"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" I. K. - Dietrich Stahlbaum - E-Book

"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" I. K. E-Book

Dietrich Stahlbaum

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Beschreibung

Am Anfang dieses Buches steht das Wort „Aufklärung“ mit der epochalen Definition von Immanuel Kant. Daraus entnommen ist der Titel, eine Aufforderung an uns alle. – Aufzuklären und zu selbständigem Denken anzuregen, ist auch Sinn und Zweck der Leserbriefe, die hier in Dietrich Stahlbaums fünftem eBook nochmals oder zum ersten Mal veröffentlicht sind – ungekürzt. Es sind radikale Kritiken, teilweise. „Radikal sein heißt“ für den Autor, „den ursächlichen Zusammenhängen auf den Grund zu gehen, um zu verstehen und zu verändern.“ Das eine setzt das andere voraus. Deshalb lotet er nahezu alle Lebensbereiche und Politikfelder aus, bis hin zu Alltäglichem wie fast-food-baking und E 10. Stahlbaum hat stets offen seine Meinung gesagt und geschrieben, oft zu seinem persönlichen Nachteil. Hier setzt er sich mit dem Zeitgeist und dem Zeitgeschehen ganz konkret und direkt auseinander. Dabei kommen Entscheidungen und Ereignisse aus der Vergangenheit, die in die Gegenwart und in die Zukunft hineinwirken, wieder ans Licht. Dies ist eine 2., vollständig überarbeitete und aktualiserte Auflage.

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Veröffentlichungsjahr: 2012

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Dietrich Stahlbaum

"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" I. K.

46 Jahre Zeitgeschehen. Buch II der Reihe "mit Buddha, mit I. Kant"

Den Opfern von Gewalt, Krieg, Nationalismus, Herrschsucht, Rachsucht, Intoleranz, Hass, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Xenophobie, Habgier, sozialer Kälte, Verblendung, Strafsucht, Irrsinn, Dummheit, Unwissenheit, Unachtsamkeit, Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Infantilismus, Hörigkeit, Gleichgültigkeit. BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Vorwort

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. "Sapere ande!" "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" ist also der Wahlspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen (naturaliter majorennes), dennoch gern zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. (.....) Selbstdenken heißt: den obersten Probierstein der Wahrheit in sich selbst (d. i. in seiner eigenen Vernunft) suchen; und die Maxime, jederzeit selbst zu denken, ist die Aufklärung. Immanuel Kant 1784

Leserbriefe 1965-69

Anmerkung:

 

Autor aller Beiträge, die nicht namentlich gekennzeichnet sind, ist Dietrich Stahlbaum. Die Leserbriefe sind, wenige ausgenommen, chronologisch geordnet.

 

 

 

 

Absolvo te!

 

Ein katholisches Geheimnis: Der Papst hat den sogenannten „Index", um Aufsehen zu vermeiden, „in aller Stille" (It. „Ruhrnachrichten") aufgehoben. Bemerkt wurde dies erst Wochen später!

Der Wahrheit dienen heißt eben auch: Das, was es einmal gab und nun nicht mehr gibt, denen zu verschweigen, die nie gewußt haben, daß es so etwas überhaupt einmal gegeben hat (nämlich die katholische Verbotsliste für Literatur).

Übrigens suchen katholische Priester neuerdings protestantische Pfarrer auf, um ihr – Gewissen zu entlasten (dies erfuhr ich aus Kreisen, in denen man von einer „Theologen-neurose" spricht). Bei wem protestantische Gottesbeamte ihr Gewissen entlasten, konnte ich allerdings nicht erfahren. Bei Psychoanalytikern?

 

[pardon, April 1966]

 

 

 

Den kürzeren?

 

Daß „rund 2 000 amerikanische Kriegsgegner", also Menschen, die Menschen zu töten sich weigern, „nachdem ein starkes Polizeiaufgebot die Schlagstöcke zog und mit Gewalt und Tränengas gegen die Demonstranten vorging", laut Ihrer Zeitung vom 19.10.67 (Bildunterschrift auf S. 2) „den kürzeren zogen", soll wohl jeden befriedigen, der in der Schule noch den Rohrstock genossen hat und nun glaubt, man könne das schwierigste Menschheitsproblem mit polizeistaatlichen Methoden lösen. Das wichtigste Gebot heißt: Du sollst nicht töten! Demnach haben wir auch die Pflicht, wenn Polizisten Pazifisten niederknüppeln, sie anzuprangern.

 

[Ruhrnachrichten, 28.10.1967]

 

 

 

 

 

 

* * *

 

 

Intellektuelle Redlichkeit?

 

Leserbrief an die „Ruhrnachrichten" (Redaktion Dortmund), der in dieser Zeitung nicht erschien:

 

Recklinghausen 20. Juni 1968

 

Sehr geehrte Herren,

 

laut Ihrem Bericht vom 19. 6. 68 hielt der katholische Religionspädagoge Prof. Dr. Hubert Halbfas eine Gastvorlesung über „intellektuelle Redlichkeit" und „bezeichnete es als die Aufgabe des Religionsunterrichts, zum kritischen Denken zu erziehen, denn kritisches Denken diene dem Glauben, den wir verstehen als die Weise, in der wir die eine, ganze Wirklichkeit deuten und annehmen".

Hierzu einige kritische Bemerkungen: Über das Wesen der Welt, ihren Ursprung, ihr Ende, über das „wahre Sein", das „Absolute" u. dgl. wissen wir nichts; von einem Gott ist nichts bekannt. Die „eine, ganze Wirklichkeit" ist unfaßbar, wir können sie nicht begreifen; können wir sie dann deuten, ohne in Widersprüchen stecken zu bleiben? Wozu verhilft der Eifer, mit dem Theologen die Gottesidee verteidigen, indem sie Widersprüchlichem eine Bedeutung beimessen, Widersinnigem einen Sinn? Zu intellektueller Redlichkeit?

 

Mit freundlichen Grüßen!

 

Dietrich Stahlbaum, Recklinghausen

 

[Abgedruckt in DIE FREIGEISTIGE AKTION, Nr. 10 Oktober 1969, S. 117]

 

 

 

 

 

 

Der Glaube an einen unbekannten Herrn

Am Wohnzimmertisch sitzt ein Junge und schreibt einen Schulaufsatz. Hinter ihm steht sein Vater, ihm gegenüber seine Tante, und an der Seite des Jungen sitzt dessen Großmutter, eine sehr alte Dame. Sie sagt: Gut, Junge, fein!

DER VATER (lesend): Gott straft die Sünder; oft schon in dieser Welt, ganz gewiß aber im Jenseits.1) — Wer hat dir denn das beigebracht?

DER JUNGE: Das haben wir so gelernt, vom Herrn Leimer.

DIE GROSSMUTTER: Gott straft die Sünder!

VATER: Hast du schon einmal darüber nachgedacht, Oma?

GROSSMUTTTER: Ich denk immer dran. Aber ihr! Ihr lehnt euch gegen Gott auf. Diese schwere Sünde zerreißt das Band der Liebe zwischen Gott und Mensch und schließt ihn dadurch von dem ewigen Glück aus. Euer Leben wird sinnlos, weil ihr das Ziel dieses Lebens verfehlt, für das euch Gott bestimmt hat. Ihr werdet in der Sünde sterben, wie ihr in der Sünde gelebt habt. Ihr werdet in ewiger Gottferne bleiben, in der Hölle.2) Du wirst unseren Jungen noch ganz verderben.

VATER: Daß du immer daran denkst, weiß ich, Oma. Ich bezweifle nur, daß du jemals darüber nachgedacht hast.

GROSSMUTTER: Ja, du bezweifelst immer.

VATER: Nun hör mal zu, Oma. Ich möchte dir deinen Glauben nicht zerstören. Aber ich möchte auch nicht, daß meinem Jungen so etwas eingeredet wird.

GROSSMUTTER: Eingeredet??!

VATER: Unterlasse bitte diese theologischen Erpressungsversuche.

GROSSMUTTER: Du bist des Teufels!

VATER: Nimm`s mir nicht übel, Oma. Es wäre besser, wenn du dich jetzt zu deinen Kochtöpfen begeben würdest. Da brennt nämlich was an.

GROSSMUTTER: O Gott, mein Braten! (geht)

DIE TANTE (zum Jungen): Mach mal die Tür zu!

DER JUNGE (schließt die Tür und setzt sich wieder an den Tisch).

VATER: Du hast hier geschrieben: „Gott straft die Sünder; oft schon in dieser Welt, ganz gewiß aber im Jenseits". Und Oma meint, wir lehnten uns gegen Gott auf. Diese schwere Sünde zerrisse das Band der Liebe zwischen Gott und Mensch, schlösse ihn dadurch von dem ewigen Glück aus. Unser Leben werde sinnlos, weil wir das Ziel dieses Lebens verfehlten, für das uns Gott bestimmt hat. Wir würden in ewiger Gottferne bleiben, in der Sünde sterben und in der Hölle schmoren, wie Omas Braten, den zu erlösen ich sie hinausgeschickt habe.

JUNGE: So wie Oma daran glaubt, glaubt keiner mehr in meiner Klasse, wahrscheinlich auch nicht Herr Leimer. Er hat uns gesagt: Gott ist das Gewissen.

TANTE: Leimer weiß sich zu helfen, mit Kant.

VATER: Der war schon verkalkt, als er schrieb: „Gott ist nicht ein Wesen außer mir, sondern bloß ein Gedanke in mir", „bloß ein moralisches Verhältnis in mir".3)

TANTE: Eben: das Gewissen, welches die Sünder straft.

VATER: Gott das die Sünder strafende Gewissen?

TANTE: Die Stimme des Gewissens ist Gottes Stimme.

VATER: Und wer sich über das Gewissen hinwegsetzt?

TANTE: Der wird, Oma sagte es, in ewiger Gottferne bleiben. Wer kein Gewissen hört, dem ist Gott fern, der ist gottlos.

VATER: Und wird von ihm bestraft, im Jenseits? Hat jemand mit den Toten gesprochen?

JUNGE: Das kann man nicht einmal glauben.

VATER: Aber man kann es geträumt haben.

TANTE: Wer sein Gewissen unterdrückt, den plagt es im Traum, den straft dieser unbekannte Herr ...

VATER: . . . welchen man lieben soll und fürchten muss?

TANTE: Gott.

VATER: Ein mysteriöser Diktator. Vielleicht kommen wir mit Nietzsche dieser Sache etwas näher. Er schrieb: „Der Inhalt unseres Gewissens ist alles, was in den Jahren der Kindheit von uns ohne Grund regelmäßig gefordert wurde, durch Personen, die wir verehrten oder fürchteten . . . Der Glaube an Autoritäten ist die Quelle des Gewissens: es ist also nicht die Stimme Gottes in der Brust des Menschen, sondern die Stimme einiger Menschen im Menschen." 4) Auch Sigmund Freud kam zu diesem Schluß. Er diagnostizierte das Gewissen als „soziale Angst".5)

TANTE: Was soll der Junge nun machen? Ich habe noch nie gehört, daß ein Lehrer sich von einem Schüler belehren ließ. Herr Leimer gibt Religion und Deutsch. Wer ihm seine theologischen Thesen widerlegt, ist sicherlich auch in Deutsch bei ihm unten durch.

VATER: Dann wird sich der Lehrer Leimer von einem Vater belehren lassen müssen.

TANTE: Ich finde, es ist klüger, der Junge paßt sich an, schweigt und denkt sich das Seine.

JUNGE: Das kann ich nicht.

TANTE: Das muß man lernen; sonst kommt man im Leben vor lauter Knüppeln, die einem zwischen die Beine geworfen werden, nicht voran.

VATER: Was, meinst du, sei richtig?

JUNGE: Ich will kein Heuchler sein.

TANTE: Man braucht das nicht immer gleich Heuchelei zu nennen. Sagen wir lieber: Diplomatie.

JUNGE: Ich werde schreiben: Gott straft die Sünder, oft schon in dieser Welt, ganz gewiß aber im Jenseits, . . . glaubt die Oma. ____________ 1) S. KATHOLISCHE GLAUBENSINFORMATION, Lektion 9 S. 5 (45 bis 74.Tausend [!], 1966) 2) Ebenda 3) Kant, OPUS POSTUMUM, Akademie-Ausgabe, Bd.XI S. 145-149 4) Friedrich Nietzsche, MENSCHLICHES ALLZUMENSCHLICHES Bd. II, 2 § 52 5) Freud, u. a. in: DAS UNBEWUSSTE, S. 192 (ZEITGEMÄSSES ÜBER KRIEG UND TOD), S. Fischer, 1963, ferner: TOTEM UND TABU, S. 78 f., FIBÜ Nr. 147, 1956. [DIE FREIGEISTIGE AKTION, Nr. 11. November 1969

 

 

 

 

Leserbriefe 1973-02/2012

Aktivität auf breiter Basis nötig

 

Betr.: Offener Brief eines „Alt"-Sozialisten an die Jungsozialisten

 

Liebe Freunde, liebe Genossen,

 

bisher kaum beachtete Fakten, Dokumente und Äußerungen konservativistischer Politiker, Militärs, Wissenschaftler, Industrieller und Publizisten lassen darauf schließen, daß beabsichtigt ist:

 

 

 

 

 

Bestrebungen, deren Folgen der an einem politischen Minderwertigkeitskomplex leidende F. J. Strauß („politisch sind wir Zwerge"), Großbankiers und -industrielle zu verantworten hätten, aber auch in ihrem parlamentarischen Wächteramt überforderte sozial- und freidemokratische Abgeordnete.

 

Folgen etwa wie ein auf Sozialdemokraten ausgeweitetes Antisozialistengesetz und ein durch rüstungstechnischen Automatismus und durch die Bundeswehr ausgelöster dritter Weltkrieg.

 

Die spärlichen Informationen in den Massenmedien sind so platziert und formuliert, daß die Bundeswehrhochschulen dem konsumbeflissenen und privatisierten Bürger als eine harmlose, doch ganz natürliche Selbstverständlichkeit erscheinen müssen; vom Militär-Industrie-Wissenschaft-Komplex erfährt er überhaupt nichts. Es ist also Aufklärungsarbeit, es ist Aktivität auf breitester Basis notwendig.

 

[RECKLINGHÄUSER ZEITUNG, 01./02 Dezember 1973]

 

* * *

 

Gründliche Aufklärung ist notwendig

 

Betr.: Leserbriefe 1. 12. (Stahlbaum), 8. 12. (Eggers), 29. 12. (Grudzenski).

 

Die Reaktion der CDU-Funktionärin Frau Eggers ist ein Beweis mehr dafür, daß notwendig ist: eine umfassende und gründliche Aufklärung über den Zusammenhang von Macht, Interessen und Ideologie der militärischen Führungsspitze, der Großindustrie, ihrer Banken, nicht unerheblicher Teile der Wissenschaft, der Publizistik, der Kirchen, der Staats- und der Parteibürokratie.

   Verabreicht wurde uns eine Dosis Wehrideologie, — „zum Selbstschutz", zur Verhütung kritischer Einsicht in einen Komplex von Realitäten, als dessen Teil die Bundeswehrhochschulen beurteilt werden müssen.

 

Das Recht aller auf Bildung und Ausbildung schließt das Recht auf uneingeschränkte Information und Diskussion mit ein. Unser Grundgesetz gibt darüber genaue Auskunft. Nach seinen Normen Demokratie zu verwirklichen, wäre Aufgabe aller: ein von vielen nur verdrängtes Bedürfnis.

  

Eine politisch passive, schweigende, weil unaufgeklärte Mehrheit ist manipulierbar wie ein kleines Kind. Wer diesen Zustand beenden möchte, sieht keine „gefährliche(n) Entwicklungen eingeleitet, wenn der staatspolitisch richtige Gedanke der Demokratie zur Forderung der Demokratisierung aller Lebensbereiche fortentwickelt wird."

  

Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Dollinger hat solche Befürchtungen und hat sie auch geäußert, im Bayern-Kurier; während den Soldaten der Bundeswehr ein Resultat bisheriger CDU/CSU-und SPD/FDP-Politik als unabänderliche Tatsache hingestellt wird:

„Der demokratische Führer [...] übernimmt für seine Mitbürger die Verantwortung und trifft in ihrem Auftrag Entscheidungen, die zu fällen diesen die Kraft, das Verantwortungsbewußtsein und die Einsicht fehlen. Diese Menschen bilden, den aktiven Teil der Demokratie. Ja, man kann sagen, deren Elite."

 

[Informationen f. d. Truppe. Für Helmut Schmidt (derzeit Bundeskanzler, Anm. D. St.) “beruhen“ Eliten „auf Leistung“ und kann man „nur durch Leistung“ ins Establishment aufsteigen“. (Dieses Passage fehlt in der RZ)]

  

Das der Bundeswehr und durch sie der zivilen Bevölkerung vermittelte Demokratieverständnis charakterisieren zwischen 33 und 45 schon Pimpfen eingebläute Leitbegriffe wie „Autorität der Führenden", „Obrigkeit", „Ordnung", „Über- und Unterordnung", „Gehorsam", „Sauberkeit", „Manneszucht" [Inf. f. d. Truppe]; „Grundsatz strenger Disziplin", auf dem eine „schlagkräftige Armee aufgebaut sein muß", was sie „auch nicht von einem modernen Industrieunternehmen unterscheidet." [Taschenbuch f. katholische Soldaten]:

Ein Wortfeld autoritärer und militaristischer Erziehungsprinzipien.

  

Schlußfolgerung: „Es ist aber falsch, in der Bundeswehr ein Betätigungsfeld zum Einüben demokratischer Spielregeln zu sehen." (Flottenadmiral a. D.  W. Flachsenberg)

  

Zwar bietet die Bundeswehrhochschule kein „Betätigungsfeld zum Einüben" eines solchen Kasernenhofzynismus', sondern psychologischer, manipulativer Methoden, mit denen der gefügige, stets anpassungsfreudige Untertan herangezogen werden soll, der uniformierte Bürger, der zu fundamentaler Kritik unfähige Fachidiot und „Erwachsenenbildner" im Dienste des Militär-Industrie-Wissenschaft-Komplexes. Die Bundeswehrhochschulen haben eine gesellschaftspolitische Funktion.

 

[Recklinghäuser Zeitung, 05./6.01.1974]

 

* * *

 

Die Grünen fordern „atomwaffenfreie Zone“

 

Stellungnahme des Ortsverbandes Recklinghausen

 

RECKLINGHAUSEN. Die Waffensysteme und Militärstrategien in Ost und West sichern nicht den Frieden. Sie sind zu einer Bedrohung allen Lebens auf diesem Planeten geworden. So hat sich die Theorie der Abschreckung längst ad absurdum geführt, denn um das „Gleichgewicht des Schreckens", wie es Menschen verachtender weise  heißt, jeweils wiederherzustellen, wurde und wird die Rüstungsspirale immer weiter hochgeschraubt, zuerst von den US-Regierungen und -Militärtechnokraten, im Nachhinein von der Sowjetunion.

 

   Nun soll mit der Stationierung von 226 Pershing-II-Raketen auf europäischem und in erster Linie auf westdeutschem Boden uns ein Waffensystem aufgezwungen werden, das eine politische und menschliche Lösung des Ost-West-Konflikts unmöglich und ganz Europa zum Friedhof machen wird.

   Die Pershing II fordert, einmal in Stellung gebracht, einen sowjetischen Präventivschlag geradezu heraus, denn sie ist eine Erstschlags-, also eine Angriffswaffe. Sie soll, nach den Worten US-amerikanischer Strategen und Politiker, die Sowjetunion „enthaupten", d. h., die Regierungs- und Befehlszentren samt ihrer logistischen Systeme mit einem Schlag vernichten.

   Laut unserem Grundgesetz, Art. 26, Abs. l, sind „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten [...]  verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen". Ein Angriffskrieg ist verboten!

  

Die Vorbereitungen der Baumaßnahmen für die Stationierung der Pershing II sind bereits im Gange. Für dieses selbstmörderische Vorhaben wurden inzwischen 560 Millionen DM aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt. Damit handeln die westdeutschen Politiker, die dem Diktat der US-Regierung gehorchen, nicht nur verfassungswidrig, sondern auch gegen alle Regeln der Menschlichkeit.

  

Wir –  die Grünen  –  werden diese Entwicklungen nicht widerstandslos hinnehmen. Wir haben, wie alle Menschen, das Recht und die Pflicht, uns für die Erhaltung des Lebens auf unserem Planeten einzusetzen. Darum fordern wir als einen ersten Schritt zum Abbau aller Massenvernichtungswaffen in unserem Lande die Verantwortlichen der Stadt Recklinghausen auf, ihre Friedensfähigkeit unter Beweis zu stellen, indem sie die Stadt Recklinghausen zur „ABC-Waffenfreien Zone" erklären.

  

Daß der erste Antrag, Recklinghausen zur atomwaffenfreien Zone zu erklären, vom Rat der Stadt Recklinghausen nicht behandelt worden ist, spricht für die Ignoranz der verantwortlichen Politiker und kann uns nicht davon abhalten, eine solche Forderung zu wiederholen.

 

Unsere Solidarität auch mit der Friedensbewegung in der DDR („Schwerter zu Pflugscharen") und in den USA gebietet uns, eine blockübergreifende Friedenspolitik anzustreben.

   Wir wollen damit hier vor Ort beginnen.

 

Flesch, M. Hinsenbrock, O. Kayser, D. Purwin, D. Stahlbaum

 

[Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 19.05.1983 und Recklinghäuser Zeitung, 02.06.83]

 

* * *

 

Leben war nie eine Traumschiffsreise

 

Stellungnahme zu: "Anything goes" / Ruhrfestspiele 92

 

Veröffentlicht wurden in dieser Zeitung Einwände gegen eine monatelange, womöglich ganzjährige Blockierung des Festspielhauses durch ein Musical. Zu fragen wäre aber auch: Gibt es außerdem Einwände gegen Inhalt und Auswahl des Stückes "Anything goes" und der übrigen Programmteile der nächsten Ruhrfestspiele? Werden sie womöglich am Thema vorbeigeplant und vorbei inszeniert? Und: welches sind die Kriterien?

Thema der nächsten Ruhrfestspiele ist, nach einer Idee ihres Leiters, Amerika. 

Motto dieser Festspiele ist ein Gedicht, dem der Irrtum Goethes zugrunde liegt, Amerika hätte zu seinen Zeiten noch keine leidvolle Geschichte gehabt. ("Amerika, du hast es besser als unser Kontinent...")

Anlaß ist die vermeintliche "Entdeckung" Amerikas durch Columbus vor 500 Jahren. Das soll 1992 in der westlichen Welt mit riesigem Aufwand gefeiert werden – gegen den erklärten Willen der Ureinwohner/innen* dieses Kontinents, deren Name ebenfalls auf einem Irrtum beruht (*Indianer/innen).

 

    Sollen die Ruhrfestspiele 92 nun in dieses Geschichte verdrängende, Geschichte verleugnende Jubelspektakel einstimmen oder dazu beitragen, daß endlich aufgeklärt wird über die in den 500 Jahren seit Columbus von den europäischen Eroberern, Einwanderern und deren Nachkommen an der Urbevölkerung, an den Schwarzen und an der Natur des gesamten amerikanischen Kontinents begangenen Verbrechen?

   Wäre es nicht auch im Sinne der Überlebenden des amerikanischen Holocaust, der Indianer/innen, wenn statt solchem Tingeltangel wie "Anything goes" Trauerarbeit geleistet würde?

Wenn einmal „das andere Amerika“ gezeigt würde, das Amerika der indianischen und der farbigen Bevölkerung, der Menschen, die unter der 500-jährigen Herrschaft des Weißen Mannes auch heute noch zu leiden haben?

Und: Wenn bei den Ruhrfestspielen 92 wenigstens etwas von der indianischen, zutiefst ökologischen Kultur herübergebracht würde?

  

Das Musical "Anything goes" gäbe einen "guten Einblick in den American way of life der 20er Jahre", sagt der Choreograph des Stückes.

Ich empfehle ihm, in der Sozialgeschichte Amerikas nachzulesen. Auch die Roman- und Theaterliteratur wird, soweit sie ehrlich ist, ihm sagen, daß das Leben und Überleben auf dem amerikanischen Kontinent nie eine Traumschiffsreise gewesen ist.

 

Dietrich Stahlbaum, Grünes Forum, beratendes Mitglied im Kulturausschuß

 

[Recklinghäuser Zeitung, 20.11.1991]

 

* * *

 

 

Zu viel Fleisch produziert

 

Zur Diskussion um die Biotonne schreibt

Dietrich Stahlbaum, Recklinghausen:

 

„Eine flächendeckende Einführung der Biotonne wäre ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Nur müßte dabei über ökologische Zusammenhänge aufgeklärt werden, damit Sinn und Zweck einer solchen Maßnahme verstanden werden können. Ich will das hier einmal versuchen:

   Organischer Abfall ist kein Müll. Aus ihm entsteht bei der Kompostierung Humus, fruchtbarer Boden, der durch den Raubbau an der Natur knapp zu werden droht. Wo Eigenkompostierung nicht möglich ist, wird eine Biotonne aufgestellt. Der organische Abfall landet also auch in der Tonne.

Nun melden sich Ängste: Die Tonne würde, besonders im Sommer, zum stinkenden Brutofen für Würmer, Maden, Bakterien, für alle möglichen Krankheitserreger werden, zumal sie nur alle 14 Tage geleert wird. Und dies würde in Scharen Ratten anlocken.

So wird es sein, wenn große Mengen von Fleisch- und Fischresten weggeworfen werden, wenn wir weiter so maßlos verschwenderisch sind, daß wir uns mehr auftischen, als wir essen können und die Reste nicht einmal verwerten.

Der Hauptgrund: Es wird zu viel Fleisch „produziert". Zu viel Fleisch macht außerdem krank, vor allem Fleisch aus der Massentier- und -fischhaltung.

 

Durch eine maßvolle, gesunde Lebensweise – dazu gehört eine Ernährung mit Lebensmitteln aus ökologisch kontrolliertem Anbau und artgerechter Tierhaltung –  würden wir auch die Krankenkassen entlasten und uns, allen Beitragszahlerlnnen, unnötige Kosten ersparen.