Du sprechen Deutsch? - Erwin Först - E-Book

Du sprechen Deutsch? E-Book

Erwin Först

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Beschreibung Esma Duran, Lehrerin, entstammt einem wohlhabenden Haus. Ihre Familie besitzt ein größeres Bauunternehmen in Istanbul. Während eine arrangierte Ehe mit dem Lehrer Yasin seinen Lauf nimmt, verliebt sich sein Bruder Haluk in Esma. Alle seine Versuche, Esma für sich zu gewinnen, scheitern, und Esma heiratet Yasin der Familie wegen. Aus dieser Ehe geht daraufhin die Tochter Beren hervor. Yasin macht Esma klar, dass er sie nie lieben wird und alle ihre Versuche werden abgelehnt. Stattdessen beginnt er sie zu unterdrücken und übt Druck aus, ihren Beruf zu wechseln. Diese Chance nützt Haluk für sich und versucht sie unter allen Umständen zu erobern. Durch den Putschversuch 2016 in der Türkei geriet die Familie aus den Fugen, weil Yasin seine Existenz verliert. Die Katastrophe erreicht innen, und außerhalb der Ehe ihren Höhepunkt, als Yasin bei einer Demo ums Leben kommt. Aus Verzweiflung wandert Esma mit ihrer Tochter Beren nach Deutschland aus. Esma ist eine Kämpferin und baut sich mit ihrer Tochter ein neues Leben auf. Im selben Stockwerk ihres Wohnblocks lernt sie ihren struppigen Nachbarn Georg Haselmann kennen. Er ist nach 15 Jahren aus Afrika zurückgekehrt, um sich neue Ziele zu stecken. In all den Jahren hatte er versucht, seine erste Liebe zu vergessen. Als er Esma begegnet, trifft ihn ein Schock, weil sie äußerlich seiner ersten Liebe wie ein Zwilling ähnelt. Unabsichtlich riss Esma bei Georg vernarbte Wunden auf. Aus Wut darüber schikaniert er sie überall. Während dieser Zeit lernt Esma den türkischen "Supermann" Mehmet kennen, der all ihre Vorstellung sprengt und sich total in ihm verliebt. Als Georg beide zufällig beobachtet, verändert er sein struppiges Aussehen, um ihren türkischen Freund nachzuahmen. Inmitten eines heftigen Regensturms ließ Georg eine Unbekannte, tropfnasse Frau ins Auto einsteigen. Es ist Esma. Während des unverhofften Wiedersehens mit der durchnässten Esma verändert er seine Sichtweise. Er erkennt in ihr die perfekte Frau für sich und macht ihr den Hof. Für Esma dagegen ist es ein unvorhergesehenes Spiel, von zwei unterschiedlichen, charakteristischen Männern, begehrt zu werden. Ihre Liebe entscheidet sich für Mehmet, der endlich seine Chance gekommen sieht. Auf einer Feier verstrickt er die Ahnungslose zu einer Verlobung, die dadurch unter Druck geriet. In ihrer aussichtslosen Lage konsultiert sie ihre Eltern, was zu dramatischen Folgen führt. In Esma erwacht wieder ihr Kampfgeist für ein neues Glück und will um Georg kämpfen. Georg ist unterdessen verzogen und spielt mit dem Gedanken, wieder nach Afrika zurückzukehren. Esma springt über ihren eigenen Schatten und besucht Georg mehrmals, um ihn intensiv für sich zu bitten. Dabei stellen beide fest, dass sie sich innerlich entfernt haben. Wird es Esma gelingen, den enttäuschten Georg zu überzeugen und für sich gewinnen? Oder kehrt er wieder nach Afrika zurück? Denn Kisha wartet dort.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 378

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Erwin Först

Du sprechen Deutsch?

Roman

Erwin Först

Du sprechen Deutsch?

Inhalt

Cover

Titelblatt

Halbe Titelseite

Widmung

Eine Sehnsucht die nicht vergeht

Ein schönes Leben

Haluks Sichtweise

Die Verlobung

Eine unglaubliche Änderung tritt ein

Eine Veränderung begann

Haluks Rache

Eine neue Situation offenbarte sich

Ein furchtbarer Tag

Die Beerdigung

Esmas Überlegungen

Ein neues Leben beginnt

Die Rückkehr

Georgs Problem

Zurück in Dresden.

Die erste Liebe

Die Semesterferien

Der Besuch ihrer Eltern

Die Ausländerin

Die Feier

Die neue Freundschaft

Esma die Lehrerin

Ein neuer Mann

Die Ferien

Eine neue Sicht.

Der große Regen

Eine Dankesrede mit Folgen

Ein schlimmes Ereignis

Die Besinnung

Die Wochen danach

Der Anruf ihres Vaters

Das geheimnisvolle Ferienhaus

Die Wochen danach

Der Anruf ihres Vaters

Das geheimnisvolle Ferienhaus

Epilog

Mein neues Buch:

Quellenverzeichnis

Du sprechen Deutsch?

Cover

Titelblatt

Widmung

Eine Sehnsucht die nicht vergeht

Bibliography

Quellenverzeichnis

Du sprechen Deutsch?

Cover

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

51

52

53

54

55

56

57

58

59

60

61

62

63

64

65

66

67

68

69

70

71

72

73

74

75

76

77

78

79

80

81

82

83

84

85

86

87

88

89

90

91

92

93

94

95

96

97

98

99

100

101

102

103

104

105

106

107

108

109

110

111

112

113

114

115

116

117

118

119

120

121

122

123

124

125

126

127

128

129

130

131

132

133

134

135

136

137

138

139

140

141

142

143

144

145

146

147

148

149

150

151

152

153

154

155

156

157

158

159

160

161

162

163

164

165

166

167

168

169

170

171

172

173

174

175

176

177

178

179

180

181

182

183

184

185

186

187

188

189

190

191

192

193

194

195

196

197

198

199

200

201

202

203

204

205

206

207

208

209

210

211

212

213

214

215

216

217

218

219

220

221

222

223

224

Zeichnen, ist die Sprache für die Augen. Sprache, ist Malerei für das Ohr.

Joseph Joubert, französischer Moralist

Gewidmet:Eva und Günter

Eine Sehnsucht die nicht vergeht

15 Jahre in Afrika ließen sich nicht ohne Spuren abschütteln, sowie sein ungepflegter Bart, seine langen Haare und sein Zopf. Georg überkam eine ungekannte Sehnsucht nach seinem alten Leben, je öfter er den Ausspruch hörte: »Du bist nicht in Afrika.« Wie oft war er trübsinnig heimgekehrt und sein einziger Trost war ein kühles Bier im angelaufenen Glas. Das gab es dort nicht. Seit kurzer Zeit war er in Dresden heimisch und arbeitete in einer Firmenfiliale. Dort konnte er durch sein Auftreten und seine praktischen Erfahrungen, einen ins Gewicht fallenden Eindruck bei den Kunden hinterlassen. Daraufhin war sein erster Auftrag eingetrudelt.

Sie feierten diesen in einer Bierkneipe bei kühlem Bier und Gesprächen. Kaum hatten sich seine Kollegen verabschiedet, schlich sich bei ihm wieder seine alte Sehnsucht nach Afrika ein. In Gedanken daran taumelte er heimwärts. Es dauerte lange, bis er sich zum vierten Stock hochgerangelt, und Mühe hatte, den Schlüssel zum Sperren zu bewegen. Ihm schien, dass das Licht im entscheidenden Moment erlosch, wie die Feuer in Afrika. Es gelang ihm nicht, den Wohnungsschlüssel ins Schloss zu stecken. Vor Wut stieß er gegen die Tür und war müde am Türrahmen zusammengesackt. Esma seine Nachbarin war daraufhin aufgewacht und rannte zum Spion. Sie sah ihren „Garip bir Adam“ (ein komischer Mann) gegenüber vor der Tür liegen.

Esma beobachtete, dass er sich nicht mehr bewegte, und schien zu schlafen. Sachte hatte sie ihre Tür geöffnet, schlich sich zu ihm und rüttelte an seiner Schulter. Ihr fiel auf, dass der Schlüssel in seiner Handfläche lag. Schnappte ihn, sperrte die Tür auf und trat ein paar Schritte hinein. Vergewisserte sich nochmals, dass er schlief, und schlich sich Barfuß in den Flur. Esma brannte darauf, zu sehen, wie „Garip bir Adam“ lebte.

Jahre zuvor begann Esmas Geschichte, 1600 Kilometer Luftlinie von Dresden entfernt, in Istanbul.

Ein schönes Leben

Yasin Arslan, war der älteste Sohn einer türkischen Familie, die im Stadtteil Sancaktepe/Istanbul lebten. Sein Vater hieß Furkan, seine Mutter Dafne und sein Bruder Haluk. Im weiteren Verlauf kamen drei Schwestern, Hira, Ela und Nehir hinzu. Der Stadtteil Sancaktepe war an der 11. Stelle der Bevölkerungsdichte, mit einem der niedrigsten Jahreshaushaltseinkommen, im Vergleich zu den übrigen Stadtteilen. Alles was das Herz begehrt war dort zu finden. Nicht weit entfernt befand sich der Ömerli Dam. Eine Stauanlage, die von den türkischen staatlichen Hydraulikwerken am Riva Creek gebaut wurde, um die Stadt mit Leitungswasser zu versorgen. Der Bau begann 1968 und dauerte fünf Jahre, bis man diese Gegend genießen konnte. Er hat eine Fläche von 23 Quadratkilometer, im Vergleich zum Steinhuder Meer in Niedersachsen. Dieses hinreißende Naturgebiet war zum Wandern ideal. Obendrein zur Erholung für Einheimische und Touristen, die mit Bussen dorthin gefahren wurden.

Seine Eltern hatten einen gutgehenden Metall-Handwerksbetrieb mit zwanzig Mitarbeitern und stellten Metallzäune, Geländer, Dächer usw., her. Das verlangte dahingegen von ihnen streckenweise bis zu sieben Tage in der Woche sich hineinzuknien. Sie kannten nichts Anderes. Die Arbeit und der Erfolg verhalfen der Familie zum Wohlstand.

Von Anfang an hatte Furkan festgelegt, dass Yasin Lehrer studieren sollte. Seinen Bruder, einem handwerklich begabten Freak, oblag, die Firma zu übernehmen. Die Persönlichkeitsmerkmale zwischen den beiden Brüdern vermochten nicht unterschiedlicher zu sein. Haluk hatte das explosive Auftreten seines Vaters geerbt, das bei ihm oft unberechenbar zutage trat. Yasin dagegen war eine hochstrebende Person, dessen Ausbildung sein Papa gern bezahlt hatte. Denn durch diese sichere Staatsanstellung hatte er in Zukunft keine Sorgen mehr. Dieses hatte das Ansehen der Familie gefördert. Neben seinem Studium übernahm Yasin in der Firma verschiedene Büroarbeiten und sonstige Planungen.

Die Gegend, die sie bewohnten, war trotz der Stadtlage ländlich, in dem hauptsächlich arme Menschen wohnten. Die restlichen angesiedelten Handwerksbetriebe in diesem Distrikt waren mit Straßen verbunden, die zu wünschen übrigließen. Von dem in der Mitte eines Sterns gelegenen Industriegebiets gelangte man bequem in die anderen Stadtteile. Wegen der gefährlichen Umgebung hatte er um sein ganzes Grundstück eine Mauer mit einem Metallzaun errichtet. Oben darauf einen entlanglaufenden Stacheldraht gezogen. Furkan war ein wohlhabender Geschäftsmann im Mittelstand und hatte sich durch seine Geschäfte einen ehrlichen Namen erworben. Er war mehr wie ein tüchtiger Arbeiter, der täglich bis zu zwölf Stunden arbeitete, zudem stand er seiner Familie vor.

Furkan hatte eine stattliche Statur mit Bauchansatz, Oberlippenbart und war in seiner Art impulsiv. Seine Kinder gehorchten ihm widerstandslos mit Respekt und es wurde vollzogen, was er gesagt hatte. Niemand hätte seiner Entscheidung widersprochen, denn seine Führung und der Erfolg gaben ihm recht.

Furkans jüngerer Bruder Yusuf, war wegen eines Familienstreites nach Deutschland ausgewandert. Seitdem hatten sie keinen Kontakt mehr.

Die Struktur seiner Familie war traditionell, hierarchisch und patriarchalisch gegliedert. Demjenigen, der jeweils höher stand, war man verpflichtet, Respekt, Achtung und Gehorsam zu erwiesen. Der Vater behauptete den obersten Rang und hatte die höchste Autorität in der Familie. Die Mutter spielte in einem „heimlichen Matriarchat“ die nächste Rolle und hatte über eine verdeckte Macht bei innerfamiliären Angelegenheiten dekretiert. Yasin, der älteste Sohn, stand an zweiter Stelle dieser Rangordnung. Wenn er nicht da war, übernahm seine Mutter die Verantwortung des Familienvorstandes. Durch seine Handlungsweise gab Haluk zu erkennen, dass er innerlich nicht mit dieser Reihenfolge einvernehmlich war. Er hätte am liebsten den ersten Platz eingenommen. Kräftemäßig stand Yasin ihn weit hinterher.

Furkans Eltern, die den Betrieb gegründet hatten, waren leider verstorben.

Zu den Aufgaben des Versorgers in der Türkei gehörte z.B., seine Angehörigen gegen den Einfluss der „fremden Welt" zu schützen, indem er sich eingebracht hatte, sie fester an die traditionellen Normen und Verhaltensweisen zu binden. Furkans Grillfeste, von den Fleischspeisen mit schmackhaften Häppchen, bis zu den Soßen, Salaten und Delikatessen, waren ein Gaumenschmaus. Der ganze Familienclan zog aus der Gemeinschaft persönlichen Nutzen. Entstanden, durch arrangierte Ehen, die für übergeordnete Verbindungen sorgten, und für ihre Lebensstruktur von entscheidender Bedeutung waren. Hira z.B., die älteste Tochter, war mit einem Architektensohn verehelicht, der für die Firma Empfehlungen aussprach. Ela heiratete vor Kurzem einen Großhändler für Obst und Gemüse und hatte auf diese Art eine neue Bereicherung geschaffen. Zusammengenommen trug das zu einer positiven Geschäftsstruktur bei, die jeder zum Weiterleben benötigte.

Die Hierarchie war demzufolge: Zuerst die Verbindungen, daraufhin die eigene Familie, deren einzelne Personen zum Gehorsam untergeordnet waren. Diese Struktur hatte in der Türkei einen hohen Stellenwert und erstreckte sich dabei ebenso auf entfernte Verwandte. Dadurch war jedes Familienmitglied eng in das familiäre Beziehungsgeflecht eingebunden. Positiv war, dass man füreinander da, und für Schwächere gesorgt hatte. Der Nachteil lag daran, dass sich Angehörige, ja Nachbarn, in die Angelegenheiten einmischten und das Verhalten nach Ermessen „bestraften“ oder „belohnten“.

Im Durchschnitt waren in der Türkei die Mädchen mit einer Gymnasialoder Hochschulausbildung mit 24 Jahren, in der Unterstufe mindestens fünf Jahre eher verheiratet. Bildungschancen waren in der Türkei vom Einkommen abhängig. Staatliche Schulen waren zwar kostenlos, im Vergleich, nicht mit dem Niveau in Deutschland identisch. Wer es sich leisten konnte, schickte seinen Nachwuchs auf eine Privatschule. Dafür war er angehalten, tief in die Tasche zu greifen. Auf der anderen Seite zwingt das finanziell benachteiligte Eltern, vor allem in der Arbeiterschicht, aufgrund niedriger Löhne und hoher Lebenshaltungskosten, dass beide verpflichtet waren zu arbeiten. Der Vorteil war, dass Kindergärten in der Türkei die notwendigen Rahmenbedingungen anboten.

Yasin hatte seinen Eltern zu danken, die ihm ermöglichten, dass er studieren durfte. Zu Hause wohnte Yasin mit Nehir, seiner jüngsten Schwester mit 12 Jahren im dritten Stock. Haluk, der seinen festen Wohnbereich in der zweiten Etage hatte, und seine Eltern und das Büro waren unten einquartiert.

Yasin war 30 Jahre alt und Lehrer an einer staatlichen Schule. Zu diesem Zeitpunkt wurde er durch seine Mutter als Eheanwärter vermittelt. Die Familie der Zukünftigen war ein wohlhabender Familienclan, die in der Baubranche tätig waren. Dies würde einen enormen Schub für das Familienunternehmen bedeuten und für die Braut eine sichere Zukunft. Yasin war zwar eine gefühlsbetonte Lehrperson, der mit Schulkindern gut umgehen vermochte, andererseits zur Entmutigung hinneigte. Yasin fiel es schwer, mit Rückschlägen umzugehen. Das begann bei seiner Erziehung, weil ihn sein Vater zu einer richtigen „Gestandenen Person“ speziell für seine Firma heranziehen wollte. Nach nicht langer Zeit sah sein Papa ein, dass er die Söhne dafür tauschen musste.

Das Vermitteln eines zukünftigen Ehepartners hatte nichts mit Zwangsheirat zu schaffen, sondern war im Sinne der Tradition eine Angelegenheit zwischen Familien, nicht unter zwei Menschen. Das bringt ein türkisches Sprichwort zum Ausdruck: „Eine Frau ohne Mann findet keinen Platz.“ Das Heiraten gehört derart zum Leben, dass man auf Ehelosigkeit mit Mitleid und Unverständnis reagierte. Die Ehe, der zentrale Wert islamischer Religion, hatte bis in die heutige Zeit nichts an Verbindlichkeit eingebüßt. Der Präsident äußerte einst, dass jede Familie mindestens drei Kinder haben sollte, um die Bevölkerung aufrecht zu erhalten.

In der Vermittlung von zukünftigen Ehepartnern war es üblich, dass die Brautschau von Yasins Mutter oder durch verwandte Ehefrauen vorgenommen wurde. Alles Darauffolgende, war die Aufgabe seines Vaters, beim Brautvater des Mädchens um die Hand seiner Tochter zu werben. Dabei hatte sich eine Sitte eingebürgert, dass die Brauteltern bis zu dreimal ablehnen konnten. Das sichert die Ehre der Heiratskandidatin, und dass die Braut für ihre Familie wertvoll war.

Schließlich wurde Esma Duran aus drei weiteren heiratswilligen Kandidatinnen auserkoren. Sie war 26 Jahre alt, ebenfalls Junglehrerin, und ihre Eltern waren in der Baubranche hoch angesiedelt. Ihr Vater hieß Hasan und ihre Mutter Zehra. Zehra war eine elegante, intelligente Frau. Sie hatte Wirtschaft-Wissenschaft studiert und gleich danach in der Firma ihres Mannes das Projektmanagement übernommen. Das hatte sie inne, bis Esma geboren wurde. Ein Jahr nach der Geburt war sie ausgestiegen und kümmerte sich seitdem um ihre Kinder. Sie hatte innerhalb ihrer Firma kontinuierlich eine beratende Funktion.

Unter Hasans Führung hatte sich seine Firma in der Baubranche fortlaufend erweitert, und war zu einem Großunternehmen herangewachsen. In diesem Stadium erkannte er, dass für ihn eine wirtschaftliche Grenze erreicht war. Seinen Söhnen stand es offen diese nach Belieben weiterzuführen oder auszubauen. Hasan und Zehra beschlossen sich mehr für die Familie einzusetzen, speziell sich um Esma bis zur Hochzeit zu kümmern. Waren sie in den vergangenen Jahren zu Wohlstand gekommen und hatten Zeit dafür.

Denn ihr Vater war darauf bedacht für eine sichere Zukunft zu planen. Ihre beiden Brüder hatte Hasan nach ihren Fähigkeiten eingesetzt, um sich zu ergänzen. Der eine war in der Planung und der andere in der Bauführung eingesetzt. Ihr Vater hatte darauf geachtet, dass keine Rivalität unter ihnen aufkam. »Das schlimmste wäre, dass wir zwei Chefs in der Firma hätten«, vertrat er seine Meinung. Esma war trotz seiner Söhne sein Liebling. Das hieß nicht, dass er sie verwöhnt hatte, nein, sie war gehalten genauso ihren Teil zu leisten. Hasan bemerkte in ihr einen Kampfesgeist nicht aufzugeben, nach Lösungen zu suchen und mit Liebe zu handeln. Die ersten zwei Arten hatte sie von ihm, das Zärtliche von ihrer Mutter geerbt. Zusätzlich war sie voller Energie und Tatendrang. Das liebte Hasan an Esma. Am liebsten hätte er ihr die Firma übergeben. Esmas Ziel war Lehrerin zu werden, und er wollte sie nicht davon abhalten.

Seine Frau war zu der gleichen Überzeugung gelangt und hatte aus diesen Gründen, frühzeitig Bewerber für Esma abgewiesen. Ihre berufliche Laufbahn im Lehrerberuf stand am Anfang, da nahm Dafne, Yasins Mutter, mit ihnen Kontakt auf. Beide hatten sich durch geschäftliche Beziehungen kennengelernt und beabsichtigten, ihre Gespräche auf der familiären Ebene zu vertiefen. Das führte zu dem Ergebnis über eine nähere Verbindung, siehe Verehelichung, nachzudenken. Dadurch lernte Dafne Esma kennen und bewertete sie als die ideale Ehehälfte für ihren Sohn. Esma war bescheiden, ebenfalls Lehrer und besaß, was Yasin fehlte, Durchhaltevermögen. In Dafnes Augen war Esma eine hübsche Frau mit der richtigen Energie.

Das versprach Yasins Eltern eine weitere geschäftliche Verbindung für ihre Firma. Für Dafne sollte sich daraus mehr entwickeln. Sie plante eine Familienverbindung. In dieser Hinsicht hatte sie ihren Sohn Yasin und Esma ins Auge gefasst. Dafne kannte den Unterschied zwischen ihren Söhnen Yasin und Haluk. Dass Yasin eine Partnerin benötigen würde, die seinen Rücken stärkte und ihn von seiner charakteristischen Entmutigung aufzumuntern verstand.

Sie wusste von sich, wie schwierig es war einen Ausgleich in der Familie zu schaffen. Dass das von einer Ehefrau andauernde innere Stärke abverlangte. Esma war nach ihrer Meinung die Richtige dafür, einen Kompromiss zu finden: Das Eheleben zu gestalten, den Haushalt zu führen und den Familienverband zusammenzuhalten. Aus dieser Beobachtung heraus, gepaart mit ihrer Erfahrung, versuchte Dafne Esma für ihren Sohn zu gewinnen. Dies erforderte viele Vorgespräche mit dem Endergebnis, dass Yasin mit Esma Duran vermählt wurde. Das war nichts Neues, denn der größte Teil der Ehen in der Türkei sind arrangierte Ehen, die zwischen den Müttern entstanden waren.

Die Familie wartete gespannt auf die Rückkehr von Dafne, wie das Gespräch ausgegangen war, und versammelte sich im Wohnzimmer. Unverzüglich berichtete sie von der getroffenen Vereinbarung. Der nächste Schritt wäre, dass Furkan um die Hand von Esma anhalten müsste. Sie legte die erhaltenen Bilder auf den Tisch und erzählte fortlaufend Positives über Esma. Was sie für eine tolle, hübsche Frau wäre sowie von ihren vielen guten Eigenschaften, die von ihr erzählt wurden.

Yasin begutachtete eher gelangweilt ihre Fotos und wartete erst ab, bis die Verhandlungen abgeschlossen waren. Für ihn hatte Esma nichts Entscheidendes, was sie von anderen Personen weiblichen Geschlechts abhob. In ihm entwickelte sich eine Antipathie, weil sie denselben Beruf ausgeübt hatte. Yasin hätte es lieber gehabt, dass sie mehr unter ihm angesiedelt und bezaubernder wäre. Er fand an ihr nichts Reizvolles, was ihn bewegte oder sein Herz höherschlagen ließ.

Beim dritten Versuch war Yasin persönlich dabei und lernte Esma näher kennen. Alles war, wie es seine Mutter beschrieben hatte und Esma verwöhnte ihn durch ihre Aufmerksamkeit. In dieser gepflegten Atmosphäre, in Verbindung mit einem köstlichen Essen, knüpfte die Gesellschaft zu den Vorgesprächen an. Ihre weitere Unterhaltung führte, zu dem Ergebnis Yasin und Esma zu verheiraten.

Yasin strengte sich in einer eher negativen Art an, in der Hoffnung, dass Esma ihn daraufhin lieber ablehnen würde. Zu seiner Überraschung sagte sie »Ja« und gab ihm ein Pfand für ihr Versprechen mit. Ein besticktes Taschentuch, was nach der Tradition ihre Zustimmung gezeigt hatte. Erst aus diesem Anlass kommen die Väter zusammen, über die finanziellen Leistungen und die Formalitäten der Heirat zu verhandelten. Seine Eltern zahlten dem Elternpaar der Braut, wie es der Brauch verlangte, vor der Verlobung den vereinbarenden Brautpreis.

Esma war 1,68 Meter, hatte lange, dunkelbraune, ins Schwarze gehende, gelockte Haare, schöne volle Lippen und war von schmaler Statur. Auffällig an ihr waren ihre glanzvollen Augen. Sie war eine normale Türkin und hatte sonst nichts Augenauffälliges, was sie hervorheben würde. Auf keinen Fall war sie langweilig, nein, sie tanzte gern, war vielfältig, temperamentvoll und trieb Sport. Im Beruflichen bewies Esma durch ein hohes Lernpensum, dass sie eine Kämpferin war. Das zeigte sich durch die jährlichen bestandenen Prüfungen. Das für eine Vertreterin des weiblichen Geschlechts in dieser männlich ausgerichteten Hierarchie außerordentlich war. Die hausfraulichen Fähigkeiten hatte sie von ihrer Mutter erlernt.

Bei ihrer ersten Unterhaltung musste Yasin erstaunt feststellen, dass Esma wortgewandt war, den Sachverhalt erkannte und sich gesellig gab. Yasin konnte innerlich nicht vertragen, dass sie ihm ebenbürtig war. Es deutete sich für ihn an, dass sie in ihren Gedanken tiefgründiger war wie er. Esma vernahm aus ihrer Beobachtung heraus, und durch die Gespräche mit Yasin eine negative Denkweise, vertraute schließlich ihrer Mutter. Denn sie hatte ihn ausgesucht, weil sie das Beste für sie wollte und stimmte gehorsam zu. Wahrscheinlich lag es an der kurzen Kennenlernzeit, das s er bis dato weder Gefühle noch Interesse an ihrer Person gezeigt hatte. Warum Esma Yasin ihr Wort gab, war, weil sie vor sich einen modernen Partner sah, der sie lieben lernen würde. Ein weiteres entscheidendes Kriterium ihm eine Zusage zu geben entstand daraus, dass sich Yasin fünfzehn Gehminuten von seiner Familie entfernt eine Zwei-Zimmer-Wohnung gemietet hatte. Das zeigte ihr eine gewisse Unabhängigkeit trotz der Familienbande. Yasin erschien in ihren Augen nicht beherrschend zu sein. Nein, im Gegenteil, er war eher ein sensibler, feinfühliger Mensch. Das verhieß Esma einen guten Start und dass ihre Liebe dadurch zu ihm wachsen würde.

Yasin war ein eher geruhsamer Typ, wie seine Mutter, wogegen Haluk sein Bruder dem Temperament seines Vaters nachging. Er reagierte oft ohne Selbstbeherrschung, zu forsch und überzogen.

Yasin war 1,75 Meter, sportlich, mit kurzem gepflegten Vollbart. Er fand Esma zwar sympathisch, liebte sie wohl wahr nicht. Die Liebe hieß es, würde mit der Zeit wachsen und beide erfüllen. Demzufolge waren zwei Punkte von grundlegender Bedeutung:

1. Wirtschaftliche Transaktionen, die mit der Heirat verbunden waren, 2. Eine Heirat mit guten Verbindungen wurde gefördert. So hatten es ihre Eltern abgestimmt und die Familien wohnten wenige Kilometer voneinander entfernt.

Die Logik der Eheschließung sah demnach folgendermaßen aus:

1. Eine traditionelle oder arrangierte Ehe,

2. Kinder zu haben gehört zu einem erfolgreichen Leben.

3. Liebe zwischen den Ehepartnern und den Kindern

4. sowie ökonomische Sicherheit und Zusammenhalt

Haluks Sichtweise

Nachdem sich die Familien einig waren, luden Hasan und seine Gattin Zehra die ganze Familie Arslan ein. Die Durans hatten ein großzügiges Haus, einen extra Salon zum Essen mit Bedienungspersonal. Kaum hatte Haluk die Empfangshalle betreten, fiel ihm sofort Esmas Ausstrahlung auf. Fasziniert von ihr bestaunte er sie anhaltend und konnte seine Augen nicht von ihr lösen. Wie sie sich bewegte, ihre Freundlichkeit und sog daraufhin jedes Wort von ihr ein. Esma übte auf ihn unabsichtlich eine solche Faszination aus, dass er sich in sie verliebte. Haluk suchte laufend ihre Blicke, in der Hoffnung, dass es Esma bemerken würde.

Für ihn war alles, was diese Frau verkörperte seinen Vorstellungen einer idealen Frau nahe. Darauf beobachtete er seinen teilnahmslosen Bruder und stellte fest, dass ihm Esma nicht im Geringsten irgendetwas bedeutet hatte. Um sicher zu sein, inspizierten seine Augen gespannt die beiden. Nach kurzer Zeit war er zu der festen Meinung gelangt, Yasin heiratete sie ausschließlich wegen seinen Eltern. Im Anschluss an das Essen vertraten sich alle die Füße und suchten das Gespräch mit verschiedenen Themen im Stehen. Haluk schlich sich zu Esma.

»Bist du fest in der Schule übernommen worden?« Esma lächelte.

»Ja, warum?«

»Wenn ich Kinder hätte, würde ich sie zu dir schicken.«

»Das ist ein Kompliment. Danke«, und war erfreut.

»Wirst du nach der Heirat weiterarbeiten?« Esma sah ihn an.

»Natürlich. Oder ist dir was Anderes bekannt?« Haluk fand ihre Art bezaubernd.

»Wenn nicht. Was würdest du unternehmen?« Esma horchte auf.

»Du weißt, wie das ist.« Haluk nickte und drehte sich langsam im Kreis vor ihr.

»Ein Beispiel: Die Rose steht bei uns für die leidenschaftliche Liebe zu Gott. Als höchste Quelle der Liebe und Geliebtem zugleich. Du kennst ihre Bedeutung. Die Nachtigall steht der Rose gegenüber, sich der Rose nähert und verletzt wird.« Beide sahen sich an.

»Was willst du damit sagen, Haluk? Das ist nicht gut.«

»Nenne es, wie du willst. Ich nenne es:

Gülü seven dikenine katlanýr.

(Liebt man jemanden, nimmt man die schlechten Eigenschaften des Menschen in Kauf. Oder: Wer die Rose liebt, nimmt ihre Dornen in Kauf).«

Esma war in Angst und Schrecken versetzt und sah ihn an.

»Haluk! Ich kann mir das nicht weiter anhören. Das ist gegen jede Abmachung«, und versuchte, schleunigst zu gehen. Haluk hielt sie am armgelenkt fest. »Esma! Yasin liebt dich nicht. Damit steht eure Zukunft unter keinen guten Stern. Lehne ihn ab. Es würde dein Unglück bedeuten. Ich kenne meinen Bruder.«

Esma konnte das nicht dulden und gegen ihre Eltern aufstehen. Das war ausgeschlossen ihre Werte zu verstoßen, und schüttelte mit dem Kopf. »Nein, Haluk. Das ist zu spät. Ich würde alle beschämen und muss gehen«, und eilte davon. Verstört rannte sie in die Küche und musste eiskaltes Wasser trinken. Das trank Esma jeweils, wenn sie durcheinandergeraten war, um ihre Gedanken zu ordnen. »Das, was Haluk sagte, stimmte mit ihrer Beobachtung teilweise überein. Wollte er sie warnen oder durcheinanderbringen, was ihm gelungen war. Ihre Eltern hatten Erfahrung und würden sie mit Yasin nicht unglücklich machen wollen. Denn Geld hatten sie genug. Nein. Sie verwarf das von Haluk Gesagte und Vertraute ihrer Mama.« Von der Küche aus begab sie sich in den Salon, setzte sich neben ihre Mutter und flüsterte. »Mama. Du willst mit Yasin bestimmt mein Gutes?«, und betrachtete sie fragend. Zehra sah, dass Esma beunruhigt war. »Ja, natürlich. Was denkst du denn? Ist was geschehen?«, und beruhigte sie. Esma verneinte es und wollte Haluk nicht mehr in die Augen sehen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf Yasin. Yasin machte zwar alles mit, war konträr dazu wie abwesend dabei.

Drei Tage später, während sie die Schule verließ, passte Haluk sie ab. »Hallo Esma!« Verwundert drehte sie sich um. »Haluk! Was machst du hier?!«

»Ich möchte mit dir reden. Hast du über unser Gespräch nachgedacht?« »Was soll das Haluk. Du weißt, was unsere Eltern beschlossen haben. Ich werde Yasin heiraten«, betrachtete ihn energisch.

»Esma! Das ist ein Fehler. Du hast Yasin gesehen, wie er dasaß. Er liebt dich nicht und wird es nie.« Ihre Pupillen bewegten sich hin und her.

»Woher willst du das wissen? Du bist kein Vorhersager und warum erzählst du mir das? Was soll das Haluk?« Er fasste sie an die Hand. »Ich kenne meinen Bruder. Das ist alles. Esma, ich will nicht, dass du unglücklich wirst.« Esma reichte es und sie zog ihre Hand weg. »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Was soll das?« Haluk sah sie tiefgehend an. »Wir kamen zur Feier zu euch. Ich habe dich gesehen und mich verliebt. Ich liebe dich Esma und bin mir sicher, dass ich dich glücklich machen könnte. Das ist die bessere Voraussetzung. Lass uns woanders hingehen und einen richtigen Beginn machen.« Esmas Augen tanzten hin und her und war im Bilde, dass er es ernst meinte. Ihr Herz schlug ihr bis zum Halse. Das war es. Er liebte sie. Ja, er hatte wieder teilweise recht mit Yasin. Sie stand zwischen zwei Stühlen. Dem Beschluss ihrer Eltern und Haluk, der sie liebte. Für sie war die Entscheidung klar in Bezug auf die Familie und sie musste gehorchen. Sie wollte ihre Familie nicht aufgeben, denn sie liebte alle. Andererseits wollte sie Haluk nicht vor den Kopf stoßen und suchte eine Formulierung. »Danke für deine Aufrichtigkeit. Ich schätze deine Worte und deine Gefühle für mich. Das habe ich nicht gewusst. Es tut mir Leid Haluk, ich werde meine Eltern nicht enttäuschen und sie dadurch verlieren. Vielleicht magst du recht haben. Ich hoffe, dass Yasin mich lieben lernt.«

Beide standen wortlos da und Haluk sah sie traurig an. »Ich hoffe es für dich und werde warten.« Esma drehte sich, um sofort wegzurennen. »Ich liebe dich Esma! Ich liebe dich!«, rief er ihr nach. Haluk kannte seinen Bruder und was er zu ihm über Esma gesagt hatte. Er ahnte Schlimmes. Er hätte Yasin am liebsten verprügelt und sicher würde der Augenblick kommen, indem er ihm das vergelten würde. Haluk beabsichtigte mit seinem Vater darüber zu reden. Fuhr zurück ins Büro, schloss die Tür und setzte sich ihm gegenüber. »Ich werde es kurz machen Papa. Ich liebe Esma und möchte dich fragen, ob es eine Möglichkeit dafür gibt.« Furkan erschrak über seine Worte und erholte sich zuerst davon. »Was war das? Wie kommst du dazu. Sie wird Yasin heiraten, und zwar bald«, stöhnte er heraus.

Seine Augen beobachteten Haluk und er konnte es sich vorstellen, dass Haluk verliebt war. »Ich weiß, dass Yasin sie nicht liebt und es wegen euch anstellt. Genauso Esma«, betrachtete seinen Vater flehentlich. Furkan nickte. »Du weißt, dass die Vorgehensweise bei uns üblich ist und es tut mir leid für dich. Alles andere würde Verdruss und Unglück bringen. Glaube mir, ich kann mir deine Liebe zu Esma gut vorstellen«, faltete seine Hände auf dem Schreibtisch. »Bevor ich deine Mutter kennenlernte, ging es mir ähnlich mit einer heimlichen Liebe. Sie war ebenfalls versprochen und das war mehr als hart für mich. Haluk, sieh dir unsere Ehe an. Ich liebe meine Dafne und wir sind glücklich geworden. Das wird bei Yasin gleichermaßen geschehen.«

»Papa! Gibt es keinen anderen Weg für mich? Ein Leben ausschließlich der Liebe, das kann es nicht sein.« Furkan betrachtete seinen Sohn. »Okay! Von deiner Seite aus gesehen und was sagt Esma?« Haluk lehnte sich zurück. »Sie will ihrer Familie keine Schande bereiten und hat nicht gesagt, dass sie Yasin liebt. Sie ist aus Verlegenheit weggerannt. Papa! Du weißt, was das bedeutet.« Sein Vater atmete schwer durch. »Es gibt eine Lösung, die alles zerstört anstatt Freude und Frieden zu bringen. Wie es scheint, ist sie nicht dafür. Lass Esma ihren Weg gehen. Du kannst es nicht mehr verhindern. Aus deiner jetzigen Sicht ist das kein Trost für dich. Es gibt andere und bessere Frauen.« Haluk strebte ebenfalls an seiner Familie keine Schande zu bereiten und ließ es zwangsweise schweren Herzens dabei. Nach einer Minute des Schweigens beugte Haluk sich vor. »Für den Fall, dass er Esma unglücklich macht, werde ich ihn mir vorknöpfen. Das schwör ich dir.« Sein Vater bejahte es, weil er sich dieses unmöglich von Yasin vorstellen konnte. »Du hast mein Wort. Ich werde nicht einschreiten, wenn es sich erweist.« Haluk stand auf, als wäre es griffbereit geschehen. »Du hast es gesagt und ich werde danach handeln«, und verließ wutentbrannt das Büro.

Furkan sah ihm nach und war sich sicher, dass Haluk es tun würde. Er war in einer ähnlichen Lage und dasselbe Thema stand zur Debatte. Mit dem Unterschied, dass seine „Liebste“ bereit dafür war. Beide fanden keine Lösung, denn sie hatten niemanden, der ihnen einen Unterschlupf gewährt hätte. Ins Ausland zu gehen, dafür waren beide nicht reif genug. Sie blieben und gleich darauf heiratet er Dafne, was eine bessere Wahl war. Fand er zumindest. Bei ihr erwies sich die arrangierte Ehe dagegen nicht für angebracht, denn ihr Ehemann behandelte sie abfällig. Jedes Mal, wenn er davon hörte, begehrte er innerlich auf und wollte ihren Partner zur Rechenschaft ziehen. Ja, er liebte sie und sie blieb für eine gewisse Zeit in seinem Herzen verankert. Es war schwer, sie zu vergessen. Nach über einem Jahr hatten sie sich wiedergesehen, wobei sie ihn heimlich festgedrückt hatte. Furkan atmete tief durch. »Die Liebe geht oft seltsame Wege und daran wird sich nichts verändern. Des einen Leid des anderen, Glück.« Er hatte Haluk in diesem Zustand das erste Mal gesehen und kam ernstlich zu dem Schluss. »Wir müssen ihm eine Frau suchen, denn er ist erwachsen geworden. «

Furkan, beobachtete anhaltend seinen Sohn, der nach dem Gespräch nicht mehr derselbe war. »Auweh! Hoffentlich macht er bei der Verlobung kein Theater und dass die Hochzeit ohne Probleme über die Bühne ging«, waren seine Gedanken und er redete mit Dafne darüber.

Die Verlobung

Ein paar Tage nach dem letzten Beisammensein fand die Verlobung statt. Diese Zeremonie übernehmen üblicherweise die Brauteltern.

Bei dieser Feier waren die beidseitigen Eltern sowie alle Familienangehörigen anwesend. Die Angehörigen beobachteten, wie die mit Namen gravierten Ringe getauscht wurden. Die Eheringe lagen mit einem roten Band zusammengebunden auf einem silbernen Tablett. Einer der Väter steckte dem Paar die Ringe an. Schnitt das Band durch und gratulierte als Erster dem Paar zur Verlobung. Ab diesen Moment waren sie verlobt. Gleich darauf schenkte Yasin seiner zukünftigen Braut eine zierliche goldene Halskette und gab bekannt, das Brautkleid zu bezahlen. Die Gäste klatschen fröhlich in die Hände und alle begaben sich an das vielseitig zubereitete Bankett mit Musikuntermalung. Laufend tanzte die Gesellschaft zur Musikkapelle, was eine gute Stimmung aufkommen ließ.

Alle freuten sich, nur einem war es vergangen. Haluk. Er sah aus einer Distanz zu und ihm behagte die Abreibung für Yasin, die mit Sicherheit kommen würde. Esma begab sich zu ihm. »Haluk, willst du mir nicht gratulieren?« Sie sah in seinen Augen wundervoll aus. »Du kennst meine Meinung. Weil es nicht zu umgehen ist, wie es ausgehen wird«, sagte er barsch. Esma kannte seine Sichtweise und wollte es unter keinen Umständen akzeptieren. »Haluk, bitte.« Er schüttelte mit dem Kopf und flüstere ihr zu. »Ich liebe dich Esma. Wie könnte ich dir da Glück wünschen? Sich lieben lernen, welch ein Quatsch. Du weißt nichts von ihm.« Esma kannte seine Einstellung zu ihr und war nicht erschrocken über seine Aussage. »Haluk, bitte.« Sie durfte keinen Gedanken daran verschwenden und wandte sich anderen zu.

Eine Nacht vor der Hochzeit trifft sich die Braut mit ihren Freunden und Verwandten, um die Finger der Braut mit Henna zu bemalen. Wobei das Henna ein Geschenk der Familie des Bräutigams war. Da es sich um die letzte Nacht vor der Trauung handelt, muss sie symbolisch „betrübt“ wirken. Zu diesem Zustand passend, wurden am Anfang traurige Lieder gesungen, die im Verlauf des Abends zu einer fröhlichen Atmosphäre übergegangen waren.

Am nächsten Tag wurde das weiße Brautkleid angelegt und um die Hüfte vom Vater der Braut, ein rotes Band gebunden. Das soll vor allen sichtbar werden lassen, dass die Braut jungfräulich in die Ehe geht. Die ganze Mannschaft bewegte sich im weiteren Verlauf zum Standesamt. Darauf folgte im Anschluss die religiöse Zeremonie, die vom Imam in ihrem Haus zelebriert wurde. Die Feier wurde von Musik begleitet und dauerte so lange, bis sich das Paar zurückzog.

Das war der schlimmste Moment für Haluk. Sein Vater sah ihn, klopfte auf seine Schulter und flüsterte.

»Komşunun tavuđu komţuya kaz görünürmüţ. (Das Huhn des Nachbarn schaut für den Nachbarn wie eine Gans aus).

Sehe es so, hinterher geht es dir unbekümmerter. «

Gleich an diesem Abend fuhren beide zu ihrer neuen Wohnung. Es war August 2011. Da sich die Wohnung außerhalb befand, zahlten sie 4000 Lira, bei einem durchschnittlichen Lehrerverdienst von 7000 Lira. Finanziell ging es beiden gut und sie entbehrenden nichts, außer die richtige Liebe. Esma merkte es sofort und gab sich in sämtliche Mühe seine Zuneigung zu gewinnen. Die Wohnung war in einem gepflegten Zustand, sie kochte abwechslungsreiche Gerichte, war nett und umgarnte ihn. Yasin beeindruckte das nicht sonderlich, er blieb unverändert und nahm es gegeben hin. Nach ein paar Wochen fragte sie ihn. »Was ist Yasin? Was soll ich tun, um deine Liebe zu gewinnen?«, kniete sich vor ihn und legte ihren Kopf auf seinen Oberschenkel. »Yasin, was ist los?«, und bettelte ihn fragend an. »Alles ist gut, was du unternimmst. Ich liebe dich nicht. Das ist es«, sagte er emotionslos dahin. »Wie kann ich es ändern, Yasin? Ich will nicht, dass es ohne Liebe bleibt, und kann damit nicht leben. Lass uns beide daran arbeiten«, flehte sie. »Ja, das sollten wir. Die Zeit wird es mit sich bringen«, stammelte er hervor und widmete sich dem Fernsehprogramm.

Esma war von seiner kühlen Art, ihre Zuneigung zurückzuweisen niedergeschlagen und weinte auf dem Sofa. »Was war sie für ihn?« Sie kam sich nicht mehr wie eine Ehefrau vor, sondern wie ein Gebrauchsgegenstand für den Bedarf. Wie schrecklich, ohne Liebe zu leben. Ihr fiel sofort ein, was Haluk zu ihr gesagt hatte, und war deprimiert, weil es eingetroffen war. Nein! Das durfte nicht sein und sie raffte sich aus diesem Grund auf nicht verfrüht aufzugeben.

Nach drei Monaten sagte er an einem Nachmittag ohne Vorankündigung zu ihr. »Du wirst aus deinem Lehrerberuf aussteigen und besser im Büro arbeiten. Gleich zehn Minuten von hier suchen sie jemanden, der für sie in Englisch korrespondiert. Du wärst bevor ich komme vorzeitig zu Hause und könntest ohne Stress alles herrichten. Des Weiteren gefällt mir nicht, wie oft du den Frauenkreis besuchst.« Esma sah ihn wie versteinert an und sprang auf. »Yasin! Du hast mir versprochen, dass ich in der Schule weiterarbeiten kann. Ich habe dafür persönliche Opfer gebracht und das wäre umsonst. Warum soll ich aufhören? Das ist eine sichere Stelle für uns. Was ist los? Du hast mir dein Wort gegeben«, war sie erregt und fuchtelte mit den Armen. »Yasin! Was ist los! Das geht nicht!«, flehte sie ihn an. Er stand auf und packte sie am Arm. »Wer ist das Haupt in unserer Familie? Du hast das auszuführen, was ich sage. Du wirst dort anfangen, weil ich mit dem Chef verhandelt habe und fertig.« Esma blickte ihn mit aufgerissenen Augen an. »Yasin, überlege zum einen, was das für uns bedeutet. Ich verdiene in der Firma weniger und ich liebe meinen Beruf. Bitte mach das nicht, denk an dein Versprechen. Warum hast du mit ihm gesprochen, ohne mich zu fragen?« Der Widerspruch reichte ihm. Betrachtete es respektlos seiner Autorität gegenüber und drückte sie an den Schrank. »Du wirst den Job annehmen, sage ich oder verschwinde zu deinen Eltern. Zur Firma kannst du laufen und dich mehr um den Haushalt kümmern. Ist das klar?!«, und ließ sie los.

Er begab sich zum Schreibtisch, holte das Kündigungsschreiben hervor und zwang sie massiv, es zu unterschreiben. Zuerst weigerte sie sich, schrie und weinte furchtbar, sodass er ihr eine Ohrfeige gab. Geschockt davon gehorchte sie und fügte zitternd ihr Kennzeichen darunter. In Folge dessen rannte sie in die Küche, um Wasser zu trinken. An diesem Abend wurde sie schwanger.

Die nächsten Tage waren eine Qual für sie mit ihrem geliebten Beruf aufzuhören und verfiel für kurze Zeit in Verzweiflung. Yasin zwang sie alles aufzugeben und jede Verbindung abzubrechen. Er konnte es nicht ertragen, dass Esma ihm in der Schule gleichwertig war. Obwohl sie das nie beabsichtigt hatte. Notgedrungen, um den Frieden zu fördern, musste sie sich in der Firma vorstellen und wurde sofort eingestellt. Ihr Englisch war in Wort und Schrift hervorragend, was für die Firma und deren Verhandlung von Nutzen war. Esma kämpfte jeden Tag mit sich, um nicht zu resignieren. Die Lieblosigkeit und despotische Art ihres Mannes zu ertragen. Ihr Chef dagegen war von ihrer Arbeit, Leistung und Freundlichkeit begeistert.

Das Schöne bestand darin, dass ihr Arbeitsweg zu ihrer Wohnung kurz war und mit ihrem zusätzlichen Gehalt konnten sie leben. Sie hatte mehr Zeit zum Einkaufen und Ruhe zu Hause. Ihr Ehemann war ein Sparsamer. Er erwirtschaftete in den nächsten Jahren mit dem gesparten Geld nach und nach ein ansehnliches Vermögen. Esma hatte keine Ahnung, wie er das schaffte. Die Ergebnisse zeigten, dass er mit Geld umzugehen wusste. In dieser Hinsicht war er vorbildlich. Auf der anderen Seite war er seinen Gefühlen unterworfen. Das ständig in seinem Leben ein Auf und Ab mit sich brachte. In dieser Periode brach er jeweils seine Versprechen und benötigte dringend Ermunterung und Hilfe von Esma. Sie half ihm zwar, aus dieser Phase herauszukommen, wurde im Nachhinein aber wieder von ihm herb enttäuscht. Eines der Ergebnisse daraus war z. B. ihre Zwangskündigung und Unterdrückung.

Esma hatte heimlich mit ihren Eltern telefoniert und von der Kündigung berichtet. Sie konnten es nicht nachvollziehen, hielten sich trotz alledem konkret von einer Einmischung in ihre Ehe fern. Esma hatte zu ihrem Elternpaar ein aufrichtiges Verhältnis und erzählte ihnen alles, was sie traurig werden ließ.

Traurigerweise erwies ihr Yasin keinerlei Zuneigung, obwohl sie ihm überall half und ihn unterstütze. Ihre ganze Hoffnung beruhte darauf, dass die Liebe irgendwann wachsen würde, weil sie sich nicht lange genug kannten. Ansonsten war Yasin ein guter Partner, was die Versorgung betraf.

Nach dem vierten Monat kam ein erfreulicher Schock. Es stand fest, dass sie schwanger war, und die Ärztin bestätigte dies. Würde sich Yasin zum Positiven verändern und sie lieben? Sie war hin und her geworfen. Nach längerem Warten sagte sie es ihm. Yasin war kurz still geworden, löste bei ihm nicht die erwartete Reaktion aus. »Das ist normal und gehört zur Ehe«, meinte er und widmete sich seiner Schulkorrektur. Esma stand da und bewegte sich nicht. Sie hatte so ein liebloses Verhalten nicht für vorstellbar gehalten. Er beobachtete, wie Esma dastand, und sagte nüchtern. »Pass auf, was ich dir sage …« Sie war furchtbar über seine Erläuterung enttäuscht. Was war sie überhaupt für ihn? Das schönste Erlebnis einer Frau hatte er zum Desaster gemacht.

Ihr Papa hatte ihre Mama vor Freude nicht mehr losgelassen und vor Begeisterung geschrien, wie sie mit ihrem jüngsten Bruder schwanger war. Esma schlich ins Schlafzimmer und setzte sich wie betäubt. Das löste bei ihr bisher den niedrigsten Punkt der Ablehnung aus. Er hatte ihr klar gezeigt, dass sie nichts für ihn bedeutete und sie von da an eine Einelternfamilie sein würde. In ihr erstarb jegliches Gefühl für ihn und schüttelte, verstummt mit dem Kopf. Nach ihrer Meinung war seine Erläuterung darüber zu viel, was eine Frau in diesem Stadium ertragen konnte. Sie war ihm egal und allein.

Auf den Familienfesten verstellte sich Esma zu einer freundlichen, hilfsbereiten Ehefrau, die nach „außen" ihren Ehemann liebte. Daheim hatte sie keine andere Wahl. Yasin spielte seine Karten aus, um sich zu präsentieren, was es heißt, das Familienhaupt darzustellen. Esma war um des lieben Friedenswillens still dabei. Innerlich auf keinen Fall von ihm gebrochen worden. Er ging seinen Weg, was sie nicht durfte.

Trotz seiner ablehnenden Haltung zu ihr versuchte sie, dass ein schönes Eheleben zustande kam, und gab nicht auf. Hochschwanger leistete sie ihren vollen Beitrag in der Wohnung und täglichen Leben. Zu ihrer Freude wurde eine Tochter geboren, die sie Beren nannte. Alle in der Familie kamen und freuten sich. Am meisten ihre Mutter, weil das erste Kind von Esma ein Mädchen war wie bei ihr. Nach ihrer Geburt erfolgte der einzige Moment an dem Yasin sie kurz mit Freude anlächelte. Die ersten drei Wochen war Zehra bei ihrer Tochter und unterstützte sie. Zehra nahm persönlich wahr, unter welchen Umständen ihre Ehe ablief, und sie unterhielten sich lange darüber. Sie ermutigte Esma nicht aufzugeben, in der Hoffnung, dass Yasin zu ihr gefühlsmäßig zurückkehren würde. Zehra tat es leid, dass sie Yasin für Esma ausgesucht hatten, was nicht mehr änderbar war. Sie litt stark darunter.

Zu diesem Zeitpunkt ahnte keiner von ihnen, welche Bedeutung der erzwungene Arbeitswechsel von Esma für die Zukunft hatte.

Esma sehnte sich nach ihrer Schule, ihren Kollegen und den Kindern. Zuhause vermisste sie die Zuneigung von Yasin, hatte sie gehofft, dass er sich nach der Geburt ändern würde. Traurigerweise erfüllten sich ihre Wünsche nicht im Geringsten. Das einzige Ziel wovon er laufend redete, war, dass "er" sich ein Haus oder eine Eigentumswohnung zu kaufen beabsichtigte. Sie ahnte daraus nichts Gutes, weil er von „sich und seinem“ Ziel sprach.

Die Einteilung der Hausgemeinschaft war typisch in der Türkei. Der Ehemann hatte den „Außenbereich", Versorgung der Familie, Repräsentation nach außen, Entscheidungen beschließen und Verabreden mit Freunden. Die Ehefrau hatte den „inneren Bereich" der Hauswirtschaft, Vermittlerin, Wärme und Liebe zu geben und die sozialen Obliegenheiten mit den anderen Frauen zu pflegen. Die Sache war bei ihnen, dass sich diese Familieneinrichtung verschoben hatte und ihr Mann ihr keine Chance gab, das zu verbessern. Esma litt darunter, dass er neben ihr her lebte und sie nicht wahrnahm. Mit diesen Gedanken in ihre Ehe versunken, kam ihr in den Sinn, die „richtige Liebe" bis zum heutigen Tag nicht erlebt zu haben. Wie oft hatte sie früher davon geträumt, durch die Liebe zu schweben und verzaubert zu werden. Viele Küsse auszutauschen und zu genießen. Sie sehnte sich danach. Gab es dieses in Wirklichkeit nicht? Sie zog eine Parallele zu ihren Eltern, die sich liebten, und kam zu dem Schluss, dass es an Yasin lag. Es gab die richtige Liebe. Es musste sie geben und wäre bereit dafür. Sie setzte sich enttäuscht.

Die Frage war: Würde sich der Zustand in ihrer Ehe verbessern? Ein Nein lehnte sie ab, denn das würde ihr Unglück bedeuten. Sie konnte sich nicht im Geringsten vorstellen ihr ganzes Leben, ohne Liebe zu verbringen. Nein! Irgendwann würde sie eine Änderung erzwingen. Welche – wusste sie zu diesem Zeitpunkt nicht. Sie hoffte darauf, dass sich sein Verhalten ändern würde.

Yasin hatte Esma aus dem Grund geheiratet, weil arrangierte Ehen üblich waren. Obwohl er von Anfang an nichts Liebenswürdiges an ihr fand, außer einer gewissen Sympathie. In seinen Augen würde es mit ihr eine Partnerschaft bedeuten, bei der jeder seine Pflichten erfüllt mehr nicht. Er liebe sie nicht und verschwendete keinen Gedanken daran es zu ändern. Was er an ihr schätzte, war ihre ermunternde Art ihm zuzureden. Ihr Scharfsinn Angelegenheiten zu beurteilen und dass sie eine fleißige Hausfrau war. Das verhieß ihm sein Leben, ohne Bedenken wie früher weiterzuführen. Er traf sich mit seinen Lehrerfreunden, sie feierten ab und zu mit den Familien zusammen und sie hatte ihren Frauenkreis. Für ihn war es ein behagliches Leben im Verbund mit seiner Großfamilie.

Eines Abends betrachtete Esma ihren schlafenden Partner und war sich bewusst, dass er der „richtige Mann“ wäre, wenn er sie lieben würde. Er sorgte für sie, war sparsam, lebte zu ihrem Leidwesen sein eigenes Leben, ohne sie wahrzunehmen. Yasins Lebensrhythmus bestand aus zwei Phasen. Nach einem Hoch kam ein Tief, aus dem er nur mit Hilfe ihrer Ermunterung herauskam. Es kostete sie jeweils Kraft ihn anhaltend die Ereignisse positiv zu beschreiben. Sie unternahmen Spaziergänge und gab ihm sein Selbstvertrauen zurück. Esma war hierin die treibende Stärke für ihn. »Wie würde er sich geben und handeln ohne sie?« Sie nickte mit dem Kopf und war sich sicher, wie es ausgehen würde. Ging es ihm gut, ließ er sie wieder fallen.

Nach wenigen Monaten war Beren ihre ganze Liebe. Die Bedeutung des Namens Beren lässt sich mit „ein Lamm“ oder „stark, kräftig“ wiedergegeben. Beren sah ihrer Mutter ähnlich und Esma war gespannt, welche Wesensart sie später von wem übernehmen würde. Das Leben ging seinen Gang und die Liebe zwischen ihnen wuchs nicht. Yasin behandelte seine Partnerin nach außen hin normal, in ihrer Partnerschaft vernachlässigte sie, weil er sie nicht liebte. Mit der Zeit hatte er eine Abneigung gegen sie entwickelt. Er hoffte, dass sie von der Liebe ausgehungert die Erfüllung woanders suchen und er Esma in Folge dessen wegschicken könnte. Keine Frau würde das auf Dauer aushalten, war er sich sicher.

»Yasin, was hält dich davon ab, dass wir nicht glücklich sind. Ich wünsche es mir«, eröffnete sie wiederholt ein Gespräch und versuchte alles ihn zu gewinnen.