Der widerspenstige Patient - Dietrich Stahlbaum - E-Book

Der widerspenstige Patient E-Book

Dietrich Stahlbaum

0,0
2,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Klappentext:

Die Zustände in deutschen Krankenhäusern sind miserabel – nicht erst seit der Coronapandemie. Ärzt*innen und Pflegepersonal sind überfordert, es fehlt an Personal. Die Folgen sind Stress und Unmut, Fehldiagnosen, Fehlentscheidungen, Behandlungsfehler, unnötige Medikationen, unnötige Operationen. Ich habe das erlebt, gehört, erfahren und literarisch in der Titelgeschichte meines 15. eBooks verarbeitet, teilweise realsatirisch.

Meine Philosophie: Der Mensch kann im hohen Alter trotz körperlicher Beschwerden und Behinderungen geistig vital und kreativ bleiben, das Zeitgeschehen kritisch begleiten, historisch einordnen und, vernetzt mit vielen anderen Menschen, die Verhältnisse grundlegend ändern. "Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es.“ (Erich Kästner)                                                                                                                                                

Ich möchte hier auch auf drei wichtige Bücher hinweisen, Neuerscheinungen: Noam Chomsky: Rebellion oder Untergang!: Ein Aufruf zu globalem Ungehorsam zur Rettung unserer Zivilisation, Stefan Klein: Wie wir die Welt verändern – Eine kurze Geschichte des menschlichen Geistes und Gisene Schwan: Politik trotz Globalisierung.                                                   

Noam Chomsky, Sprachwissenschaftler und Philosoph, ist seit den 1960er Jahren einer der schärfsten Kritiker der US-amerikanischen Politik und des globalen Kapitalismus.

Stefan Klein weist nach, dass lange, bevor es Hominiden gab, Tiere, miteinander kommunizierend, Kultur entwickelt haben, wie sie grundlegende Techniken erfanden.

Gisene Schwan hat rationale Gründe, die realen Vor- und Nachteile der Globalisierung kritisch zu hinterfragen.

Aufzuklären und zu selbständigem Denken anzuregen, ist auch Sinn und Zweck meines Schreibens. Das sind: Aufzuklären und zu selbständigem Denken anzuregen, ist auch Sinn und Zweck meines Schreibens. Das sind eine kritische Würdigung der Bundeskanzlerin Angela Merkel, Realsatiren, Gedichte, Aphorismen, Ausschnitte aus meinem Roman DER RITT AUF DEM OCHSEN oder AUCH MOSKITOS TÖTEN WIR NICHT und Notizen, Kommentare, Tagebuchaufzeichnungen.

 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dietrich Stahlbaum

Der widerspenstige Patient

...und andere, zeitkritische Beiträge

Dieses Buch widme ich den „Ärzte(n) ohne Grenzen“ und ihren Kolleg*innen in den Kliniken und Praxen, die sich, allen Widerständen zum Trotz, für radikale, menschengerechte und ökologische Reformen des Gesundheitssystems einsetzen. BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Manipulationen oder Die Apparate sehen das nicht

 Seit Tagen hatte Hans Krückemeier Schmerzen im Unterleib. Er ging zum Arzt, ließ sich betasten, Blut abnehmen und von der Notwendigkeit einer klinischen Untersuchung überzeugen.

Der Arzt: „Es könnte eine Darmverschlingung sein. Es könnte auch… Jedenfalls ist das Blutbild so schlecht, dass es unverantwortlich wäre, Sie wieder nach Hause zu schicken. In den Händen von Spezialisten sind Sie am besten aufgehoben.“

 

Eine halbe Stunde später befand sich Hans Krückemeier in den Händen von Spezialisten, in der chirurgischen Abteilung, mit „akuten Unterbauchbeschwerden“.

 

Er ließ sich abermals betasten, Blut abnehmen und von der Notwendigkeit weiterer Untersuchungen überzeugen. Sie sollten am nächsten Morgen beginnen, mit einer Darmspiegelung.

 

Ob es nun das Gefühl war, in den Händen von Spezialisten gut aufgehoben zu sein oder das leise Röcheln seiner Zimmergenossen oder die sanfte Stimme der Schwester, die ihm das Thermometer brachte, ob es die beinahe absolute Ruhe war oder das Gemisch warmer Luft und chemischer Dünste: Hans Krückemeier schlief ein und schlief und schlief und schlief… von drei Uhr nachmittags bis sechs Uhr früh. Da wurde er geweckt, von der Nachtschwester, die mit Pillen und Thermometern durch das Zimmer huschte. 

 

Und Hans Krückemeier wurde ein zweites Mal geweckt, etwa eine halbe Stunde später, diesmal nicht so sanft: von den Scheuerfrauen.

 

Er betastete seinen Bauch und sagte: „Schon besser…“ Dann schlief er wieder ein, denn zu essen bekam er nichts: Ihm war absolute Nüchternheit verordnet worden.

 

Er schlief, bis ein junger, bärtiger Mann in weißem Kittel ihn am Ärmel zupfte: “Herr Krückemeier…! Wir müssen jetzt…“

„Wie - schon?“

„Ja, Herr Krückemeier.“

 

Der junge Bärtige hatte den Blick eines Spezialisten, und es stellte sich bald heraus, dass er nur durch seine Funktion sich von einem Arzt unterschied: Er sagte nämlich: „Wir machen das auf der Toilette, Herr Krückemeier. Möchten Sie auf den Stuhl?“

 

Hans Krückemeier entdeckte den Rollstuhl, den der junge Bärtige vor sein Bett geschoben hatte.

„Ja, ich fühle mich ziemlich schwach.“

 

Als Hans Krückemeier völlig entleert vom Rollstuhl wieder ins Bett gestiegen war, schlief er weiter…, bis der junge Bärtige abermals erschien, um ihn zur Darmspiegelung abzuholen.

 

Bei der Visite erfuhr Hans Krückemeier, daß die Darmspiegelung keinen positiven Befund erbracht hatte. Und er sagte den Spezialisten, er habe keine Beschwerden mehr, er wolle nach Hause.

 

Dennoch begann nun eine unabsehbare Folge von Manipulationen an und in seinem Körper: Nach der Darmspiegelung anderntags eine Magenuntersuchung, nach der Magenuntersuchung anderntags eine Röntgenuntersuchung seines Darms, nach der Röntgenuntersuchung seines Darms anderntags eine Gallenuntersuchung, nach…

 

Hans Krückemeier war ausgenüchtert bis auf die Knochen, denn Kontrastbrei und -flüssigkeiten, dünne Suppen und Zwiebäcke waren schnell verdaut. Und weil er weniger als ein Durchschnittsmensch zu essen bekam, schlief er mehr als ein Durchschnittsmensch.

 

Er mußte jedesmal, wenn die Spezialisten, mit denen er sich erfolglos auseinandersetzte, hereinkamen, erst geweckt werden.

 

Am fünften oder sechsten Tag seines Aufenthaltes in diesem Hause trat die Schwester mit der sanften Stimme ins Zimmer und kündigte ihm die nächste Untersuchung an: „Herr Krückemeier, Sie dürfen heute wieder nichts essen: Nierenspiegelung, morgen früh.“

 

Da erhob sich Hans Krückemeier aus seinem Bett und sagte unsanft: „Teilen Sie bitte dem Stationsarzt mit, daß ich auf diese und alle weiteren Untersuchungen verzichte: Ich möchte Morgen entlassen werden. Ich habe keine Beschwerden mehr!“

„Doktor U. ist jetzt nicht da.“

„Dann sagen Sie es einem andern!“

„Das kann allein er entscheiden.“

„Dann sagen Sie es ihm, sobald er da ist, Schwester!“

 

Hans Krückemeier wartete vergebens. Er konnte nun nicht mehr schlafen. Gegen dreiundzwanzig Uhr ging er ins Schwesternzimmer: „Sie müssen mir nicht übelnehmen, daß ich Sie so angefahren habe, Schwester. Seit ich hier bin, habe ich beinahe vier Kilo abgenommen. Das macht einen nervös.“

 

„Sie können gehen, wann Sie wollen, Herr Krückemeier. Sie sind hier nicht im Gefängnis. Nur… wenn Sie wieder eingeliefert werden, morgen…, nächste Woche oder… Wir haben das schon erlebt. Die Kasse übernimmt dann keine Kosten mehr.“

„Schwester, ich bewundere Ihre Geduld. Aber…“

„Herr Krückemeier, die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Sie abbrechen – kein Arzt geht dieses Risiko ein. Überlegen Sie sich`s, Herr Krückemer!“

„Hab` ich längst, Schwester. Die Beschwerden sind weg. Sie sind weg, weil ich hier endlich mal ausschlafen konnte. Das hat die Verkrampfung gelöst. Ja, eine Verkrampfung war`s. Die Apparate sehen das nicht.“

Damit ließ Hans Krückemeier sie an ihrem Schreibtisch sitzen.

 

Am nächsten Morgen schrieb er einen Brief an den Stationsarzt. Darin bat er, sofort nach Hause entlassen zu werden, weil „die Darmbeschwerden, die zu meiner Einweisung Anlaß gegeben haben, verschwunden sind und die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen keinen Aufschluß über die Ursachen der Beschwerden gegeben haben. Die Ursachen sind beruflicher und außerberuflicher Streß, sowie eine verschleppte Erkältung, die ambulant behandelt werden kann.“

 

Den Brief steckte er in einem Umschlag und übergab ihn der Schwester. Er hatte den Umschlag zugeklebt.

 

Der Stationsarzt ließ diesmal nicht lange auf sich warten. Er kam eine Stunde vor der Visite und bat Hans Krückemeier zu einer kurzen Untersuchung in sein Zimmer. 

Was dort geredet wurde, ist unschwer zu erraten. Hans Krückemeier bekam seinen Entlassungsschein.

 

Zuhause entdeckte er in einer der Zeitungen, die er sozusagen verschlafen hatte, einen interessanten Bericht, überschrieben: „In den Krankenhäusern gibt es zu viele Betten.* Vielleicht erinnerte er sich auch an jenen Bericht, der überschrieben war: „Sinkende Konjunktur hat erneut Krankmeldungen gedrückt. Absinken im Schnitt bis um zehn Prozent / Gewerkschaften: Sorge um Arbeitsplätze nötigt zum „Durchhalten.“**

-----  

*  Frankfurter Rundschau vom 17.12.1975

** Frankfurter Rundschau vom 27.11.1974

 

Anmerkung:

 

Erstveröffentlichung in der Deutschen Volkszeitung (1953–1989) Nr. 9 am 26.2.1976

 

* * *

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

"Auch Sie sind im Stress, weil Personal fehlt."

 Durch die „Röhre“ geschoben

 

Die Brötchen, die Hans Krückemeier hier gekaut hatte, klebten immer noch am Gaumen; er hätte auch einen Schwamm verspeisen können; die beiden Brotscheiben wurden ihm zum Abendbrot serviert - mit einem „Guten Appetit“.

 

Hans Krückemeier wurde mit einem Krankenwagen in die Notaufnahme einer Klinik gebracht. Er hatte eine Schwellung im Unterbauch an der Blase.

Nach langem Warten wurde er untersucht. Befund: Abszess an der Blase, ein Eiterbeutel. Folge einer Entzündung.

 

Am nächsten Tag wurde er durch die „Röhre“ geschoben. Bei einer Computertomographie des Unterbauches wurden Gewebeproben entnommen, der erkrankte Bereich geröntgt und vermessen. Bei weiteren Eingriffen mit örtlicher Betäubung wurden durch einen Katheter eine Drainage (Spülung) durchgeführt und der Abszess, stinkender, klebriger Eiter, in einem Beutel aufgefangen. Hans Krückemeier hatte nun neben einem Bauchkatheter zwei Beutel, die er mit einer Hand hochhalten musste, wenn er am Stock zur Toilette ging.  

 

Er war vierzehn Tage im Krankenhaus, hat dort viel erlebt, gesehen und erfahren. Er war jetzt 94 Jahre alt.

 

Der Tag beginnt morgens um halbsieben

 

Der Tag begann morgens um halbsieben. Da passierte fast alles zur selben Zeit.

Um sieben: