Schnuff...und seine Freunde Tocko und Zappe - Heinz-E. Klockhaus - E-Book

Schnuff...und seine Freunde Tocko und Zappe E-Book

Heinz-E. Klockhaus

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Beschreibung

Schnuff...und seine Freunde Tocko und Zappe ist ein Kinderbuch, das man vorlesen mag und ebenso gerne selbst liest. Das Buch erzählt auf lustige und unterhaltsame Weise die etwas biografisch angehauchte Geschichte einer Familie, die aus dem Ruhrgebiet ins Oberbergische zieht. Hauptfigur ist Sohn "Schnuff", der auf der Suche nach neuen Freunden die Jugendstreiche seiner Vaters nachzuspielen versucht, die ihm dieser als Gutenachtgeschichten erzählt. Sehr lesenswerte Kindergeschichten!

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Seitenzahl: 170

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Ob ich wirklich Schnuff heiße?

Natürlich heiße ich Schnuff! Wenn mich meine Freunde so nennen, dann heiße ich doch auch so. Und ich bin stolz darauf, dass man mich so nennt. Tocko ist jetzt mein bester Freund. Und Zappe, na ja, das erfahrt Ihr in diesem Buch noch früh genug.

Mein Daddy war auch schon Schnuff, und wenn er davon und von seinen Freunden und den Streichen, die sie gespielt haben, erzählt, bekommt er richtig strahlende Augen. Als Kind möchte man erwachsen sein. Aber ich glaube, wenn man dann erwachsen ist, möchte man gerne auch immer noch ein bisschen Kind geblieben sein! Ich wünsche mir so sehr, dass Euch meine Erinnerungen und Geschichten ein bisschen Freude machen, auch wenn Ihr schon groß seid. Ich glaube sowieso, das Größte auf der Welt sind die Kinder. Und darum sind wirklich glückliche Menschen in ihren Herzen auch immer ein bisschen Kind geblieben.

Inhaltsverzeichnis

Abschiedsstimmung

Der Umzug

Der erste Tag in Hückeswagen

Unser Hund

Daddy erzählt die erste Gute-Nacht-Geschichte

Die Geschichte mit dem Wasserloch

Die Geschichte mit dem Frosch

Ein guter Fang

Die Reitkünste von Tante Hilde

Picknick

Rex ist weg

Der alte Herr Felbeck

Tina´s Geburtstag

Das neue Aquarium

Das Wetterhäuschen

Der letzte Ferientag

Abschiedsstimmung

Seit Tagen liefen alle herum wie aufgescheuchte Hühner, Mami, Papi, Biggi und Tina. Papi war noch der Ruhigste von ihnen. Kein Wunder; denn ihm hatten wir das ja alles zu verdanken. Außerdem war er nie zu Hause. Für Mami schien es nichts Wichtigeres auf der Welt zu geben, als alle unsere Sachen in unzählige braune Kartons zu packen. Wir ziehen um! Seit vierzehn Tagen stand es endgültig fest: Wir ziehen nach Hückeswagen. Soweit ich mich zurückerinnern konnte, hatten wir hier in der Ringstraße gewohnt. Es war ein altes, graues Haus im Zentrum von Gelsenkirchen, nicht weit weg vom neuen Theater und vom Marienhospital, in dem Tina und ich geboren sind. Biggi, sie wird im Dezember schon sechzehn und heißt eigentlich Birgit, hat vorher schon mit Mami und Papi in Bottrop gewohnt, als Tina und ich noch gar nicht auf der Welt waren. Meine liebste Stadt war Gelsenkirchen, und ich wollte hier gar nicht wegziehen.

Ich glaube, Mami wollte es auch nicht, und Tina war noch zu klein, um eine richtige Meinung zu haben.

Mami sagte, dass sie sich auf Hückeswagen freut. Sie ist ein Diplomat, so nennt man das, wenn einer etwas sagt, was er gar nicht will. Mami tat das alles nur wegen Papi, der seine Arbeitsstelle gekündigt hatte und sich ausgerechnet in der Nähe von Hückeswagen eine neue Arbeit gesucht hatte. Mami hatte Biggi, Tina und mir erklärt, dass wir uns darüber freuen sollen, weil Papi bei seiner alten Arbeit viel zu viel Ärger und nie Zeit für uns hatte. Es stimmt, dass er nie Zeit hatte, aber freuen konnte ich mich darüber trotzdem nicht. Jetzt war ich gerade im ersten Jahr auf dem Gymnasium und… na ja, zur Versetzung hätte es gereicht. Papi hatte vorgeschlagen, dass ich das Schuljahr wiederhole.

„Besser konnten wir es nicht abpassen,“ hatte er gesagt, „als dass er das erste Jahr an einer neuen Schule wiederholt.“ Irgendwie hatte Papi recht. Wenn ich im nächsten oder übernächsten Jahr sitzen geblieben wäre, wäre das bestimmt schlimmer, als das erste Jahr auf dem Gymnasium noch einmal zu machen. In Mathe hatte ich zuletzt eine Fünf geschrieben, und in Deutsch stand ich auch nicht gerade gut. Aber dafür brauchten wir nicht gleich nach Hückeswagen zu ziehen, in dieses armselige Kaff.

„Hückeswagen ist schöner als Remscheid,“ hatte Papi gesagt. Das ist typisch! Als wenn man sagen würde: „Junge, iss deinen Spinat, der schmeckt besser als Pferdemist.“ Ich vergleiche aber den Spinat mit Fischstäbchen oder Pommes und Hückeswagen mit Gelsenkirchen.

Zugegeben, Spinat kannte ich schon, Hückeswagen aber noch nicht.

Papi hatte uns eingeladen, unsere neue Wohnung zu besichtigen. Mami hatte sie vorher auch noch nicht gesehen und war sehr nervös, als wir losfuhren. Es regnete. Wie konnte es auch anders sein? An so einem Tag musste es ja regnen.

Papi war ausnahmsweise schon zum Mittagessen nach Hause gekommen.

Mit Biggi gab es noch Streit, weil sie gesagt hatte, Papi sei ein Egoist, weil wir alle seinetwegen von Gelsenkirchen wegziehen mussten.

Sie wollte gar nicht mitfahren. „Mich interessiert eure neue Wohnung nicht,“ sagte sie. Um drei Uhr nachmittags waren wir startbereit.

Weil wir bei unserem neuen Hauswirt einen guten Eindruck machen sollten, musste ich meine Liebslings-Jeans mit den Fransen, auf denen ein paar Schulfreunde ihre Namen geschrieben hatten, ausziehen und dafür die blaue Stoffhose anziehen.

Eltern haben einen komischen Geschmack. Tina wurde auch besonders schick gemacht und bekam eine Spange ins Haar. Papi holte unser Auto von der Tankstelle ab. Er hatte es zum Waschen dorthin gebracht, damit auch das Auto auf den neuen Hauswirt einen guten Eindruck macht. Ein bisschen neugierig war ich schon auf dieses Hückeswagen, von dem ich vorher noch nie gehört hatte. Tina interessierten hauptsächlich die beiden Mädchen des Hauswirtes, von denen Papi erzählt hatte. Sie stellte lauter Fragen, die Papi nicht beantworten konnte. „Wie heißen denn die Mädchen? Wie alt sind sie denn?“ Papi schlug vor, dass Tina die Mädchen später selbst danach fragen sollte. Wir fuhren am Parkstadion vorbei, und ich dachte mit Wehmut daran, dass ich so schnell kein Spiel mehr vom FC Schalke 04 zu sehen bekommen werde. Meinen Wunsch, später einmal selbst in Schalke zu spielen, werde ich wohl auch für immer vergessen müssen. Hinter dem Parkstadion fuhr Papi auf die Autobahn. Im Vorbeifahren sahen wir noch einmal die großen Lampen der Flutlichtanlage. Biggi machte immer noch ein brummiges Gesicht und sah aus dem Fenster. „Machen wir das Suchspiel?“ fragte ich Tina. „Erster!“ sagte Tina, „wir suchen einen Mann auf einem Fahrrad.“

Da musste selbst Biggi lachen und vergaß für einen Moment, dass sie brummig sein wollte. „Auf der Autobahn gibt es keine Fahrräder,“ sagte ich. „Dann suchen wir ein Auto mit einem offenen Verdeck,“ sagte Tina und grinste. Es regnete immer noch. „Such mal im Regen ein Auto mit offenem Verdeck,“ sagte ich deshalb. „Dann suchen wir eben einfach ein rotes Auto, - außer unseres.“ „Unserem“ berichtigte Mami, „außer unserem Auto.“

„Wie lange fahren wir noch, Papi?“

„Zwanzig Minuten.“ An beiden Seiten der Autobahn war Wald. Auf dem Ausfahrtschild, an dem wir gerade vorbeigefahren waren, stand Wuppertal. „Hier gibt es die weltbekannte Schwebebahn,“ sagte Papi. „Fahren wir da mal hin?“ fragte Tina. Papi versprach es.

„Irgendwann fahren wir da mal hin.

Und dann fahren wir auch mit der Schwebebahn. Vielleicht mit dem Kaiserwagen.“ Es dauerte nicht mehr lange, da fuhren wir von der Autobahn runter. Remscheid stand auf dem Abfahrtschild, und Mami sagte: „Hier in Remscheid wird Papi demnächst arbeiten.“ „Warum können wir denn nicht in Gelsenkirchen wohnen bleiben, und du fährst immer hier hin?“ fragte Tina. „Das habe ich dir doch zu Hause erklärt,“ sagte Biggi, „weil er ein Egoist ist.“ „Weil das viel zu weit ist,“ sagte Mami. „Aber wir sind doch jetzt auch hierhin gefahren, und es war nicht zu weit,“ sagte Tina. Erst jetzt merkte ich, dass die Scheibenwischer an unserem Auto nicht mehr liefen. „Es regnet nicht mehr,“ sagte ich, und Papi meinte, dass es hier gar nicht geregnet hätte, weil die Straße ganz trocken war.

Wir fuhren auf einer breiten Straße bis zur ersten Ampel. Dann bogen wir einmal rechts und einmal links ab und waren auf einer schmalen Straße, die man wohl Chaussee nennt. An beiden Straßenseiten standen Bäume. Einen Bürgersteig gab es nicht. Hinter den Bäumen waren Felder und bunte Wiesen.

Noch weiter dahinter waren auf der einen Seite ein paar Bauernhöfe und auf der anderen Straßenseite ein großer Nadelwald zu sehen. Wir fuhren durch eine kleine Ortschaft, die Dörpmühle hieß. Hier gab es Pferdekoppeln, und auf mehreren Wiesen standen schwarz-weiße Kühe, die blöde zu uns herüberglotzten. Plötzlich bremste Papi so scharf, dass Tina fast vom Sitz geflogen wäre. Direkt hinter einer Kurve kam uns auf der Straße eine große Schafherde entgegen und versperrte die ganze Fahrbahn.

Blökend zogen die Schafe links und rechts an unserem Auto vorbei. Zwei Hunde passten auf, dass sich keins der Schafe selbstständig machte und von der Herde entfernte. Wir hatten die Scheiben an unserem Auto heruntergedreht und konnten ein paar Schafe im Vorbeigehen streicheln. Ganz zum Schluss kam der Schäfer. Er stützte sich auf einen dicken Stock und trug einen viel zu großen schwarzen Mantel und einen riesigen Hut. Jetzt konnten wir unsere Fahrt fortsetzen. Es war nicht mehr weit. Papi fuhr durch ein geöffnetes schmiedeeisernes Tor auf ein großes Grundstück. Auch ohne dass man es mir gesagt hätte, hätte ich gewusst, dass es sich bei diesem großen fast quadratischen gelben Haus mit den weißen Verzierungen um eine Villa handelte. Auf der kleinen Veranda vor der Haustür lag majestätisch ein großer Löwe aus Stein. Tina lachte über das kleine nackte Männchen aus Stein, das wohl zu einem Springbrunnen gehörte, und Mami ermahnte sie zur Ruhe. Auf dem großen Messingschild stand Dr. Wolfgang Tigges. Papi drückte auf den Klingelknopf, und wir hörten bis draußen zuerst den Gong und dann das Bellen eines Hundes. Es dauerte einige Zeit, bis sich Schritte näherten und die Tür geöffnet wurde. Im Türrahmen stand ein großer, breitschultriger Mann, der mich sofort an Rübezahl erinnerte, von dem ich kürzlich gelesen hatte. Dr. Tigges hatte dichtes, schwarzes Haar. Sein ganzes Gesicht war von einem üppigen schwarzen Rauschebart umgeben. Er hatte eine rote Knollennase, und seine Augen schienen für dieses große Gesicht viel zu klein geraten zu sein. Er blinzelte uns freundlich zu, begrüßte jeden von uns und bat uns dann herein. Der Hund blaffte noch einmal. Es war ein wunderschönes Tier. „Troll, ab!“ sagte Dr. Tigges, und der Irish Setter rollte sich gehorsam in einem Hundekorb zusammen. Dr. Tigges führte uns in ein großes Zimmer, das eigentlich aus zwei ehemaligen Zimmern bestand. „Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten?“ fragte er, und Tina sagte: „Ja, bitte!“ Mami bekam einen roten Kopf und entschuldigte sich für ihre vorlaute Tochter. Dr. Tigges lachte und blinzelte wieder mit seinen kleinen gutmütigen Augen. Er legte Tina eine Hand auf die Schulter, beugte sich zu ihr herunter und sagte: „Möchtest du ein Glas Limonade?“ Tina sah zu Mami herüber. „Deine Mami bekommt auch etwas zu trinken,“ sagte Dr. Tigges.

Ich hatte inzwischen das gewaltige Zimmer mit dem Kamin und der hohen bunten Stuckdecke in Augenschein genommen.

„Setzen sie sich doch bitte,“ sagte Dr. Tigges erst jetzt und stellte Flaschen und Gläser auf den Tisch.

Nachdem sich Mami und Papi eine Zeitlang mit Dr. Tigges unterhalten hatten und unsere Gläser leer waren, gingen wir endlich die neue Wohnung besichtigen. Sie war eine Treppe höher, gleich über der Wohnung von Dr. Tigges. Ich half Papi dabei, mit einem Zollstock die Zimmer auszumessen, und Papi schrieb alle Maße auf ein Blatt Papier. Von einem Fenster aus blickte man auf das Schloss und die Kirche von Hückeswagen und auf Wiesen, Felder und Wälder. Als wir fertig waren und uns von Dr. Tigges verabschieden wollten, waren auch Frau Tigges und die beiden Mädchen Jane und Katja zu Hause.

Biggi und Tina gingen mit den Mädchen in deren Kinderzimmer. Die Erwachsenen unterhielten sich über die Schulen in Hückeswagen. Da Frau Tigges selbst Lehrerin an einer Grundschule war, kannte sie sich in solchen Dingen sehr gut aus. Es war schon sechs Uhr, als wir uns verabschiedeten. Die Mädchen hatten sich schon etwas angefreundet. Als wir vom Hof fuhren, winkten Katja und Jane hinter uns her.

An den folgenden Tagen drehte sich bei uns alles um den bevorstehenden Umzug. Papi hatte die neue Wohnung auf einen Karton aufgezeichnet und alle unsere Möbel maßstabgetreu aus Pappe ausgeschnitten. Die ausgeschnittenen Möbel wurden auf dem Karton immer wieder hin- und hergeschoben, und es gab viele Diskussionen darüber, an welcher Stelle unsere Möbel in der neuen Wohnung am besten stehen würden.

Die Wohnung war so groß, dass Biggi, Tina und ich endlich jeder ein eigenes Zimmer haben konnte. Mit der Verteilung der Räume wurden wir uns ziemlich schnell und ohne Streit einig. In der letzten Woche vor dem Umzug hatte jeder von uns genug zu tun. Papi hatte sich bereits bei seiner bisherigen Arbeitsstelle verabschiedet. Tina hatte schon mindestens sechs Mal ihre ganzen Sachen eingepackt und wieder ausgepackt. Jetzt wussten es auch alle Freunde und Bekannten, dass wir von Gelsenkirchen wegziehen.

Meine größte Sorge war, dass ich Heiko sehr vermissen würde; denn er war ein richtiger guter Freund von mir. Auf Biggi und Tina warteten ja bereits mit den Mädchen von Dr.

Tigges neue Freundinnen. Heiko hatte mir versprochen, dass er mich bald in Hückeswagen besuchen kommen wollte.

Der Umzug

Unsere Wohnung glich einem großen Warenlager und war jetzt richtig ungemütlich. Die Teppiche waren aufgerollt, die Bilder von den Wänden genommen, und in allen Zimmern stolperte man über Kartons. Komisch, auf einmal freute ich mich ein bisschen auf Hückeswagen.

Schon um fünf Uhr morgens hielt vor unserem Haus der große Möbelwagen. So früh war ich erst einmal aufgestanden, als mich Papi damals zum Angeln mit nach Holland genommen hatte. Von der Umzugsfirma waren fünf Männer gekommen, die sofort damit anfingen, unsere Schränke auseinander zu nehmen. Dann begann ein regelrechter Pendelverkehr. Wie die Ameisen liefen wir alle immer zwischen Wohnung und Auto hin und her.

Sogar Tina trug Sachen zum Möbelwagen, die dort einer der Männer immer gleich in Empfang nahm und verstaute. Ich wusste gar nicht, dass zu einem Haushalt so viele Sachen gehören. „Das Aquarium nehme ich im Pkw mit,“ sagte Papi. Als die großen Türen hinten am Möbelwagen geschlossen wurden, war es fast zehn Uhr. So leer sah die Wohnung ganz anders aus und wirkte viel größer und ungemütlich. „Darf ich mit dem Möbelwagen mitfahren?“ fragte ich Papi. Er zögerte mit der Antwort, da sagte einer der Männer:

„Meinetwegen kann er mit uns fahren, drei von uns fahren mit dem Personenwagen und einer bleibt im Laderaum. Es ist Platz genug!“ „Na gut,“ sagte Papi. Ich kletterte in das große Führerhaus und sah mir das Armaturenbrett an. „Kennst du den Weg?“ fragte mich der Fahrer. Ich nickte. „Bis zur Autobahn, weiter weiß ich nicht.“ Der Fahrer lachte.

„Zusammen werden wir es schon finden.“ Er war nett und sympathisch.

Kurze Zeit später fuhren wir mit dem Möbelwagen ab. Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl, in einem so hohen Führerhaus zu sitzen. Mir fiel ein, dass ich mich gar nicht von der dicken Frau Riemer verabschiedet hatte. Nun war es schon egal und sowieso zu spät.

Es ging wieder am Parkstadion vorbei, und der Fahrer sagte mir, dass er auch ein Schalke-Fan ist.

Damit hatten wir für den Rest der Fahrt ein gutes Gesprächsthema. Er erzählte mir aus seiner Jugendzeit, in der er immer davon geträumt hatte, einmal ein berühmter Fußballspieler zu werden. So ging es mir auch, aber ich hatte das ja alles noch vor mir. „Wer weiß, vielleicht gehe ich später doch einmal nach Schalke, wenn ich groß bin,“ sagte ich. „Ganz bestimmt,“ meinte der Fahrer, obwohl er es ja gar nicht wissen konnte.

Nach zwei Stunden standen wir in Hückeswagen vor der gelben Villa.

Mami, Papi und die Mädchen waren schon da. Ich hatte es unterwegs gar nicht gesehen, dass sie uns überholt hatten. Die Männer von der Speditionsfirma, die mit dem Personenwagen gefahren waren, warteten schon auf uns. Der Möbelwagen musste an der Straße stehen bleiben, weil er nicht durch das Tor passte. Das Abladen war viel langweiliger, als morgens das Aufladen. Vielleicht war ich auch nur zu müde. Dafür ging es aber viel schneller. „Einfach alles irgendwo hinstellen,“ sagte Papi, „den Rest machen wir schon alleine.“ Von der Familie Tigges habe ich an diesem Tag keinen gesehen. Nachdem ich mir mein Zimmer eingeräumt hatte, war es sieben Uhr abends. Mami konnte in den vielen Kartons, die alle noch nicht ausgepackt waren, keinen Schlafanzug von mir finden. Sie gab mir einen von Papi, in dem ich wie ein Clown aussah und mir immer selbst auf die Hosenbeine trat. Mein Zimmer war noch viel schöner, als ich es in Erinnerung hatte. Von meinem Fenster sah ich auf ein paar große Tannen, die bei Tigges im Vorgarten standen. Als ich im Bett lag, waren meine Eltern noch beschäftigt und liefen in der Wohnung hin und her. Ich war müde von den vielen Ereignissen der letzten Stunden. Hoffentlich gibt es hier auch ein paar Jungens, mit denen man Fußball spielen kann, dachte ich und schlief ein.

Der erste Tag in Hückeswagen

Als ich wach wurde, erschrak ich über die ungewohnte Umgebung.

Erst allmählich fiel es mir wieder ein, dass wir umgezogen waren. Ich zog die Übergardine am Fenster zurück, um mich zu vergewissern, dass ich das alles nicht nur geträumt hatte. In einem der Bäume im Garten saßen zwei dicke Elstern. Irgendwo sang ein Vogel, den ich aber nicht entdecken konnte. In der Diele hörte ich Schritte. Ich sprang aus dem Bett und wäre fast mit dem Kopf vor den Kleiderschrank geschlagen, weil ich wieder auf die langen Hosenbeine von Papis Schlafanzug getreten hatte. Ich krempelte die Hosenbeine um und ging in die Diele. „Na, mein Sohn, wie war die erste Nacht in Hückeswagen?“ Mami schien bei bester Laune zu sein. Die Mädchen schliefen noch. „Wo ist Papi?“ fragte ich. Mami überlegte einen Moment.

„Ich glaube, der hängt gerade im Badezimmer den Spiegelschrank auf.“ – „Wo ist das Badezimmer?“ Mit dieser voreiligen Frage hatte ich mich wieder einmal selbst verraten.

„Du weißt nicht, wo unser Badezimmer ist?“ fragte Mami. „Soll das heißen, dass du dich gestern Abend nicht gewaschen und dir nicht die Zähne geputzt hast!?“

Ich ärgerte mich über mich selbst und mache dann einen Rundgang durch unsere Wohnung, ohne auf die Frage zu antworten. Mami kannte ja die Antwort. Jetzt erst sah ich, wie schön diese Wohnung war. Während Biggi und ich separate Zimmer hatten, musste man durch Tinas Zimmer durch, um in die Küche zu kommen. Die Möbel standen schon wieder alle an ihrem richtigen Platz.

Es war richtig wohnlich und gemütlich. Diese Wohnung war zweifellos größer und viel schöner als die in Gelsenkirchen. Inzwischen hatte ich auch das Badezimmer gefunden. Es waren insgesamt sechs Zimmer, das Bad nicht mitgerechnet. „Willst du dich waschen?“ fragte Papi, „ich bin jetzt hier fertig. – Schlafen die Mädchen immer noch?“ „Ich glaube ja,“ sagte ich und wusch mich und putzte mir die Zähne. Das Wasser aus der Leitung schmeckte irgendwie anders als in Gelsenkirchen. Oder bildete ich mir das nur ein?

„Aufstehen, ihr Langschläfer! Das Frühstück ist fertig,“ sagte Mami zu Tina und dann auch zu Biggi.

„Wohnen wir jetzt in Hückeswagen, Mami?“ fragte Tina. „Ja, mein Kleines, jetzt wohnen wir in Hückeswagen.“ „Sind die Kinder von “Tigges schon draußen?“ „Ich habe noch keinen gehört und gesehen,“ sagte Mami, „kannst du es nicht abwarten?“

„Ich möchte mit ihnen spielen, sie sind nett,“ sagte Tina. Biggi war inzwischen im Badezimmer verschwunden. „Mami“, fragte ich, „darf ich denn heute wieder meine Jeans anziehen?“ Mami war unschlüssig, da kam mir Papi zu Hilfe: „Natürlich darfst du deine Jeans anziehen. Wir wohnen jetzt sozusagen auf dem Lande, da gibt es Wiesen, durch die man laufen muss und Bäume, auf die man mal klettern muss. Vielleicht gibt es auch einen Teich und Bäche, in denen allerhand Getier zu finden und zu erkunden ist.“ Mami schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

„Wir gehen ja herrlichen Zeiten entgegen,“ sagte sie, „was gibst du dem Jungen da für Ratschläge!?“ Ich fand es prima und war schon richtig neugierig und konnte es kaum abwarten, die nähere Umgebung zu erkunden. „Am besten nimmst du deinen Vater gleich mit,“ sagte Mami, „er interessiert sich doch auch für jeden Bach und jeden Tümpel.“ Wir frühstückten auf dem Balkon, der ebenfalls zu unserer Wohnung gehörte. Unten im Garten spielten bereits Jane und Katja. Tina beugte sich über die Brüstung und rief:

„Guten Morgen!“

„Kommt ihr gleich auch runter?“ fragte Jane. „Au ja,“ sagte Tina und war nie so schnell mit dem Frühstück fertig. Sie musste aber warten, bis alle fertig waren. Dann gingen die Mädchen hinunter in den Garten.

Papi meinte, dass es noch genug zu tun gäbe. „Das Wichtigste ist fertig, mein Schatz,“ sagte Mami zu Papi, „bitte, geh mit deinem Sohn ein bisschen die Gegend auskundschaften. Ich komme jetzt schon alleine zurecht, da seid ihr Männer nur im Weg.“ Papi schlug vor, dass wir beide mit dem Auto fahren, um in kurzer Zeit einen möglichst großen Überblick über die nähere Umgebung zu bekommen.