Der Sport-Doc - Prof. Dr. Reinhard Weinstabl - E-Book

Der Sport-Doc E-Book

Prof. Dr. Reinhard Weinstabl

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Beschreibung

Was haben Steffi Graf, Mika Häkkinen und Roger Moore mit Hunderten anderen aus allen Kontinenten gemeinsam? Allesamt waren sie PatientInnen von Starchirurg Prof. Dr. Reinhard Weinstabl. Die atemberaubende Geschichte eines Buben aus Waidhofen an der Ybbs, der einen Traum hatte, lebte und lebt. Ein spannender Insider-Blick hinter die Kulissen, in die hohe Welt der Medizin, der Weltpolitik, der Stars aus Sport und Society und in so manchen Abgrund.

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Aufgezeichnet von Martin Sörös

Prof. Dr. Reinhard Weinstabl

DerSPORTDOC

Der Arzt, dem die Stars vertrauen

Dieses Buch ist jenen Personen gewidmet, die mich geprägt und gefördert haben. Ohne deren Unterstützung ich diesen Weg nicht hätte gehen können. Meine Eltern Adolf und Elfriede, mein Bruder Christian, Magdalena Materzok-Weinstabl, Babsi Paulus, Peter Eipeldauer, Willi Dungl, Steffi Graf, Univ. Prof. Dr. Emanuel Trojan, Univ. Prof. Dr. Johannes Poigenfürst, Univ. Prof. Wilhelm Firbas, Dr. Wolfgang und Lieselotte Berz sowie deren Sohn Stefan, Gyula (Nandor Von der Lühe), Dr. Günther Forster, Dr. Alexander Aichelburg, Dr. Stefan Scheiner …

Oh mein Gott, das sind ja so viele, da habe ich einige vergessen, denen ich zu Dank verpflichtet bin. Nicht vergessen werde ich aber jene, die mir das wertvollste ihres Lebens, nämlich ihre Gesundheit anvertraut haben. Die vielen tausenden Patienten, deren dankbare Blicke die größte Anerkennung meiner Arbeit waren. Ihnen sei allen gedankt.

Inhalt

Vorwort

Vera Russwurm

Auch ohne Steffi Graf hätte er seinen Weg gemacht

Franz Klammer

Er ist einer, der anpackt

Kapitel 1

Ehrgeiz, Visionen und der Beginn meiner Weltreise

Barbara Paulus

Weindi wird immer einen Platz in meinem Leben haben

Kapitel 2

Jaguare küsst man nicht. Oder doch …?

Thomas Muster

Prof. Weinbstabl: Immer auf dem neuesten Stand

Kapitel 3

„Frau Nowak“ – eine besondere OP verändert mein Leben

Magdalena Materzok-Weinstabl

Eine tiefe Freundschaft und Verbundenheit

Kapitel 4

James Bond, Peter Alexander, Niki Lauda, Roger Federer …

Ronnie Leitgeb

Chirurgische Höchstleistungen

Kapitel 5

Ärzte vs. Ärzte: Widerlichkeiten und Geheimprotokolle

Dieter Quester

Reinhard genießt sein Leben

Erich Hampel

Ein treuer Freund, auf den man sich blind verlassen kann

Christian Fialka

Reinhard Weinstabl, der Starchirurg

Impressum

Vorwort

Respekt, lieber Weindi

Hast du die Chance, in einem mehr oder weniger (meinungs-)freien Land Journalist und Autor zu werden, entspricht das dem Jackpot. Du hast die Chance, dein Hobby zum Beruf zu machen, Prominente, die andere nur aus der weiten Ferne wahrnehmen können, zu treffen bzw. zu interviewen, die Welt auf Kosten deines Arbeitgebers zu sehen und gutes Geld zu verdienen.

Für mich zählten immer und zählen Begegnungen mit interessanten und/oder herausragenden Persönlichkeiten zu den absoluten journalistischen Highlights. Das ist stets horizonterweiternd und in höchstem Maße spannend. Wenn du mit Politikern wie Alexander van der Bellen, Jörg Haider, Alfred Gusenbauer oder Liese Prokop an einem Tisch sitzt, sprichst und diskutierst, lebst du und lernst du.

Wenn du mit Sport-Größen wie Pete Sampras, Michael Phelps, Ben Johnson oder Ma Long ins Gespräch kommst und den Output dieser Interviews einer breiten Öffentlichkeit mitteilen darfst, tut das nicht nur den Lesern des entsprechenden Mediums, sondern auch dir persönlich gut.

Den Doppel-Jackpot knackte man als Tennis-Journalist Ende des vergangenen Jahrhunderts. Melbourne, New York, Key Biscayne, Paris, Monte Carlo, Rom … Die Welt kann ja so schön und elitär sein. Du gehst mit Thomas Muster Abendessen, führst private Gespräche, die du – wie versprochen – nie wagen würdest journalistisch zu nutzen. Große Sportlerinnen wie Barbara Paulus, Judith Wiesner oder Barbara Schett kreuzen deinen Weg und Freundschaften fürs Leben entstehen.

Und dann taucht da plötzlich mittendrin ein junger Arzt auf: WEINDI – Rund 30 Jahre ist inzwischen unsere Freundschaft jung, und wahrscheinlich würde die Schilderung all der netten und herausragenden Begegnungen mit ihm und den lieben, reizenden und spannenden Menschen um ihn herum ein eigenes Buch füllen und so den Rahmen eines Autoren-Vorworts sprengen.

Darüber hinaus ist auch viel bereits in den neun Gastkommentaren einiger seiner Wegbegleiter in diesem Buch zum Ausdruck gebracht. Daher nur eine Handvoll zusätzlicher Anmerkungen zu Reinhard Weinstabl. Freundschaftsfähigkeit, Großzügigkeit, Verlässlichkeit, Loyalität beschreiben ihn wohl am trefflichsten, und natürlich kommt man beim Studium seines erfüllten Lebens das eine oder andere Mal an die Weggabelung zum puren Luxus. Schöne und schnelle Autos, eine Yacht, Luxus-Immobilien, Geld …

Das ist der Stoff, aus dem der Neid und die Missgunst ihre Kraft nehmen und mag dem einen oder anderen suspekt oder unsympathisch wirken. Bei Weindi sind derart niedere Motive unangebracht. Er hatte – wie er in diesem Buch sehr leb- und glaubhaft schildert – Träume und Visionen und er hatte vor allem: Willenskraft, Ehrgeiz und Fleiß. Nein, Reinhard Weinstabl ist nicht als reicher Mann auf die Welt gekommen, er war kein Millionenerbe.

Er hat in jungen Jahren keine Arbeit gescheut, als Hilfskellner gejobbt und jede sich bietende Gelegenheit, sich als Arzt aus- und fortzubilden, ergriffen. Er hat weniger geschlafen als andere, weniger Urlaub gemacht, er hat Discos und Nachtklubs ausgelassen und stattdessen an seiner beruflichen Zukunft gearbeitet. Er hat sein Leben der Medizin und den Menschen verschrieben.

Und man darf, wenn man über Ärzte (oder zum Beispiel auch Piloten) im Allgemeinen und über Reinhard Weinstabl im Speziellen spricht, eines nie außer Acht lassen: Bruchteile von Sekunden einer Unachtsamkeit und kleinste Fehler führen oft zu Tragödien, doch eines steht fest: Dass auch - wie Vera Russwurm ebenfalls in ihrem Gastkommentar in diesem Buch zum Ausdruck bringt – Weindi ohne OP an Tennis-Ikone Steffi Graf seinen Weg ganz nach oben gemacht hätte.

Der 10. Juni 1997 war in gewisser Weise sehr wohl ein Schicksalstag für ihn. Nicht auszudenken, wenn bei der Operation an der deutschen Tennis-Göttin ein einziger Handgriff nur einen Millimeter zu weit rechts oder links gesetzt worden wäre. Steffi Graf hätte eventuell nie wieder gehen, nie wieder Sport betreiben können. Abgesehen von allen menschlichen und möglicherweise auch rechtlichen Folgen, die internationalen Medien hätten gnadenlos auf den Arzt aus Österreich eingedroschen und alle Register gezogen, um ihn fertig zu machen.

Aber, Reinhard Weinstabl hat sich Millimeter für Millimeter durch das Knie von Steffi Graf gearbeitet und auf diese Art ein international wahrgenommenes Highlight gesetzt. So, als wäre er Olympiasieger geworden oder Oscar-Gewinner. Reinhard Weinstabl hat sich daher wie nur wenige jeden einzelnen Cent redlich verdient. Jedes edle Glas Rotwein, jeden Zug an einer teuren Zigarre, jedes First-Class-Ticket und jede seiner noblen Karossen.

Bei Weindi ist daher Neid unangebracht, vielmehr bedarf es Bewunderung und Respekt. Glückwunsch, mein Freund und Danke für alles …

Martin Sörös

Autor

Auch ohne Steffi Graf hätte er seinen Weg gemacht

Vera Russwurm

Den Reinhard kenne ich schon sehr lang – aus einer Zeit, als er noch weit davon entfernt war, der berühmte Herr Professor Weinstabl zu sein. Nichtsdestotrotz habe ich mir damals schon gedacht: Der ist der geborene Mediziner – der wird´s einmal weit bringen!

Meine Vermutung war allerdings eher dahingehend, dass dieser vife Bursche die universitäre Laufbahn einschlagen werde, weil er so hervorragend erklären konnte. Ich weiß das deshalb, weil ich in den Genuss ebendieser Gabe kam: Er, einige Semester über mir, war mein Demonstrator in meinem Anatomie-Praktikum; also derjenige, den man alles fragen konnte, obwohl selbst noch Student. Und der auch tatsächlich - jedenfalls in meiner Erinnerung - auf alles eine Antwort wusste. Möglicherweise wusste er sie ja gar nicht wirklich – aber wie hätte ich das beurteilen können?

Fest steht auf jeden Fall: Sein Selbstbewusstsein war auch schon damals immens – und konnte durchaus Schritt halten mit der Größe seiner fantastischen Autos und mit seinem medizinischen Interesse, das auf mich geradezu leidenschaftlich wirkte.

Eine Bestätigung für diese Vermutung habe ich durch ein höchst originelles Geschenk gefunden, das er mir einmal zu einer Party mitgebracht hat: Hammer, Amboss und Steigbügel - dekorativ eingeschweißt in Plexiglas. Ein wahrlich außergewöhnliches Schmuckstück! (Von welchem Toten er diese Preziosen geklaut hat, hab‘ ich ihn nie gefragt).

Die heutigen Studenten müssen auf Professor Reinhard Weinstabl als Vortragenden leider verzichten – da er den Weg in die Privatwirtschaft gewählt hat. Warum sollte er auch der Feind seiner eigenen Geldbörse sein? (..und ungezählte Autos pflastern mittlerweile seine überdimensionale Garage.) Dafür kann er sich mit vollem Einsatz und ganzem Herzen seinen dankbaren PatientInnen widmen!

Was ihn in meinen Augen nämlich nebst seinem Können noch zusätzlich ganz besonders auszeichnet, ist die Art, wie er auf den kranken bzw. leidenden Patienten zugeht: Immer auf Augenhöhe, immer jovial, immer ermutigend.

Und von einem bin ich überzeugt, und das sei speziell seinen Neidern gesagt: Auch ohne eine Steffi Graf hätte er seinen Weg gemacht.

Medizinerin, ORF-Star, Journalistin und Talkmasterin

Er ist einer, der anpackt

Franz Klammer

Ich habe Reinhard vor allem seit Gründung der Franz Klammer Foundation als Menschen kennengelernt. Ich wusste natürlich davor von seinen fachlichen Qualitäten als Sportarzt, da ich ihn ja das eine oder andere Mal bei Sportveranstaltungen bzw. gesellschaftlichen Zusammentreffen unter anderem in Kitzbühel getroffen habe.

Als wir 1998 die Franz Klammer Foundation gegründet haben, war uns allen klar, dass wir da auch sportmedizinische bzw. generell medizinische Unterstützung und Rat brauchten.

Denn Christoph Schuh als Generalsekretär, Willi Okresek, Karl Schlögl bzw. Günter Friedl und ich als Gründer waren und sind auch bis heute nicht in der Lage, medizinische Urkunden, Befunde, Verletzungen oder Diagnosen zu beurteilen …

Für uns in der Stiftung ist es aber natürlich wichtig, dass wir dort helfen und unterstützen, wo es sinnvoll und richtig ist.

Im Frühjahr 1998 habe ich dann Reinhard unkompliziert angerufen und ihn gefragt, ob er sich uns als medizinischer Experte, Ratgeber und Begleiter für die Foundation zur Verfügung stellt: „Na klar, du weißt Franz, für dich bin ich immer da“, waren seine Worte. Direkt, klar und ohne Umschweife.

Ich weiß eigentlich bis heute nicht, ob ihm damals klar war, dass dies nicht bloß eine One-Night-Story wird. Nicht nur, dass er seit 1998 bei vielen unserer über 190 geförderten SportlerInnen uns seinen Rat & seine Tat unentgeltlich zur Verfügung stellt, war er immer wieder zur Stelle, wenn es darum ging, Fundraising für die Foundation zu machen. Ob es Golfturniere oder Skirennen waren, wir konnten und können immer wieder auf Reinhard zählen. Er ist einer der anpackt, der unkompliziert im Zusammenarbeiten ist und unseren Veranstaltungen immer wieder Lebensfreude, Spaß und Kompetenz gibt.

Natürlich hat er sich intensiv innerhalb seiner Familie des Tennissports auch um seine Schäfchen gekümmert. Da hat er sich bei mir gemeldet und mir von dem tragischen Schicksal der Geschwister Klemenschitz erzählt. Da war mir klar, das was er uns immer wieder gibt, geben wir zurück – für seine Tennis-Familie. Natürlich haben wir die Geschwister unterstützt.

Die Franz Klammer Foundation hat damals diese sehr teuren Therapien, die zur Bekämpfung der Krebs-Erkrankung notwendig waren, mitfinanziert. Das war keine Frage!

Reinhard begleitet uns schon seit 22 Jahren: Er hat seinen Anteil daran, dass wir über 600.000,00 € seit damals direkt für SportlerInnen, die in Not geraten sind, ausschütten konnten. Er hat aber vor allem seinen Anteil daran, dass dies nicht irgendwie passiert sondern, dass in den jeweiligen medizinischen Fragen das Richtige und Sinnvolle getan wird. Reinhard hat Handschlagqualität, ist da, wenn man ihn braucht, und das immer mit Frohmut, Lebensfreude, Spaß und Engagement. Ich freu mich, auch in den nächsten 22 Jahren mit ihm in der Foundation zusammen zu arbeiten.

Sportikone, Abfahrts-Olympiasieger und zweifacher Weltmeister

Kapitel 1

Ehrgeiz, Visionen und der Beginn meiner Weltreise

Verbleiben wir so: Im Grunde genommen war der 5. April 1958 – global gesehen – ein recht unspektakulärer Tag. Der Leader der britischen Labour-Partei Hugh Gaitskell legte einen 5-Punkte-Plan für eine neutrale Zone in Mitteleuropa vor.

Cambridge gewann den Ruderklassiker gegen Oxford zum 58. Mal, und in den Vereinigten Staaten von Amerika wunderte sich manch einer, wie es „The Champs“ mit ihrer Single „Tequila“ bloß schaffen konnten, Elvis Presley als Nummer eins in den US-Charts abzulösen. Im deutschen Radio lief dieser Tage immer wieder die beliebteste Single der deutschen Charts „Der lachende Vagabund“ von Fred Bertelmann.

Und der Wiener „Kurier“, der damals um einen Preis von 1 Schilling und 50 Groschen verkauft wurde und wo sich gerade der Wechsel in der Chefredaktion von Hans Dichand zu Hugo Portisch vollzog, drückte an diesem Tag in seiner Mittags-Ausgabe seine Sorge in großen Lettern aus: „Chruschtschows Kriegsreden in Budapest lösen in den USA scharfe Reaktionen aus“.

Nun ja, für manch andere war besagter 5. April 1958 sogar noch weit aufregender: US-Schauspielerin und Oscar-Gewinnerin Bette Davis scharte anlässlich ihres 50. Geburtstages ihre Liebsten um sich, und auch Österreichs Ausnahmedirigent Herbert von Karajan blickte an diesem Tag auf die ersten 50 Jahre seines Lebens zurück. Agnetha Fältskog, später als das erste A der Kultband ABBA zu Weltruf gelangt, durfte zu Hause acht Geburtstagskerzen ausblasen, und Colin Powell träumte an seinem 21. Geburtstag wohl noch nicht davon, 43 Jahre später als US-Außenminister angelobt zu werden. Sonst noch was?

Eher nicht: Roger Moore war noch nicht James Bond, Steffi Graf und Thomas Muster waren noch lange nicht geboren, Viktor Klima war ein Schulbub. Das war er also, der 5. April 1958?

Nicht ganz. Auch in Österreich wurde gefeiert. Oben auf dem Kahlenberg marschierte Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Medien, Kultur und Sport an. Schließlich hatte der zweite Sender des ORF am 5. April 1958 seinen Betrieb aufgenommen.

Und … auf der Geburtenstation des Landeskrankenhauses Waidhofen an der Ybbs hatten Ärzte und Hebammen nicht nur alle Hände voll zu tun, sondern ihre emotionale Aufmerksamkeit war an diesem Tag auch auf ein Haus, nur rund 150 Meter vom Krankenhaus entfernt, gerichtet. Schließlich lag dort eine der Ihren in den Wehen. Hebamme Elfriede, die sich für eine Hausgeburt entschieden hatte, war in froher Erwartung und ihr Mann Adolf, ein Fernsehtechniker, dementsprechend nervös.

Alles gut, keine Komplikationen – Reinhard war geboren. Reinhard Weinstabl. Da war ich also. Heute nennen mich viele meiner Freunde einfach „Weindi“ oder „Reindi“ und ich blicke jetzt mal in den Rückspiegel. Nach rund 60 Jahren kann oder sollte man das gelegentlich tun. Ich lebte und ich lebe einen Traum und ich will euch einladen auf meine Zeitreise.

Willkommen in meinem Leben. Nun, das mit der Geburt haben wir also ganz gut hingekriegt. Vielleicht war ja auch schon ein Hauch von Routine eingekehrt bei Elfriede und Adolf Weinstabl. Schließlich hatte 20 Monate davor schon mein Bruder Christian dieser Welt guten Tag gesagt.

Von gröberen Problemen im Rahmen meiner Geburt wurde mir also nicht berichtet, und es sollte noch rund ein Jahr dauern, bis sich meine Eltern zum ersten Mal so richtig Sorgen um mich machen mussten.

Ein Moment der Unaufmerksamkeit von meinen Eltern und schon hatte ich unbemerkt den Metallring eines Kinderbuchs verschluckt. Tagelang hatte ich gebrochen, kaum gegessen. Wie konnte ich auch, mit einem kleinen und unerkannten Metallring in der Speiseröhre. Irgendwie muss mein Vater eine Art Eingebung gehabt haben. Er drehte mich um, ließ mich kopfabwärts baumeln und klopfte mir auf den Rücken. Und, Schwups, da war er wieder, der kleine Metallring, und Klein-Reinhard war das Leben gerettet.

Ich denke gerne an meine Kindheit zurück. Wiewohl mein Vater, der zuvor mit einem Elektrogeschäft in Amstetten und einer Putzerei in Waidhofen an der Ybbs wenig wirtschaftliches Geschick bewiesen hatte und infolgedessen neue Ufer erklimmen und daher viel im Ausland arbeiten musste, war ich ein glückliches Kind.

Mama war immer da für mich. Ich denke auch gerne an die Urlaube in Grado zurück. Dort haben uns zwar immer gefühlte 100.000 Gelsen gestochen, aber was kümmern ein paar Gelsen einen 3-jährigen Buben, wenn er sonst so unbeschwert in der Adria planschen kann.

Fast immer gemeinsam mit uns auf Urlaub war mein Freund Gunter Damisch, der damals in Grado auch noch nicht wissen konnte, ein paar Jahrzehnte später als einer der größten Maler des Landes Berühmtheit zu erlangen.

Gunter und ich waren ein Herz und eine Seele. Ich weiß noch, dass er immer so niedlich gelispelt hat. Und eines Tages hat ihn im Meer eine größere Welle erfasst, und knapp bevor Hektik und Panik ob meines verschwundenen Freundes ausbrechen konnte, zog ihn sein Vater an einer Hand aus dem Meer. Gunter selbst blieb vergleichsweise cool und kommentierte die dramatischen Ereignisse mit verdattertem Blick auf seine Weise: „Na, so was Blödes, jetzt wäre ich fast ersoffen …“ Zwei Jahre nach meinem Hoppala mit dem Metallring hatte also auch mein lieber Freund seinen ganz persönlichen Schutzengel in Hochform.

Ab 1965 verbrachten wir unsere sommerlichen Familienurlaube meist in Jugoslawien. Um präziser zu sein auf Ugljan, einer Insel im Archipel vor Zadar. Kali, ein kleines Fischerdorf auf Ugljan, hat einen wunderschönen Hafen. Ich war gerade mal neun Jahre, als ich mich bei einem Abendspaziergang von meiner Gruppe loslöste, und da stand sie plötzlich.

Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen stand ich da und war einfach sprachlos: Dieses Boot hatte mich fasziniert: „So etwas will ich auch einmal besitzen“, habe ich meinen Eltern und den Begleitern vorgeschwärmt.

Ja, sie: Eine wunderbare Motoryacht. Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen stand ich da und war einfach sprachlos: Dieses Boot hatte mich fasziniert: „So etwas will ich auch einmal besitzen“, habe ich meinen Eltern und den Begleitern vorgeschwärmt. Mein Vater nahm mich in den Arm und sagte: „Dann musst du immer brav lernen, dass du dir so etwas einmal leisten kannst.“

Ich weiß nicht mehr genau, wie ich damals reagiert habe auf die väterliche Ansage. Vielleicht habe ich mir ja auch nur gedacht: „Reden wir in 36 Jahren weiter.“ Rückblickend glaube ich eher, dass ich mir damals gar nichts gedacht habe und – vor allem, das mit dem vielen Lernen und das mit dem Fleiß in der Schule, das war eben so eine Sache.

Ich war schlecht in der Schule. Oder, genauer gesagt, sehr schlimm. Die Schul-Sprechtage müssen sich für meine Eltern angefühlt haben wie: „Und täglich grüßt das Murmeltier“. „Dumm ist er ja nicht, der Reinhard, aber so furchtbar schlimm und frech …“ Immer wieder die gleiche Leier: Ich konnte mich schlichtweg nicht benehmen.

Und, ich war nicht nur schlimm, sondern auch ein wenig verträumt als junger Bub. Ich musste wieder einmal aus disziplinären Gründen nachsitzen. Ausgerechnet an einem Samstag, wo man normalerweise um 11 Uhr die Rollbalken runtergelassen hätte und an diesem besagten Samstag quasi nur mir zu Ehren bis 12 Uhr Überstunden machte. Auf dem Weg nach Hause wurde ich dann zu allem Überdruss auch noch von einem typisch ländlichen Begräbnis in höchstem Maße abgelenkt. Irgendwie zog mich der ganze Aufzug samt Musik und Trauergemeinde in den Bann und ich schloss mich (freilich uneingeladen) einfach dem Zug bis zum Friedhof an, warf dann auch noch als Letzter eine Blume und Erde auf den Sarg und kam daher erst gegen 15 Uhr nach Hause. Das wiederum ließ meine Mutter, die sich nachvollziehbarerweise ob meines außerplanmäßigen Wegbleibens erheblich Sorgen um ihren Sohn machte, zu erzieherischen Sondermaßnahmen greifen.

Na ja, das mit dem Gehorsam war generell so eine Sache bei mir. Und bei meinem Bruder Christian. Ich war – so denke ich – noch keine zehn Jahre alt, als sich mein Bruder und ich (wieder einmal) taub stellten, als uns unsere Mutter eines Tages verbot, das Haus zu verlassen. Gemeinsam mit unseren beiden Cousinen flanierten wir entlang des Ybbsflusses. Spielend und in Gedanken – lebhafte Kinder eben. Um dann doch schneller nach Hause zu kommen, gingen wir in der Fahrtrichtung entlang am Bankett. Plötzlich hörten wir in einer Linkskurve ein Geräusch. Und schon lag ich, nach Flug in hohem Bogen, in einem Brennesselhaufen. Was war passiert? Ein (wie sich später herausstellen sollte) betrunkener Mopedfahrer auf seiner Puch Pony 2 legte sich zu sehr in die Kurve, konnte sein Gerät nicht mehr halten und erwischte mich. Franz Zellhofer, so hieß der Mopedfahrer, flog ebenfalls in hohem Bogen und ohne Helm auf die Straße und rasch war er von einer tiefroten Blutlache umgeben. Er lag da, bewegte sich nicht, reagierte auf keine Zurufe von uns, und für uns Kids war das alles natürlich extrem spannend. Unsere ursprüngliche Vermutung, der Mann könnte tot sein, bewahrheitete sich nicht. Kaum erwachte er aus seiner Bewusstlosigkeit, begann er auf uns zu schimpfen.

Unser Glück: Genau jetzt bog die Gendarmerie (die dort sonst nur zu allen heiligen Zeiten vorbeikam) um die Ecke, rief die Rettung und kümmerte sich um alles. Mein Bruder und ich kamen viel zu spät nach Hause und erzählten unserer Mutter kein Sterbenswort. Rund drei Wochen später kam die Nachbarin zu uns auf Besuch und sagte voller Sorge zu meiner Mutter: „Um Gottes Willen, ich habe im „Boten von der Ybbs“ gelesen, dass der Reinhard einen Unfall gehabt hat, wie geht’s ihm?“

Meine Mutter hatte noch keine Ahnung und dachte zunächst an einen bösen, dummen Scherz. Und ich? Ich war um zwei Erfahrungen reicher: Ich hatte zum ersten Mal bei einem Unfall Blut gesehen. Was mich nicht wirklich geschockt hat.

Und: Ich wurde zum ersten Mal in meinem noch jungen Leben in einem Zeitungsartikel erwähnt. Was ich eher cool fand. Das war sie im Großen und Ganzen, meine Kindheit. Lebhaft bis schlimm eben. Vier Jahre reine Bubenklasse in der Volksschule und meine Zeit in den seinerzeit bereits gemischten Gymnasium-Klassen sind sonst recht schnell erzählt, wenn man vielleicht davon absieht, dass ich in der 7. Klasse eine Bruchlandung hingelegt habe. Durchgefallen in Mathematik.

Es sollte zu einer Art Schlüsselerlebnis für mich werden. Wie hatte doch einst mein Vater am Hafen von Kali zu mir gesagt: „Immer brav lernen …“

Ich weiß nicht mehr genau, ob ich mich geschämt oder einfach nur geärgert habe: Aber, als wir uns zu Beginn des darauffolgenden Schuljahres zur traditionellen Schulmesse in Reih und Glied aufstellten und ich plötzlich nicht mehr neben jenen Kindern stand, die ich sieben Jahre neben mir stehen sah, machte es Klick bei mir.

Irgendwie war ich wachgerüttelt. Ein Versager wollte ich wirklich nicht sein. Dabei war doch alles so einfach. Schon das bloße Erledigen und Abarbeiten der uns regelmäßig aufgetragenen Hausaufgaben reichte locker aus, ein Wissen anzueignen, das mich 1977 ohne weitere Probleme maturieren ließ. Nicht nur das: Mein Maturazeugnis war sogar das mit Abstand beste meiner gesamten neun Jahre in der Mittelschule.

Geschafft. Ich war um eine weitere wichtige Erfahrung reicher. Eine andere (aus meiner Sicht kaum weniger aufregende) Erfahrung hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits hinter mir. 1973 hatte mein Vater in Dünkirchen zu arbeiten begonnen, was mir zwei Monate in der nordfranzösischen Hafenstadt bescheren sollte.

Ich war 15, sie (ein liebes Mädel aus Deutschland) ein Jahr jünger. Und: Ich war immer noch 15, sie (ein liebes Mädel aus Frankreich) zwei Jahre älter. Welch grandiose Gelegenheit, französisch zu lernen!

Andere Erfahrungen und – wenn man so will – Talente waren ebenfalls bereits ausgelotet. Dass der Berg hinter unserem Haus in Waidhofen an der Ybbs zum Skifahren einladen würde, war ja irgendwie aufgelegt, und den Tennisschläger nahm ich mit sieben Jahren zum ersten Mal in die Hand. Talent? Enden wollend, aber Tennis? Da sollte noch was kommen.

Dazu später mehr. Auch zwei Jahre am Klavier hatte ich schon hinter mir. Immerhin, für die Mondscheinsonate von Beethoven sollte es reichen. Für viel mehr leider nicht. Dazu fehlte mir das vielzitierte absolute Gehör, und wenn es wenige Dinge im Leben gibt, die ich wirklich bedauere, dann gehört das Fehlen des absoluten Gehörs, das man halt in sich tragen muss, um ein großer Klavierspieler werden zu können, mit Sicherheit dazu.

Nicht weiter verwunderlich daher, dass Chinas Ausnahmekünstler Lang Lang zu den von mir am meisten bewunderten Menschen unserer Zeit gehört. Du kannst so viel zum Ausdruck bringen am Klavier mit Musik. Du fühlst dich, als gäbe es gar keine Grenzen mehr.

Lang Lang wurde und wird keiner aus mir, aber für den einen oder anderen netten Gesellschaftsabend im Rahmen internationaler Ärztekongresse mit Reinhard Weinstabl am Klavier sollte es reichen. Und dazu, die eine oder andere nette Bekanntschaft am und rund um das Klavier zu machen. Wie auch jene mit einer jungen, netten Jus-Studentin im Studentenheim, der ich immer wieder gerne zuhörte und die eines Abends von einem blonden jungen Burschen, kaum älter als 17, kritisiert wurde ob ihrer aus seiner Sicht limitierten Künste am Klavier. Sie war erkennbar irritiert und man konnte ihren Unmut spüren.

Es endete, wie solche Provokationen unter jungen Menschen oft enden müssen: Der junge Mann griff eines Abends selbst in die Tasten und faszinierte meine Jus-Kollegin und mich mit einem brillant gespielten ersten Klavierkonzert von Liszt. Spätestens jetzt hatte ich erkannt: Ich war kein Wunderkind am Klavier, er hingegen schon …

Immerhin, für die Mondscheinsonate von Beethoven sollte es reichen.

So weit zu meinen Erfahrungen mit Skiern, mit dem Tennisracket und am Klavier. Auf andere Erfahrungen verzichtete ich (sehr gerne) zur Gänze: Auf das Bundesheer zum Beispiel. Irgendwie wollte ich mir und Österreichs Heer das ersparen und schob meine diesbezügliche Verpflichtung mit dem legitimen Hinweis auf mein Medizinstudium immer wieder nach hinten. Mit Erfolg.

Erst mit rund 34 Jahren erhielt ich dann gleichsam meinen entsprechenden Marschbefehl. Dr. Gabor Somlai und Dr. Walter Dorner, später Präsident der Wiener und dann der Österreichischen Ärztekammer, waren seinerzeit große und machtvolle Player in der Welt der Mediziner und wollten mich partout als Arzt beim Heer sehen. Ach, wie groß war meine Erleichterung, als sich sieben Tage nach Einrückung bei einer Untersuchung herausstellen sollte, dass ich unter einer Pollenallergie zu leiden hatte. Die permanente Einnahmepflicht Cortison-haltiger Medikamente war freilich ein driftiger Freistellungsgrund.

Sehr zu meiner Erleichterung und sehr zum Ärgernis von Dr. Walter Dorner, der sich dann auch drei Tage nach dem Befehl Zeit ließ, mich abrüsten zu lassen. Erst auf direkte Weisung aus dem Bundeskanzleramt sagte ich dem heeresgrauen Alltag auf Nimmer-Wiedersehen. Dr. Dorner machte seiner Erbostheit freilich nochmals Luft und er wirkte auf mich so verärgert und verdrossen, dass ich gar gröbere Probleme mit ihm und der Ärztekammer befürchtete.

Hier und jetzt sollte ich zum ersten Mal (und das gleich am eigenen Leib) verspüren, dass auch Ärzte Menschen sind, und schnell hatte ich das Gefühl, dass auch sie offenbar nicht immer nur Gutes tun.

Später kam sogar noch eine weitere Erfahrung dazu: Gepflegte weiße Mäntel und ein Doktortitel machen nicht gegen diverse Verhaltens-Auffälligkeiten immun, wenn es um Macht, Positionen und Geld geht.

Eine Erfahrung, die ich nicht zum letzten Mal machen sollte …

Wie auch immer: Mein Drang, ein guter Arzt werden zu wollen, war wesentlich stärker ausgeprägt als mein Drang, dem Heer dienen zu müssen.

Ich habe gerne studiert. Ich war ehrgeizig und ich wusste nur zu gut, was und wohin ich wollte. Knochen-Kolloquium – das war meins. Nicht selten, dass ich bei Prüfungen im direkten Vergleich mit Kollegen wirklich brillieren konnte. Die Unfallchirurgie und der immerwährende Wunsch, ein sehr guter Chirurg werden zu wollen, trieben mich mit Regelmäßigkeit zur Höchstform.

Als hätte ich es in die Wiege gelegt bekommen.

So fern von der Früh-Programmierung war ich auch gar nicht entfernt. Meine Mutter war – wie gesagt – Hebamme, und das hatte eben zur Folge, dass ich beginnend mit meinem fünften Lebensjahr sehr häufig im Spital war. Ich habe dort gegessen, dort gespielt und sogar (was mir weit weniger Spaß gemacht hat) jeden Sonntag in der Spitalskapelle die Messe besucht.