-Käfer anne Laternengarage. „Na, Käfer, hasse ausgeschlafen? Schimanski Stahl und Eisen ruft.“ Den Weg kennt mein Auto im Schlaf. Dat Stüxken Schlangenwallstrasse hoch, Galopprennbahn und Horster Schloss vorbei und dann immer gradeaus bis Buer-Beckhausen. Typischet Kohlenpottwetter, grauer Himmel und die Sonne hinter die Wolken am kämpfen, datse auch mal dat Ruhrgebiet sieht. Kurz vor sieben sind wir, mein Käfer und ich, wie immer bei Schimanski Stahl und Eisen aufen Parkplatz, kannze die Uhr nach stellen. Trotzdem war an diesem Tach alles anders. Die Kollegen standen aufen Hof und diskutierten. „Wat is los?“ frachte ich den Czervinsky. „Nix is los, Deinen Blaumann kannze im Spint lassen, Wittischek. Belechschaftsversammlung, Schimanski macht die Schotten dicht.“ „Ach du Scheisse“, rutschtet mich raus, „und wat wird aus uns?“

„Ja, wat wohl“, sacht der Czervinsky, „stempeln gehen und anne Nüsse spielen. Fleicht hasse ja Glück und bis der fümfmillionste Aabeizlose in Deutschland, dann krisse bestimmt ne Auszeichnung und Ehrenurkunde.

Oder hasse noch ne reiche Omma, die dich ein sonniget Leben inne Südsee faerbt?“

Nee, sonne reiche Omma hattich nich. Wat nütztet, wenne noch locker zehn Jahre malochen kannz und keiner will dich? Wie oft hab ich auf Schimanski Stahl und Eisen geschimpft und auf den dowen hochnäsigen Vorarbeiter, und gezz liefen se mir nachts über die Bettdecke und ich träumte vergeblich davon, dat der Wecker mal wieder klingelt: „Schimanski Stahl und Eisen ruft.“ Hatter gezz von seine Hochnäsichkeit, gezz is der Vorarbeiter auch ein armet Schwein und aabeizlos. „Wennet überhaupt eine Schuld aufe Welt gibt und vom lieben Gott nich alles vorbestimmt is, dann is die CDU schuld“, hatte der Czervinsky gesagt.

„Is doch keine christliche Pattei, die sich selbst die Diäten erhöht und für unsereins keine Arbeit hat. Sowat kannze doch nur wählen, wenne ein Konto inne Schweiz und dein Häusken im Tessin has. Wirsse sehn, gezz wird alles anders, wenn die SPD anne Regierung is.“ „Hasse recht, Czervinsky, is nich christlich, wenne keine Arbeit has“, sarich, „aber sozial isset auch nich. Oder glaubse noch an Weihnachtsmann, dat die SPD uns wieder’n Jopp besorgt? Na also. Is nich christlich, is nich sozial, is nich liberal und grün sindse mich schon lange alle nich da oben. Aber wir fallen zum Glück ja bloss vonne unterste Stufe. Die oben sind, fallen viel tiefer.“ „Nee“, sachter, „dat is nich wahr. Die halten sich an irgendeiner Stufe fest un krabbeln wieder ganz nach oben. Aber wir fallen vonne unterste Sprosse in Dreck un bleiben im Dreck.“ „Weisse, wovon ich träum?“ sarich, „ich träum von ein eigenen Staat, in dem alles gerecht zugeht.“ „Da kannze lange träumen“, sacht der Czervinsky. „Machet gut, Czervinsky, gezz hasse Zeit für Dein Schrebergarten und kannz auch mal inne Woche morgens am Rhein-Herne-Kanal angeln gehn.“

Anfangs war dat ma ganz nett, morgens bis halb zehn im Bett, Zeitung raufholen und wieder bis halb elf inne Falle und kucken, wattet Neuet inne Welt gibt. Für ein Brötchen, watte dich vom Bäcker mitbacken lassen kannz, reicht auch dat Aabeizlosengeld. Kannze ersma ganz zufrieden sein mit dein neuet Schicksal. Aber irgendwann hasse ausgeschlafen un dann geht dat los mitti gähnende Langeweile. Geden Tach aufe Markenstrasse oder durche Schrebergärten latschen un dich die ollen Rentner bekucken un Tauben füttern willze ja schliesslich aunich für den Rest deinet Leems. Ab und zu aufe Rennbahn, sind ja nich mehr viele Rennen in Horst und mehr kannze dich von dein Aabeizlosengeld aunich leisten, als mal ein riskanten Gaul mit drei Beine auf Sieg oder Platz zu wetten.

Und auf Schalke gehn is auch nur alle vierzehn Tage, aber da ärgersse dich ja auch bloss. Nichma mehr am Zeitunglesen hasse richtich Spass.

Früher, wie die Bildzeitung neu raus kam un noch’n Groschen kostete, warnse über ihr am herziehen, watse für blutige Schlachzeilen hat un dat son Bildrepporter zuerst mitti Toten gesprochen hat undse interwjute.

Heute kräht da kein Hahn mehr nach und gedet Käseblättken, wat bissken auf sich hält, besteht nur noch aus solche Schlachzeilen. Dat Kleingedruckte brauchse gaanich mehr lesen. Wenn der Kanzler nach Amerika fliecht un vorn ausgerollten Teppich aufe Gangwä sacht „Guten Tach“, weiler nich weiss, datat bei die Amis „Gut Mornink“ heisst, dann is dat dat Einzige, watte noch zum Schmunzeln inne Zeitung findes. Der Rest is Mord und Totschlach. Da fageht dich die ganze Lust anne Lecktüre.

Anfangs hab ich ja gedacht, mich ne neue Arbeit zu suchen. Aber watte da angeboten kriss, kannnze inne Feife rauchen. Datse dich nich gleich sagen, du sollz die Rotaugen im Rhein-Herne-Kanal unter die Brücke jagen wennet rechnet, is noch’n Wunder. Der mitti rote Jacke beim Aabeizamt kuckt ja immer ganz wichtich in seine Kattei. Aber die Kaate hälter immer so schräch, datte nich sehn kannz, datta gaanix draufsteht. Mit sein tüpischet Beamtengesicht kuckter ein dann ganz merkwürdich an, als wenner am denken wär. Un in Wirklichkeit denkter bloss, hoffentlich haut der Kerl bald ab, dasse in Ruhe Fliegen im Büro zählen kannz. Wenne Glück has, krisse dann wieder son Vorstellungsgespräch, wode die Menschen umschuppen sollz, die im Stehn gestorben sind oder sowat Ähnlichet, un dafür brauchse aunoch Abbitur. Nee, irgendwann kapituliersse dann wie der Ohrnkneifer vor der Schuhsohle und sachs zu dein Rasierspiegel:

Ackzeptiert, bisse ein von fümf Millionen Aabeizlose, musset ja auch geben, damit die Oppesition für die nächste Wahl wat zu versprechen hat.

Wat sitzte eigentlich den ganzen Tach hier rum? Gezz, wosse endlich Zeit has für dat, wosse früher nie Zeit für gehabt has, da hättese doch gezz Zeit für. Mit diese weise Selbsterkenntnis fing ich am grübeln, wattich früher, als ich noch bei Schimanski Stahl und Eisen war, gerne getan hätte. Angeflogen kommt ja nix, wenne nur so dasitzt. Da musse schon selbst die Inniziatife ergreifen.

Soweit wusstich schomma Bescheid über meine Sittuation als Aabeizlosen. Aber wat sollze machen, datti Inniziatife auch für wat gut is? Mit sonne Fragen war ich schomma ne Zeit ganz gut beschäfticht. Und bei diese Annalüse spielt auch dat Wetter eine Rolle. Ganz zu schweigen, dattet Herbst wird. Son richtigen Sommer ohne Regen gibtet ja sowieso nich mehr. Den hamse ja mit ihre ganzen Atomfasuche und dat Umweltgedöhne länx fasaut. Wennze dich also aufet Wetter nich falassen kannz, un dat kannze nich, dann isset dat Fanümpftichste, du suchs dich wat Sinnvollet, watte in geschlossene Räume ausüben kannz.

Auf fremde Beerdigungen gehen is bei dieset Sauwetter ja aunich dat Wahre.

Mann o Mann, dattich da nich gleich drauf gekomm bin! Wie Schuppen fielet mich vonne blauen Augen:

Gezz hasse doch Zeit für dein geliebten Doppelkopp. Warss doch schon früher immer son leidenschaftlichen Kaatenspieler. Für diesen Einfall hättich beinah ‚n Luftsprung gemacht, wenn mir nich im letzten Moment meine Bandscheibe eingefallen wär, und wat schlimmer is, dattich ja gakeine Mitspieler hab, - von gleichwertige Gechner mal ganz zu schweigen. Solche innere Trauer dauert aber bei einem einfallsreichen Menschen nich ewich, weil ihn dann ein neuer Einfall heimsucht. Wenn die Andern über ein Inserat inne Neue Ruhrzeitung ein gleichgesinntet warmet Herz für besinnliche Stunden und füret Leem suchen können, warum sollet dannich auch ein Gleichgesinnten für mich geben, dem ‚ne Kreuzdame inne Hand lieber is als ‚ne Annemarie anne Hacken?

Mit dieser logischen Feststellung konnte ich sehr zufrieden sein und damitse nich wieder durch irgendeinen abwegigen Gedanken erschüttert wird, liess ich meine Inniziatife die Zügel und machte mich gleich aufe Socken nach die Neue Ruhrzeitung. „Hier is nur die Radaktion“, sachte der Glazzkopp am Empfang inne Rüttenscheider Strasse, „für ne Anzeige müssen se anne Anzeigenannahme in dat Hochhaus anne Altenessener Strasse.“ Bevor ich fragen konnte, wat sonne Anonxe kostet, hatter dat runde Glasfensterken, durch dat ich sprechen musste, schon wieder zugeklappt un war inne Zeitung am blättern. Auch ‚n dowen Jopp, dacht ich, nur Zeitung lesen und durche Luke sagen, datte hier falsch bis. Fleicht würd der Glazzkopp auch lieber Doppelkopp spielen als durch sein Fensterken kucken.

Mit sonne aabeizmaaktpolitische Gedanken beladen ging ich inne Altenessener Strasse.

Gottseidank waret Paterre und da hing auch schon dat Schild „Anzeigen-Annahme.“ Dadrunter stand’n Schreibtisch und auf den Schreibtisch ‚n Kompjuter. Aber ganz ohne Menschen könnse auch im Zeitalter vonne Technik nich, dachte ich erleichtert, als mich dat Frollein frachte:

„Kann ich wat für Sie tun?“ Mädken, dachte ich, ein Knopp mehr hättse ja von deine Bluse zuknöppen können.

Musse ja Angst haben, datti Brüstkes aufe Tastatur fallen. „Ja“, sarich, „Sie können wat für mich tun“, und überlechte schon, oppet nich doch wat Besseret als Doppelkopp gibt. „‘N Inserat willich aufgeem.“ „Und für welche Ruprick?“ frachtese und setzte sich in Possetur vor den Kompjuter. „Dat weiss ich nich“, sachte ich.

„Wollense wat fakaufen oder suchen se wat?“

„Eintlich such ich wat“, sarich drauf.

„Also Ankauf.“ Nee, so kommwer nich weiter, dachte ich. „Moment, Frollein. Ja, ich such wat, aber nich, wat sie fleicht denken. Ich such nix zum kaufen, ich such wat Komplizierteret, ein Menschen sozusagen.“ Sie nickte faständnisvoll und musterte mein karriertet Hemd. „Also eine Bekanntschafts- oder Heiratsanzeige?“

„Nu lassense mich domma ausreden, Frollein, sonz reden wir morgen noch, oppich ‚n Elefanten mit ein Glasauge oder ne Braut für einsame Stunden such.“ Sie machte ihren roten Mund wiene Schüppe, als wennse beleidicht wär und sachte:

„Bitte! Bitte! Wat suchense also?“

„Also“, sarich, „ich such Gleichgesinnte fürn Doppelkopp.“ „Doppelkopp? Wattis dat denn?“ Dat is wieder ma tüpisch, dachtich, wat du kleinet Biest da hinter den offenen Knopp has, dat weisse ganz genau, aber ‚n anständiget Kaatenspiel, dat kennze nich. Wenn du kleinet Luder glaubs, dattich dich dat gezz erklär wat Doppelkopp is, bisse schief gewickelt. „Dat is wat für hinter faschlossene Türen mit zwei schwatte Damen.“

Ihre Neugierde sprangse so richtich ausset Gesicht, dat ich alten Sack wat weiss, watse noch nicht kannte.

„Schreimse ma in dat Inserat eimfach MITSPIELER FÜR DOPPELKOPP GESUCHT, dat reicht.“

Dat mitti Anzeige inne Ruhr-Nachrichten fluppte besser als ich dachte. Eine Woche, nachdem ich dat Inserat aufgegeben hatte, waren schon fümf Briefe im Kasten. Soviel krich ich sonz dat ganze Jahr nich, die Weihnachtskaaten ma nich mitgerechnet. Ich holte mir ne Pulle Bier aussen Kühlschrank, setzte mich auf mein Sofa und öffnete mit grosser Spannung meine Post. Lieben Insserent, stand in ein Brief, ich bin eine Steigerswitfe von ein fastorbnen Steiger un spiel für mein Leem gerne Doppelkopp. Hier inne Kollenie sind alle Berchleute fazogen un gestorben un könn auch kein Doppelkopp mehr.

Da is nur noch meine Nichte Paula, aber die hat ganz andre Dinge im Kopp als wie Kaatenspieln un is im Fatraun gesacht auch viel zu dösich.

Würde mich sehr geährt fühlen, wennse mich berücksichtigen tun un haben wollen un bin auch eine ganz faträchliche Nichtraucherin, Ihre Hilde Kowalski.

Da siehsse ma, denk ich, die Weiber sind donnich alle so bekloppt wie die vonne Zeitung mit nix im Kopp un offne Bluse. Mitti Steigerswitfe hatte ich schomma ‚n guten Fang gemacht, bevor ich se überhaupt kannte. Wie machse wohl aussehn, dachte ich. Is ja auch egal, oppet ne dünne Hippe is oder ne dicke Matrone.

Fleicht isset ja auch ‚n ganz anziehendet Wesen un für noch mehr zu gebrauchen als bloss Doppelkopp.

Sonne Steigerswitfe hat auch ne ganz passable Rente, datse sich leisten kann, paa schicke Klamotten zu besitzen un nich nur billige Fummel fonne Wollwort. Eins steht fest, die Steigerswitfe war schomma so gut wie engaschiert. Dafür konntich die nächsten beiden Briefe gleich fagessen. Der eine schien so einen von die ewigen Studenten zu sein.

„Un darum suche ich nach eine Beschäftigung inne Semmesterferien.“

Wennich sowat schon hör. Un wattis nache Semmesterferien? Davon schreibter nix. Nee, du steck ma lieber deine Nase inne Bücher, datte den Staat nich ein Leem lang aufe Tasche liechs. Sowat kannich nich noch unterstützen, da mach ich mich ja mit faantwortlich für dat sinnlose Plündern von den Barföck. Der kricht schomma ne Absage oder soll auf ne Antwort warten, bisser alt un grau is.

Zwischen diese beiden Möchlichkeiten werd ich noch abwägen, wat besser is für ihn zu kurrieren. Der andre Brief, der aunich infrage kam, war auch von son jungen Schnösel un sogar mitti Schreibmaschine getippt. Wie hoch datti Einsätze sind wollter wissen, um die wir spielen, weiler umsonst gaanich ers anfängt.

Täte mich ja reizen, ihm ma zu zeigen, wat ne Hake is, aber dat kannich ja schon alleine die Steigerswitfe nich antun. Wat soll die denn von mir denken, wenn ich anfang, alle abzuzocken. Keine Bange, liebe Hilde, dem sagen wir auch ab. Ein Gentelmänn weiss doch, watter einer faträchlichen Steigerswitfe schuldich is.

Auf den nächsten Umschlach stand DR. HANS-WERNER BÖSE aufgedruckt. Oje, mit son richtigen Dockter weisse ja gaanich, wiesse dich richtich fahalten sollz. Un wenner dannoch so is wie er heisst, kannze ihn von vornerein fagessen. „Sehr geehrter Inserent“, schrieb er, Insserent nur mit ein S, kannze sehn, son Dockter weiss aunich alles. „Ich beziehe mich auf Ihr Inserat in den Neuen Ruhrnachrichten und teile Ihnen mit, dass ich und meine Gattin an einer Spielrunde grosses Interesse haben.“ Seine Gattin willer auch gleich mitbringen. Warum eintlich nich? Die Steigerswitfe un ich, un den Dockter mit seine Gattin, hättenwer doch die Runde komplett.

Fleicht kuckter ja bei die Gelegenheit auma nach meine Bandscheibe. So gesehn wär auch der im vierten Brief nich schlecht, wosse ab un zu paa Scheiben Zungenwurst für umsonst kriss. Aber nach solche Kritterien kannze ja nich Doppelkopp spielen un der Mensch kann aunich alles haben aufe Welt un von Doppelkoppspieler aunoch Grützwurst oder ‚n halbet Schwein als Zugabe falangen, wenner schon‚ n Dockter fürde Bandscheibe in Aussicht hat. „Ich bin ein Katzoff im Rentenalter, wennse wissen, wat das is. Mein Laden hat gezz mein Sohn und ich würde gerne ein bissken Kaatenspieln in meine viele Freizeit, die ich gezz hab.“

Türlich weiss ich, dat ein Katzoff ein Metzger is. Aber mein Gefühl sacht, die Steigerswitfe un der Dockter mit Gattin sind genau die richtigen Paatner. Im fümften Brief stand nur, rufense mich unter die angegebene Tellefonnummer gegen achtzehn Uhr an zwex persönlichet Kennenlernen.

Nix, watter is, nichma ‚n Absender aufn Kuwär. Kannze lange vor dein Tellefon sitzen un auf mein Anruf waten. Der Katzoff kricht ein höflichen Brief: Lieber Metzgermeister im Ruhestand. Is vernünftich, datse im Alter auch den Sohn mal ranlassen.

Dem Czervinsky und mir ging et ja viel schlechter,als wir aufet Altenteil verfrachtet wurden und ich hoffe, dass Ihr Sohn doch noch ab und zu mit einem Kottlett bei seinem Vatter vorbeikommt. Bedaure vielmals, unser Faein nimmt keine Mitglieder mehr auf, gezeichnet Dockter Hans-Werner Böse un Gattin, Steigerswitfe Hilde Kowalski un ich, ihr hochachtunxvoller Willi Wittischek.

Inne Schublade vonne Witrine lach noch’n karrierten Block un paar Umschläge. Wann schreibt unsereins schomma ‚n Brief? Liebe Steigerswitfe. Zunächst tutet mir leit, dat Ihr fastorbnen Gatte nich mehr am Leem is un freu mich, datse ebenfalls ein ganz faträchlichen Menschen und von dat Laster Rauchen nich behaftet sind. Wat son richtigen Steiger is, den hab ich auch als Raucher inne Erinnerung und hoffe, dass ihr abgelebter Gatte auch geraucht hat und Sie dafür Faständnis haben un nich böse sind, wennich rauchen tu. Böse is dat Stichwort; denn Böse is auch der Name von ein Dockter, den ich aunonich kenne un deshalb mit seine Gattin für mich noch unbeschreiblich is. Fleicht hamse ja auch wat anne Bandscheibe wie ich un der Dockter fasteht wat davon, datter für uns wat tun kann. Muss nu aber nich unbedingt Bandscheibe sein, kann auch mitte Nieren oder mit dat Herz wat nich stimmen. Mitte Galle werdense ja hoffentlich keine Malesse haben, weil dat keine frietfärtigen Menschen sein sollen. Sonz gibtet nix zu erzählen, watwer nich besprechen können.

Geben Sie mir die Ähre für ein erstet Kennenlernen am Sonnaamt um vier in meine Wohnung. Is ja nich weit vonne Kollenie, wennse noch gut zu Fuss sind. Ich hab mich mein Leemtach nich so gefreut wie auf Ihnen un hoffe, dat der Dockter mit seine Gattin auch anwesend is. Ihr hochachtunxvoller Willi Wittischek.

Ein schöner Brief, kann man für eine Steigerswitfe nich besser formeliern.

Türlich, für ein Ackerdemicker musse andre Worte suchen. Sehr geährten Dockter Böse un sehr faährte Dockters-Gattin. Wie ich soeben an die Steigerswitfe Hilde Kowalski ausse Kollenie geschrieben habe, erwarte ich Sie am Sonnaamt um vier un freu mich auf ein Kennenlernen, nich ohne Ihnen und ihre Gattin für die Zuschrift auf meine Anonxe zu danken.

Wir spielen mit zwei Spitzen, watti Herzzehnen sind un ohne Fleischlosen und ohne Schweinchen. Wennse dat ihre Gattin schomma sagen, obwohl ich fagessen habe, dat auch in den Brief an die Gattin fom fastorbenen Steiger Kowalski zu erwähnen.

Is ja auch egal. Die Frauen sind ja in solche Sachen immer ‚n bissken dösiger wie wir Männer, aber dat bleibt unter uns und brauch ich Ihnen als Dockter ja gaanich erst zu sagen.

Ährlich gesacht freu ich mich, datse sich auf meine Anonxe gemeldet haben, weil son Doppelkopp ja auch wat mit Niewo zu tun hat. Grüssense Ihre Gattin und paakense ihrn Wagen am Sonnaamt ruhich vor mein Garten-Törken, da muss um die Zeit wieso keiner rein un raus un Blagen gibtet hier keine, die Schrammen in ihrn Lack kratzen. Also dann ma bis Sonnaamt, Ihr hochachtunxvoller Willi Wittischek. Pe-Es: Ich hoffe, dattet Sie nich stört, wenn ich ein frietfärtigen Menschen und ein Raucher bin.

Alzet am Sonnaamt auf viertelvorvier zuging, wurde ich doch etwas nerwös. Hoffentlich is dat dem Dockter und seiner Gattin nich alles zu einfach in meine bescheidenen Verhältnisse als Normalsterblicher. Sonne Ackerdemicker haben ja ‚n ganz anderen Leemsstandard wie unsereins. Watti Ärzte alleine mitti Krankenscheine für’n Schmu machen sollen und die AOK über die Ohrn haun, stand noch unlänx inne Zeitung. Aber fleicht gibtet ja auch da sonne un sonne und ausgerechnet der Böse is einer von die Guten. Die Türken sind ja aunich alle gleich und’n katholischen Passter wird fleicht auma für’n Moment evangelisch, wenner ne hübsche Haushälterin hat. Waten wir et also ab. Noch mehr gespannt war ich ja ährlich gesacht auf die Steigerswitfe und spinxte schon paamal hinter de Gadine, wat da wohl gleich auf mein Häusken zukommt. Is wie bei die Ziehung vonne Lottozahlen, wosse immer hoffs, datti richtigen kommen. Aha, da fährt einer ganz langsam, scheint nache Hausnummer zu suchen.

Könnter sein, ne Olle hatter auch aufem Beifahrersitz. Gezz hälter an und die Olle kuckt hier rüber. Döskopp, hab doch geschrieben, datte vor mein Törken paaken kannz.

Tüpisch Ackerdemicker. Hauptsache, se machen et anders als alle andern, so sind se. Wennse unsereins gegen nen grippalen Infeckt mit ‚n halben Schemiekonzern die Innereien vergiften, saufense selbst nur Kamillentee und machen Wadenwickels, wennse auch ma die Grippe heimsucht.

Ich warf noch ein letzten Blick die Strasse länx nache Steigerswitfe, aber noch nix in Sicht, da stand der Dockter mit seine Gattin schon anne Tür und schellte. Wattat fürn Auto war, konnt ich gaanich erkennen.

Jedenfalls ein Stern hatter nich dran, dat wundert mich. „Guten Tag. Mein Name ist Böse. Das ist meine Frau.“ – „Guten Tag, Wittischek, dat is mein Häusken, tretense doch näher.“ Wat hat die Natur denn da zusammengefücht, dachte ich. Er mit den ackerdemischen Tittel, auf ein junget Gesicht umme vierzich schon ne halbe Pläte. Hat man ja viel bei die Schenies, datse vor lauter Denken die Haare ausgehn. Sie ein ganzen Kopp grösser un so spindeldürr, datte gaanich dran denken möchtes, wat da noch übrichbleibt, wennse die Klamotten auszieht. Dat einzige Dicke anne Dockters-Gattin waren die Gläser von ihre Brille. Nee, wat is die dünn! „Nehmen Sie doch Platz.“ Wir hatten gerade jeder einen Platz eingenommen un der Dockter mit seine Gattin spinxten mitte Augen nach meine Möbel und womöchlich, wie lange ich nich mehr neu tappeziert hatte, da schellte es wieder an meine Türe. „Dat wird die Steigerswitfe sein“, sachte ich für den Dockter und seine Gattin, „kuckense sich ruhich ‚n bissken um. Da anne Decke is die Faabe noch nich ganz trocken vom letzten Kälken.“ Ich weiss aunich, wieso ich so gespannt auf die Steigerswitfe war, als hätt ich noch nie ne Steigerswitfe gesehn. Wie sonne Steigerswitfe aussieht, weiss doch wieso jeder zwischen Stoppenberg und Polsum un länx die Emscher.

Bissken anders sah Frau Kowalski ja aus, aber dat bestäticht nur die Regel. Aus ein gutmütiget Gesicht lächelte se mich an und überreichte mir ein kleines Päcksken in Seidenpapier mit eine rote Schleife drum.

„Ein kleinet Mitbringsel“, sachtese.

„Dat war doch nich nötich, Frau Kowalski“, sachte ich, weil man dat in so Momente so sacht. „Packense ‚t aus, Herr Wittischek. Ich hab man bloss für alle Fälle ‚n neuet Doppelkoppspiel mitgebracht. Kosten bei uns im Einkaufszenter nur zweineunundneunzig. Kann man doch nix gegen sagen, oder?“ „Nee, dat kann man wirklich nich. Kommense doch durch, Frau Kowalski. Dann willich ma bekannt machen: Dat is Frau Kowalski un dat is Frau Dockter Böse un dat is der Herr Dockter Böse.“

Schrecklich, dieset Bekanntmachen.

Wer sich dat bloss ausgedacht hat.

Statte einfach die Hand gibs un sachs „Ich bin dä Willi.“ Aber nä, „hocherfreut un angenähm“ musse sagen. „Bei mir lassense den Dockter man wech“, sachte die Dockters-Gattin, „prommewiert hat nur mein Mann.“ Nu war auch der Dockter anne Reihe für den ersten sümpatischen Schritt: „Sagense eimfach Böse un lassense den Tittel ruhich weg.“ Dat klang ja sehr nett und menschlich fürn Amfang.

Weil keiner wat sachte, ergriff ich dat Wort und sachte ersma: „Frau Kowalski war so nett un hat gleich ein neuet Spiel mitgebracht für drei Maak aussen Suppermaakt. „Zweineunundneunzig, und nich aussen Suppermaakt sondern aussen Einkaufszenter“, sachte die Steigerswitfe. „Is ja auch egal“, sachte ich. „Glaub nich, datse sowat überhaupt im Suppermaakt führn“, bliebse bei ihren Einwand. Und sowat nennt die Kowalskische frietfärtich, dachte ich. Als wenn dat nich egal is, wose dat Spiel gekauft hat. „Wie sollnwer denn gezz am besten vorgehn? Haben Sie ‚n Vorschlach, Herr Dockter?“ Die Dockters-Gattin hatte als erste ‚n Vorschlach und ich mein, der war auch ganz vernünftich. „Ich schlach vor“, sachte se, „wir lernen uns erstma bissken kennen und geder erzählt wat von sich selbst.“ „Dat is’n guten Vorschlach“, sachte die Steigerswitfe und ich holte den Kaffe rein, den ich schon inne Maschine fertich hatte. Die Dockters-Gattin trank den Kaffe schwarz, obwohl se ‚n paar Kallorien am nötichsten gebrauchen konnte. Dafür nahm die Steigerswitfe drei Stüxken Würfelzucker. „Also, wat soll ich viel erzählen“, machte die Steigerswitfe den Anfang, „mein Mann war Steiger aufe Zeche Nordstern. Is gezz ja auch schon lange stillgelecht.“ „Wat für’n Steiger?“ frachte ich. „Türlich Rewiersteiger, wat denn sonz?“ „Nu, nu, Frau Kowalski, so natürlich is dat aunich. Gibt aunoch andre Steiger, wie Maschinensteiger un sowat über Tage, wat sein Leebtach nich im Pütt runter muss.“ Dat war meine Rewansche für ihre Rechthaberei, dat dat Doppelkoppspiel nich aussen Suppermaakt is. Die Steigerswitfe erzählte noch bissken nich Weltbewegendet von ihre Nichte Paula, die ein Jugoslawen geheiratet hat un zu dösig zum Kinderkriegen is un datse hundertachtzig Fund wiecht, wovon der liebe Gott besser paar Kilo für die Dockters-Gattin gegeben hätte.

Nachdem ich dann auch die paar Stationen aus meinem Leem Rewü passieren gelassen hatte bis nach meine letzte Aabeizstelle bei Schimanski Stahl und Eisen, sachte die Dockters-Gattin, datse zwei Töchter hat und sonz allet ihr Gatte besser erzählen kann wie sie. Wie aus so ein dünnen Menschen noch zwei Kinder rauskommen konnten, dat fasteh ich nich, aber geht mich ja auch nix an un muss ja wohl möchlich gewesen sein, wennse dat sacht. Dat einer ein Kind wechlücht, hat man ja schon gehört, aber dat sich einer zwei Töchter dazulücht, is nich anzunehmen. Muss ja für son klein Würmken auch grausam sein, wennet aufe Welt kommt un gleich die erste Enttäuschung erlebt, wennet bei seine eigne Mamma nix findet, wo et dran nuckeln kann. Dat is auch sonne dowe Angewohnheit vonne Ackerdemicker, dachte ich, als der Dockter anfing zu erzähln, datse in jeden Satz ein Fremdwort sagen müssen. Ob dat dahinpasst un oppe dat fastehs oder nich, et muss da hin.

Manchma glaub ich, die studiern da extra ein oder zwei Semmester länger für, dat ein Normalsterblichen nich fasteht watse sagen. Sollte unsereins ma kommen, datse für die Pflege von unsere Gelsenkirchener Muttersprache den Baföck-Sack öffnen oder vonne Heimatvereine anknabbern lassen, dat wir noch Worte vonne Grossmutter lernen wollen, dann möcht ich die ma palawern hörn. Aber der dicke Hund kam ja gezz erst. „Und studiert hab ich als Schwerpunkt Polletickwissenschaften. „Watt denn? Watt denn!“ sachte ich, „sie sind gakein richtigen Dockter? Dat is ja ein ausgesprochener Hammer. Keine Praxis mit Waatezimmer und kein Rönchen? Nix für ungut, Herr Dockter, aber dat is ja schon Vorteuschung von falsche Tatsachen, wennse den Dockter dick auf ihren Kuwähr stehen haben.“ Die dürre Dockters-Gattin lachte so un wippte auf ihren Stuhl hin und her, dat ich fürn Moment Angst hatte, die bricht inne Mitte durch. „Lieber Herr Wittischek“, sachte se, „jeder Dockter is doch kein Arzt, mein Mann is Dockter rer pol.“ „Rer pol“, sachte ich, „wat is dat denn?“ „Nee“, sachte die Steigerswitfe, „dat hab ich aunonich gehört.“ Hat wat mit Polletick, Wirtschaft und Finanzen zu tun, soviel hab ich verstanden, als der Dockter dat erklärte. Datse dafür auch schon ‚n Dockter brauchen, is ja allehand. Da sieht man ma wieder, datti Polletick und Wirtschaft mehr am kränkeln sind, als se zugeben wollen, wennse schon eigene Dockters dafür haben. Bloss wennet um meine Bandscheibe geht, da sindse mit ihrn Latein am Ende. „Möcht noch einer ‚n Kaffe?“ „Packense doch dat Spiel aus, Herr Wittischek“, sachte die Steigerswitfe. „Ja, wennet allen recht is.“ „Nee, heute nich“, sachte der Dockter, „war doch erstmal zum Kennenlernen. Ich schlage vor, dat erste Mätsch machen wir bei uns.

Wat meinst Du, Ilse-Kindchen?“ „Ja, bin ich auch für“, sachte die Dockters-Gattin, „aber Sie sind ganz sümpatische Leute, Frau Kowalski und Herr Wittischek. Sagen wir am Dienstach bei uns?“ “Schade“, sachte die Kowalski, „hab mich schon auf ein Spiel gefreut.“ „Nix für ungut, Frau Kowalski“, sachte der Dockter, „aber wir wollten den ersten Tach nur für’t Kennenlernen. Danke auch für den Kaffe, Herr Wittischek.“ „Also dann bis zum ersten Mätsch am Dienstach. Aber auf eins muss ich bestehn, dat erste Mätsch spielen wir bei mir.“ „Akzeptiert, Herr Wittischek, also Dienstach bei Ihnen.“ „Nehmense die Frau Kowalski noch ‚n Stücksken mit? Sie fahrn doch fast anne Kollenie vorbei.“ „Türlich, gerne.“

„Dat is aber nett, Herr Dockter“, sachte die Steigerswitfe, „datse dat für mich machen. Und vielen Dank Herr Wittischek für den vorzüchlichen Kaffe.“

Pünktlich um kurz vor sieben fuhr der Dockter am Dienstach mit seiner Gattin an meinem Garten-Törken vor.

Sie brachten Frau Kowalski gleich mit. „Dat is nett von Ihnen, Herr Dockter, datse Frau Kowalski abgeholt haben und gleich mitbringen. Is ja für ‚ne alte Frau doch ‚n Stück zu laufen vom Bauverein.“ „Wat heisst hier alte Frau?“ sachti Kowalskische, „dat Stücksken renn ich noch alle Tage, wennet sein muss.“ „War nicht so gemeint, Frau Kowalski, nehmen Sie doch platz. Wat darf ich zu trinken anbieten?“ „Wennse Mineralwasser haben“, sachte die Frau Böse. „Ich hab auch einen guten Wein.“

„Nee, nee, ein Wasser ist mir lieber.“

„Und Sie, Frau Kowalski?“ „Gegen einen guten Wein hab ich nix auszusetzen.“ „Und der Herr Dockter? Vielleicht ein Bier? Oder ein Schnaps?

Oder auch lieber ein Wein?“ „Ein Bier und ein Schnaps hört sich nicht schlecht an“, sacht der Dockter.

„Hans-Werner, denk dran, dat Du fahren muss“, sachte die Dockters-Gattin. „Och Ilse-Kind, dat sollten wir von vornherein festhalten, wenn wir auswärts spielen fährs Du zurück, trinks ja sowieso Mineralwasser.“ Ich holte Flaschen und Gläser und legte dat neue Kaatenspiel von Frau Kowalski aufen Tisch.

„Hans-Werner, Du wolltes noch wat sagen“, sachte die Dockters-Gattin.

„Ja“, sachte der Dockter, „das ist nämlich so, meine Frau und ich können kein Doppelkopp. Wir haben deshalb gedacht, wir spielen lieber Kanaster.“ „Da wird doch der berühmte Hund inne Fanne farückt“, sarich für den Dockter, „hamse denn aufm Gümnasium un aufe Ackerdemie nich lesen gelernt? In meine Anonxe stand doch klar un deutlich Doppelkopp-Spieler gesucht, unnu kommense damit raus, datse gakein Doppelkopp können un Ihre Gattin aunich. Wat sagen Sie denn dazu, Frau Kowalski.“ „Ja, wat soll ich dazu sagen? Befremden tutet mich ja auch.“ „Befremden is noch gakein Ausdruck“, sarich, „un ich hab zich Leute abgesacht, die auf meine Anonxe geschrieben haben, datse einen ganz geflechten Doppelkopp spielen können.“ „Mit zwei Spitzen, ohne Fleischlosen und ohne Schweinchen“, sachte der Dockter.

„Sie fastehn ja doch wat von Doppelkopp“, sachti Kowalskische. „Nee, sacht der Dockter drauf, „die Ausdrücke kenn ich nur aus dem Brief von Herrn Wittischek. Sie werden sehen, Kanaster ist viel intresanter als Doppelkopp.“ Son ackerdemischen Kluchscheisser, als wenn ich kein Kanaster können könnte. Und intresanter, dat ich nich lache. „Kanaster soll intresanter sein als Doppelkopp? Merkt man, datse ein Polletick-Dockter sind, datse sowat behaupten können ohne rot zu werden.“ „Kann ich mir aunich vorstellen“, sachti Kowalskische, „dat Kanaster intresanter sein soll wie Doppelkopp.“ „Passense auf“, sachti Dockters-Gattin, „dat is ganz eimfach. Geder kricht fümfzehn Kaaten.“

„Elf“, sarich. „Nee, fümfzehn!“ sachti Spindeldürre, „wir spielen dat mit jeder kricht fümfzehn. Sach Du doch auma wat dazu, Hans-Werner.“ „Jaja, Ilsekind, wir spieln dat mit fümfzehn“, sacht der Dockter, „wir sind ja auch nur zu zweit. Zu viert gibtet für jeden elf, da hat unser lieber Herr Wittischek recht.“ „Komischet Spiel scheint dat zu sein“, sachti Steigerswitfe, „wosse egal wieviel Kaaten bei kriss. Überhaupt sind ja nur für jeden zwölf Kaaten da, wie willze da fümfzehn an jeden von austeilen?“ Diese Schanxe packte der Dockter gleich am berühmten Zopfe. „Als erstet wolln wir der Frau Kowalski dat Kanasterspiel ma erklärn. So alt sindse ja nich, Frau Kowalski, datse dat nich mehr lernen könnten.“ Watten raffenierten Hund, dieser Dockter doll, poll, oder wie war dat noch gleich.

„Wat is Ihr Gatte nomma fürn Dockter, Frau Böse?“ „Wie kommense denn gezz dadrauf, Herr Wittischek?“

„Dockter rer pol. Also passense auf, Frau Kowalski, dat is’n ganz eimfachet Spiel. Ilsekind, gib doch ma dat Kanasterspiel her.“ Ach so läuft also hier der berühmte Hase. Na, dat is ja ne ganz linke Tur von ein Dockter, der gakeiner is. Wer weiss, fleicht hatter sich den rer pol auch nur ausgedacht. Son Kuwähr is ja’n geduldiget Stück Papier un rer pol fasteht wieso kein Ahs. Sein spindeldürret Ilsekindchen hatte dat Spiel also gleich mitgebracht und gab et ihrem Gatten. Nee, wat is dat ne linke Tur.

„Also passense auf, Frau Kowalski.

Wollnse dat erste Spiel mit mir machen?“ „Nee, nee“, sarich, „spielen Sie ma erst mit ihre Gattin.“ „Ganz wiese wolln“, sachte der Dockter, „dann müssen wir die Plätze tauschen, weil die Mitspieler immer gegenüber sitzen.“ „Dat weiss ich selbst“, sarich. „Aber die Frau Kowalski nich. Also passense auf, Frau Kowalski. Ich gib gezz jedem ersma elf Kaaten.“ „Aber nich auf eimal, sondern immer schön einzeln“, sachte die Dockters-Gattin. „So“, sacht der Dockter, „gezz nimmt geder seine elf Kaaten und sortiert se sich inne Hand.“ „Und den Rest von dat Spiel lecht mein Mann fadeckt auf ein Packen aufen Tisch.“ „Also passense auf, Frau Kowalski, gezz erklär ich Ihnen dat Spiel. Sie sehn, dat ich eine Kaate aufgedeckt neben den Packen aufen Tisch gelecht hab.“

„Türlich seh ich dat“, sachti Steigerswitfe, „bin ja nich blind.“ „Gezz hab ich gegeben und Sie fangen an. Als erstet müssense kucken, obse ne rote Drei inne Hand haben, weil se die sofort aufen Tisch legen müssen bevor se wat andret machen. Und dafür gibtet ne Prämie von hundert Punkte.“ „Alle auf einmal?“ fracht die Steigerswitfe un lecht gleich drei rote Dreien aufen Tisch. „Nu kuck dich dat an“, sachti Dockters-Gattin, „haben Sie’n Glück. Dafür dürfense gezz drei neue von den fadeckten Packen nehmen.“ „Vier darfse nehmen“, sarich, „drei für die roten Dreien und eine zum Anfangen.“ „Passense auf, Frau Kowalski, Sie spielen gezz mit dem Herrn Wittischek zusammen und et geht bei dat Spiel darum, mit seinem Mitspieler Kanaster zu machen und auszumachen. Ein Kanaster sind sieben Kaaten von eine Sorte, wobeise die Joker, falls se ein haben, für gede andre Kaate einsetzen können. Und dann sind noch alle Zweien, dat sind die kleinen Jokers.

Nur dat die Zweien bloss zwanzich Augen zählen und die dicken Jokers zählen fümfzich. Hamse dat bis dahin fastanden, Frau Kowalski?“ „Jaja, Dockter, dat fasteh ich schon“, sachti Steigerswitfe. „Wennse können, Frau Kowalski“, sarich, „dann könnse gezz schoma wat auslegen. Am Anfang müssen alle fümfzich Augen.“ „Wat zählt denn dat As?“ „Fazeihung, Frau Kowalski, dat hab ich ja noch gaanich erklärt. Dat As zählt zwanzich, von Könich runter bis nache Acht zählense zehn und vonne Drei bis Sieben zählense fümf Punkte.“

„Und die schwazze Drei is eine Stoppkaate“, sachti Dockters-Gattin, „hamse dat auch fastanden?“ „Wie sollse dat fastehn?“ sarich, „da müssen wir ihr dat ja ersma mit dem Packen erklärn.“ „Passense auf“, sacht der Dockter. „Dat erklär ich ihr gezz“, sarich, um von vornerein kein psüchologischet Übergewicht für den Ackerdemicker aufkommen zu lassen. „Dat is so, Frau Kowalski, gedesmal, wennse dran sind, ziehnse eine Kaate von den fadeckten Packen.“ „Musse nich“, sachti Dockters-Gattin. „Nu lassense mich domma ausreden! Wennse färtich sind und allet ausgelecht haben watse wolln oder können, dann legense wieder eine Kaate auf den offenen Packen ab. Und dadurch, dattat geder macht, wächst natürlich der offne Packen.

So! Unnu könnse, wennse dran sind, statt eine von den fadeckten Packen zu ziehn, auch den ganzen offnen Packen nehmen. Müssense aber von die oberste Kaate, die ihr Vordermann, wie gezz der Dockter, abgelecht hat, zwei Kaaten von aufe Hand haben.“ „Ach so.“ „Ja“, sacht der Dockter, der gezz wieder ‚n bissken für sein psüchologischet Gleichgewicht tun will, „da liecht gezz ein Könich. Wennse gezz zwei Köniche inne Hand hätten, könntense den Packen nehmen.“ „Wattenn für Packen?“ frachti Steigerswitfe, „da liecht doch nur der eine Könich.“ „Dat sacht man so“, sachti Dockters-Gattin.

„Komischet Spiel“, sachti Kowalskische drauf, „wo man für eine einzige Kaate Packen sacht.“ „Eintlich wollten wir ja auch Doppelkopp spieln“, sarich, „ich glaub, die Frau Kowalski hattat schneller fastanden als wir glauben. Fangse ma an Frau Kowalski. Hamse schon ein zum Anfangen gezogen?“ fracht die Dockters-Gattin. „Türlich hatse dat“, sarich, „hat doch zwölf Kaaten inne Hand.“

„Wat Sie allet sehn, Herr Wittischek.

„Lech ich erstma die Asse mit den Joker aus“, sachti Kowalskische un lecht drei Asse mit ein dicken Joker aufen Tisch. „Könnse nonich wissen“, sacht der Dockter, „dat is falsch, watse da machen, Frau Kowalski, nehmse ma den Joker wieder zurück.“ „Wieso is dattenn falsch?“ fracht die Steigerswitfe. Bissken falsch waret ja schon, gleich von vornerein den dicken Joker zu fabraten.

Aber nu, wo ich selbst aunoch zwei Asse aufe Hand hab, waret goldrichtich. „Wat soll da falsch sein?“ sarich für den Dockter, „haltense sich ma aus meine Partnerin raus. Und den Joker lassense ma ruhich liegen, Frau Kowalski.“ „Nu kuck dich dat an, so ein Glück aber auch gleich im ersten Spiel“, sachti Dockters-Gattin, wie ich anne Reihe kam und die vierte rote Drei dazulechte, als wär dat dat Selbstfaständlichste vonne Welt.

„Dat sind achthundert Prämie“, sachte der Dockter. „So ein Glück aber auch“, wiederholte die Dockters-Gattin und ihr fielen bald die Augen ausse dicken Brillengläser, als ich aunoch meine zwei Asse und ein Joker anlechte. „Wat heisst hier Glück“, sarich, „dat is puret Können.

Sehnse, Frau Kowalski, dat is gezz ein Kanaster. Und wer ein Kanaster hat, der darf ausmachen“, gab ich se noch den heimlichen Tip. „Wenner kann“ sachti Dockters-Gattin. Und wie die Kowalskische wieder anne Reihe is, fracht se tatsächlich: „Soll ich denn gezz ausmachen?“ „Mitti Faust voll Kaaten?“ sacht der Dockter, „so eimfach wird dat nich sein, Frau Kowalski, da müssense nämlich die Hand voll Passer für haben, bevor datse ausmachen können.“ „Türlich“, sarich, „türlich, Frau Kowalski, machense aus. Die haben ja nonimma ausgelecht. Dat gibt allet Miese für die und wir achthundert für die roten Dreien, dreihundert für den Kanaster, hundert für Ausmachen und dannoch wat an Augen aufem Tisch liecht. Dat sind mehr als tausend Punkte, nix wie ausmachen, Frau Kowalski.“ „Wieso tausend?“ sachti Steigerswitfe, „wenn ich dat richtich fastanden hab, sind dat schon tausendfümfhundert Prämie“ und lecht noch vier Damen mit drei Jokers aufen Tisch. „Noch ein ganzen Kanaster, Mann, hab ich ein guten Paatner“, sarich und fang schon an zu rechnen. „Kuck dich dat an“, sachti Dockters-Gattin. „Fadammte Scheisse!“ sacht der Dockter und knallt seine Kaaten aufen Tisch, als wenner ein damit erschlagen will.

„Wat habt ihr für ein Glück. Kumma, Ilsekindchen, ich sitz hier mit drei dicke und drei kleine Jokers inne Hand.“

Penk! Da knallte auch dat Ilsekindchen ihre Kaaten aufen Tisch. „Du Idiot! Wieso lechse nich aus?“

„Schrei mich nich so an, wieso lechs Du denn nich aus? Fleicht hättich mitti vielen Jokers gleich ausmachen können.“ „Hasse ja gezz gesehn, wer ausmacht. Dat is mit dir immer datselbe. Immer auf den Paatner falassen und selbst die Flossen voll haben. Da kann ich ja dreckt alleine spielen, als mit son Paatner.“ „Ilse-kindchen“, sachte der Dockter besänftigend, „kuckma aussen Fenster, wenne kein Kopp has. Soll ich fleicht mitte Fischblase auslegen?“ „Wat, kannze keine fümfzich?“ „Nee. Kannze ja kucken, wat ich kann. Aber Du, Du sitzt da mitte Hand voll un nimmsse mit im Graab.“ „Die haben aber auch’n Glück. So, Frau Kowalski, gezz sind Sie am Fateilen dran. Hoffenlich refanschieren se sich für dat gute Blatt.“ Kannze sehn, dat ganze Fornehmgetue von die Ackerdemicker. Kaum faliernse ma’n Spiel, da klatschen se die Kaaten inne Gegend un fagessen ihre Fremdwörter, datse nur noch fadammte Scheisse einfällt, wie ein Normalsterblichen auch. „Sie geben, Frau Kowalski, aber vergessen wir das Trinken nicht. Zum Wohle, Frau Böse, zum Wohle, Frau Kowalski, zum Wohle Herr Dockter.“

Dat Spiel lief so weiter wie et begonnen hatte. Am Ende hatten die Kowalskische und ich drei Pattien gewonnen.

Der Dockter tröstete sich mit Bier und der Schnapsflasche und hätte auch zu Fuß nicht mehr nach Hause gefunden. Zum Glück hatte seine Gattin nur Mineralwasser getrunken. Als ihr Gatte vor der Garderobe beinahe umkippte, wusste man nicht, ob sie sich über ihren betrunkenen Dockter oder die verlorenen Spiele mehr geärgert hat. War zu hoffen, dass er nicht noch auf seine dürre Gattin fiel, weil da doch immer Einsturzgefahr bestand. „Kommen Sie, Frau Kowalski, ich fahre Sie noch eben zum Bauverein. Vielleicht helfen Sie mir, meinen Mann ins Auto zu kriegen“, sachte die Frau Böse. „Nimm das sofort zurück“, sachte der Dockter, „sonst fahr ich.“ „Schon gut, Hans-Werner, und vielen Dank für den schönen Abend, Herr Wittischek.

Dienstach also bei uns?“ „Dienstach bei Ihnen, kommen Sie gut nach Hause. Es war wirklich ein schöner Abend.“ „Auch ohne Doppelkopp?“

„Auch ohne Doppelkopp.“

Ährlich, ich hab mich richtich auf den nächsten Dienstach gefreut. Sind doch eigentlich ganz nette Leute, der Dockter, seine Gattin und die Frau Kowalski. Dienstach morgen hab ich meinen Käfer gewienert. Um halb sieben holte ich Frau Kowalski im Bauverein inne Kollenie ab. Sie wartete schon vor dem Haus auf mich.

„Ja, so ein vornehmet Auto wie der Dockter hab ich nicht, Frau Kowalski, aber steigense mal ein, er bringt uns heil hin und wieder zurück.“ „Is doch ein schönet Auto“, sachtese, „Hauptsache, er fährt.“ „Kuckense sich dat an, Frau Kowalski, die Gelsenberg hat wieder ihren Auspufftach. Heute Morgen hab ich ihn gewienert und schon wieder alles voll weißer Flecken drauf. Und wat sagen Sie zu unserem ersten Spieltach?“ „Nee, hättich nich gedacht, dat Kanaster so ein aufregendet Spiel is“, sachti Steigerswitfe, „ich hab noch im Traum die Jokers gesehn.“ „Meinense die, diese aufem Tisch liegen hatten, oder die, die der Dockter noch inne Hand festgehalten hat?“ sarich so im Spass. „So genau weiss ich dat aunich“, sachtse, „jedenfalls waren et lauter dicke Jokers, die über meine Bettdecke gerannt sind.“ „Wir beide ham uns am Dienstach mitti Kaaten ja auch ganz schön ergänzt“, sarich drauf, „ich könnt wetten, dat der Dockter mit seine Gattin noch gestritten hat, wiese alleine warn. Naja, war ja auch ne Blamage für ihn, wo er Sie doch allet paarmal erklärn wollte und dann gleich drei Pattien nachenander faliern, is ja auch nich dat Gelbe vom Ei. Nä, wat wa dä Böse böse.“ „Und ihm seine Olle ersma“, sachti Kowalskische, „habense gesehn, Herr Wittischek, wat die für ein Gesicht gemacht hat? Konntense ein tollwütigen Fux dat Fürchten mit lehren.“

„Zum Schluss war doch alles wieder ganz friedlich.“ „Er schlief ja auch im Auto auf der Rückfahrt schon ein.“

„Moment ma, Frau Kowalski, hier musset sein. Kuckense mal, wat der Dockter für ein geflechten Vorgarten hat.“ „Wirter womöchlich ein eigenen Gärtner für haben. Oder glaubense, datter sein Garten selbst in Ordnung hält?“ „Woher soll ich dat wissen?

Fleicht lässter seine Gattin den Rasen mähn. Sehnse ma, sogar aufet Schellenschild hatter sein Dockter stehn. Müssense auch auf Ihren Mülleimer Steigerswitfe draufschreiben, Frau Kowalski, dat geder sieht, datse ne Steigerswitfe sind.“ „Kannich auch schön bleim lassen. Kuckense ma die schwere Tür und die schmiedeeisernen Gitter vorde Fenster, Herr Wittischek.“ „Nu fallense vor Ährfurcht mal nich gleich in Ohnmacht, Frau Kowalski. Wer weiss, wieviel Hüppotheken da auf jeden Ziegelstein lasten. Is nich allet Gold wat glänzt, dat sehnse an meine Hose.“ „Wat soll ich an Ihre Hose sehn?“ „Datse glänzt un donnich aus Gold is“, sarich. „Nu drückense doch endlich auf dat Knöppken vonne Schelle un erzählense mir nix von Ihre Hose.“ Die Dockters-Gattin öffnete uns die Tür. „Herzlich willkomm in unser Kaassel“, sachtese und umarmte uns wie dat die Russen im Fernsehen machen. „Wat hamse fürne schöne Diele“, sachte die Kowalskische, „und die schönen Kristalllämpkes. Kuckense ma, Herr Wittischek.“ Und inne gute Stube ging dat weiter. „Och, wat hamse schöne Möbel, Frau Böse, sowat richtich Antieket, dat sieht man ja aufen ersten Blick. Nich wahr, Herr Wittischek.

„Türlich“, sarich und überlechte, ob dazu dat Wort Rennesanx passen könnte, wenn ich dat falauten lassen würde. Fleicht isset völlich falsch getippt. Fleicht weiss dat die Olle vom Dockter selbst nich so genau.

Aber wennze für gebildet gehalten werden willz, musse mit dat Selbstfaständlichste inne Stimme auch den Mut für dat Risiko haben dachtich, un da war et Rennesanx schon über meine Lippen. „Willkommen in unser Kaassel“, sachte auch der Dockter, der durch eine Nebentür kam und machte auch erstma den russischen Knutscher mitti Kowalski und dann mit mir. „Unsre Freunde ham unsre schönen Möbel bewundert“, sachte die Dockters-Gattin für ihrn Gatten, „un stell Dir vor, Herr Wittischek wusste soffort, dattet Möbel ausse Rennesanx sind.“ „Alle Achtung, Herr Wittischek, wusste gaanich, datse so ein Kunstkenner sind.“ Kannze sehn, mit den nötigen Mut hasse auch den Erfolch im Leem. Dabei war dat eintlich gaanich schwer drauf zu kommen. Gelsenkirchner Barock war et nich, bleibt ja eintlich nur Rennesanx übrich. Kommt immer auf die richtige Mettode an, musse nur fragen: Wat isset nich und wat bleibt übrich.

Wenne dat kapiert has, kannze auch mit geden Ackerdemicker mithalten.

„Setzense sich doch“, sachte die Dockters-Gattin, „wat haltense von ein Apperitief? Fleicht ein echten russischen Wottka?“ Wenn der falsche Dockter ma nix mitte Russen zu tun hat, dachtich. Erst den Gorbatschoff-Kuss und gezz aunoch ein russischen Wottka. Is schon bissken fadächtich sowat. Würd mich nich wundern, wenn dat pol hinter sein Dockter wat mitte Polen oder so zu tun hat und er son fakappten kommenistischen Spion is. Sindse fleicht gaanich von hier, sondern aussen Ostblock und seine Gattin is so dünn, weilse da nich genuch zu spachteln kriegen, und dat man von schlechte Ernährung auch schlechte Augen kricht wie die Dockters-Gattin, dat weiss ja auch geder und is kein Geheimnis. Ich glaub, ich bin da auf eine ganz heisse Spur. Wat dat rer hinter den Dockter un vor dem Polen heisst, möchte ich nu auch zu gerne noch wissen, is bestimmt wat Russischet.

„Spieln wir beide heute mal zusammen, Herr Dockter?“ frachte die Steigerswitfe. „Nix da“, sachte die Dockters-Gattin, „mein Mann und ich wolln eine Rewansche. Son Glück wie letztemal kann ein Mensch nur einmal haben.“ „Wennse meinen“, sachti Kowalskische, „wernwer ja sehn.

Nehmse nochma mit mir Vorlieb, Herr Wittischek?“ „Na klar, Frau Kowalski, haben doch ganz gut gespielt letztemal.“ „Wat gibtet da gut zu spielen?“ sachti Dockters-Gattin, „mitti Faust voll Jokers is dat ja wohl kein Kunzstück.“ „Dat sagense ma nich, Frau Böse“, sarich drauf, „man muss auch mit umgehn können mitti Jokers, sonz nützense eim gaanix.

Nee, nee, Frau Kowalski, alles wat recht is, daffür, dattet dat erstemal war, hamse gespielt wie ein Weltmeister.“ „Jaja, mitti Hand voll Jokers und rote Dreien“, sachti Gattin von den polnischen Dockter, „da konnte unser Omma auch mit gewinnen.“

„Dat is aber gezz unfähr gegen die Frau Kowalski“, sarich, „überlegense ma Frau Böse, wie oft se Jokers noch inne Hand hatten und abgezogen gekricht, weilse se nich rechtzeitich ausgelecht haben.“

„Da fawexelnse mich wohl mit mein Mann, Herr Wittischek!“ sachtese schon richtich bissken giftich. „Fänxe wieder damit an!?“ sacht der Dockter, „hasse nix andret mehr im Kopp, als Tach un Nacht davon zu reden, dattich ein einziget Mal meine Jokers nich ausgelecht hab?“ Nee, wat is dat peinlich, wennze dabeisitzt, wie zwei gebildete Leute wegen ein Kaatenspiel so streiten, dattat für geden Scheidunxanwalt ein Leckerbissen wär. „Hamse seit Dienstach abgenommen, Frau Kowalski?“ „Wie kommse denn gezz auf sowat?“ „Sie sehn in dat blaue Kleid so schlank aus“, sarich, um von den Ehekrach abzulenken. „Ährlich, Frau Kowalski, richtich schlank sehen se aus in dat Kleid. Bei Schimanski Stahl und Eisen, wo ich gearbeitet hab, da war fleicht ne dicke Olle, konnten Sie sich glatt hinter fastecken. Wissense, wie wir se genannt haben? Frikadelle haben wir se genannt.“ „Könnse nich’n andermal vonne Frikadelle erzähln, Herr Wittischek?“ sachti Dockters-Gattin, „wir wollen doch Kaatenspieln. Gibst du als erster, Hans-Werner?“ „Türlich, Ilsekindchen. Musse Dich aber nich wieder so aufregen, is doch nur’n Spiel.“

„Weissich doch, Hans-Werner. Gib ma gute, un wennet geht, paar Joker dabei. – Dat nennze Joker?“ „Hasse doch grad ma eine Kaate inne Hand un stönz schon wieder.“ „Vonwegen eine Kaate! Gezz hab ich schon fümf Kaaten und allet Flusen.“ „Wattenn, Frau Böse“, sachti Kowalski, „wollense fleicht mit fümf Kaaten ‚n ganzen Kanaster inne Hand ham?“ „Da, wieder nix“, sachti Dockters-Gattin bei gede Kaate, diese vom Tisch aufnimmt, „du kannz fleicht Kaaten geben. Da brauchse Dich nich zu wundern, wenn wir wieder verliern.“ „Ich hab aunix, Frau Böse. Is gut verteilt.

Fleicht hat ja Ihr Gatte sich selbst die guten gegeben, soll ja vorkommen sowat. Wat hamse da umgedreht, Herr Dockter, ein Könich un gleich mitti erste Kaate eingefrorn?“ „Denkense an die roten Dreien, Frau Kowalski“, sarich. Und schon lechtse zwei rote Dreien aufen Tisch. „So geht dat aber nich, Herr Wittischek“, sachti Böse, „seit wann spielnwer mit Vorsagen?“ „Wieso vorsagen?“ sachti Kowalskische, „meinense, ich bin so bekloppt und fagess die roten Dreien aufen Tisch zu legen?“ „Ich denk, Sie ham schlechte Kaaten.

Wieso stöhnense so, wennse zwei rote Dreien aufe Hand haben?“ „Dat is aber auch alles, wat ich hab“, sachti Kowalskische, „ma sehn, ob ich mich selbst wat Gutet zieh. Ein Ersatz. Noch ein Ersatz.“ „Unnoch eine zum Anfangen dürfense ziehn“, sacht der Dockter. „Halt doch Deine Klappe“, sacht seine Gattin, musse auch noch Gechner wat vorsagen?“

„Hör ich gaanich drauf“, sachti Kowalskische, „wat liecht da Feinet?

Die muss ich doch nehmen.“

„Watt??“ sachti Böse, „Sie können fümfzich auslegen un sofort den eingefrornen Packen nehmen? Wat sachse dazu, Hans-Werner. Und stöhnt, als wennse kein Paar inne Hand hat.“ „Wat regense sich eintlich so auf?“ sachti Kowalskische, „für die zwei Kaaten im Packen.“ „Über dat Stöhnen rech ich mich auf. Wennse schon unbedingt stöhnen müssen, dann müssense auch wenichstens so schlechte Kaaten haben wie ich und nicht die Faust voll rote Dreien un Joker und dann so stöhnen.“ „Ich hab zwei gute reingezogen für die roten Dreien. Kann ja mal passiern, Frau Böse, datt’n blindet Huhn auma ‚n Korn findet.“ „Redense donnich son Quatsch!“ keifte die Dockters-Gattin los, „da fageht eim ja von Anfang an die Lust am Spielen.“ „Kömmwer ja aufhörn, wennse nich faliern können.“ „Fon Faliern kann ja überhaupt keine Rede sein.“ „Ich kann Euch ja wat vonne Frikadelle von Schimanski Stahl und Eisen erzählen“, sarich, „dat sich die Gemüter wieder beruhigen.“ „Nee, nee, Herr Wittischek“,

sacht der Dockter, „gezz lassense uns ma ganz ruhich un frietlich spielen. Also, Frau Kowalski, Sie nehmen den Packen, hamse gesacht?“

„Wenn Ihre Gattin nix dagegen hat“, sachti Kowalskische, „fümfzich, sechzich, siebzich, achtzich und den Könich von oben. Nehmse mal rüber, Herr Wittischek.“ „Kuck dich dat an, weiss nich wohin mitti guten Kaaten und is am stöhnen“, sachti Dockters-Gattin. „Fümfzich hätten schon genücht, Frau Kowalski“, sarich. „Aber donnich mit so schlechte Kaaten, Herr Wittichek“, sachti Dockters-Gattin ironisch, „mit so schlechte Kaaten kann die Frau Kowalski donnich nur fümfzich. Wo denkense hin, Herr Wittischek. Wennse noch’n bissken mehr stöhnt, kannse sogar hundertzwanzich damit.“ „Gezz is aber gut, Ilse. Musse auma Ruhe geben können. Du bis dran.“ „Eine rote Drei hab ich auch“, sachti Dockters-Gattin und zieht sich zwei neue.

„Eine für die Drei und eine zum Anfangen. Hälzet nich für möchlich, Hans-Werner, is für uns aunoch’n Joker im Packen. Gezz kannich auch fümfzich, aber wie. Ausgerechnet mitti Köniche. Kanaster könnwer schon wieder fagessen.“ „Legense heute aunoch eine ab, Frau Böse?“ sarich. „Da hamse ne Sieben. Hamse wahrscheinlich wieder vier Stück von inne Hand.“ „Diesmal leider nur drei“, sarich, „aber nehmen muss ich ihn.

Fleicht hat ja Frau Kowalski aunoch ne Sieben.“ „Sie können ein richtich leid tun“, sachtse, „datse immer den Packen nehmen müssen.“ „Wat lechse auch die Sieben, wenne weiss, datter die inne Hand hat?“ sacht der Dockter. „Woher soll ich dat denn wissen? Wenn ich ne Fümf hinlech, hatter davon vier Stück inne Hand. Wiesset machs, is doch fakehrt.“ „Kuckense ma, Frau Kowalski, wie gut sie ausgelecht haben“, sarich un lech meine zwei Köniche an. „Komms nich gegen an“, sacht der Dockter, „die bescheissen sich vor Glück. Legense endlich eine ab, Herr Wittischek!“ „Lanxam, Dockter. Erst mach ich mal die Köniche voll und dann hab ich für Sie ne schwazze Drei.“ „Die gönnen eim aber auch gaanix. Ich fasuchet ma mit ‚ne neue Faabe. Hier Ilsekindchen, ersma drei Achten und dann lech ich aunoch meine Asse mitten Joker aus. So Frau Kowalski, für Sie hab ich auch ne schwazze Drei."

"War gaanich nötich. Ich hab wieso nur noch Graupen inne Hand. Ziehn tut man aunix.“ „Hamse keine Sieben zum anlegen?“ sarich. „Sagense donnich immer vor, Herr Wittischek“, sachti Böse, „ich sach mein Mann doch aunich, watter machen soll.“

„Nee“, sachti Kowalskische, „ne Sieben zum anlegen hab ich nich. Hier Frau Böse, fleicht könnse den Buben brauchen.“ „Hasse kein Joker zum Einfriern?“ fracht der Dockter. „Wieso