Deutsche Fliegergeschichten - Dieter Flohr - E-Book

Deutsche Fliegergeschichten E-Book

Dieter Flohr

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Beschreibung

Diese Edition ist eine Zusammenstellung von Beiträgen für den Fliegerkalender, die in den vergangenen 30 Jahren erschienen sind. Die Palette reicht von Otto Lilienthal und seinem Museum in Anklam über den ersten Deutschen Motorflug des Hans Grade, den Einsatz deutscher Zeppelin-Luftschiffe im Bombenkrieg über England, die Entwicklung der Luftfahrt in Deutschland durch Ernst Heinkel und Hugo Junkers und Pabst von Oheim, dem Erfinder des Strahltriebwerks bis zur Nachkriegsentwicklung der militärischen Luftfahrt speziell in der DDR und dann im wiedervereinigten Deutschland.

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Inhalt:

Vorbemerkungen

Der Ikarus von Vorpommern

Der erste deutsche Motorflug

Mit den Fliegenden Kisten zum Ostseestrand

Fokker in Schwerin

Fliegertod in Feuerland

Flugzeuge aus dem Seebad

Marineluftschiffe im I.Weltkrieg

Sucht des Fliegens (Rechlin)

Der Land- und Wasserflugplatz Warnemünde Hohe Düne

Ernst Heinkel und Rostock

Bomben auf Rostocks Innenstadt

Legion Condor in Spanien

„Katapultieren Sie“

Das Stalag Luft I in Barth

Flight Lieutenant Shores Flucht aus dem Fliegerlager Barth

Der „Volksjäger“ He 162

Nachtjagd

12000 Piloten aus Seenot gerettet

Von Rostock in die Welt: Hans Pabst von Ohain

Operation Revivel

Die Fakultät für Luftfahrtwesen in Rostock 1952/53

Marinehubschraubergeschwader der Volksmarine

Luftzwischenfall im Kalten Krieg

Flugschicht

Flugmaschinen überM/V

Realität und Verklärung (Peenemünde)

Die Magie des Flugtrainings über Rostock

Der Fliegerhorst Laage

Institut für Flugmedizin

Halbinsel Wittow

Die Luftwaffe der NVA

Testpilot Peter

Die Su 22 in Laage

Literatur

Vorbemerkungen

Die Mehrzahl der in diesem Buch zusammen getragenen Artikel wur-den in den letzten 20 Jahren für den Fliegerkalender des Verlages Mittler & Sohn verfasst und auch dort erstmals veröffentlicht. Da der Leserkreis dieses Almanachs aufgrund der etwas teuren Edition doch ziemlich eingeschränkt ist, bin ich als Autor davon ausgegangen, dass eine Zusammenfassung aller bisher geschriebenen Fliegergeschichten für Sympathisanten der Luft und Raumfahrt Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus von Interesse sein dürfte. Erfasst diese Sammlung doch vor allem die historische Entwicklung des Flugwesens und der Raumfahrt im Norden Deutschlands, speziell an der Ostseeküste und an den großen Binnenseen Mecklenburgs. Tat-sächlich ergibt sich im vorliegenden Band ein faszinierender Überblick über das Flugwesen von seinen Anfängen durch die Pommern Otto Lilienthal und Hans Grade, den Ereignissen im und nach dem I. Weltkrieg, dem Aufbau der Luftfahrtindustrie durch Ernst Heinkel und ARADO in Mecklenburg und Rostock, dem Aufbau der NVA-Luftstreitkräfte im Norden bis zur Stationierung und Erprobung des Eurofighters in Laage-Kronskamp durch die Luftwaffe des Bundes

Rostock im Januar 2024

Der Ikarus aus Vorpommern

Otto Lilienthal machte das Fliegen möglich

Die Berliner nennen ihn einen der Ihren. In München nimmt er einen ehrenvollen Platz im Deutschen Museum ein. Wien, Washington, Moskau, Berlin, Dresden und London, überhaupt alle Luftfahrtmuseen dieser Welt und natürlich die einschlägige Fachliteratur ehren den Ingenieur aus Anklam als den Mann, der als Erster einen uralten Traum der Menschheit verwirklichte und das Fliegen des Menschen möglich machte. Man mag einwenden, dass der Maschinenbau-Ingenieur und Unternehmer eigentlich nur Luftsprünge zwischen 15 und 250 Metern schaffte und das auch nur im Gleitflug von einer erhöhten Position aus. Doch unbestreitbar ist, dass Otto Lilienthal als erster Mensch der Welt das Fliegen auf ingenieurtechnische und damit wissenschaftliche Grundlage stellte. Der Weg der Erkenntnis war lang. Mehr als zehn Jahre experimentierte er, führte mit einfachen Versuchsanordnungen Messungen durch, baute tragende Flächen aus Weidenstöcken und Leinwand, die er vor allem den Störchen seiner Heimat nachempfand und gab ein sensationelles Buch heraus. Erst dann probierte er selbst immer wieder seine noch einfachen Flug-apparate aus. Er war Konstrukteur, Testpilot und Werbefach-mann für das Fliegen. Lilienthal aber hatte mit seinen Experimenten seine wohl größte Leistung geschafft: Das Tragflächenprofil war entdeckt. Es ist die nach oben gewölbte Fläche, die im vorderen Bereich eine abgerundete Verdickung besitzt und nach hinten flach ausläuft. Wird dieses Profil von Luft angeströmt, verdichten sich über der Wölbung die Luftmassen, strömen schneller darüber hinweg, wodurch von unten ein Druck entsteht, der faktisch den Auftrieb bewirkt. Nicht lösen konnte er zu seiner Zeit das Problem des Vortriebs und der zuverlässigen Steuerung seines Flug-apparates. Doch er bewertete seinen Gleitflug auch immer nur als Vorstufe des richtigen Fliegens, das nach seiner Auffassung zum ewigen Frieden der Welt, zum Zusammenrücken der Völker und zur einheitlichen Weltsprache führen würde. Den Brüdern Wright ist es dann im Jahre 1905 gelungen, den Motorflug entwickelt zu haben, d.h. das Problem des Vortriebs eines Flugapparates gelöst zu haben. Und ihre zweite Leistung lag in der Erfindung einer einfachen Steuerung. Damit konnten sie die Enden der flexiblen Tragflächen ihres Doppeldeckers ein wenig heben oder senken. Und das erlaubte ihnen schließlich Kurven zu fliegen und sogar achtförmige Kurse. Das war der Durchbruch des eigentlichen Fliegens. Dennoch bezeichneten sich die Wrights immer als Schüler Otto Lilienthals.

Das Otto Lilienthal Museum in Anklam

Es war wohl die Gunst der Stunde, die die Anklamer Bürgerschaft unmittelbar nach der politischen Wende in der DDR dazu führte, mit großem Aufwand und organisatorischem Geschick ihrem großen Sohn ein ganzes Museum zu widmen. Der Leiter Dr. Bernd Lukasch kommt ins Schwärmen, wenn er die Aufbaujahre seit 1991 schildert Dr. Lukasch ist Physiker, also als Leiter eines technischen Museums geradezu prädestiniert. „Heute“, so lächelt der energiegeladene Wissenschaftler feinsinnig, “haben wir über Otto Lilienthal mehr zu bieten als das Deutsche Museum München, mehr als Berlin oder Dresden zeigen könnten. Wir offerieren nicht nur die Nachbauten aller elf (insgesamt sollen 14 Modelle angedacht gewesen sein) von Otto Lilienthal entworfenen Flugzeuge, sondern auch Nach-bauten seiner Messvorrichtungen, eine umfangreiche Dokumentensammlung und vor allem eine einzigartige Fotosammlung über seine zahlreichen Starts, die uns eines Tages aus Familienbesitz zu flatterte und dem Museumsleiter zunächst die Sprache verschlug. Die Enkelin Otto Lilienthals, Frau Arens-Kröger aus Itzehoe kam und fragte nach, ob das Museum die 137 Fotos gebrauchen könnte. Ein Glücksfall also. Aus Australien bekam das Lilienthalmuseum eine originale einzylindrische Kleindampfmaschine Baujahr 1889, Nr. 137, die seinerzeit serienmäßig für Werkstätten und einzelne Maschinen im Unternehmen Lilienthal hergestellt worden waren. Sie funktioniert bis heute.“ Das Museum besuchen inzwischen jährlich 20 000 Besucher. Aber weit mehr Besucher loggen sich via Internet unter www.lilien-thal.de ein und profitieren von der einzigartigen aufbereiteten Dokumentation.

Neben der sehenswerten didaktisch gegliederten und gestalteten Präsentation im Steinhaus und seinem gläsernen

Nachgebaute Modelle Otto Lilienthals

Anbau, der 1996 eröffnet wurde, ist der Internetauftritt und die weit-sichtige Öffentlichkeitsarbeit das Verdienst der kleinen Crew um Dr. Lukasch. Der Physiker hat zahlreiche Bücher und Artikel geschrieben, schaut sich aufmerksam in der „Fliegerszene“ um und hat so manche Sachzeugnisse, Briefe, Modelle und Erinnerungsstücke an Otto Lilienthal nach Anklam geholt. Eine der Überraschungen, die das Museum bietet, ist die ganzheitliche Vorstellung der Personen Otto Lilienthals und seines Bruders Gustav, der zumindest in der Frühperiode der Flugversuche großen Anteil am Erfolg des Flugpioniers hatte. Das Anklamer Museum publizierte den flugtechnischen Briefwechsel 1993.

Zu den in der Literatur genannten unterschiedlichen Zahlen der Lilienthalflugzeuge sagt Dr. Lukasch: „Es gibt keine ordentliche Zahl. Selbst die Anzahl der Modelle ist nicht genau bekannt. Man nummeriert sie inzwischen auch nicht mehr, weil z. B. ein "mittelgroßer Doppeldecker" über Jahrzehnte in München ausgestellt war, von dem man heute weiß, dass es ihn nicht gab. Er war nur falsch aus dem großen und kleinen zusammengesetzt. Es gibt einen "großen Eindecker" der wohl nie gebaut wurde, aber entworfen worden war usw. Wenn man nach unserer Liste geht (da ist alles drin, was man heute weiß)) würde ich von neun geflogenen Modellen ausgehen. Neun Exemplare wurden vom Normalapparat für Käufer gebaut (das wären dann 18), mindestens zwei weitere Konstruktionen sind wohl nicht mehr geflogen worden. Die Modelle sind aber auch nicht unabhängig voneinander und wurden möglicherweise "umgebaut". Vom erhaltenen "Sturmflügelapparat" sind nur Fotos als "kleiner Doppeldecker" überliefert.

Das Phänomen Lilienthal

Wer war nun dieser Otto Lilienthal? Otto Lilienthal wurde am 23. Mai1848 in Anklam geboren. Der Vater war Tuchhändler, doch die Zeiten waren infolge der bürgerlichen Revolution nicht gerade günstig für Geschäfte. Otto war der Älteste von insgesamt acht Kindern. Fünf von ihnen starben früh. Die Familie plante, es vielen Mecklenburgern und Pommern gleich zu tun und nach Amerika auszuwandern. Der Plan zerschlägt sich. Otto besucht die Schule, dann das Gymnasium in Anklam, das 1847 eröffnet worden war. Mit seinem Bruder Gustav verbringt er viel Zeit in der Umgebung Anklams und beobachtet die noch weitestgehende Natur. Be-sonders die zahlreichen Störche mit ihrem majestätischen Flugerhalten haben es den Brüdern angetan. Sie bauen sich Flügel und versuchen von Anhöhen laufend es den Vögeln gleich zu tun. Allerdings ohne Erfolg. Es ist die Zeit der industriellen Revolution. Die Lilienthalbrüder werden von der Technik magisch angezogen. Otto besucht die Provincial-Gewerbeschule in Potsdam. Danach schreibt er sich an der Königlichen Gewerbe-Akademie in Berlin ein, der späteren Technischen Hochschule. In Lichterfelde bei Berlin gründet er einen Maschinenbaubetrieb. Er produziert Dampfmaschinen, Dampfkessel, Kraft-maschinen und erwirbt 50 Patente. 2004 wurde im Freiberger Archiv entdeckt, dass bei Lilienthal sogar eine Schrämmmaschine für ein sächsisches Bergwerk entstand und zum Einsatz kam. Es werden auch Spielzeuge bei den Lilienthals entwickelt, so der noch heute bekannte Steinbaukasten und ein Montagekasten aus gelöcherten Holzleisten, ein Vorläufer des späteren Stabilbaukastens. Lilienthal ist Theaternarr und fungiert als Vertreter der Direktion am Ostsendtheater, dem späteren National- oder Rose-Theater Er schreibt 1896 sogar ein Bühnenstück und bringt das Drama von Gerhard Hauptmann „Die Weber“ zur Aufführung. Er entwickelt Reform-ideen für den Haus- und Siedlungsbau sowie die Wirtschaft und führt sogar 1890 die Arbeitnehmer-Gewinnbeteiligung in seinem Betrieb ein. Danach erhalten seine Arbeiter 25 Prozent des erzielten Gewinns. Lilienthal, ein Vordenker, auch auf diesem Gebiet.

Sein Traum vom Fliegen aber begleitet ihn stetig. Er beobachtet, zeichnet, baut einfache Versuchsanordnungen, bastelt Flügel und testet sie. 1889 legt er schließlich ein Buch vor: „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“. Er betrachtet dies als Abschluss seiner theoretischen Vorarbeiten und Ausgang des praktischen Flugzeugbaus. Und das Buch schlägt ein. Auch im Ausland, nachdem es in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Seine wichtigste Leistung ist die durch zahlreiche Auftriebsmessungen an verschiedenartig geformten Tragflügeln gefundene Grundform der Tragfläche. Dies müsse, wie er darlegte, nach oben gewölbt sein, wobei die Vor-derseite verdickt sein und der Flügel nach hinten flach auslaufen müsse. Lilienthal hatte nachweisen können, dass ein solcherart gestaltetes Flügelpaar von ausreichender Größe mehr als das Gewicht eines Mannes in der Luft tragen kann. Außerdem stellte er 30 Regeln für die Konstruktion eines Flugapparates auf

Lilienthal an seinem künstlichen Fliegeberg

1891 testet er bei Dervitz seinen ersten Gleitflugapparat. Und tat-sächlich hält ihn dieser im gleitenden Flug 15 Meter in der Luft. Damit ist auch die grundlegende Flugzeugform gefunden, die im Prinzip bis heute gilt: Gewölbte Flügel, also Tragflächen, eine Schweif , zwei nach achtern ragende Flächen (später Höhenleitwerk) ein Seitenleitwerk, eine Höhenflosse, einen Prellbügel zum Schutz des Piloten und ein Gestellkreuz für den Flieger, mit dem er darin sitzend mit den Armen und Füssen die wechselnden Winde ausbalancieren musste. Dieses Grundmodell baute Lilienthal immer wieder um. Mit dem so genannten Normalapparat gelingen ihm 1893 beim Dorf Rhinow vom 95 Meter hohen Hauptmannsberg Gleitflüge bis 250 Meter.Insgesamt führt der Flugpionier über 2000 Flüge aus. In Lichterfelde bei Berlin lässt er aus Abraum einen 15 Meter hohen Hügel aufwerfen. Es ist sein „Fliegeberg“. Hier startet er meist unter Beobachtung zahlreicher Berliner, die Beifall spenden bei langen Flügen und Pfeifen, wenn diese zu kurz ausfallen. Immer aber sind Fotografen dabei, vor allem Ottomar Anschütz, der 1890 den Jalousieverschluss ( Schlitzverschluss ) an seiner in der Firma Optische Anstalt C.P. Görz produzierten Platten-Lichtbildkamera erfunden hatte und 1893 bei vielen Flugversuchen dabei ist. Ihm sind die meisten der gestochen scharfen Momentaufnahmen der Flugversuche zu verdanken. Die Presse veröffentlicht fast ohne Zeit-verzug zahlreiche Flugfotos, auch Blätter im Ausland, in Frankreich, Russland und in den USA. Die Erfindung der Autotypie und die Möglichkeit, Klischees herzustellen, hatte dies möglich gemacht. Lilienthal hat zahlreiche Nachahmer und erhält neugierigen Besuch aus dem In- und Ausland. Sogar der russische Flugpionier Shukowsky kommt nach Berlin. Er korrespondiert mit zahlreichen Persönlichkeiten.

1895 geht sein Normalsegelapparat in seinem Berliner Werk in den Serienbau. Damit hat Lilienthal auch ein der ersten Flugzeugfabriken geschaffen. Es gibt Verkäufe nach England, in die USA, nach Frankreich, Irland, Österreich und in die Schweiz. Doch Lilienthal will mehr. Er will auch das Problem des Antriebs lösen und setzt auf den Schwingenflug. Dazu baut er einen kleinen mit Kohlensäuregas getriebenen Motor ein, der die Flügel in Vibration bringen soll. Zur Ausführung kommt das Projekt nicht mehr. In seinem Urlaub startet Otto Lilienthal am 8. August 1896 bei Stölln vom Gollenberg ein letztes Mal.Während des Gleitfluges erfasst ihn eine Böe und wirft den Flugapparat in die Höhe bis dieser in der Luft zu verharren scheint. Dann kippt das Gerät über die rechte Tragfläche ab und stürzt wie ein Stein aus 15 Meter Höhe zu Boden. Der schwer verletzte Lilienthal wird in die Königliche Klinik in der Berliner Ziegelstraße eingeliefert und stirbt am folgenden Tag. Die offizielle Diagnose ist Bruch des Halswirbels. Heute vermutet man aber eher eine nicht entdeckte Blutung im Gehirn als Todesursache. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: „Opfer müssen gebracht werden!“ Bruder Gustav, wie auch die Ehefrau sowie vier Kinder sind verständlicherweise hoch bestürzt. So ist erklärbar, dass sofort sämtliche Materialien, selbst halbfertige Flugapparate in das Heizhaus des Unternehmens gebracht und ins Feuer geworfen wurden. Ob auch eine polizeiliche Untersuchung drohte, für die es keine Beweise geben sollte, wird ebenfalls vermutet. So ist es erklärbar, dass es heute nur noch fünf originale

Lilienthals Flugzeug nach dem Todessturz auf dem Werksgelände

Flugapparate bzw. Teile davon aus der Hand Otto Lilienthals gibt. Was erhalten wurde sind Verkaufsexemplare, die in die Museen gelangten. In Wien und München werden einige Originalteile gezeigt.

Alles andere, auch die Flugzeuge in Anklam sind originalgetreue Nachbauten. Das wiederum mag auch reine Materialgründe gehabt haben. Denn Otto Lilienthal baute seine Apparate aus Baumwollstoff und Weidenstöcken, die kaum ewig halten konnten. Dennoch waren seine Flugapparate wahre Meisterwerke des Leichtbaus. Ein 20 Kg schwerer Apparat konnte somit mit dreifacher Sicherheit einen 80 kg schweren Mann ohne weiteres tragen. Der Amerikaner Robert W. Wood schrieb seinerzeit: „Die Maschine war so ausgezeichnet montiert, dass man keinen losen Draht finden konnte, der Baumwollstoff hatte so viel Spannung, dass er beim Klopfen mit den Fingerknöcheln wie eine Trommel klang... Ihr Konstrukteur war ein befähigter Ingenieur, und sie (die Maschine) verkörperte die Ergebnisse langjähriger erfolgreicher Flugversuche.“ Lilienthal bestätigte 100 Jahre zurückliegende Berechnungen des Wissenschaftlers Meerwein über die Mindestgröße eines menschentragenden Flügels, die er mit 12 Quadratmetern angab. Die Flugapparate Lilienthals hatten zwischen 10 und 17,5 Quadratmeter Fläche. Und Segelleinwand und Holz-leisten wurden selbst noch im Ersten Weltkrieg im Flugzeugbau eingesetzt. Das Ganzmetallflugzeug musste noch viele Jahre warten.

Das Museum

Anklam und seine Bürger haben Otto Lilienthal nicht vergessen. Schon 1910 erhält das Geburtshaus eine Gedenktafel. 1925 wird der originalgetreue Nachbau eines Gleiters in Auftrag gegeben und erhält im Heimatmuseum einen Ehrenplatz. Bruder Gustav wurde um eine Begutachtung gebeten und der bestätigte die Korrektheit des Nachbaus. Als 1978 der erste deutsche Kosmonaut Siegmund Jähn mit seinem Partner Waleri Bykowski die Lilienthalgedenkstätte besuchten, regen sie die Einrichtung eines ganzen Museums an. Die Vorarbeiten beginnen tatsächlich 1989 und 1991 kann es schon der Öffentlichkeit übergeben werden. 1996 folgt ein gläserner Anbau, der nun alle Flugapparat Lilienthals und seine Versuchsanordnungen aufnimmt. Seit der Eröffnung beginnt eine rege Forschungsarbeit, vor allem nicht erhaltenen Flugapparate wurden nach Auswertung von Schriften und Zeichnungen wieder hergestellt. Es erhielt für seine Arbeit den Titel: „FAI recognized Museum“ (1996). Die FAI , also die 1905 gegründete internationale Luftsport-Organisation, verleiht diesen Titel, der mit „anerkanntes Museum" zu übersetzen wäre.

Davon gibt es inzwischen fünf Museen in Deutschland. Im Jahre 1999 erhielt das Lilienthalmuseum Anklam als erstes ostdeutsches Museum den Titel: „ Museum of the Year Award Special Commendation“. Es gibt jedes Jahr einen "European Museum of the Year Award" ("Museum des Jahres"), den "Europäische Museumsforum (EMF)" verleiht.. Neben dem Hauptpreis gibt es ein paar "Nebenpreise" also "Special Commendation" (besonderes Lob).

Schon wenn man das Gebäude unweit des Anklamer Bahnhofes betritt, empfängt einem die freundliche Atmosphäre. Ein kleines Cafe‘ lädt ein zum Verschnaufen. Zahlreiche Modelle zeugen vom ewigen Traum des Menschenfluges. Voller Stolz zeigt Bernd Lu-kasch eine Sammlung von Flugapparaten und Ballons, mit denen das Sandmännchen allabendlich per Television in die guten Stuben kam, um die Kinder ins Bett zu schicken. Darunter ist auch ein Lilienthalgleiter. Mit großer Liebe sind auch zahlreiche Modelle gefertigt, die in der Zeit des französischen Visionärs und Schriftstellers Jules Verne zum Thema Menschenflug entstanden. Auch Drachen sind dabei, Modelle von Drachenfliegern und Lenkfallschirmen. Auch sie zählen zum Erbe Otto Lilienthals.

Einige Väter zeigen ihren Kindern einfache physikalische Versuche. Ein Ball tanzt auf einem Luftstrom. Eine nachgestaltete hölzerne Taube bewegt sich mit eingebautem kleinem E-Motor flügel-schlagend nach vorn. Man spürt den Luftstrom, der sich dabei nach hinten entwickelt. „Vielleicht kommt ja der Schwingenflug mal wieder“, sagt Bernd Lukasch. „Er würde sehr zum Umweltschutz und zur Treibstoffersparnis beitragen, wenn er nur mechanisch gelöst würde. Es gibt ernsthafte Versuche von namhaften Konstrukteuren und eigentlich würde ja nur eine gewisse Vibration genügen, um den Vortrieb auszulösen. Alles andere macht dann die Strömung um die Tragflächen und der Auftrieb.“In Endlosschlaufen flimmern Videofilme über das Leben und Schaffen Otto Lilienthals und die Flugversuche schlechthin. Sitz-bänke laden die Betrachter zum Ausruhen ein. Faszinierend natürlich die gläserne Halle mit den original rekonstruierten Flugapparaten Lilienthals. Es ist, als ob sie den Besucher noch heute umschwirren. Auf einem der Videos berichtet der damalige Techniker Otto Lilienthals, Paul Beylich, über den letzten Flug seines Dienstherrn. Die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1965. Paul, der auch als „Erster Flugmechaniker der Welt“ bezeichnet wird, sagte später, dass wohl nach seiner Einstellung bei Lilienthal kein Flugversuch stattgefunden hätte, bei dem er nicht dabei war. Lilienthal hat ihn als jungen Mann (der am Fliegeberg wohnte) eingestellt, wohl ausschließlich für die Fluggeräte. Er hat auch den Fliegeberg mit gebaut. Er war auch Monteur, Lagerverwalter und Assistent, also so etwas wie Bodenpersonal. Aus seinem Bericht wird deutlich, was eigentlich passiert war. Durch die Böe und das Verharren des Gleiters in der Luft gab es plötzlich keinen Auftrieb mehr. Dieser entsteht ja erst durch die mit einiger Geschwindigkeit um die Tragflächen gleitende Luftströmung. Wenn diese abreißt oder durch Steuerfehler unterbrochen wird, wirkt unweigerlich die Erdanziehungskraft und der Apparat stürzt trudelnd zu Boden.

Genau dies war Otto Lilienthal passiert. Er stand ja noch ganz am Anfang der Fliegerei. Das Fliegen von Kurven, die Rückkehr zum Ausgangspunkt hatte er noch nicht lösen können. Alle Ausgleichssteuerungen bei widrigen Windeinflüssen musste er noch mit dem ganzen Körper, also mit dem Bewegen der Beine ausgleichen. Er war auf günstige Windverhältnisse angewiesen. Otto Lilienthal hatte zwar durch seine Überlegungen, Beobachtungen und Versuche die günstige Form des Tragflügels gefunden, nicht aber dessen optimale Steuerung im Flug. Hinzu kommt, dass weder die Flugmenschen vor ihm noch die nach ihm kamen, die bereits durch Euler, Bernoulli und Venturi erkannten Verhaltensweisen von strömenden Flüssigkeiten und Gasen in Kanälen oder an umströmten Körpern auf das Flug-objekt anwandten. Schon gar nicht erkannte man die verhängnisvolle Wirbelbildung hinter bewegten Körpern. Aber diese tritt besonders bei steil angestellten Flächen in strömender Luft auf und lässt die tragende Strömung abreißen. Erst in den großen Windkanälen der zwanziger und dreißiger Jahre, zum Beispiel bei Junkers und Heinkel aber auch an der Universität Göttingen, gelang es die Gesetze der Strömung um das Tragflächenprofil und die gefährliche Wirbel-bildung sichtbar und deren Auswirkungen verständlich zu machen.

Es ist schon kurios, dass die Gesetzmäßigkeiten des Auftriebs an der gewölbten Fläche über Jahrhunderte nicht erkannt wurden. Dabei wurden sie ja angewandt, zum Beispiel bei der Windmühle und vor allem in der Seefahrt. Der Seemann wusste, dass er die Segel so stellen musste, dass der von seitlich vorn streichende Wind auf diese traf, sie zur Wölbung zwang und damit das Schiff mit prallen Segeln schräg gegen den Wind kreuzen konnte. Er musste also nicht mehr wie zu Zeiten der Hanse direkt von achtern blasen, um das einzige Segel der Kogge zu füllen. Aber die Tragflächentheorie kannten selbst die erfahrensten Kapitäne nicht.

Der Vollständigkeit sei aber angemerkt, dass jedes Tragflächenprofil der jeweiligen Flugzeugkonstruktion und dessen Geschwindigkeit angepasst werden muss. Ein Sportflugzeug dürfte ein anderes Profil haben, als ein Überschalljäger. Und bei allen Flugzeugen gilt nach wie vor: Ein Strömungsabriss darf weder durch Fehler in der Steuerung oder durch zu geringe Fluggeschwindigkeit eintreten. Der Absturz wäre auch heute noch die Folge. Dafür gibt es genügend Beispiele wie zum Beispiel der Absturz der TU 144 bei der Luftschau in Paris oder der rätselhafte Verlust der französischen Verkehrsmaschine Airbus A 320 über dem Atlantik, der sich wohl auf zu geringe Geschwindigkeit zurückführen lässt.

Die moderne Flugtheorie im Zeitalter der Überschallmaschinen stellt dann auch wieder die Gültigkeit der Strömungsgesetze von Bernoulli und sogar die Ergebnisse des Professors Prandtl an der Uni Göttingen hinsichtlich der Flügeltheorie auf dem Prüfstand. Alle neuartigen Flugzeuge müssen also jeweils gründlich geprüft und in Windkanälen getestet werden. Eine alles abdeckende Formel zur Berechnung der Strömung gibt es nicht.

All diese Überlegungen lassen sich bei einem Besuch im Anklamer Otto Lilienthal Museum anstellen.

Wer aber war nun der erste Mensch der wirklich flog? Dr. Bernd Lukasch sagt: Otto Lilienthal. Es gibt gar keinen Zweifel. Er hat weite Gleitflüge gemeistert. Alle mutigen Männer vor ihm, vollführten allenfalls Luftsprünge oder Hopser. Man denke nur an den Schneider von Ulm, den Berblinger, der seine Flugkunst groß ankündigte und von einem Podest vor Hunderten Zuschauern abhob- aber dann in die Donau stürzte. Die Griechen Dädalus und Ikarus, die sich Vogelschwingen gebaut haben sollen, kann man getrost in das Reich der Legende verbannen. Viele andere Modelle standen nur auf dem Pa-pier und wurden nie praktisch erprobt. Auch der russische Marineoffizier Alexander F. Moshaisky startete mit seiner Flugmaschine 1883 von einer Art Schanze, hielt sich tatsächlich kurz in Normallage und kippte dann über die Seite ab. Er hatte immerhin eine Dampfmaschine und drei Propeller als Antrieb vorgesehen, die jedoch zu leistungsschwach waren. Auch der Erfinder des Maschinengewehrs, Maxim, hatte in den USA keinen Erfolg. Ebenso der Österreicher Wilhelm Kress konnte sich mit einem Zweiflächner nicht aus dem Wasser erheben. Sie alle hatten jeweils ohne gründliche Vorversuche ihre Apparate sofort im Großversuch eingesetzt. Die erste gründliche Gleitflugerprobung führte Otto Lilienthal durch. Seine Erkenntnisse führten bis an die Schwelle des Motorfluges, der dann 1905 den Brüdern Wright vorbehalten war. Aber auch sie hatten mit ihrer Kitty Hawk 1902 nahezu 1000 Gleitflüge unternommen, bevor sie zum Motorflug übergingen. Und so schrieb Wilbur Wright: „Zweifellos haben andere Männer, lange vor Lilienthal, daran gedacht, Versuche solcher Art anzustellen. Lilienthal dachte aber nicht nur über die Flugfrage nach, sondern ging zur Tat über. Dadurch hat er wahrscheinlich einen größeren Beitrag zur Lösung dieses Problems geleistet als alle seine Vorgänger.“

Was also ist ein Motorflug?

Hier sei ein vom Luftfahrtschriftsteller Günter Schmitt angeführte Festlegung genannt:

Der Start muss aus eigener Kraft der Antriebsanlage (Motor) ohne oder mit Zuhilfenahme einer Startvorrichtung (Katapult) erfolgen,

der Flug kann von ebener Erde oder von einer Startrampe beginnen,

der Flugverlauf muss ein vom Flugzeugführer gesteuerter Vorgang sein.

die Fortbewegung des Flugzeuges muss durch die Antriebskraft bewirkt werden (also kein Gleitflug von einer Anhöhe , etwa mit weitgehend funktionslosem Motor),

die Landung muss den Flug durch das gesteuerte

Aufsetzen des Flugzeuges beenden.

Damit ist klar, die Krone des ersten tatsächlich fliegenden Menschen gehört den Wrights. Aber Otto Lilienthal war dazu der Wegbereiter. „Mit Otto Lilienthal nahm die Geschichte des Flugzeugs ihre entscheidende Wendung, “ betont Dr. Lukasch, er hat aus Träumen und Legenden

Blick in die neu gestaltete Museumshalle

Das Erbe

Das Andenken an den Flugpionier Lilienthal wird auf vielfältige Weise gewahrt. Dass er einen festen Platz in den Luftfahrtmuseen hat, wurde schon erwähnt. Anklam hat neben dem Museum auch eine Stele auf dem Marktplatz errichtet. Auf dem Hauptmannsberg bei dem brandenburgischen Dörfchen Rhinow gibt es eine Plastik von Renate Bauerschmidt. Ganz in der Nähe am Gollenberg bei Stölln haben Flieger 1956 einen schlichten Gedenkstein aufgestellt. Jetzt steht da auch eine ausgediente IL 62 der INTERFLUG, die dort spektakulär zur Landung gebracht wurde. In Berlin –Lichterfelde erinnert seit 1914 ein Denkmal von Peter Breuer an Lilienthal und der Fliegeberg ist ein Gedenkpark seit den 30er Jahren. Auch am Ort seines Erstfluges in Dervitz gibt es ein Denkmal von W. Statt.

„Das Erbe von Otto Lilienthal ist allerdings auch sehr lebendig“, sagt Dr. Lukasch. „Seine Ideen leben fort, insbesondere im Segelflugsport, der sich seit den 20er Jahren von der Wasserkuppe in der Rhön schnell ausbreitete und immer verfeinert wurde. Ein Erbe Lilienthals kann man auch in der Drachenfliegerei sehen. Er ist das geworden, was Otto Lilienthal erträumte: eine Art Flugsport für Jedermann. Selbst in der Raumfahrt fand Lilienthals Schaffen eine Fortsetzung, als der Ingenieur Francis Melvin Rogallo eine flexible Tragfläche erdachte, die zur Landung von Raumgleitern dienen sollte. Letztlich entwickelte sich daraus dann das Ultra-Leichtflugzeug.

Der von Otto Lilienthal prädestinierte Schwingenflug des Menschen dagegen erwies sich als Irrweg. Aber auch hier gibt es die Ausnahme: 1988 legte ein Muskelkraft-Flugzeug in der Ägäis 119 km zurück. Die Legende vom Ikarus wurde also noch wahr.

Anklam, als Geburtsort Lilienthals aber hat eine große Vision. Die Stadt will die Ruine der Nikolaikirche zu einem großartigen Luftfahrtmuseum gestalten. Schon liegen die Baupläne vor und das gewaltige zu Zeiten der Hanse errichtete Kirchenschiff soll dann neben der Geschichte der Fliegerei vor allem die große Sammlung von Hängegleitern aufnehmen Dann wird das weithin sichtbare Bauwerk den Namen „Ikareum“ tragen.

Der erste deutsche Motorflug

Hans Grade und seine Pionierleistung

Am 28. Oktober 1908 machte in Magdeburg eine sensationelle Nachricht die Runde. Auf dem Cracauer Anger hatte der junge Ingenieur Hans Grade als erster Deutscher einen kurzen Flug mit seinem selbst gebauten Dreidecker geschafft. Grades Flugapparat erhob sich nach längerem Anrollen unter dem Jubel zahlreicher Zuschauer bis auf acht Meter Höhe, schlug dann aber nach etwa 100 Metern seitlich abkippend mit einem Flügelende auf dem Boden auf. Unversehrt aber strahlend vor Glück, kletterte der mutige Pilot aus den Trümmern seiner Maschine.

Der Dreidecker Hans Grades im Dresdener Verkehrsmuseum

Der erste richtige Flug eines Deutschen mit einem motorgetriebenen Flugzeug war geschafft. Wenn auch mehr durch Zufall. Grade selbst erzählte später, dass ihm eine Frau beim Rollen in die Quere gelaufen war und er deshalb erschrocken das Höhenruder extrem betätigte, sodass sich die Maschine auf acht Meter Höhe schraubte um dann

Hans Grade im Cockpit

allerdings seitlich abzukippen und „hart“ zu landen. Sofort machte sich Grade an die Reparatur der Maschine und absolvierte bis Mai 1909 weitere 70 Flüge, die nun sogar bis auf Weiten von 400 Metern gingen. Grade hatte in seinem 1905 gegründeten Grade Motorenwerke GmbH einen Sechszylinder Zweitaktmotor entwickelt, der einen primitiven schaufelähnlichen vierflügeligen Propeller antrieb. Da seine Flüge, die er auch in der Arena der Magdeburger Rennbahn zeigte, aber kaum zufriedenstellend, vor allem sehr instabil verliefen, sann der talentierte Ingenieur unermüdlich über eine bessere Lösung nach. Er entwickelte einen Eindecker, seine

Erste Flugversuche in Magdeburg

„Libelle“. Doch die praktische Erprobung führte er jedoch erst in Bork (heute Borkheide) aus, wohin er nach einigem Zögern auf Vermittlung eines Berliner Sponsors samt seiner Werkstatt, seiner geliebten Frau und seiner Mechanikers umgezogen war. Dass er seine Geschäftsführung und seinen Wohnsitz im Industriezentrum Magdeburg aufgab und in das eher landwirtschaftlich geprägte und facharbeiterarme Bork zog, mag auch auf Querelen mit der Stadtverwaltung und im Unternehmen zurückzuführen sein. Hier in Bork fand er zunächst auf einem Ödland zwischen Kiefern-schonungen nicht nur ein größeres Flugfeld (Marsfeld) vor, sondern vorläufig auch Ruhe vor den vielen undisziplinierten Schaulustigen, die ihm in Magdeburg das Leben und seine Versuche erschwert hatten. Schon am 22. August startete Grade mit der

Start der Libelle

„Libelle“ ein erstes Mal und verbesserte sie bis zu einer für damalige Verhältnisse ausreichenden Zuverlässigkeit. Dann hatte aber auch die Berliner Presse von seinen Flügen erfahren und berichtete fast täglich über Hans Grade und seinen Monoplan. Nun strömten auch wieder Zuschauer herbei und der Berliner Gönner machte mit den Eintrittskarten gute Geschäfte. Grade war überzeugt, mit seinem Flugzeug ohne weiteres die Bedingungen erfüllen zu können, die der Mannheimer Unternehmer Dr. Ing. Karl Lanz mit einem Preis in Höhe von damals fantastischen 40 000 Mark ausgelobt hatte. Tatsächlich hatte Deutschland nach Otto Lilienthals bahnbrechender Leistung keine eigenen Erfolge im Flugwesen mehr aufzuweisen. Der erste gesteuerte Motorflug der Brüder Wright im Jahre 1903 und die Erfolge französischer, englischer und sogar italienischer Kon-struk-teure hatten eine gewissen lähmende Wirkung auf deutsche Avant-gardisten. Vor allem Louis Bleriots Flug über den Ärmelkanal wirkte elektrisierend. Den ersten Motorflug in Deutschland hatte seltsamerweise der Däne Elle-hammer am 28.6.1908 in Kiel vorgeführt. Für einen kurzen Luftsprung erhielt er sogar einen 1. Preis in Höhe von 5000,-Mark. Die Ausländer schienen mit ihren Flugapparaten das Rennen zu machen. Das wollte der Landmaschinen- und

Traktoren-bauer Dr. Lanz beenden helfen.

Der Flugzeugführerschein Nr.2

Wer war Hans Grade?

Wie Otto Lilienthal war auch Hans Grade ein gebürtiger Pommer. Er wurde am 17. Mai 1879 in Köslin (heute Koszalin/Polen) geboren. Schon als Schüler hatte er Lilienthals Buch: „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ verschlungen und Flugzeugmodelle gebastelt. Nach dem Abi wollte er unbedingt Ingenieur werden. Da die Voraussetzungen dafür in Pommern kaum gegeben waren, ging Grade nach Grevenbroich in die dortige Maschinenfabrik (Bau von Dampfmaschinen bis 6000 PS) und wurde Volontär in der Modellwerkstatt. Hier baute er sogar seinen Motor-Erstling, den er sogar zum Laufen brachte. 1900 nahm er dann das Studium an der renommierten Technischen Hochschule Berlin Charlottenburg auf, das er nach sechs Semestern 1903 als Ingenieur verließ.

Hans Grade

Schon während der Studien entwickelte er ein Motorrad, dessen Motor neben Benzin auch Benzol oder Petroleum und Spiritus „fraß“. Damit sammelte er Erfahrungen für den späteren Bau eines leichten kleinen Flugmotors. Nachdem er nach kürzerem Aufenthalt in Köslin schließlich in die aufstrebende 230 000 Einwohner zählende Stadt Magdeburg ging, entwickelte er als Geschäftsführer und Konstrukteur in dem von ihm 1905 gegründeten „Grade Motorenwerke AG Magdeburg“ sehr beliebte Motorräder und nahm sogar damit erfolgreich an mehreren Rennen teil.

So wie es sich im deutschen Kaiserreich geziemte, trat er 1907 als Einjährig-Freiwilliger in das Pionierbataillon Nr. 4 ein und diente dort in der 2. Kompanie. Heimlich an einer Flugmaschine bastelnd, fand er schließlich sogar die Unterstützung durch seinen Hauptmann, an einem ersten Dreidecker mit acht Meter Spannweite zu bauen und ihn mit einem selbst entwickelten 36 PS-Zweitakt-Motor auszustatten. Aber erst nach seiner Dienstzeit startete er den oben beschriebenen ersten gelungenen Versuch auf dem Cracauer Anger.

Der Grade-Eindecker im Dresdener Verkehrsmuseum

Der Grade-Eindecker

Der Monoplan „Libelle“, den Hans Grade in nur zehn Wochen fertigte, ist eigentlich nach heutigen Begriffen eindeutig als Drachenflieger zu bezeichnen. Der Pilot hatte einen primitiven Segeltuchsitz unter den Tragflächen und auch unter dem Motor. Er saß faktisch zwischen den Spanndrähten, die für die Stabilität und die Steuerung sorgten, frei in der Luft. Der Eindecker besaß eine Spann-weite von 10,2 Meter und war mit einem Vier- Zylinder Zweitakt-motor von 24 PS ausgestattet, der einen regelmäßigen Lauf garantierte. Zweitakter waren als Flugzeugmotoren zur damaligen Zeit recht ungewöhnlich, doch Grade schor darauf und setzte seine positiven Erfahrungen aus dem Motorradbau zielgerichtet ein. Außerdem erreichte er mit derartigen Motoren ein günstiges Leistungsgewicht (Kg pro PS), was natürlich ob der noch geringen Zuladungsfähigkeit des Flugapparates sehr günstig war. Die „Libelle“ verfügte über erstaunliche Seitenstabilität und konnte über einen beweglichen Hebel (eine Art Pumpen-schwengel, gut gesteuert werden. Grade verwendete das von den Brüdern Wright in Amerika entwickelte Prinzip, dass die Enden der Tragflächen bzw. der Schwanzflächen mittels Spanndrähten etwas gehoben oder gesenkt werden konnten. Durch die dadurch auftretenden Verwirbelungen oder Strömungsänderungen ließ sich der Drachenflieger zuverlässig, selbst bei stärkeren Winden, steuern. Er konnte also in größere Höhen gebracht werden und sogar enge Kurven fliegen um dann wiederum sicher zur Landung über zu gehen.

Grade hatte damit den damals besten deutschen Drachenflieger entwickelt, der den Versionen der Franzosen Voisin, Henry Farmann oder Louis Bleriot nicht nachstand. Und dabei hatte er die französischen Modelle niemals selbst sehen können, allerdings darüber einige Presseberichte gelesen.

Grade gewinnt den Lanz-Preis der Lüfte

Am 29. September startete Grade in Bork zur Generalprobe. Dazu waren einige Sachverständige aus Berlin angereist. Unter ihnen Major August von Parseval, Hermann Dorner, Edmund Rumpler als Sachverständige. Aber die eigentliche Jury war nicht gekommen, da sie Grades Start in Johannisthal verlangte. Etwa 150 Zuschauer erlebten schon um fünf Uhr in der Frühe und bei leichtem Regen, wie das Flugzeug die vor-geschriebene Acht über dem Flugfeld einwandfrei absolvierte. Dann aber, als die „Libelle“ schon zur Lan-dung ansetzte, hörte man einen lauten Knall und das Flugzeug sackte in etwafünf Meter hohe Kiefernschonung. Unverletzt krabbelte Grade unter der Maschine hervor und erkannte, dass ein Blatt seines vierflügeligen Propellers zerborsten war. Natürlich hatte das Fluggerät nach dieser „Landung“ einige Schäden davongetragen. Dennoch, glücklich über die gelungene Generalprobe sagte Grade nun seinen Start in Johannisthal zu. Sofort begann er mit den Reparaturen und war nach wenigen Tagen am 11. Oktober wieder einsatzklar. Er schaffte sogar sechs Platzrunden in einer Gesamtzeit von 11 Minuten und 12 Sekunden. Das war weit mehr als der Lanz-preis verlangte.

Startvorbereitungen

Grade hatte ja zuvor eine Einladung des Deutschen Luftschiffer-Verbandes nach Berlin-Johannisthal zu einer groß angelegten Flugschau vom 26. September bis zum 3. Oktober 1909 zugunsten seines Trainings abgesagt. In Johannisthal waren deshalb ausschließlich ausländische Motorflieger am Start. Das Flugfeld war unter großen finanziellen Aufwand in einem ehemaligen Waldstück in der Hoffnung auf den Zuspruch Zehntausender Schaulustiger und damit auf entsprechenden Gewinn angelegt worden. Doch zunächst kamen die Gründer nicht aus den roten Zahlen heraus. Es gab dann auch Querelen mit dem französischen Piloten Bleriot, offenbar wegen der ausbleibenden Honorierung, sodass dieser vorzeitig abreiste. Dies war dann auch der Grund dafür, dass der Verein verlangte, Grade solle seinen Beweisflug auf dem Flugfeld Johannisthal vorzeigen. Obwohl das in der Ausschreibung nicht verlangt worden war, fügte sich Grade und verlud seine Libelle und schob sie in Johannisthal in einen der Flugzeugschuppen.

Die Libelle aus der Vogelperspektive

Am Nachmittag des 30. Oktober 1909 war es dann soweit. Die „Vossische Zeitung“ und andere Berliner Blätter hatten den Flug in großen Lettern angekündigt. Die Menschen strömten nach Johannisthal. Eine Fachjury mit Professor Süring und Geheimrat Busley, dem Präsidenten des Luftschiffer-Verbandes, untersuchte zunächst im Hangar die „Libelle“ und stellte fest, dass der Erbauer ausschließlich deutsches Material verwendet hatte. Als Beobachter fungierten Dr. Karl Lanz, Dr. Huth, der Flugzeugkonstrukteur Hermann Dornier, Hauptmann von Krogh, Major August von Parseval und auch Grades Bruder Oberleutnant Wilhelm Grade. Nach dem Startzeichen rollte die „Libelle“ zur Startlinie, erhob sich schnell auf zehn Meter Höhe, umkreiste den ersten Wendepfahl, dann nach 1000-Meter Diagonalflug den zweiten Wendepfahl ohne Probleme und landete nach vier Minuten vier Sekunden reiner Flugzeit vorschriftsmäßig vor dem zugeteilten Schuppen. Laut Ausschreibung hätte er lediglich zwei Minuten 45 Sekunden in der Luft sein müssen. Nun brach unendlicher Jubel los und Fliegerkameraden schmückten den strahlenden Hans Grade mit einem Lorbeerkranz. Der Stifter des Preises, Dr. Ing. Lanz, besah sich das Fluggerät, nahm das Urteil der Sachverständigen entgegen, vernahm, dass alle Bedingungen erfüllt worden seien und überreichte Hans Grade einen Scheck in Höhe von 40 000,-Mark. Das war für damalige Vorstellungen eine unvorstellbar hohe Summe. In der alle erfassenden Begeisterung startete Grade zwei weitere Male und landete aus 30 Meter Höhe und nach vielen Schleifen und Kurven sicher nach fünf Minuten 29 Sekunden und 6 Minuten 52 Sekunden. Die „Libelle“ hatte ihre soliden Flugeigenschaften und beste Lenkbarkeit bewiesen. Die Presse überschlug sich. Deutschland feierte seinen ersten Motorflieger. Noch am gleichen Tag verließ Grade Berlin in Richtung Hamburg, wo er an einer Flugveranstaltung teilnahm. Dann folgte ei-ne Reise nach Bremen und so ging es weiter in viele deutsche Städte, sogar bis nach Chemnitz, Dresden, Magdeburg und Leipzig. Aber es gab auch Schauflüge in Danzig, Königsberg, Stettin, Düsseldorf, Frankfurt/-Main und Hannover. Grades Ruhm überstrahlte alles. So war auch 1910 Teilnehmer an den Aviation-Meetings in Nizza. Heliopolis bei Kairo und Paris. Hans Grade sagte dazu, dass er ja nicht nur honoris causa sondern auch honoraris causa fliege.

Hans Grade im Cockpit seines Eindeckers

Das eingenommene Geld benötigte er dringend für sein Flugzeugwerk, das er in Bork errichtete und seine Fliegerschule, die sich sehr bald großen Zuspruchs erfreute.

Weitere Erstleistungen Hans Grades

Die Erringung des Lanz-Preises der Lüfte löste sofort eine große Nachfrage nach Grade-Flugzeugen aus. Das Hans Grade Flugzeugwerk, es war das erste in Deutschland, arbeitete auf Hochtouren in einer Art Reihenproduktion. In Bork waren eine Schlosserei, eine Dreherei, ein Zellen- und Motorenbau und eine Montagehalle sowie Büros, Kraftzentrale und Abstellschuppen entstanden. Schnell beschäftigten die „Grade-Fliegerwerke“ erst 50 dann über 200 Mit-arbeiter.

Sogar ins Ausland konnte Grade einige Flugzeuge verkaufen, darunter nach Japan. Eine Grade-Maschine führte dort den ersten Motorflug Japans vor. Der Preis eines Monoplans betrug etwa 10 000,-Mark bzw. später für Maschinen größerer Leistung etwa 16 000,-Mark. Das war durchaus für gut betuchte Enthusiasten be-zahlbar. Grades Flugzeuge könnte man als erste Volksflugzeuge bezeichnen. Natürlich konnte man eine solche Maschine nur nach entsprechender Ausbildung beherrschen. Grade versprach jedem Käufer die kostenlose Flugschulausbildung. Nun war er erfolgreicher Betriebsleiter, Leiter der ersten Flugschule in Deutschland und Test-Pilot, Flieger, der immer wieder zu Schauflügen eingeladen wurde und gefragter Experte für Motoren. Die Flugausbildung übernahm er persönlich. Sie dürfte mit heutigen Maßstäben kaum zu bemessen sein, denn es gab keinerlei Theorie. Grade trat mit seinem Schüler an die Maschine, erklärte kurz, ließ den Schüler einsteigen, sich an Steuerung und Benzinspindel eingewöhnen, hieß ihn mit der Maschine zu rollen und dann stand auch bald der erste Alleinflug auf dem Programm. Auf diese Weise bildete Grade rund hundert Piloten aus. Darunter waren ab 1913 bezeichnender Weise im Vorfeld des kommenden I. Weltkrieges viele Heeres- und Marineoffiziere, aber auch Sportflieger, Kunstflieger und erste Berufspiloten.

Hans Grades Versuch, eine erste Passagiermaschine zu konstruieren

Auch mutige Frauen bewarben sich damals bei den Fliegerschulen um ein Flugzeugführerzeugnis. Die Erste, die es schaffte, war eine Tschechin mit Befähigungszeugnis 125. Eine der bekanntesten Bewerberinen in der Johannisthal war Melli Beese, die sich trotz massiver Abwehr und sogar hässlicher Sabotage der männlichen Kollegen (man hatte das Benzin vor dem Prüfungsflug abgelassen) am Ende durch setzte. Sie wurde dennoch Pilotin und gründete eine eigene Fliegerschule. Grades Pilotenausbildung verlief trotz gelegentlicher Bruchlandungen ohne schwere Abstürze mit größeren Verletzungen bzw. Tod der Eleven. Obwohl die Fliegerschulen in Deutschland wie Pilze aus der Erde schossen, herrschte in Bork täglich von früh bis spät ein sehr kameradschaftlicher Flugbetrieb. Nur kauften die Offiziere dann natürlich kein Flugzeug mehr, sondern stiegen auf Rumpler-Taube, Albatros- oder Fokker-Maschinen um und rüsteten sich für den Fronteinsatz.

Hans Grades Flugapparat zählt heute zu den Ultra-Leicht-Flugzeugen

Hans Grade nahm auch im Herbst 1910 am ersten Überlandflug (eine Art Wettflug) in Deutschland teil. Dafür hatten eine Maschine von Ble‘riot, eine Wright-Maschine und Grade selbst gemeldet. Der Flug führte von Bork zum Flugplatz Johannisthal. Dass es dafür eine Genehmigung gab, grenzt schon an ein bürokratisches Wunder, denn nur wenige Wochen zuvor hatte ein französischer Pilot für einen kurzen Streckenflug von Tempelhof nach Johannisthal von einem preußischen Gendarmen ein Strafmandat über 150 Mark bekommen. Der Grund: Unverantwortlicher und sträflicher Leichtsinn. Diesmal muss es aber unter den Gesetzeshütern einen Anschauungswandel gegeben haben, denn die Maschinen starteten planmäßig und nahmen die 60km-Distanz in Angriff. Es konnte natürlich nur nach Sicht geflogen werden und außerdem waren die leistungsstärkeren amerikanischen bzw. französischen Modelle im Vorteil. So landete die Bleriot mit ihrem 50 PS-Motor. Dann landete Hans Grade nur fünf Minuten später mit dem 18 PS-Eindecker. Er benötigte über Beelitz, Trebbin bis zum Ziel 53 Minuten und 40 Sekunden bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 83 Km/h. Als letztes Flugzeug landete der Doppeldecker vom Typ Wright, der sich „verfranzt“ hatte. Jeder Teilnehmer erhielt eine Prämie. Grade strich 1500,-Mark ein.

Der erste Postflug

Auch in einem Stummfilm mit dem Titel „Flug zur Sonne“ wirkte Hans Grade mit. Er musste auf der Insel Rügen, offenbar am Kap Arkona, ein Mädchen aus einem brennenden Leuchtturm mit seinem Flugzeug retten. Grade machte das riesigen Spaß, ob wohl die an einem Tau hängende Maid tatsächlich dann nur eine Puppe war. In einem zweiten Film mit dem Titel „Ziel in den Wolken“, den der Regisseur Liebeneiner Mitte der 30er Jahre drehte, spielte Hans Grade sich selbst. Es ging darin um die Geschichte des Flugplatzes Johannisthal.

In seinem Flugzeugwerk fertigte Hans Grade bis 1914 insgesamt verschiedene 80 Fluggeräte an und verkaufte diese auch. Es gab 13 Versionen: Den Eindecker „Libelle“, einen Zweisitzer (der Passagier saß vor dem Piloten), ein spezielles Kunstflugzeug, ein Wasserflugzeug, ein spezielles Langsamflugzeug (es sollte den totalen Flug-genuss des Piloten ermöglichen). Dazu kam Grades Dreidecker sowie ein Einsitzer mit acht Meter Spannweite und einem 100 PS-Motor mit stählernen Zylindern von nur 75 kg Gewicht. Das ganze Fluggerät wog nur 180 Kg und besaß hervorragende Segeleigenschaften. Das Projekt eines Verkehrsflugzeugs mit 100 PS-Motor und Zweisitzer-Gondel kam über das Versuchsstadium noch nicht hinaus. Auf der großen Luftfahrtausstellung in Berlin vom 3.-4. April 1912 stellte Grade drei seiner Flugzeuge aus.

Noch eine Pioniertat geht auf das Konto Hans Grades. Am 18. Februar 1912 startete der Pilot Hermann Pentz mit einer Grade-Flugmaschine und einem Postsack mit 500 Briefen in Bork. Man hatte dafür spezielle Zusatzbriefmarken hergestellt. Pentz flog damit nach Brück, wo er die Postsendung unter dem Beifall einer Zuschauermenge dem dortigen Bürgermeister übergab. Der reichte sie dem zuständigen Postsekretär, der die Post dann austragen ließ.

Damit hatte Hans Grade auch den ersten deutschen Postflug mit einem Motorflugzeug bewerkstelligt. Die Zeppeline sowie auch Ballonführer hatten natürlich schon früher Post mitgeführt. Aller-dings wurden die Postflüge der Motorflieger 1912 vom Postminister wieder verboten, vor allem aber war die Kostenfrage nicht gelöst und die Piloten wollten auch bei Wind und Wetter nicht mehr ohne angemessenen Lohn fliegen. Trotz allem aber ging der Ruhm Hans Grades recht schnell zu Ende. Andere leistungsfähigere Maschinen und kühne Piloten rückten in den Vordergrund. Auch waren andere Fliegerschulen erfolgreicher, wie die von Euler, der vor allem adelige Schüler an sich zog. Dennoch erhielt Hans Grade 1912 den Kronenorden 4. Klasse im Namen des Kaisers Wilhelm II.

Briefmarke zu Ehren Hans Grades

Das Ende des Grade-Flugzeugbaus