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Unzufrieden mit der Ungerechtigkeit der Wohlstandsgesellschaft, macht sich Andreas Gabriel Klein auf nach Indien, um dort ein besseres und gerechteres Umfeld zu finden, wird jedoch auch dort enttäuscht, kehrt zurück nach Deutschland, nur um erneut das nun auch ungeliebte Indien wiederholt zu besuchen, wobei er beim dritten Besuch endlich das ersehnte Ziel gefunden zu haben glaubt.... Doch wiederum lassen ihn verfehlte indische Politik und Ungerechtigkeit der Inder `seinen Eingeborenen´ gegenüber nicht zur Ruhe kommen. Andreas Gabriel Klein engagiert sich im bewaffneten Kampf nicht nur in Indien, sondern auch in Deutschland, wird letztendlich verhaftet und verbringt etliche Jahre in deutschen Gefängnissen, nachdem er nicht politisch motivierte Überfälle verübte. Klein kehrt nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis erneut nach Indien zurück, um festzustellen, dass seine Eingeborenen sich nunmehr in nichts von den verhassten schwarzen Indern unterscheiden. Der Verbitterte unternimmt einen privaten Rachefeldzug, bei welchem es ihm letztendlich nur noch darum geht, so viele der verhassten Inder als nur irgend möglich, zu `beseitigen´. Erst der unbeabsichtigte Tod eines japanischen Kindes, den Klein zu verantworten hat, lässt Diesen wieder zu sich kommen und er stellt sich den Behörden.....
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die Reisen
Mein Name ist Andreas Gabriel Klein. Ich wurde am 1. Mai 1954 - einem Samstag – in einem Dorf von damals schon recht ansehnlicher Größe, nahe einer Industriestadt, im Südwesten des geteilten Deutschland, geboren.
Meine Vorfahren väterlicherseits waren über mehrere Jahrhunderte ansässig in den Gebieten Böhmen–Mährens, von wo die Familie nach Beendigung des letzten Weltkrieges vertrieben wurde.
Meine Mutter stammt aus guter Familie in einer bekannten deutschen Schuhproduktionsstadt. Ausgebombt, zog ihre Familie in ebendieses Dorf, in welchem ich später das Licht der Nachkriegswelt erblicken sollte.
- Im Alter von etwa drei Jahren galt ich als `Vorzeigekind ́ unseres Dorfteiles; immer adrett gekleidet, Matrosenanzüglein beispielsweise, mit weißem. geplättetem Krägelchen, hochdeutsch sprechend, was damals in dieser Umgegend, woselbst Dialekt das vorherrschende Idiom war, als eher ungewöhnlich galt – und immer nett und höflich , wie von den Eltern erwünscht.
Die Worte : `Bitteschön ́, `Dankeschön ́, gehörten zu meinem üblichen Vokabular. Ich war angehalten, mich nicht schmutzig zu machen; nicht mit jedem Kind der Nachbarschaft Umgang zu pflegen; und da ich als nervöses Kind galt, wurde ich abends früh zu Bett geschickt, was freilich meinen eigenen Interessen widersprach. Ich liebte Bilder– und Märchenbücher und verbrachte mehr Zeit Zuhause, in jenen bunten Schätzen blätternd und mir selbst, aus der Erinnerung, daraus vorlesend.
Bereits vor meiner Einschulung war ich in der Lage, einfache Wörter entziffern zu können und Bücher blieben auch späterhin meine treuen Begleiter und Freunde.
War ich als Kleinkind bereits nervös und unruhig, so verschlimmerte sich dieser Zustand im Laufe der Zeit; ich wurde von Gesichtszuckungen geplagt und dadurch, sowie durch meine Unfähigkeit, den landesüblichen Dialekt wirklich zu beherrschen, zum Ziel des Spottes so mancher Schulkameraden. – Dies war letztendlich nur geeignet, mich noch mehr zum Einzelgänger zu machen, als ich es ohnehin durch die Art meiner Erziehung bereits war.
Immer noch verbrachte ich meine freie Zeit Zuhause, in Bücher versunken, welche mir von der weiten Welt berichten wollten.
`Karl May ́; Seefahrerberichte, Abenteuergeschichten. Dann Reiseberichte; wobei es mich wenig interessierte, ob diese wahr oder erfunden seien.
Die Welt war groß und weit und ich begann zu bedauern, dass ich in so beengten Verhältnissen zu leben hatte.
Etwa ab der sechsten Grundschulklasse begann ich, mir eigene Gedanken über Religion und Glauben zu machen und Zweifel an den Lehren der Christlichen Kirchen wollten sich regen.
Bislang Ministrant und in den Fächern Religion , sowie auch Deutsch, immer Klassenbester, stellte ich dem Gemeindepfarrer, es muss in der Zeit meines Aufenthaltes in der siebten oder achten Klasse gewesen sein, folgende Frage, betreffend des einmaligen Lebens auf Erden – und nachfolgender ewiger Belohnung oder Bestrafung:
„Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Taugenichts als Bruder und Jener käme nach seinem Tode in die Hölle, was ja bedeutet, auf ewig unglücklich zu sein. – Sie hingegen, als guter Mensch und Gottesmann, kommen zum ewigen Glücklichsein in den Himmel. – Wie können Sie, in dem Wissen, dass Ihr Bruder , oder auch sonst irgendein Menschenkind, zu ewigen Qualen verdammt ist, selbst glücklich sein ?“
Der Herr Pfarrer sah mich groß an und ich respektiere ihn noch heute für seine Aufrichtigkeit bei der Beantwortung meiner Frage. Er sagte :
„ Andreas, diese Frage kann auch ich dir nicht beantworten. Ich weiß es einfach nicht. Auf diesen Gedanken bin ich bisher noch nicht gekommen.“
Kein Versuch, auszuweichen; kein: Glaube einfach! Nein! Ich schätze ihn noch heute, den längst Verstorbenen, für dieses einfache und ehrliche „Ich weiß es nicht.“
Halbe Nächte wollte ich nicht schlafen, um Antworten zu finden über das Wie und Warum allen Seins. – Was man mich gelehrt hatte, erschien mir unsäglich ungerecht. Ich, als armseliger, kleiner Mensch, konnte an keinem hungrigen Hund vorübergehen, ohne dass Mitleid mich ergreifen würde; wie konnte dann Gott selbst, als der Übervater alles Lebendigen, seine Kinder dem höllischen Feuer überantworten? Der Gerechtigkeit willen müssten die Gestrauchelten eine neue Chance erhalten und wieder und abermals, bis sie endlich den Ansprüchen genügten.
Wenn Alle von einem Gott kamen, wie konnten dann Welche verlorengehen, anstatt irgendwann zu ihm zurückzukehren...?
Meine schulischen Leistungen ließen zu diesem Zeitpunkt bereits empfindlich zu wünschen übrig.
Der Lehrkörper äußerte sich meiner verzweifelten Mutter gegenüber unisono:
Sie hatten recht. Ich hätte studieren sollen; Jura – oder auch Medizin. Ich selbst interessierte mich mehr für die Musik und Psychologie, doch mein Vater machte mir Vorstellungen, dass er seinem Sohn nicht erlauben würde, wie `Diese Beatles ́ auf einer Bühne herumzuhüpfen. Mein Wunsch, ernsthaft Musik zu studieren, wurde somit begraben und ich beschloss, in der Schule weniger zu tun, um einfach einen Lehrberuf zu ergreifen und so meinen Vater zu treffen.
Meine langen, doch stets gepflegten Haare waren ein anderes, ewig leidiges Thema. Meine Eltern schämten sich deshalb und zwei– oder dreimal lief ich aus Furcht vor dem bestellten Friseur für mehrere Tage von zu Hause weg.
Einen schlotterigen, grünen `Parka ́ deponierte ich außerhalb des elterlichen Hauses, da man mir niemals erlaubt hätte, `wie ein Gammler ́ durch die Gegend zu laufen.
Ich begann nach Abschluss der Schule eine Lehre als Dekorateur und Schaufenstergestalter und kam in dieser Zeit in Berührung mit verschiedenartigen Drogen. Vom Haschischrauchen hielt ich damals nicht besonders viel und lernte bald L.S.D. kennen. Dieses schien wie für mich geschaffen und ich verkehrte mit Leuten, welche die gleichen Standpunkte vertraten wie ich selbst:
Gewaltlosigkeit; Schluss mit dem Vietnam-Krieg; - lasst den Lieben Gott einen Alten Mann sein; nein zum Alkohol – und die Sehnsucht nach einer anderen, - wärmeren, freieren Welt....
Wir waren uns einig in unseren Ansichten; doch Freunde, wahre Freunde fand ich auch hier keine.
Bald wurde ich in den Augen der Gruppe zum Aussteiger; genaugenommen existierte dieser Ausdruck in der damaligen Zeit als Schlagwort noch nicht, doch trifft er sinngemäß zu. Aussteiger war Jeder, der die L.S.D. oder Trips –Gruppe , aus welchem Grund auch immer, verließ.
Ich begann mit Morphiumampullen aus der Apotheke und war schon bald beim Heroin, welches zu jener Zeit noch äußerst sauber und nahezu rein, von amerikanischen Soldaten zu erstehen war.
Ohnehin noch nie ein starker Esser, vergaß ich jetzt manchmal für zwei Tage oder mehr, einfach etwas zu essen und verlor freilich rapide an Gewicht. Doch fühlte ich mich selbst tatsächlich wohl dabei.
In dieser Zeit meiner Lehre erfuhr ich zum ersten mal Etwas über andere Religionen. Ein Buch über Zen-Buddhismus in Japan kam mir – ich kann mich heute nicht mehr an das Wie erinnern – in die Hände.
Freudig erregt stellte ich fest, dass die Lehren des Buddha in etwa meinen eigenen Gedanken entsprachen.
Ich begann, mich in die südasiatischen Religionen zu vertiefen – und ein Entschluss reifte in mir.
– Ich wollte nach Indien gehen; eines Tages wollte ich dorthin.... Es schien mir das Land meiner langjährigen Träume und Phantasien. Ich verschlang alles, was ich an Lektüre über dieses südasiatische Land nur bekommen konnte. Goa galt außerdem als das Drogenparadies schlechthin.
Drogen und Glaube; wie gut passte dies doch zusammen !
Drogen waren mitnichten Mittel zur Betäubung; dies war der Alkohol, sowie die Einstellung der älteren Generation! Drogen waren dazu da, das Bewusstsein zu erweitern oder gegebenenfalls zu verändern.
`Rauschgift ́- welch alberner und herabsetzender Begriff ! Berauscht waren die Älteren und Eltern von den Hetzreden der Nazis; Gift war das erzwungene deutsche Erbe. Drogen sollten uns endgültig davon befreien ! Altes Denken überkommen; neue, friedvolle Wege gehen; endlich den Überfluss unserer Gesellschaft mit den ärmeren Nationen teilen; dies waren Ziele, für die Unsereiner bereit gewesen wäre, zu kämpfen auf die eine oder andere Weise.
Manche taten dies, indem sie sich auszogen, um nackt – als Flitzer – wie sie bald genannt wurden, durch Parks oder auch belebte Straßen zu laufen. Andere nahmen an Demonstrationen teil und prügelten sich mit der Polizei; wieder Andere nahmen gar die Waffe in die Hand, um mit dem Establishment auf blutige Weise aufzuräumen.
Bei uns Drogenleuten war Gewalt gegen Andere verpönt. Die einzige Gewalt, die wir kannten, war die gegen unsere eigenen Körper und gegen unser Leben und unsere Gesundheit.
Keiner von uns hatte die Sehnsucht, in einer solchen Welt sehr alt zu werden. Wir wussten, dass wir, die wir an der Nadel hingen, unsere Körper zerstörten und wir akzeptierten es.
- Mit dem eigenen Tod auf die Missstände der Gesellschaft aufmerksam machen, das war für Manchen von uns erwünschtes Märtyrertum.
Als Symbol für Gewalt galt nicht nur die Atombombe, die Leute wie mich in eine Endzeitstimmung versetzen wollte, sondern schlechthin alles, was in irgendeiner Weise mit `Atom ́ zusammenhing. – So wurden Atomkraftwerke verteufelt und gegen sie demonstriert –
und Proteste wurden nicht mehr nur mit Transparenten bekundet, sondern gewisse Gruppen wollten auch vor Gewalttaten nicht mehr zurückschrecken. Ich selbst war – damals noch – nicht dazu bereit.
Meine Lehre brach ich vorzeitig ab, arbeitete noch etwa ein halbes Jahr als Laborant in einem großen Chemieunternehmen und verließ dann, ohne Wissen meiner Eltern, im Januar 1973 Deutschland, um mir einen anderen Teil der Welt anzusehen und mein Traumziel Goa zu erreichen.
Mit dem Istanbul–Express fuhr ich direkt bis zu der türkischen Stadt am Bosporus, woselbst ich einige Tage verweilte, um dann wiederum mit der Eisenbahn weiter nach Malatya, im Osten der Türkei, weiterzufahren.
Ohne irgendwelche Kenntnisse des Englischen oder sonst einer Fremdsprache war ich aufgebrochen; mit winziger Reisekasse, doch voll-bepacktem Rucksack.
Die Türken erwiesen sich als überaus gastfreundlich und hilfsbereit und ich liebe dieses Volk noch heute dafür. – Ich blieb einige Tage zu Gast bei einer kurdischen Familie, deren Sohn ich im Zug von Istanbul nach Malatya kennengelernt hatte und der auch gerade aus Deutschland zurückgekehrt war, wo er als Gastarbeiter sein Geld verdiente. Er sprach ein recht gutes Deutsch.
Überhaupt fanden sich erstaunlich viele Türken, welche der deutschen Sprache mächtig waren.
Weiter ging es nach Persien – den heutigen Iran. – Noch war der Schah an der Macht; die Straßen waren hervorragend und noch das kleinste Dorf hatte einen mit bunten Lichterketten beleuchteten, mit Blumenrabatten angelegten Dorfplatz, auf welchem die Statue des Reza Pahlevi prunkte.
Man erkannte auf den ersten Blick, dass dies kein armseliges Entwicklungsland war. Benzin war spottbillig – und die Leute hatten Geld.
In Teheran sah man verschleierte Frauen neben ihren modernen, mini-berockten Landesschwestern.
Im `Amir–Kabir-Hotel' stieg ich ab; beliebtes Hippie-Ziel, so wie der `Pudding-Shop ́ in Istanbul Magnet für Meinesgleichen war.
An den persischen Grenzen strenge Drogenkontrollen; doch war man erst einmal im Land, konnte man in Apotheken verschwiegen Morphiumampullen deutschen Fabrikats erstehen.
Überhaupt gab es viele deutsche Waren in Persien. Deutsche Markenschuhe; fabrikneue Lastwagen mit dem bekannten Sternsymbol fuhren im Konvoi von West nach Ost.
Viele Perser sprachen französisch; weniger englisch; leider, da es mir so schwerer wurde, hier die ersten Englischkenntnisse zu erwerben.
Afghanistan. Die Karte vermerkte lediglich zwei Hauptrouten, auf welchen man nach Pakistan gelangen konnte. Ich nahm die kürzere, nördliche.
Wunderliche, bärtige, mit Flinten bewaffnete Männer, von welchen etliche mich an den `Räuber Hotzenplotz ́ aus meinen Kindertagen erinnern wollten.
Noch herrschte der König in Afghanistan, der jedoch noch im gleichen Jahr, ich glaube, September oder Oktober, ins Exil flüchten sollte.
Kabul gab sich in einem oder zwei Hotels westlich orientiert, ansonsten interessantestes Mittelalter.....
Es war eisig kalt und der Schnee lag hoch. Ich musste auf dem Markt Holz kaufen, um in meinem Hotelzimmer den Ofen heizen zu können. Einen weiß-gelblichen Hund, der mir mehrere hundert Meter weit hinterherlief, fütterte ich mit Brot und er folgte mir bis in den Innenhof des Hotels. – Dort trieb er sich dann weiter herum und wurde erneut von mir gefüttert. – Nach Einbruch der Dunkelheit öffnete ich die Zimmertür, welche nach jenem Innenhof lag, um nach meinem neugewonnenen Freund zu sehen und ihn ins warme Zimmer zu lassen.
Er war immer noch anwesend, doch mit ihm auch ein weiteres Dutzend streunender Straßenhunde.
Lachend ließ ich die ganze Bande ein und tatsächlich verhielten sie sich die ganze Nacht über mucksmäuschenstill. Hatte mein vierbeiniger Freund ihnen von dem verrückten Langhaarigen erzählt ?
Ich mochte das frischgebackene, dicke afghanische Fladenbrot, Nan genannt. Es war mit Sesamsamen bestreut und ich bestrich es mit Marmelade oder aß Schafskäse dazu.
Weiter ging es nach Pakistan. Dort waren Polizisten sowie Soldaten sehr freundlich und luden mich des Öfteren zu einem Glas Milchtee ein. In Peshawar lernte ich das`Hamam ́ kennen.
Da es in dem billigen Lodge, in welchem ich übernachtete, kein Badezimmer gab, war ich gezwungen, in ein öffentliches Badehaus zu gehen. Weit entfernt vom Standard eines türkischen Bades gleichen Namens, wurde man in eine kleine Kabine geführt, wo man gegen Bezahlung heißes und kaltes Wasser in einen großen Behälter geleitet bekam. Seife und Handtücher erhielt man gleichfalls.
In Lahore gab es gleich mehrere Anlaufstellen für Touristen meiner Kategorie. Ich mietete mich im `Happy-Inn ́ ein, auf dessen Flachdach allabendlich die mit Haschisch bestückte Wasserpfeife benutzt wurde. – Beim Hotel-Manager konnte man Haschisch oder auch Morphium bestellen – und bekam es dann aufs Zimmer geliefert.
Dort, in jenem Hotel, lernte ich auch das englische `Porridge ́ kennen und aß es jeden Morgen.
Pferde-Tongas waren die Taxis oder Rikschas in Lahore und mir taten die mageren, armseligen Pferdchen sehr leid, die anscheinend mehr von der Peitsche, als vom Futter lebten.
Vor meiner Abreise nach Indien bestellte ich beim geschäftstüchtigen Manager ein Kilogramm Haschisch zum Preis von zehn amerikanischen Dollar. Ich gedachte, dieses in Goa zu verkaufen und so meinen Aufenthalt im 'Gelobten Land' weiter zu finanzieren. Meine Geldmittel waren nun äußerst beschränkt, so dass dies eine willkommene Möglichkeit bot - zumal Touristen aus der anderen Richtung, welche sich also auf dem Heimwege befanden, berichteten, dass Haschisch in Goa bedeutend kostspieliger sei als in Pakistan. –
Der Grenzübergang nach Indien, welcher nur an ein oder zwei Tagen in der Woche geöffnet war, sei so überlastet, dass eingehende Kontrollen unmöglich seien und somit die Chancen gut stünden, unkontrolliert die Schmuggelware über die Grenze bringen zu können....
Das in eine Plastikfolie verpackte Haschisch bekam seinen Platz unterhalb des Bauchnabels in meiner Hose. – Es handelte sich dabei um vier gepresste Platten grünen, pakistanischen Haschischs, welches außerordentlich ölhaltig war. Dieser Umstand sollte später in Goa leider den Verkaufspreis empfindlich nach unten drücken.
Der Übergang in den indischen Punjab verlief tatsächlich ohne jegliches Problem und befreit konnte ich aufatmen.
Amritsar; Besuch im `Goldenen Tempel, ́ dem Heiligtum der Religionsgemeinschaft der `Sikh ́, welches viele Jahre später zu traurigem Ruhm gelangen sollte!
Nach zwei oder drei Tagen ging es weiter nach Delhi; von da aus nach Bombay. –
Diese Stadt war unbeschreiblich. Einerseits die imposanten Gebäude aus der britischen Kolonialzeit; andererseits ein unsägliches Konglomerat von Dreck, Lärm und Gestank ! Bettler mit verdrehten Gliedmaßen;
Hunde mit von der Eisenbahn abgefahrenen Beinstümpfen; frei im Taxi– und Busverkehr laufende Zebu-Rinder....
Wollte ich eine vielbefahrene Hauptstraße überqueren, so brauchte ich nur eine Kuh vor mir her über die Straße zu treiben; sofort stand der Verkehr still. Für mich alleine hätte man nicht gebremst.
Ich mochte weder die Stadt, noch die in ihr lebenden Menschen, was auch bis heute so geblieben ist.
Mit einem Küsten–Passagierschiff fuhr ich nach Panjim in Goa. Wir legten am Morgen in der goanischen Hauptstadt an und ich nahm einen Überlandbus nach Calangute. – Calangute war einer von drei oder vier Stränden, an welchen sich die Hippies und Globetrotter aus aller Welt trafen, um L.S.D.–Partys bei Vollmond zu feiern und ansonsten allen erdenklichen Drogen und Sonne und Meer zu frönen.
Für mich war Alles neu, exotisch und morphium–vernebelt angenehm–schön.
Ich mietete ein Häuschen am Strand, aß Opium, spritzte Morphium – dann wieder Heroin; verkaufte mein mitgebrachtes Haschisch zu leider niedrigerem Preis, als erhofft – und musste irgendwann beginnen, mitgebrachte Utensilien wie Fotoapparat, Kassettenrekorder, Ledergürtel und Ähnliches, zu verkaufen, um mich weiterhin zu finanzieren.
Mit der Zeit kam die Gewöhnung an das anfänglich Neue und Schöne und andere Dinge zogen mein Augenmerk auf sich. Diese waren weit weniger schön zu nennen.
Wir aus dem Westen waren dabei, eine Kultur zu zerstören. Nacktbaden, öffentlicher Sex am Strand; dies Alles widersprach der goanischen Denkungsart und würde, so meine Befürchtung, zu nichts Gutem führen.
Indische Touristen kamen von überall her, um die Nackten zu bestaunen – und ich begann, mich für das, was Meinesgleichen hier an den Tag legte, zu schämen....
Noch vor Ablauf meines Drei–Monats–Visums fuhr ich nach Bombay und bat beim Deutschen Konsulat um meine Rückführung nach Deutschland, welche auch bewilligt wurde.
Die Wartezeit auf den Flug verbrachte ich im ungeliebten Bombay, was mich nur in meinem Entschluss bestärkte: Nie wieder Indien! In Goa litt ich an Hepatitis; danach durch verschmutztes Brunnenwasser an der Ruhr; Alles in Allem keine allzu erfreulichen Erinnerungen also und ich freute mich allen Ernstes auf das saubere Deutschland. –
April. – Später Schnee und elend kalt. Ich stand bei Frankfurt auf der Autobahn, braungebrannt, die Haare bis in den Rücken reichend, nur mit einer dünnen indischen Leinenhose, ebensolchem, offenen Leibchen nebst Sandalen bekleidet und fror mir die Seele aus dem fast nur noch aus Haut und Knochen bestehenden Leibe.
Eine erstaunte, mitleidige Geschäftsfrau ließ mich in ihren Wagen einsteigen, um mich fast bis zu meinem gewünschten Ziel zu bringen.
Im Elternhaus erst einmal wieder aufgepäppelt, ließ ich auch, nach mehrtägigen Schweißausbrüchen, Magenkrämpfen und anderen Entzugserscheinungen, die Finger von der Spritze.
Ich suchte mir eine Arbeit als Lagerarbeiter, erneuerte eine frühere Beziehung zu einem Mädchen und blieb bis 1975 im Lande....
Meine Eltern fuhren in Urlaub und ich sollte sie begleiten, was mich allerdings in keinster Weise ansprechen wollte. Ich packte wieder meinen Schlaf– und Rucksack zusammen und machte mich heimlich auf, um nach Marokko zu gelangen.
In Marseille übernachtete ich mit einem Fremden in einem billigen Hotelzimmer und habe bis heute nur noch eine verschwommene Erinnerung an den Versuch dieses Fremden, meine Armbanduhr zu stehlen.-
Ich fuhr weiter nach Spanien und spürte irgendwann, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte:
- Ich hatte niemals spanisch gelernt und glaubte dennoch, zu verstehen, was die Menschen sprachen. Nach ein oder zwei weiteren Tagen wurde ich von Wahnvorstellungen befallen und war mir sicher, dass die Menschen mich beschimpften. – Sah ich direkt in Deren Augen, so hörten sie mit den Beschimpfungen auf.
- In der Wartehalle eines Bahnhofes sitzend, hörte ich aus den Lautsprechern die Stimme des Teufels selbst – und ich kann versichern, dass ich weder zuvor noch später in meinem Leben eine solch hässliche, abstoßende und widerwärtige Stimme vernommen habe.....
Irgend etwas in mir wehrte sich dennoch gegen die Vorstellung, besessen zu sein und nach mehreren schlaflosen Nächten, in welchen ich von dieser und auch anderen Stimmen heimgesucht wurde, auch am Tage verließen sie mich nicht, beschloss ich, zurückzukehren und in Deutschland ärztliche Hilfe zu suchen.
Von diesem gleichen Moment an war ich frei von jenem mich unsäglich ängstigenden Phänomen und ich habe bis zum heutigen Tage noch keine befriedigende Erklärung dafür gefunden. –
Lange Zeit schon hatte ich keine Drogen mehr genommen und der Vorfall in jenem Hotelzimmer in Marseille fiel mir erst nach vielen Jahren wieder ein; doch bin ich mir auch heute noch nicht gewiss, ob man mir damals irgendein Mittel einbrachte, um mich zu berauben....
Ich kam zurück in die elterliche Wohnung, wusch alle meine Kleidung in der Waschmaschine und hing sie zum Trocknen auf den Dachboden.
Geld hatte ich keines mehr. – Nichtsdestotrotz entschloss ich mich, zurück nach Indien zu fahren.
... Erinnerung trübt sich mit der Zeit und vergessen war mein: `Nie wieder Indien ! ́
- Meine gewesene Freundin fuhr mich auf meine Bitte zum Autobahnzubringer einer benachbarten Stadt. Auf ihre Frage nach meinen finanziellen Mitteln, musste ich eingestehen, dass ich ohne auch nur einen Pfennig war. Sie erklärte mich für verrückt, gab mir alles Geld, was sie mit sich führte - es waren fünfzig Mark – und wies mich an, auf sie zu warten; sie wolle zur Bank fahren und Geld für mich abheben. Ich versprach dies jedoch nicht, sondern erklärte, dass ich, sollte sich eine Mitfahrgelegenheit ergeben, ich diese ergreifen und in jedes Fahrzeug, welches für mich anhielte, einsteigen würde.
Tatsächlich hielt bereits das dritte oder vierte Auto und ich lud meinen etwa 75 kg schweren Rucksack ein und war unterwegs...
Zuletzt hatte ich, nach meinem Job als Lagerarbeiter, als Gerüstbauer gearbeitet und war somit außerordentlich kräftig, so dass es mir möglich war, dieses doch nicht gerade geringe Gewicht auch über eine längere Strecke zu tragen.
-- Mit fünfzig Mark nach Indien. Man mag mich vielleicht für einen Spinner oder schlimmer noch – einen Lügner halten - doch hatte ich soviel Gepäck auch aus dem Grunde mitgenommen, um beispielsweise Jeans, welche in Indien, außer in Goa und Bombay, noch weitgehend unbekannt und nicht erhältlich waren, zu verkaufen. Außerdem befand sich ein Fotoapparat sowie eine ganze Sammlung von Ledergürteln in meinem Gepäck, welche ebenfalls zum Verkauf bestimmt waren.