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John Stark ist Immobilien-Makler mit einer eigenen Firma, und auf Erfolgskurs. Durch einen tragischen Unfall verliert er seine Frau und stürzt sich in die Arbeit. Er übernimmt ein Immobilien-Büro und beginnt damit eine neue Zukunft. Seine erste Mitarbeiterin ist Michelle. Sie hat eine spritzige, kokette Art, die ihre Persönlichkeit samt Reizen, einzusetzen weiß. Mit der Zeit nimmt sie eine besondere Stellung in seinem Herz ein. John liebt sie heimlich und sieht eine Zukunft mit ihr. Bei einem Spaziergang wird John durch eine Klaviermelodie zu einer Musikschule geführt, wo jemand mit Erfahrung spielt. Dort lernt er Selina Hagemann, eine Meisterin am Flügel, mit ihrer hübschen 6-jährigen Tochter indischer Abstammung kennen. Lalita sieht sofort einen Vater in ihm. Selina Hagemann ist ein gefeierter Star am Flügel mit einem schrecklichen Geheimnis. Sie leidet unheilbar an Krebs, wird sehr bald sterben, und weiß genau: Dich - hat uns der Himmel geschickt, denn John liebt Lalita wie eine Tochter. Selina sieht nur noch eine Möglichkeit. Sie lädt John zu einem Gespräch ein und macht ihm einen ungeheuerlichen Vorschlag. Er soll sie heiraten, Lalita adoptieren, damit ihre Zukunft gesichert ist. John gerät unter Druck, weil er eine Zukunft mit Michelle sieht und führt ein ernstes Gespräch mit ihr. Danach geht Michelle für immer. Daraufhin heiratet er Selina und adoptiert Lalita. Selina erliegt ihrem Leiden und für John beginnt eine schwierige Zukunft. Ist da nicht Sonja Winter? Obwohl Sonja Winter nicht sein Frauentyp ist, schlagen die vielen Kontroversen mit ihr in Sympathie um, und gewinnt ihre Liebe. Ihre Gefühle für ihn, die sie seit langer Zeit hat, ermöglicht ein neues Glück - auch mit Lalita. Für John bleibt viele Jahre die Frage offen, ob Lalita, sein Opfer erkennt. Tatsächlich dank ihm Lalita unter Tränen für ihr Leben.
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Seitenzahl: 541
Veröffentlichungsjahr: 2021
© 2021 Erwin Först
Verlag und Druck:tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-37575-8
Hardcover:
978-3-347-37576-5
e-Book:
978-3-347-37577-2
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Klavier. Ein klingend Veilchen.
Peter Hille
Gewidmet:
Für Ruth, die mir Chopin nähergebracht hat. Sie leitete mit ihrem Klavierspiel die Inspiration für dieses Buch ein. Seitdem liebe ich Chopin.
Danke Ruth.
Dich – hat uns der Himmel geschickt
Ein ungewöhnlicher Tag
Der 25. Juli 2010 war ein wunderschöner Sommertag. Ein sanfter Wind fächelte die heiße Luft vor sich her und ließ damit die letzten trüben Tage vergessen. Unter dem blauen Himmel strömten lebens- und farbenfrohe Menschen in die Nürnberger Fußgängerzonen. Bemerkenswert viele hübsche Frauen mit Kinderwagen waren unterwegs, erfreuten sich an der Wärme und des Seins. Wieder andere Frauen flatterten wie Schmetterlinge von Schaufenster zu Schaufenster. Leicht bekleidete Sonnenanbeter, die von einer Auszeit getrieben wurden, drängte es nach einer süßen Gaumenfreude. Sie fanden sich an der Eisdiele in der Nähe der Spitalgasse wieder, die an die Fußgängerzone angrenzte. Dessen Terrasse im Schatten von sechs weißen Großschirmen, zwischen zwei hohen Bäumen stand.
Sie alle hatten sich das heiße Wetter zunutze gemacht, um in Ruhe das nicht nur tropisch aussehend verzierte Eis zu genießen, sondern dem Flair der italienischen Eisdiele. Es lag ein Hauch von Urlaub, Freiheit sowie ein gewisses Lebensniveau in der Luft, dass man sich zugute führen wollte. Es Duftete nach frischem Mokka, gepaart mit dem süßlichen Duft der Blumenstöcke ebenso nach Waffeln. Die Genießer kamen sich wie in einem italienischen Pseudourlaub vor, bei dem das Personal in der Hitze für sie arbeiten mussten.
Spatzen stritten sich um die restlichen Waffelkrümchen, während John Stark voller Genuss im Außenbereich der Eisdiele seinen Amaretto-Becher mit den geliebten Amarettini-Keksen genoss. Viele weitere Genussmenschen um ihn herum, dachten genauso. Fühlten sich locker, entspannt, was man durch ihre Sitz Lage und Gespräche wahrnehmen konnte.
Eine Texterin machte einmal folgenden Ausspruch, der zu diesem Tag passen würde. »Bei schönen Wetter und einem genüsslichen Kaffee, lässt sich viel Inspiration finden.« Legte man diesen Spruch auf das Eis um, war es genauso effektiv. Die einzigen Bewegungen bestanden im Vertreiben der lästigen Wespen. Alles war sommerlich, und entspannt.
Plötzlich, in dieser aufgelockerten Atmosphäre, vernahmen alle einen Dumpfen Knall, von der fünfzehn Meter entfernten Spitalgasse. Es klang, wie wenn eine Blechtonne explodiert wäre. Einige schreckten sofort hoch, blieben erstarrt stehen. Andere hielten sich verkrampft an den Stühlen oder Tischen fest, wobei ihre Blicke ebenfalls in Richtung des Geräuschs gerichtet waren.
Blitzartig sprang John Stark auf, wodurch sich sein Eisbecher über den Tisch ergoss. Unter vollen Galopp stürmte John an den Sitzgelegenheiten und Tischen vorbei zur Straße. Sprang über eine Begrenzungshecke, dabei entdeckte, was den Knall erzeugt hatte. Ein Lieferauto hatte einen Kleinwagen hinten verkürzt, dabei mit voller Wucht gegen den hohen Randstein gepresst.
John öffnete die Tür des am nächsten stehenden Lieferantenautos, fragte den verwirrten Fahrer. »Ist alles okay?«
»Ja, ja, schauen sie lieber zum Kleinwagen!«, antwortete er gedrückt und schnappte nach Luft.
John eilte hierauf vor, konnte trotz krampfhafter Anstrengung, die verklemmte Tür nicht öffnen. Erst mit voller Gewalt, unter dem Geknirschten des Bleches, bog er sie auf. John sah, dass eine junge Frau sich bewegungslos am Steuer festhielt. Aus deren braunen Bubikopf, Blut rann.
»Wahrscheinlich steht sie unter Schock«, schoss es ihm durch den Sinn. Ruhig mit tiefer Stimme sprach er sie an. »Können Sie mich hören? Wie geht es Ihnen?«
Sie starrte immer nach vorne, wie wenn sie nicht da wäre. Darauf fasste er sie vorsichtig an die Schulter. »Kommen Sie bitte, ich helfe ihnen beim Aussteigen?«
Sie zuckte, drehte sich langsam zu ihm und flüsterte. »Es ist nichts passiert, ich bin nur furchtbar erschrocken. Vielen Dank.« Dann schaute sie in dieser Haltung wieder nach vorne.
Während dieses Satzes roch es plötzlich intensiv nach Benzin. Ein Blick unter das Auto zeigte ihm, dass der Treibstoff heftig herunterfloss.
»Kommen Sie bitte, Sie müssen schnell aus dem Auto«, gab er die Anweisung, obwohl er innerlich aufgewühlt war. Das Fahrzeug könnte sich entzünden.
John stand auf, schob quälend seinen Arm hinter ihren Rücken und schnallte sie ab. Anschließend löste er ihre Hände vom Lenkrad, fasste sie sanft unter den Arm, um sie zum Aussteigen zu bewegen. Sie war wie eine menschliche Stoffpuppe geworden, die sich wortlos herausziehen ließ.
Plötzlich hörte er ein merkwürdiges Zischen, Prasseln unter dem Auto, was nichts Gutes verhieß. Als er die Frau losließ, sackte sie in sich zusammen. Sie konnte nicht stehen, geschweige denn laufen. Auffangend trug er sie auf seinen Armen, an den Autos vorbei zur Eisdiele. John hatte Angst, sie auf die Straße oder in die Nähe des Autos zu legen, weil er nicht berechnen konnte, was mit dem Benzin passieren würde.
In der Eisdiele keuchend angekommen, legte er sie mit erhöhten Beinen auf die hellbraune Lederbank, wobei er ihren Kopf vorsichtig zur Seite drehte. Während er mit ihr redete, sah er, dass ihre Haare stark vom Blut durchtränkt waren. Aus der Wunde trat immer noch Blut hervor, sodass er vom Tisch das Tuch, unter ihren Kopf legte. Sein linker Arm war von ihrem Blut verschmiert worden.
Gott sei Dank hörte er die Sirene näherkommen. Die Polizei mit der Feuerwehr kamen angestürmt, um das entzündete Benzin, das schlimm qualmte und zu explodieren drohte, zu löschen. Sanitäter kamen auf ihn zu, um sich um die Frau zu kümmern. John hoffte, dass er alles richtiggemacht hatte, und begab sich immer noch angespannt zur Toilette, um sich provisorisch zu reinigen.
Nachdem seine Personalien sowie die Sachlage aufgenommen wurden, wollte John gehen, da zupfte ihn die Bedienung mehrmals von der Seite am Oberärmel. Mit einem Grinsen, das sich in ihrem ganzen Gesicht zeigte, wies sie auf einen größeren, von der Eisdiele spendierten Amaretto-Becher. Ihre Lippen erschienen ihm deshalb groß, weil die Haare nach hinten zu einem Zopf zusammengebunden waren. »Das war ja ein super Einsatz. Wir alle standen noch unter Schock, da waren Sie schon am Handeln. Sind Sie Arzt oder so?«
»Nein, Immobilienmakler.« John grinste in die Dunklen Augen zurück. »Wir müssen immer schnell sein, sonst verkaufen wir nichts.«
Dankend setzte er sich mit seinem neuen Eis, um die Unfallstelle weiter zu beobachten. Die Bedienung sah ihm mit ihren riesigen braunen Augen verwundert an, schüttelte dabei dem Kopf. Danach begann sie die Sitzbank vom Blut zu reinigen. Langsam merkte er, wie seine Anspannung nachließ, sein Herz wesentlicher ruhiger schlug. Dieser Dumpfe Schlag, weckte in ihm explosionsartig die alten Erinnerungen eines schrecklichen Geschehnisses, vor einem Jahr.
Was geschah vor einem Jahr?
Am Tag der Bekanntgabe ihres bestandenen Prädikatsexamens als Rechtsanwältin, reichte Anne nach vier Jahren Ehe, die Scheidung ein. Alle Dinge waren im Vorfeld geklärt sowie abgeschlossen und erwarteten in ein paar Wochen, dass endgültige Scheidungsurteil. Kurzfristig, hatte sie sich angemeldet, um zum letzten Male eine Nachlese zu halten.
»Danke, dass du so schnell gekommen bist. Ich hatte ganz vergessen, dass ich keinen Schlüssel mehr zur Wohnung habe. Ich möchte noch die letzten Sachen holen. Ich hoffe, du hast es dir endlich überlegt die Wohnung zu verkaufen. Schließlich habe ich auch einen Teil dazu gegeben. Ich brauche dringend meinen Anteil für die Kanzlei!«, sprach das »Gericht«.
Obwohl sie sich in dem hellhörigen Treppenhaus vor der Wohnungstür befanden, musste sie ihre Befehlsstimme erheben. Begleitet wurde ihr Ton durch das Taktgetöse ihrer High Heels. Es klang, wie wenn ein Lehrer mit dem Taktstock fortlaufend auf sein Pult trommelte, damit die ganze Klasse aufpassen sollte.
Sobald er die Tür geöffnet hatte, schoss sie mit ihrem grauen Rechtsanwaltskostüm in die Wohnung hinein, sodass ihre Koffer zweimal krachend gegen die Türrahmen stießen. Das störte sie weniger, denn sie hatte ein Ziel vor Augen. Ich bin hier, ich will haben, ich, ich, ich! Ein Kampf wie um das Goldene Vlies, die uneingeschränkte Herrschaft über die letzten Stücke in der Wohnung, begann.
Hastig lief sie von einem Zimmer zum anderen, um ihre Gegenstände auf dem Wohnzimmertisch, wie Siegestrophäen zu sammeln. Nebenbei riss sie Schranktüren, Schubladen auf und ließ sie offen, damit ihrem Blick nichts entgehen konnte. Das Ganze wirkte wie eine Spielshow, bei der man innerhalb einer gewissen Zeit, viele Dinge zusammentragen musste. Das war wieder typisch Anne. Höchst persönlich in ihrer Sprache. »Ich und ich und ich will …«
John hatte Anne bei der Vermittlung ihrer ersten Studentenbude kennengelernt. Mit 28 Jahren hatte John seinen Immobilienbetriebswirt abgelegt und war in einem Drei-Mann-Immobilien-Büro in Nürnberg angestellt. Der Verdienst dort konnte sich sehen lassen.
Die Eigentumswohnung in Nürnberg, im sechsten Stock in einer Nobelgegend, hatte er sich vor der Hochzeit von seinem Erbteil gekauft. Seine Eltern – John war ein Einzelkind – sind damals nach Australien ausgewandert, weil sein Vater, ein leitender Straßenbauingenieur, dort ein mehrjähriges Projekt begleitete.
Ihre Wohnung wollte er wegen ihrer Größe nicht übernehmen und wurde verkauft. durch den Anteil davon konnte er sich was Kleineres beschaffen. Kurze Zeit später hatte er Anne durch die Wohnungssuche kennengelernt und geheiratet. Dadurch ist sie gleich in seine Wohnung eingezogen.
Anne war eine Frau mit schnellen Entscheidungen, redefreudig, forsch und kannte ihre Ziele. Sie wollte Rechtsanwältin werden, geradewegs, wie es das Studium erlaubte.
Beim Lernen saß sie ohne Ausnahme, entweder auf dem Sofa oder an ihrem Schreibtisch, in ihrem grauen Trainingsanzug. Am Boden ringsherum ihre Unterlagen verteilt. Vielleicht symbolisierte der graue Trainingsanzug, ihr späteres Kostüm, meinte John.
Leider hatte ihr übermäßiger Fleiß, ihre zwischenmenschliche Beziehung auf die Dauer beeinträchtigt. Sie war lang in der Uni oder im Büro beschäftigt und am Tagesende oft erschöpft. Mit der Zeit war das Prickeln zwischen ihnen abgeflaut, und John hoffte auf ein baldiges Ende des Studiums.
Er nutzte stattdessen seine Zeit mit Erfolg im Büro. John hatte seine Frau nicht nur finanziell während ihres Studiums unterstützt, was sie ihn durch bestandene Prüfungen dankte, sondern im Wesentlichen, emotional. Auf der einen Seite war sie voller Elan, genauso oft entmutigt, enttäuscht und empfindlich.
John war 1,80 Meter, hatte eine sportliche Figur, war braunhaarig mit braunen Augen. Er war jemand, der sorgfältig gepflegt, top frisiert war, was sein Beruf teilweise erforderte. Seine kurzen Haare waren nach hinten gekämmt. Während seiner Arbeitszeit war John ausschließlich Anzugträger, in seiner Freizeit trug er am liebsten Jeans und karierte Hemden. Obwohl er gerne lachte, Spaß machte, besaß er eher ein zurückhaltendes, sonniges Gemüt. Er war ein Typ, der mehr überlegte, zielstrebig war, gute Moralvorstellungen hatte und an die wahre Liebe glaubte. Obwohl seine momentan auf Trockeneis gelegt war. Er ging hier mehr seiner Mutter nach, denn sein Vater war ein dominanter Mann und redegewandt.
Außerdem liebte er das Gemütliche, Merlot-Wein und Buscetta. Sein galantes Benehmen hatte er zwangsweise von seinem Chef übernehmen müssen, nach einiger Zeit war es auf ihn übergegangen. Als Immo-Verkäufer merkte er, wie wichtig es war, mit Frauen charmant umzugehen, deshalb gab er sich insbesondere Mühe. Ein kultivierter Mann bekam nicht so schnell einen Korb, stellte er fest.
Er liebte Frauen mit braunen Haaren, am besten lange Dunkelbraune. Anne hingegen war blond und kurzhaarig gewesen. Die lebendigen, vielsprechenden oder temperamentvollen Frauen hatten es ihm angetan. Aber bitte nicht mehr wie Anne, die mehr eine vielsprechende »richterliche« Art hatte, alles im Ernst betrachtete. Wie unter dem Motto. »Mein Mann, die Akte Nr.5.«
Was er nicht mochte, war klassische Musik, mit Kindern umgehen, Rollkragenpullover, alles mit Joghurt und jemand beim Flötenspielen zu zuhören. Er hasste weiße Socken, wie Rechtsanwälte und Angeberei. John mochte schöne schlanke Hände bei Frauen. Frauen, die viel von Treue und zwischenmenschlicher Wärme hielten. Denn das war ihm alles entgangen.
Was er schätzte, waren tolle Gespräche bei gutem Whisky oder Wein, Pizza und Entspannung. Zu Kindern hatte er keinerlei Berührungspunkte, denn sie standen bei ihm in weiter Ferne. Er dachte immer. »Was soll oder kann man schon mit Kindern reden?«
Bei Anne und ihm war Nachwuchs nie ein Thema gewesen. Das könnte der Grund seiner negativen Einstellung zu Kindern sein.
Sein Ziel war von vorne herein, zuerst eine gute Grundlage zu schaffen, dann seine Liebe zu suchen. Diese Ansicht kam von seinem Vater. Er hatte John das vorgelebt. Deshalb bemühte sich John, sein Studium, seine Ausbildung reibungslos durchzuziehen, um eine gute Anstellung zu finden. Natürlich gab es einige Jugendlieben in dieser Zeit, diese waren von seiner Seite aus eher unter Schwärmereien einzuordnen. John war sich anfänglich sicher gewesen, mit Anne seine erste Liebe gefunden zu haben. Bei ihm war es Liebe auf den ersten Blick gewesen, was er durch die schnelle Heirat gezeigt hatte. Leider sah sie für sich eher eine Zweckgemeinschaft, statt Liebe darin.
Wie konnte das passieren?
Bedauerlicherweise hatten sie sich durch Annes Studium, Praktikum, seinen Arbeitseinsatz langsam, ohne es zu verspüren, auseinandergelebt. Merkten sie es zu spät, oder hatte sie von vornherein keine gemeinsame Grundlage gewollt? Sie war eine äußerst strebsame, auf Karriere ausgerichtete Frau, was sich während dieser Zeit verfestigt hatte. Das anfangs quirlige, freudestrahlende Mädchen ging nach und nach durch ihre Karriere verloren. John arbeitete sehr viel, um das Geld zu beschaffen. Wenn er heimkam, war sie in der Kanzlei, wenn er schlief, kam sie erst heim. Die Wochenenden waren bei ihr damit verplant, zu lernen und sich auszuruhen. Seine, mit Freunden auszugehen oder zu lesen.
Ihre zwei Jahre jüngere Schwester Susann, die die beiden oft besuchte, brachte wiederholt zum Ausdruck, dass Anne von Anfang an auf Erfolg aus war. Einmal, in einem Streit mit Anne, warf Susann ihr vor, sie hätte John nur geheiratet, um jemanden zu haben, der ihr das Studium finanziere. Leider hatte es sich später als Wahrheit herausgestellt.
Susann dagegen war ein natürlicher Typ, immer gut gelaunt. Sie hatte ihren Spaß daran, in den unmöglichsten Situationen die Wahrheit zu sagen. Sie nahm die Sache, wie sie war, um das Beste daraus zu machen. Die Unterhaltungen mit ihr waren vielschichtig, meist mit einem Lachen verbunden. Er freute sich jedes Mal, wenn sie kam, denn mit einem Schlag war Stimmung in die Bude eingekehrt. Der fröhliche Immo-Verkäufer und Susann empfanden von Anfang an eine gewisse Sympathie füreinander. Beide scherzten oft zusammen, was gelegentlich in einer Balgerei ausartete. Wenn sie nicht mehr weiterkam, biss sie ihn, egal wohin. Susann schleuderte immer mit Absicht ihre langen braunen Haare in sein Gesicht oder ließ sie darin hängen, weil sie wusste, dass es John gefiel. Susann hatte hellbraune Augen, die zum Lachen verurteilt waren, was ihre Augenbrauen bestätigten. Sie strahlte eine herrliche Wärme aus, dass man das Gefühl hatte, sie in den Arm nehmen und drücken zu müssen. Susann suchte gerne auf irgendeiner Art den körperlichen Kontakt zu John, selbst wenn sie ihn mit dem Finger berührte. Sie grinste ihn oft lange in die Augen, bis er mit einem. »O nein, o nein« wegschauen musste. Manchmal dachte er. »Hätte ich doch sie geheiratet.«
Seine Schwiegermutter bestätigte, dass sich Anne und Susann unterschieden. Anne hatte immer gerne gelesen, wogegen Susann sich mit praktischen Dingen wie Gartenarbeit beschäftigte. Anne hatte kurze blonde, Susann schulterlange braune Haare. John konnte nur mutmaßen, ob das, was mit Sympathie oder Antipathie zu tun hatte, was für ihn danach aussah. Egal, was Susann äußerte, es war die Wahrheit. Man konnte sich auf sie verlassen.
Zurück zu Anne. Die langen Bürostunden hatten sich ausgezahlt. Sie verliebte sich während des letzten Praktikums in einen Rechtsanwaltskollegen in der Kanzlei. Zog spontan zu ihm und reichte sofort die Scheidung ein. Sie machte es wie in ihren Rechtsbriefen, kurz und schmerzlos.
»Ich liebe einen anderen, werde ausziehen. Ich hoffe, du siehst das ein. Die Scheidungspapiere lasse ich dir zustellen.« John verstand das anders wie. »Schön, dass du mich unterstützt hast, doch jetzt bin ich fertig und werde gehen.« Aus diesem Grund befanden sie sich in der Endphase des Trennungsjahres. Jedes gewinnende Gespräch von John war von ihr rechtmäßig abgewickelt, anschließend in den Ordner der Unversöhnlichkeit abgelegt worden. Jetzt war sie gekommen, um die letzten Gegenstände emotionslos abzuholen. Sie trat wie eine absolute Siegerin auf.
Der Wohnungsbesitzer konnte es nicht fassen, nachdem sie ausgezogen war, alles mitgenommen hatte, so dreist zu sein nochmals eine Art Nachlese durchzuführen. Es war grausam! Wie bei einem Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spiel, dass der geworfene Stein nochmals im Aus umgeworfen wurde. Dadurch konnte der Sieg grandioser ausgekostet werden. In der Zeitung las man oft von solchen letzten Treffen, wobei der verlassene Mann die Frau dann langsam erwürgte. John konnte es ein wenig verstehen, ballte dabei automatisch in seinen Hosentaschen seine Hände zu Fäusten.
Der von ihr Verurteilte wünschte sich, dass er ihr niemals vor Gericht als Angeklagter gegenüberstehen würde. Deshalb lief alles wegen seiner Nachgiebigkeit, Unerfahrenheit zu friedlich über die Bühne. John hatte seit dem Zeitpunkt, als sie ihn verließ, die Sache innerlich abgearbeitet. »Aber ein bisschen Würgen wäre trotzdem nicht schlecht«, ging es ihm durch den Sinn und bedauerte dabei gleichzeitig ihren neuen Partner.
John und Anne hatten sich beide auseinandergelebt. Aus diesem Grunde war keine Liebe oder Eifersucht mehr vorhanden. Nur diese Nacharbeit in seiner Wohnung machte John zu schaffen, wobei er seine ganze Selbstbeherrschung zusammennehmen musste. Wie gut, dass ihm seine Mutter das mit Nachdruck beigebracht hatte.
Diese ganze Szene ging wortlos vor sich, außer dass man fortlaufend ihre spitzen Absätze auf dem Boden hämmern hörte. Während er das Geschehen beobachtete, kam es ihm vor, als würde sie ihn bewusst zu einer Tat provozieren wollen.
»Dort drüben am Tisch habe ich noch Unterlagen von dir zusammengeheftet und gestapelt«, entglitt es ihm ohne Regung, obwohl er innerlich total verkrampft war. Worauf sie es gleich mit Höchstgeschwindigkeit, wie eine Geldscheinzählmaschine durchblätterte und mit dem Kopf nickend bestätigte.
»Du sagtest ja, dass du keine Möbel haben möchtest, dann werde ich sie in den nächsten Tagen verkaufen. Ist das okay für dich?«, sprach er gelangweilt, um sie nicht zum Schreien zu verleiten.
Daraufhin kam sie auf ihn zu geschnellt, stellte sich Auge in Auge vor ihm hin. Unter einem scharfen Blick teilte sie ihm hart mit. »Na klar, ich hoffe nur, dass du sie nicht spendest!«, ließ ihren Absatz mit voller Wucht auf dem Parkettboden schmettern.
John hatte sich mittlerweile weggedreht und sich mit einem Sicherheitsabstand auf die Fensterbank gesetzt. Er streifte sich des Öfteren durch seine kurzen Haare, während er interessiert verfolgte, was sie alles einsammelte. Dinge, die sie in den letzten Jahren nicht mehr beachtet hatte. Diese Stücke besaßen keine Persönlichkeit, wie Urlaubsmitbringsel oder Geschenke. Immer wieder ging es John durch den Sinn. »Bleib ruhig, es ist nur Materielles, lass dich nicht provozieren, das wollte sie nur. Dann habe ich weniger zum Wegwerfen. Bald ist alles vorbei.«
Denn immer wieder kam sie nahe an ihm vorbei, um ihr Missfallen gegenüber ihn auszudrücken, ihre kalte Schulter zu zeigen.
»Die Wohnung kann erst verkauft werden, wenn alles leer und renoviert ist, solange wirst du noch mit deinem Geld warten müssen«, entgegnete John ebenfalls ohne Gefühl. Mit dieser Methode wollte er ihr zeigen, dass ihm diese Dinge unwichtig waren. John wollte einen endgültigen Schlussstrich unter diese verunglückte Ehe ziehen.
Eine Ehe ohne Liebe! Wie grausam. Und nie mehr!
Nein – nie, nie wieder ohne Liebe.
»Ich warne dich, zögere es nicht hinaus«, zischte sie drohend. »Ich brauche das Geld dringend.« Sie schaute ihn strafend an, bevor sie die eingesammelten Sachen lieblos in den Koffer warf.
»Du bist zwar der rechtmäßige Besitzer, aber es lässt sich hier viel in Sachen Recht machen. Schau, dass du sie schnellstens verkaufen kannst, sonst komme ich mit dem Gericht, das verspreche ich dir!« Bei diesem drohenden Satz kniff sie ihre Augen zusammen. Das Gesicht war kalt, wie dass eines weißen Hais. Sie konnte das von ihm Gesagte nicht stehen lassen, sie musste das letzte Wort haben.
John blickte sie in Ruhe an. Wo war ihre frühere Liebe, Freundlichkeit geblieben?
Nach wiederholten durchschauen der Regale, Schubladen kam sie zu ihren beiden Koffern zurück und klappte den einen mit einem wütenden Schlag zu. Dann streifte sie mit ihren Händen langsam über die Kofferstirnseite des braunen Koffers entlang, überlegte ein paar Sekunden, schloss ihn mit einem festen Ruck ebenfalls zu. Wortlos nahm Anne die Koffer, stellte sie auf die Räder, zog mit einem kräftigen Ruck die Griffe heraus. In jeder Hand einen stolzierte sie mit klackernden Schritten demonstrativ zur Tür. Es fehlte der Ruf aus der Schifffahrt. »Achtung! Der Kapitän verlässt das Schiff.«
Die Absätze ihrer hohen Schuhe taten ihr Übriges, einen drohenden Abgang zu signalisieren. Anne stellte die Koffer kurz ab, öffnete die Haustür, schob dann ihr Gepäck in das Treppenhaus. Plötzlich kam sie drei Schritte in die Wohnung zurück, drehte sich im Halbkreis, schaute alles rundum an. Sie nahm wie Abschied, von ihrem vorherigen Leben. Ihr Gesichtsausdruck war, wie das eines einsamen Mädchens, das auf dem Bahnhof vergessen wurde und nach Hilfe suchte. Mit einem Ruck, indem sie ihren Kopf nach oben hob, einen herabwürdigenden Blick für ihn aufsetzte, drehte sie sich zur Tür, verließ die Wohnung im siegenden Stechschritt. Dabei warf sie die Tür mit voller Gewalt ins Schloss, als ob sie dadurch einen endgültigen Schlussstrich gezogen hatte.
Meine Güte, Rechtsanwältinnen waren wirklich mit Vorsicht zu genießen. Auf keinen Fall wollte er nochmals, je mit einer solchen zu tun haben.
John rutschte aufatmend von der Fensterbank auf die Sessellehne, lehnte sich entspannt zurück. Er dachte über ihren Abgang nach. Typisch Anne, »ich und ich« und ihre Karriere ging ihr über alles. Warum hatte sie sich so entwickelt? Es lief am Anfang alles wunderbar, doch mit der Zeit streifte sie ihre Gefühle ab. Hatte es mit Berechnung zu tun? Sowohl wie sie jetzt auftrat, als auch das Verhältnis mit dem Kollegen der Geschäftsbeteiligung, ließen eindeutig darauf schließen.
Meine Güte, Recht ist doch nicht alles, wo bleiben die Gefühle? Sie hatte ihn zweifelsohne provozieren wollen, dass er handgreiflich werden sollte. Denn alles, was sie mitnahm, war ohne Wert für sie. Warum diese Vorführung heute? Er konnte es nicht verstehen. Eines war klar, zu erkennen, dass ihre beiderseitigen Gefühle zerstört waren. Hätte er Susann geheiratet, wäre alles anders geworden, denn sie war unbefangen und natürlich. Susann war das Gegenteil von ihrer Schwester. Nach kurzem Nachdenken mit Kopfschütteln, einer gewissen Traurigkeit darüber, erhob er sich, um die Balkontür zu schließen.
Plötzlich hörte er einen furchtbaren Dumpfen Schlag, das Quietschen von Autoreifen. Er sprang auf den Balkon, blickte suchend über die Brüstung.
Da lag Anne!
Mit höchster Geschwindigkeit rannte er die Treppe hinunter, bis er auf der Straße neben ihr war. Außer Atem beugte er sich über sie, richtete ihren Kopf auf. »Anne, Anne! Hörst du mich!«, schrie er keuchend, doch sie gab keinerlei Lebenszeichen mehr von sich.
Er legte sofort sein Ohr auf ihren Brustkorb und vernahm keinerlei Herzschläge. Riss ihre Bluse auf, kniete sich neben sie und begann unaufhörlich mit der Herzdruckmassage, bis der Notarzt kam. Endlich übernahm der Arzt die Behandlung, konnte selber nach langen Bemühungen nur ihren Tod feststellen. John nahm sie anschließend fest in seinen Armen, Wange an Wange.
Ihm war es in diesem Moment egal, dass sie getrennt waren, sie war seine Frau. Der Notarzt meinte traurig, dass sie sofort tot gewesen sein musste. Genick- und Brustkorbbrüche, innere Blutungen, vermutete er.
John kniete neben ihr und wusste, dass alles zu Ende war. Er sah kurz in ihre Augen, bevor der Arzt sie schloss. Sie waren leblos stechend, ohne Ausdruck.
»Sie hat immer alles genommen, was sie wollte, jetzt ist ihr alles genommen worden, ohne dass sie es wollte«, dachte John bei sich. »Doch warum so ein Ende? War das alles?«
Der Arzt kümmerte sich um John, weil er einen Schock vermutete, was der Realität entsprach.
Nach zwei Stunden war alles vorbei, als ob dort nie was geschehen wäre. Nur, dass ein Leben ausgehaucht war. Plötzlich erblickte der Witwer die Koffer auf der anderen Straßenseite liegende, die durch den Aufprall dorthin geschleudert wurden. Er holte sie, stieg in das Polizeiauto, wo bereits der Unglücksfahrer saß und alles zu Protokoll gab.
»Sie war mir direkt vor das Auto gelaufen, ohne sich umzudrehen! Ich hatte keine Chance zum Halten«, wiederholte der Fahrer immer wieder verzweifelt, schaute John voller Reue an. Sobald er mitbekam, dass John der Ehemann war, entschuldigte er sich ohne Unterlass. Der Fahrer erwartete wahrscheinlich Übergriffe, nahm eine Abstandshaltung an, soweit es der Sitz im Polizeibus zuließ. John bestätigte betäubt.
_ _
Die Beerdigung war klein gehalten. Ihre Familie, die Kollegen – und ihr einstiger Liebhaber – standen auf der einen Seite des Grabes und John neben dem Prediger gegenüber. Alles, was der Prediger von ihr sprach, traf zu zehn Prozent zu. Anne hatte John nie gelobt, warum sollte sie nicht wenigstens jetzt gelobt werden. Ihm wurde klar vor Augen geführt, wie schnell ein Leben vorbei sein konnte. In der Wohnung hatte sie ein Hochgefühl ihres Sieges, schon wartete eine erbärmliche Niederlage vor der Haustüre.
Er bekam schlagartig die Erkenntnis, dass Geld und Ruhm nicht alles waren. John nahm sich vor, bescheiden zu bleiben, komme, was da wolle, und später irgendwann die richtige Frau zu suchen. Sie sollte was Besonderes sein, voller Liebe, Treue, Harmonie und man müsste sich mit ihr geistig austauschen können. Dieses Mal wollte er sie ohne Druck, mit Vorsicht suchen.
Auf einmal löste sich Susann aus der Gruppe, kam betroffen zu ihm. Sie hakte sich in seinen Arm ein, flüsterte vom Weinen verschnupft zu ihm. »Lass uns gehen John. Wir können hier nichts mehr tun«, worauf beide aus dem Friedhof hinaus zum Auto gingen.
»Meine Schwester, Gott habe sie selig, war schon immer ein gemeines Luder gewesen, berechnend und kalt … John, fang ein neues Leben an, du hast es verdient«, flüsterte sie rührend.
Der frische Witwer fasste sie an die Schultern, sah in ihre hübschen hellbraunen, feuchten Augen. »Danke. Mit dir hatte ich immer viel Spaß. Möchtest du was von den Möbeln haben, bevor ich sie verkaufe?«, bot ihr John an. »Das muss aber schnell gehen.«
»Ja gerne, ich komme am Samstagfrüh mit einem Sprinter vorbei, ist das okay?«
»Na klar, ich bin da. Also bis dann. Mach es gut, meine Kleine.« John winkte ihr zu, dann fuhr er davon.
Für ihn war der Abgang von Anne, trotz ihres Verhaltens, sehr schmerzhaft gewesen. Jedoch verspürte er eine gewisse Erleichterung, dass der Fall abgeschlossen wurde – für immer. Das erste Mal konnte sie keinen Einspruch mehr erheben, die Scheidung hatte sich erledigt.
Als John in die Kanzlei ging, um ihre persönlichen Sachen zu holen, wurde er teils ablehnend, teilweise verständnisvoll empfangen. Der Witwer holte sich alles bis zum letzten Bleistift. Damit hatte er wenigstens das Gefühl, dass sie als seine Frau gestorben war. Anne hatte einen Schnitt getan, wie sie die Tür in das Schloss seiner Wohnung warf. Er machte es auf diese Art. Auf keinen Fall wollte er in Zukunft, nichts mehr mit Rechtsanwältinnen zu tun haben. Das war sein Schlussstrich.
Susann kam am Samstag mit ihrem Bruder gefahren, holte alles ab, was sie brauchte. Sie war in guter Laune, suchte sich das Beste aus und freute sich endlos. Ihr Bruder war wie Anne, kalt, undurchsichtig und räumte genauso ab, wie Anne es getan hatte. Seine ganze Haltung war, dass John an allem schuld wäre. Susann hatte von John die Erlaubnis, sich ein paar Erinnerungsstücke auszusuchen, was sie immer unter der Frage tat.
»Darf ich das nehmen?«, John nickte ihr stets zu.
Als der Koffer voll war, kam sie auf den Balkon, wo er wartete. Sie standen sich gegenüber, während ihm Susann bestätigte, was er ohnehin vermutet hatte.
»John, ich weiß, dass Anne nur eine Zweckgemeinschaft suchte, sie hatte dich nie geliebt. du warst nur ein Mittel zum Zweck. Bitte glaube mir, sie hatte es mir selbst zwei Wochen vor dem Unfall erzählt. John, es tut mir so leid, du bist so ein anständiger Mensch und so hintergangen worden. Suche dir das nächste Mal jemand, der dich wirklich liebt. Ich habe dich schon immer gemocht, vielleicht denkst du manchmal an mich«, gab ihm einen kleinen Kuss.
Ihr Bruder saß am Steuer, als Susann das letzte Möbelstück verstaut hatte und die hintere Tür des Lieferautos schloss. Da kam sie nochmals zu John zurück, lächelte ihn über das ganze Gesicht an. »John, vielen Dank. Lass uns bitte in Verbindung bleiben, denn ich mag dich. Sie umarmte ihn, flüsterte ihm ins Ohr. »Vielen Dank für die Geschenke. du hättest mich … damals Fragen sollen. Ich wäre bei dir geblieben«, küsste ihn zärtlich auf die Wange, ließ beim Abschied ihre Haare durch sein Gesicht fliegen und rannte davon.
Sie winkte wie wild aus dem Fenster, bis das Auto verschwand. Seitdem hatte er nichts mehr von ihr gehört. Den Rest der Möbel, Gegenstände und die Wohnung wurden später verkauft. Das Geld mit ihrer Lebensversicherung legte er an. Sie hatte noch ein Guthaben auf ihrem Girokonto sowie auf dem Sparbuch liegen, was er für seine neuen Möbel benutzte. Komischerweise war die Lebensversicherungspolice in dem letzten Koffer gewesen, den sie mit Bedacht geschlossen hatte. Manche hatten gesagt, dass es eine Ironie des Schicksals gewesen sei, was es aber nicht gab.
Nach seinem Wohnungsverkauf war John an den Stadtrand in eine Erdgeschosswohnung gezogen. Die Wohnung hatte eine schöne Terrasse, einen Blumengarten, um den sich das ältere Vermieterehepaar sechs Monate im Jahr kümmerte, ansonsten waren sie in Spanien unterwegs. Deshalb war es ruhig und entspannend, dort zu wohnen.
Das kam bei ihm alles wieder hoch, nachdem er den Unfall neben der Eisdiele erlebt hatte.
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John aß sein Eis in aller Ruhe weiter. In diesem Augenblick kam ihm zum Bewusstsein, dass er die junge Frau nicht angesehen hatte. Er wusste nur, dass sie einen kurzen braunen Haarschnitt hatte. In der Aufregung hatte er mehr auf das Blut in ihren Haaren geachtet.
Egal, Hauptsache, sie war gerettet und würde sich hoffentlich erholen. Sie war leicht gewesen, schmunzelte er, und schönes Gefühl, eine brave Frau im Arm zu tragen. Na ja, sie war ohnmächtig.
John war 34 Jahre und seine Überlegungen gingen in die Richtung, sich in der Zukunft wieder zu binden. Mit dem Unterschied, dass zu beinhalten, was er vermisst hatte. Liebe und Gefühl. Sie müsste ein bisschen wie Susann aussehen, genauso kommunikativ und mehr fraulicher. Das wäre ihm bedeutsam. In einer Umfrage einer Illustrierten hatte John gelesen, wie die perfekte Frau war. Natürlich, schön mit praktischen Outfits, humorvoll. Ehrlichkeit und Treue wären wichtig. In den Eigenschaften stand an den ersten Stellen. Vertrauen, Treue, Ehrlichkeit …
Genauso müsste sie sein. Dazu mit einer hübschen, guten Figur. John geriet ins Schwärmen.
Die Übergabe
Voller Genuss und mit der Befriedigung, eine gute Tat vollbracht zu haben, löffelte John den übergroßen Becher aus. Mittlerweile wurde das Auto abgeschleppt, der Verkehrsfluss stellte sich in der Einbahnstraße wieder ein. Anschließend schlenderte er mit einem regelrechten Retter-Gefühl zum Parkplatz, fuhr zuerst bei sich zu Hause vorbei, um sich umzuziehen. Anschließend begab er sich in die Innenstadt ins Büro.
Das Immo-Büro von Luis Rehberger war eine alt eingesessene, renommierte, gut bekannte Dependance. Luis Rehberger hatte nicht nur das Auftreten eines englischen Grafen, er war auch so gekleidet. Galant, höflich, mit einer gewissen Etikette, immer zuvorkommend. Seitdem John in seiner Firma war, versuchte Luis sein Verhalten auf ihn zu übertragen.
Luis war 65 Jahre, verwitwet, 1,85 Meter mit Wohlstandsbauch und soweit es sein Körper zuließ, graziös. Seine Hosen waren so scharf gebügelt, dass man eine Brotscheibe damit abschneiden konnte, worauf er stolz war. Wenn er redete, setzte er betonend seine Arme und Hände dafür ein, um es jeden anschaulich zu erklären. Er hatte das Talent, einen Radiergummi so interessant zu beschreiben, dass dieser plötzlich für alle wertvoll erschien. John machte sich seine ganzen Techniken zu eigen, verfeinerte sie für sich, zeitgemäß weiter.
In letzter Zeit hatte Luis die rasante Entwicklung des Immo-Bereiches nicht mehr mitverfolgt. Seine Sekretärin Gudrun und All-Kraft, die sich auch privat um ihn kümmerte, schlug ihm laufend vor, dass er sich zur Ruhe setzen sollte. Sie war dagegen eine hagere, liebenswürdige Witwe mit 1,70 Meter, mit einer kundenwerbenden Stimme. Dabei umschwärmte sie Luis mit einem schmeichlerischen Lächeln, wie eine Biene die Blüte.
John meinte, dass die beiden wie geschaffen für einander wären. Gudrun war eine Seele von Frau und John verstand sich mit ihr, weil sie ihn wie einen Sohn behandelte. Luis Rehberger würdigte dieses, obwohl mit einem gewissen »Englischen« Abstand.
Sein Büro hatte nicht mehr expandiert, sondern war in den letzten Jahren auf dem gleichen Level geblieben, obwohl alle gut davon leben konnten. Luis war müde geworden, die schnelle Abwicklung fiel ihm schwer, außer seinem Verhandlungsgeschick.
»Hallo, John! Geh bitte gleich zu Luis ins Büro, sag zu allem Ja, was er vorschlägt, okay?« Sie grinste, zuckte mit den Augenbrauen, winkte ihn flott hinein.
»Was ist los Gudrun?«, erwiderte John überrascht.
»Geh schon, du wirst es sehen.« Gudrun lächelte wohlwollend, nickte und machte Wink Bewegungen mit der Hand.
Luis Rehberger saß in seinem alten Chefsessel aus den 50er Jahren, atmete tief durch, während sein einziger Vertriebsmann in sein Büro kam. Sein angesetzter Bauch, der am Schreibtisch anlehnte, bewegte sich nervös auf und nieder. Er sah mit den Grauen, top frisierten Haar, mit Fliege, in seiner schwarz glänzenden Jacke aus wie ein alter Präsident.
»Bitte setz dich, John. Ich habe dir was Wichtiges zu sagen«, raunte er, zeigte mit einer galanten Handbewegung zum Besucherstuhl, räusperte sich mehrmals. Seine Augen wanderten dabei langsam zum Schreibtisch.
Als er wieder aufsah, holte er tief Luft und brummte ausatmend. »Ich habe beschlossen, mich mit Gudrun zur Ruhe zu setzen. Mein Wunsch wäre es, dass du das Büro weiterführst.« Luis lächelte plötzlich, was nicht seine Wesensart war, und fuhr fort. »Du bist von Anfang an hier gewesen, warst immer loyal, deshalb möchte ich dir das Büro überschreiben. Dagegen wirst du mir eine Ablösung auf Rentenbasis zahlen. Wirst du es annehmen?« Er atmete tief ein, dass sich sein Bauch wie ein Luftballon füllte, räusperte sich wieder.
Obwohl dieser Zustand irgendwann kommen musste, war es für John eine Überraschung. Eigentlich wollte er, dass die Verantwortung bei Luis bleiben sollte, damit er im Kopf freier sein konnte. Nach einigem Nachdenken, wobei er seinen Arm wie eine Kopfstütze benutzte, sein Kinn dabei mehrmals rieb, antwortete er.
»Es kommt zwar etwas plötzlich, doch das Büro hat einen sehr guten Namen, sodass ich es gerne übernehmen werde. Es wird sich aber hier einiges beträchtlich verändern.«
»So soll es sein. Hauptsache, es geht weiter. Bei dir ist das Büro in den besten Händen.« Luis fuhr hoch, setzte sich mit einem Hohlkreuz in seinen alten Ledersessel. »Hier sind die Verträge. Unterzeichne sie und ab 01.08.2010 gehört alles dir«, schoss es freudig aus ihm heraus. Dabei klatschte er in die Hände und rieb sie.
John sah die Verträge kurz durch, besonders die Stelle seiner Abfindung, unterzeichnete sofort. Er wusste mit Sicherheit, dass er sich auf ihn verlassen konnte und keine weiteren Klauseln versteckt waren. Luis stand auf, gab ihm, wie ein galanter Engländer es tun würde, für den Geschäftsabschluss die Hand. Er wünschte ihm Glück, setzte sich wieder, rief Gudrun sofort in sein Büro.
»Gudrun! Ab sofort ist John der Chef«, verkündete er mit graziöser Stimme, seine typischen Handbewegungen machend. Gudrun schritt sofort auf John zu, umarmte ihn lachend.
»Oh John, das ist so wunderbar. Endlich kann er sich zur Ruhe setzen und von mir versorgt werden. Du weißt ja, dass du dir auch eine neue Sekretärin suchen musst. Jung zu jung, alt zu alt, sage ich immer. Herzlichen Glückwunsch, John! Ich freue mich für dich und uns natürlich.« Gudrun schäumte über, umarmte spontan Luis. »Ach Luis, endlich haben wir Zeit für uns zwei«, und küsste ihn auf die Wange, was Luis verlegen machte.
»Gudrun bitte, das ist hier geschäftlich«, erwiderte er nach dem Kuss, wurde sogar rot im Gesicht.
Gudrun kannte ihn und widersprach ihm freudig. »Nein, Luis, John hat schon unterschrieben. Wir sind nur noch privat hier«, drückte ihn noch einen Kuss auf und nahm ihn in den Arm. Es war herzerwärmend zu beobachten, wie ein stattlicher Mann verlegen wurde.
Nach seiner englischen Art holte er den Whisky aus seinem alten Sekretär und schenkte allen ein. Dann hob er das Glas. »Cheers. Heute bleibt das Büro geschlossen wegen Inhaberwechsel.« Er schüttete mit einem Hohlkreuz beschleunigt den Whisky hinunter.
Die nächsten Tage waren von Notarbesuchen, der Übergaben, der Suche nach einem neuen Büro sowie einer Mitarbeiterin bestimmt. Acht Wochen später fand der Umzug statt, und alles lief top. Das Büro lag in der Plobenhofstraße, in Nürnberg. Die Räume im ersten Stock, hatten ein gutes Ambiente, mit vier geräumigen Arbeitsbüros, die durch Glaswände voneinander getrennt waren. Einen großzügigen Empfang mit zwei weiteren Plätzen, Besprechungszimmer, einer tollen Küche mit den modernsten Geräten. Vom Balkon aus konnte man zur Fleischbrücke, zum Narrenschiff, zu Johns Lieblingskaffee und auf der anderen Seite zur langsam fließenden Pegnitz schauen. Der Kühlschrank war gefüllt mit Sekt, Leckereien sowie weiteren Spirituosen. Es war ein herrliches Gefühl in diesem modernen Büro.
Bald sollte eine neue Kollegin hinzukommen. Viele hatten sich beworben, und John konnte sich einfach nicht entscheiden. Er nahm nochmals die Unterlagen von Tina Schröder, entschloss sich, sie morgen anzurufen und sie einzustellen.
Nachdem das letzte Bild aufgehängt war, die schönsten Blumen am richtigen Ort standen, verspürte er den Drang einer Entspannung. Da entdeckte er auf dem Fußboden unterhalb seines Schreibtisches, eine Bewerbung. Die musste aus Versehen zu Boden gefallen sein und warf sie mit einem kurzen Blick, auf seinen Schreibtisch. Er saugte zum Abschluss alles gründlich durch und spazierte ins nahe gelegene Café. Dort gab es nach seiner Meinung den besten Cappuccino.
Die verträumte Außenanlage des Cafés, befand sich zwischen zwei Bäumen, darunter standen korallenrote Pavillons mit Korbstühlen und Tischen. Zur Abgrenzung stellten sie große Palmen in Töpfen und Holzwindfängen in Blumenkästen auf. Cappuccino mit Sahne, drei Stangen Zucker musste sein. Leider war kein einzelner Tisch mehr frei, fragte er eine Frau höflich, ob er sich zu ihr setzen dürfte. Sie lächelte ihn an und schien sich zu freuen. Sogleich kamen sie ins Gespräch, wobei sie ihm einen bevorstehenden Termin beschrieb.
»Ich habe in einer Stunde einen lebenswichtigen Vorstellungstermin und freue mich riesig darauf.« Sie sah mit einem verträumten Lächeln nach oben, hob ihre Hände und klatschte mehrmals.
»Was? Lebenswichtig! Gibt es so einen Termin überhaupt?«, wollte John neugierig wissen.
Sah die Träumerin erwartungsvoll an und löffelte die Sahne von seinem Cappuccino. »Ja, für mich schon, denn es geht um meine Zukunft. Mein Traumberuf ist zum Greifen nahe«, sprühte sie weiter.
»Um was geht es denn, wenn ich fragen darf? Sie machen einen total neugierig.« Hielt John es nicht mehr aus.
»Bei dem Immo-Büro Luis Rehberger gleich gegenüber. Ich bin Immobilienfachwirtin aus Leidenschaft und hier zugezogen. Ich wollte extra frühzeitig da sein, um mich vorher zu beruhigen, damit ich vor Aufregung keine Fehler mache.«
John war irritiert, sie hatte doch abgesagt! Oder? Hatte er die Bewerberinnen verwechselt? Das war die Bewerberin unter dem Tisch. Meine Güte, welch ein Zufall! Er strengte sich an, um sich nicht durch eine Reaktion zu verraten. Plötzlich umschlich ihm ein wunderbarer Gedanke. »Ich werde sie vorsichtig aushorchen, das wäre die beste Vorstellung, die man sich wünschen konnte«, und begann damit.
Michelle Bergmann hieß sie, hatte ihr braunes langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und eine Sonnenbrille in ihrem Haar gesteckt. Sie hatte ein verschmitztes Gesicht mit schönen Lippen und fröhlichen Augen, eine zierliche Figur mit schmalen Hüften und sprühte vor Lebenslust und Temperament. Das zeigte sich durch ein mit Blumen bedrucktes Sommerkleid und eine sommerliche weiße Bluse
»Ich finde, dass Sie schick und passend für einen Vorstellungstermin angezogen sind«, lobte er sie, um sie zu beruhigen, was sie verlegen werden ließ.
In dieser flotten Unterhaltung, in der alles mit Begeisterung heraussprudelte, wollte John nebenbei wissen. »Sagen Sie bitte. Ich habe keine Ahnung in diesem Bereich, was verdient man denn in dieser Position?«
Sie schaute neugierig auf. »Na ja …«, überlegte sie und neigte ihren Kopf leicht auf die Seite, sodass ihr Pferdeschwanz auf ihre Schulter lag. »2500–3000 Euro wären bei guter Leistung angebracht. Zudem habe ich gute Referenzen und würde alles machen, müssen Sie wissen.«
John bejahte es. Seine Augen beobachteten sie eindringlich. Sie war eine hübsche Person, wirklich gut für sein Büro sowie für die Zukunft geeignet. Er benötigte dringend jemanden, der mitzog und die Firma mit nach oben bringen würde. Es sollte keine lahme Schnecke sein, sondern genau jemand, wie sie es war. Sollten ihre Leistungen stimmen, hätte er die ideale Geschäftspartnerin. Sie unterhielten sich angeregt bis zu dem Punkt, als er unterbrach. »Ich muss leider gehen, vielleicht sieht man sich wieder. Ich bin öfters hier. Wäre schön, zu wissen, ob Sie die Stellung bekommen haben«, verabschiedete er sich freundlich, beschleunigte seinen Schritt, um ins Büro zu kommen.
Der angehende Chef war aufgeregt, denn gleich würde sie kommen. Es war die Bewerbung, die auf dem Boden gelegen hatte, und übernahm ihre Daten in den Vertrag. Nach zehn Minuten klingelte es im Büro. John nahm den Hörer der Türsprechanlage ab, und Michelle Bergmann meldete sich.
»Bitte gehen Sie in den ersten Stock rechts durch die Glastür, dann gleich links ins Besprechungszimmer. Ich komme gleich«, sagte er und ließ den Türöffner surren.
Gleich darauf hörte er durch die offene Bürotür das Geräusch ihrer Absätze im Flur.
John versteckte sich hinter der Büropflanze, um abzuwarten, bis sie im Zimmer war. Ja, da kam sie. Er stolzierte hinein und begrüßte sie überfreundlich. »Schön, Sie sobald wiederzusehen.
Mein Name ist John Stark!«, rief er, breitete seine Arme weit aus, wies sie damit an, sich zu setzen.
John setzte ein freches Grinsen auf und ergötzte sich an ihrem Verhalten. Sie erschrak furchtbar, gab ihm mit offenen Mund eine kalte leblose Hand und ließ sich bleich in den Stuhl niedersinken. Worauf sie völlig entsetzt flüsterte. »Was soll das?«
»Bleiben Sie bitte sitzen. Haben Sie keine Angst. Lesen Sie erst Ihren Vertrag durch, anschließend werden wir reden, okay?« Er reichte ihr den Vertrag, den sie wortlos entgegennahm, während sie John anstarrte.
Der Firmeninhaber stimmte zu. »Zuerst lesen bitte.«
Sie war verdattert, dass sie kein Wort herausbrachte, stimmte zu, und las stumm den Vertrag.
John wartete, bis sie aufsah und sprach beruhigend. »Das war keine böse Absicht, sondern ein wunderschöner Zufall. Ich kenne weder Ihre Unterlagen, noch war mir bekannt, dass Sie heute kommen wollten. Glauben Sie mir.« John schob seine Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. »Wenn Sie unterschreiben, sind Sie meine erste Mitarbeiterin. Passt das Gehalt?«
Sie nickte schweigsam mit dem Kopf, sagte kein Wort. Im Café hatte sie sich ausgeschüttet, jetzt dagegen, brachte sie kein Wort hervor.
John amüsierte sich innerlich. »Kommen Sie bitte, ich zeige Ihnen unser neues Büro und erzähle Ihnen was über die Firma.« Er erhob sich und schritt genüsslich in die neuen Räume voran. Auf seinen Lippen die Firmengeschichte, zeigte der Chef seiner neuen Mitarbeiterin die Räume.
»Suchen Sie sich aus, wo Sie sitzen möchten, es ist alles frei.« Er zeigte zu allen Räumen.
Sie war noch immer verlegen, total beeindruckt und brachte zaghaft heraus. »Wollen sie meine Referenzen sehen, bevor ich unterschreibe?«
»Ja, okay. Wenn Sie wollen, sprechen wir sie durch.«
Sie gingen ins Besprechungszimmer zurück. Endlich kamen aus ihrem schönen Mund einige Sätze heraus, die sich langsam zu einem Gespräch steigerten. Michelle war wieder frei. John merkte sogleich, dass sie ein Glücksgriff war, und forderte sie auf.
»Werden Sie den lebenswichtigen Vertrag signieren, und zum nächsten Ersten anfangen?«
Michelle blickte ihn an, verstellte sich, um ernst zu wirken, und entgegnete. »Obwohl Sie mich im Café hereingelegt haben? Ja, alles passt, mir gefällt es hier.« Lachte sie herzhaft beim Unterschreiben. Dabei schleuderte sie ihren Pferdeschwanz hin und her.
»Ihre erste Aufgabe wird es sein, eine Immo-Kauffrau zu suchen, die den Schreibkram macht, sodass wir genügend Zeit haben zu arbeiten«, gab John die erste Anweisung.
Danach war die Situation entspannt, weil die lebenslustige Frau wie aufgetaut war. John holte aus der Küche eine Flasche Sekt, damit begrüßte er sie in der neuen Firma. Sie unterhielten sich heftig, dass die Zeit wie im Flug verging und sie sich freudenstimmig verabschiedete.
»Zum Glück hatte ich nicht die andere eingestellt«, dachte er. Er freute sich über diese zufällige Begebenheit.
Luis Rehberger hatte eine gute Dauerkundschaft sowie Verwaltungsaufgaben hinterlassen. Mit den Aufträgen von John zusammen war eine gesicherte Existenz gewährleistet. Wenn Michelle gut wäre, würde sie der Gewinn seiner Firma werden.
Die nächste Angestellte war Jenny Bauer, 25 Jahre mit zwei Jahren Praxiserfahrung, eine Büroangestellte, die sicher nach Ordnung arbeitete. Als sie zum Vorstellungsgespräch kam, erblickte John den Glanz in ihren Augen und das Strahlen in ihrem Gesicht. Sie warf ihre rötlichblonden Haare auf die Schulter und lächelte. Sie wirkte wie ein Rauschgoldengel auf ihn, somit ein Vorzeigeschild, wie es sich eine Firma nur wünschen konnte. Nach ihrer Art, würde sie ein gutes Bindeglied für alle werden. Jenny erzählte unaufhörlich von ihrer letzten Arbeit, dass sie unter Mobbing, Eifersüchteleien von Kolleginnen zu leiden hatte. Aus diesem Grund hatte sie gekündigt.
Sie schien ein sehr feinfühliger Typ zu sein, und wusste, wie man gewisse Sachen sagen sollte. John merkte dabei, dass sie innerlich was bedrückte. Sie ließ durchscheinen, dass ihr Mann Druck auf sie ausübte, ja darauf bestand, dass sie arbeiten müsste. Also stimmte es in ihrer privaten, zwischenmenschlichen Beziehung nicht. Jenny nahm zum Schluss ihrer Vorstellung wieder eine bittende Haltung ein. John hatte das bisher nicht erlebt, kam sich, wie ein Samariter vor. Er war der Meinung, sie hatte alles, was man sich für eine ideale Zusammenarbeit wünschen konnte. »Entschuldigung, Frau Bauer, bitte warten Sie hier, ich muss kurz in mein Büro zum Nachdenken.«
Er setzte sich an seinen Schreibtisch, legte seine Füße darauf, überlegte, indem er seine Arme hinter seinen Kopf verschränkte. John hatte für sich das Büro in der Mitte gewählt. Nicht um eine Übersicht zu haben, sondern weil mehr Platz vorhanden war. Links von ihm hatte sich Michelle platziert, rechts war der Tisch frei sowie vor ihm waren zwei Arbeitsplätze. Michelle beobachtete seine Eigenart, schüttelte mit dem Kopf.
Was für eine tolle Frau Bauer! Was mochte dahinterstecken? Wäre es gut für die Firma, sie einzustellen? und wägte alle bekannten Fakten ab.
Nach zehn Minuten begab er sich zurück. Jenny Bauer war wie aufgelöst, sah ihn beim Kommen flehentlich an, wobei ihre Augen feucht wurden. »Herr Stark«, begann sie mit zittriger Stimme. »Ich würde alle Arbeit verrichten, die Sie von mir wollen. Ich kann es. Glauben Sie mir. Bitte geben Sie mir den Job.«
John musste den Augenkontakt unterbrechen, so dahinschmelzend war dieser. »Bitte kommen Sie mit, Frau Bauer, ich will Ihnen was zeigen«, sagte er, verließ das Zimmer und ging in das leere Büro. Er stellte sich mit ihr an den Schreibtisch, der vor ihm stand.
»Frau Bauer, würde Ihnen dieser gefallen?«
»Was? Heißt das, dass ich eingestellt bin?« Sie riss ihre schönen blauen Augen und ihren Mund weit auf.
John nickte, wollte ihr die Hand mit den Worten »Willkommen in der Firma« geben, da warf sie sich vor Freude an seinen Hals.
»Vielen Dank, vielen Dank.« Als sie gewahr, was sie gemacht hatte, ging sie sofort Abstand, entschuldigte sich bei ihm.
John war selber von dieser Aktion überrascht gewesen, nahm es als überschwängliche Freude hin und lachte. Er stellte Michelle vor, die sich ebenfalls darüber amüsierte.
»Wann kann ich anfangen«, fragte sie.
»Sofort«, gab John zurück. »Wollen wir nicht erst den Vertrag unterschreiben und einen Sekt trinken?«, fragte er, worauf sie strahlend zustimmte.
Sie unterschrieb sofort, gingen sogleich in die Küche. Von Anfang an bestand eine gute Harmonie zwischen den dreien.
Jenny war anders gestrickt wie Michelle. Ihre Wesensart war mehr burschikoser. Konnte zielgerichtete Gespräche führen, die tiefgründig und durchdacht waren. Sie hatte zwar eine sinnliche Art, war für jede Kabbelei zu haben. Michelle war karrierebewusster, zielgesteuerter als Jenny. Nach kurzer Zeit waren sie ein eingespieltes Team. Es bereitete ihnen allen Spaß, nicht nur zu arbeiten, sondern nach der Bürozeit zusammenzusitzen, zu reden, dabei leckere Dinge zu essen.
Ihre Atmosphäre hatte dazu beigetragen, dass die Firma in den nächsten Monaten unaufhörlich auf Erfolgskurs war. Man konnte die Kunden in das Büro einladen, Präsentationen halten und sie kulinarisch verwöhnen. Jeder fühlte sich für die Firma mit verantwortlich. Michelle bewies sich als ein Garant, hatte Freude am Job, genauso wie sie es vorher beschrieben hatte. Sie trug zum Ansporn aller erheblich bei.
Jenny Bauer die Fröhliche, hatte ein Jahr vor ihrer Einstellung geheiratet. Sie war ein richtiges Arbeitstier geworden. Ihre rötlichblonden Haare, die sie bis zur Schulter trug, wedelten bei jeder ihrer Bewegung. Sie verliehen ihr dadurch eine optische zusätzliche Schnelligkeit, was ihrem Temperament entsprach. Der Büroleiter kannte keine Person, die solch eine Fröhlichkeit Ausstrahlte.
Jenny Bauer träumte nicht von einer Karriere oder vom großen Geld. Sie wünschte sich einen Mann, der sie verstand, gut behandelte und mit ihr mitfühlen konnte. Ihr Traum war es, ein Kompliment am Tag zu erhalten. Jenny war eine besondere Frau, für die sich jeder andere Mann, wegen ihrer Liebe zerrissen hätte. Ihr eigener Ehemann leider nicht. Sie wartete seit dem ersten Tag auf ihr erstes Kompliment, obwohl ihr Mann ein schöner, athletischer Mann, mit einem tollen Job war.
Alles lief prächtig, dass man über einen weiteren Mitarbeiter nachdachte. Männlich sollte er sein, legten die Frauen fest.
Das Jubiläum
Für das ins gesamte 25-jährige Bestehen der Firma, war eine Feier geplant. Werbeaktionen in Zeitungen, Prospekten, E-Mail-Aktionen, sowie persönliche Anrufe sollten interessierte Personen neugierig machen. Sie kamen sich teilweise wie eine Telefonzentrale vor. Jedem machte es Spaß, denn es ging um ihre Arbeitsplätze. Alle Kunden wurden zu einer »Familienfeier« mit vielen Präsentationen, zu Vorträgen von bekannten Persönlichkeiten eingeladen.
Luis Rehberger zeigte sich wie ein englischer Gentleman mit seiner vorbildlichen Art sowie seinem Persönlichkeitsprofil. Er freute sich am meisten, dass seine Firma erfolgreich weitergeführt wurde. In seiner Euphorie nagelte er die Kunden an die Firma fest. Seine Redegewandtheit, sein Verhandlungsgeschick waren an diesem Tag außerordentlich. Er hatte bisher keine Veranstaltung mit so vielen Kunden gesehen. Es waren über 150 Interessenten anwesend, viele neue, die der Einladung folgten und es für die Zukunft gut aussehen ließ.
Die Vorträge der eingeladenen Star-Gäste trafen den Nerv der Zeit und erhöhten die Aufmerksamkeit für die Firma beträchtlich. John beobachtete Michelle bei der Arbeit mit den Kunden und erkannte, dass sie ein Vollprofi und dieser Job ihre Welt war. Außerdem machte sie eine gute Figur. Nach einem langen Gespräch mit einem Kunden lief Michelle eilends, sich einen neuen Schreibblock zu holen, wobei sie auf John hinter der provisorischen Wand traf. Sie fiel ihm kurz um den Hals, sagte euphorisch. »John, ich habe einen dicken Fisch an der Angel«, und verschwand wieder mit einem Lächeln.
Jenny war wie ein Stern unter den Gästen, mit ihrer überströmenden Ausstrahlung. Jeder kam mit ihr zurecht, und sie war eine vollwertige Ansprechpartnerin in allem. Zum Schluss gab es ein herrliches Abendbüfett, dass die Augen aller übergehen ließ. Die Anfragen zur Zusammenarbeit waren groß, dass Listen angelegt wurden, um eine Nacharbeit zu sichern.
»Die kleine Firma« war ziemlich fertig, als sie die letzten Gegenstände vom naheliegenden Hotel ins Büro trug, um sich dort etwas auszuruhen. Jeder von ihnen hatte viele Gläser Sekt trinken müssen, sodass es allen schummrig zumute war. Sie beschlossen, noch zum Abschluss auf das gelungene Event miteinander zu trinken, dann mit der U-Bahn heimzufahren.
Nach dem Stelldichein umarmten sie sich alle drei gemeinsam, dass sie es geschafft hatten. Jenny holte einen Whisky, mit dem sie nicht sparte, meinte mit tiefer gelegter Stimme. »Leute, mit Eis ist die Wirkung nicht so groß«, und trank das Glas lachend aus.
In diesem fröhlichen Zustand folgten ihr alle zum Bahnhof, worauf es dann mit der U-Bahn nach Hause ging. Jenny alberte herum, während Michelle dahindämmerte, stieg winkend an der nächsten Station aus. Bei der übernächsten Haltestelle musste Michelle aussteigen. Doch es gab plötzlich ein Problem. Er bekam sie nicht wach. Da packte er sie unter dem Arm, trug sie vom Zug hinaus zu einer Sitzbank. Während er sie im Arm hielt, versuchte er, sie wachzurütteln. »He, Michelle! He! Wach auf!«
Einigermaßen wurde sie wach, stand wieder auf eigenen Beinen und half ihm, indem sie mitlief. Doch ihr Gewicht wurde immer schwerer, sodass er sie einfach huckepack auf seinen Rücken lud. Sie hielt sich an seinem Hals fest, lehnte ihren Kopf an, während ihre Haare bis zu seinem Bauch herunterhingen.
Es erwies sich als ein schweres Unterfangen, anstrengend, bis er endlich ihre Tür erreichte. Zum Glück kannte er ihre Adresse, deshalb konnte er seine schöne Last zielstrebig dorthin tragen. Vorsichtig, außer Atem ließ er sie vor der Tür ab. Wo mochte der Schlüssel sein?
John wollte ihre Handtasche durchsuchen, diese war nicht da. Au weh, wo war sie? Sie musste die Tasche im Büro vergessen haben, denn in der U-Bahn hatte sie keine dabei.
Nach kurzem Überlegen bestellte er ein Taxi. Als der Fahrer sah, was da los war, nahm er erst die Personalien auf, bevor er losfuhr. John erklärte dem Taxifahrer, was vorgefallen war und dass er zu seiner Wohnung fahren sollte. Nachdem sie bei seiner Wohnung ankommen waren, trug er Michelle in sein Schlafzimmer und ließ sie in sein Bett fallen. Sie rührte sich keinen Millimeter, schlief ohne was zu merken, weiter.
Er zog ihr die Jacke und die Schuhe aus, und bevor er sie zudeckte, sah er sie in Ruhe an. Sie war wirklich eine hübsche Frau, hatte schöne Gesichtszüge, geschwungene Lippen. Besonders fielen ihm bei geschlossenen Augen ihre sehr langen Wimpern auf. Er deckte sie zu, wobei sie sich in die Decke kuschelte. John ging ins Wohnzimmer, legte sich auf seinem Sofa nieder und schlief ein.
Es war früh am Morgen, als er aus dem unbequemen Schlaf erwachte, sich Duschte, nebenbei den Kaffee zubereitete. Nachdem das Frühstück angerichtet war, klopfte er vorsichtig an die Tür, und nochmals – es blieb still. Da steckte er seinen Kopf durch die Tür, flüsterte. »Hallo, Kaffee ist fertig.«
Zuerst rührte sich nichts, dann bewegte sie die Augen, drehte ihren Kopf, wieder nichts.
»Kaffee ist fertig«, flüsterte John nochmals etwas lauter.
Mit einem Schlag schnellte sie hoch, wobei sie ihre Augen rieb. »Wo bin ich? Was ist geschehen?«
»Ganz ruhig, du bist bei mir. Es ist nichts passiert.«
Sie sah John an, als würde sie ihn erst jetzt erkennen. »Wie komme ich zu dir?« Dann hob sie die Decke hoch, um zu kontrollieren, ob sie was anhatte, worauf sie sich sofort beruhigte.
»Komm, mach dich frisch, lass uns in Ruhe frühstücken«, beruhigte John die Langschläferin.
Sie folgte ihm sofort und verschwand ins Bad. John hatte Handtücher und Waschutensilien hingelegt, und sie war sichtlich verlegen, als sie in die Küche zurückkehrte. Während sie den schönen gedeckten Tisch bewunderte, wurde sie wieder fröhlich. »Was ist gestern mit mir geschehen?«
Ihn wunderte es, dass sie auf einmal lebendig aussah und ihren Pferdeschwanz wieder gerichtet hatte.
»Du wolltest mit aller Gewalt zu mir, hast gebettelt und gefleht, bis ich dich hierhergebracht habe. Dann wurde es mir zu gefährlich, und ich habe dich ins Schlafzimmer gesperrt«, flunkerte er ihr vor.
Sofort stoppte sie mit dem Essen, setzte sich senkrecht auf, blickte ihn mit Unverständnis an. »Das stimmt nicht. Oder?!«
Als John merkte, dass sie nichts mehr wusste, beschrieb er weiter. »Natürlich, du warst ziemlich aufdringlich.«
Sie erschrak noch mehr. »Nein, nein, das kann nicht stimmen, ich bin nicht so«, quiekte sie. »Das stimmt nicht, was du sagst! Sag die Wahrheit bitte! Sonst schäme ich mich furchtbar, denn ich vertrage keinen Alkohol.«
John lachte herzhaft. Da wusste sie, dass nichts wahr gewesen war, was er vorher erwähnt hatte, und beruhigte sich wieder.
Er berichtete ihr von der verlorenen Handtasche, dass diese im Büro sein müsste. Michelle nahm es gelassen hin, genoss das Frühstück mit ihm. Sie hatten sich noch eine Weile über private Dinge unterhalten, bis seine Mitarbeiterin sich verabschiedete.
Es war eine komische Situation, in der sie nicht wusste, wie sie ihn behandeln sollte. Auf der einen Seite hätte sie ihn gerne umarmt, auf der anderen Seite war er ihr Chef. Darauf gab sie ihm blitzschnell die Hand, blickte ihn dabei lange in die Augen.
»Ein schönes Wochenende, Michelle. Danke, dass du zum Frühstück geblieben bist. Es war schön mit dir«, löste er die Situation auf.
Sie lächelte befreit, hüpfte davon, drehte sich dreimal um und winkte, wobei ihr Pferdeschwanz auf den Schultern tanzte.
John begab sich gleich ins Büro, räumte dort die restlichen Sachen auf. Anschließend setzte er sich in seinen schönen weichen Chefsessel. Legte seine Füße auf den Schreibtisch, verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf.
Er dachte über das Frühstück nach und wie er sie angesehen hatte. Nanu, da lag ihre Handtasche. Da war mit Sicherheit ihr Hausschlüssel darin! Wie kam sie denn in ihre Wohnung?
Nach einer halben Stunde klingelte es an der Tür, er wusste, dass sie es war. Sie kam mit zwei schweren Taschen beladen, rief erfreut aus. »Mein Gott bin ich froh, dass du da bist! Hast du meine Handtasche gesehen? Ich habe vergessen, dass mein Schlüssel drin ist. Zum Glück steckte der Geldbeutel in meiner Hosentasche.«
Sie eilte zum Schreibtisch, kramte in der Tasche herum, bis sie den Schlüssel gefunden hatte. Er beobachtete sie dabei vom Sessel aus, erwähnte kein Wort, womit eine gewisse Spannung erzeugt wurde. Dann stockte sie in ihrer Bewegung, drehte sich zu ihm um, überlegte, kam zu seinem Schreibtisch.
»Ich habe mich bei dir gar nicht bedankt, dass du dich nach der Feier um mich gekümmert hast«, äußerte sie beschämt. »Ich werde auf Sekt sehr schnell müde«, meinte sie zu ihrer Entschuldigung.
»Das sollte man sich für später merken«, grinste er.
»Außerdem hat mir das Frühstück bei dir gut gefallen. Es war das erste Mal, dass ich mit einem Mann gefrühstückt habe. Na ja, du weißt schon – in dieser Lage«, gestand sie, wobei in ihrem Gesicht eine Röte auftauchte.
Bevor sie weitererzählen konnte, unterbrach John sie. »Entschuldige bitte für das, was ich sage«, nahm seine Füße vom Schreibtisch. »Als ich dich zugedeckt habe, entdeckte ich die schönsten Wimpern der Welt. Dieses hat alles ersetzt.«
Oh! Sie wurde furchtbar rot im Gesicht, lächelte verlegen. »Ach du … du machst für mich die Lage noch schlimmer. Was soll ich tun?«
»Es gibt eines, wie du es gut machen kannst, geh mit mir essen, wenn du Zeit hast. Bitte!«
Michelle war in eine Zwickmühle geraden, noch verlegener säuselte sie. »Sehr gern, John, du bist wieder der Erste, der mich einlädt, denn ich kenne hier sonst keinen.«
»Sehr gut, dass ich der Erste bin, nach mir kommt nichts Besseres«, blühte er dabei auf.
»John, bitte …« Sie hustete verlegen und blickte zum Boden.
»Hast du heute Abend oder morgen Zeit? Morgen um 19 Uhr, okay?«, überfuhr er sie, und sie stimmte zu. »Ich sage Dank an den schönsten Augenwimpern der Welt«, bestätigte er überschwänglich.
Michelle freute sich sichtlich, drehte sich um, flötete. »Also bis morgen 19 Uhr, ohne Alkohol«, und entfernte sich mit schnellen Schritten aus dem Büro.
Am darauffolgenden Tag trafen sie sich in einer griechischen Taverne – es war ihr Wunsch gewesen – und erhielten einen schönen Tisch. Alles war bestens, die Gespräche, die Atmosphäre, das Essen und Michelle. Als sie das Lokal verließen, drehte sie sich zu ihm um.
»Habe ich meine Schuld getilgt?«
»Niemals, sonst bekomme ich kein Essen mehr mit dir.«
»Dann lass dir was einfallen«, konterte sie, gab ihm die Hand.
Er nahm ihre Hand, hob sie hoch, faltete seine Finger mit ihren. »Gut, Michelle, das werde ich, gib mir eine weitere Chance.«
Ihre Augen begegneten sich und sie flüsterte. »John, wohin soll das führen? Wir sind Arbeitskollegen! du solltest dir das genau überlegen.«
Sie gingen in den nächsten Wochen noch zweimal Essen, redeten meist über geschäftliche Dinge. Beim Verabschieden sagte Michelle. »John, vielen Dank für die Einladung. Wir sollten eine Zeit lang nicht mehr essen gehen, ich kann das momentan nicht mehr, sei mir nicht böse …« schwenkte sie um, um heimwärts zu laufen.
Michelle merkte, dass er auf ihre Fragen keine Richtung vorgab. Vielleicht hatte sie sich zu viel versprochen, in Richtung Zweisamkeit! Sie wollte sich lieber auf ihre Arbeit, die gut lief, konzentrieren. Irgendwann würde sie bestimmt den einen Mann finden, bei dem der Funke übersprang und blieb. Außerdem war sie jung und wollte erst was von der Welt sehen.
Ein unverhoffter Besuch
Ein paar Wochen später erschien eine Frau in der Anmeldung, wollte ohne Angabe von Gründen, John Stark sprechen. John war gerade in einer telefonischen Verhandlung. Jenny und Michelle steckten die Köpfe zusammen, waren gespannt übereingekommen, das musste was Privates sein.
Als John zum Büroeingang kam, fragte die Frau. »Sind Sie John Stark?« »Ja«, antwortete er verdutzt. »Was kann ich für Sie tun?«
