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Polemische Auseinandersetzung mit der Apostrophierung einer permanenten Kriegführung schon seit der Steinzeit. Neue Forschungsergebnisse amerikanischer Archäologen zeigen Sachverhalte, die, trotz gegenteiliger Behauptung, einer premanenten Kriegführung dieser Steinzeit-Menschen widersprechen.
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Seitenzahl: 184
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Werner-Wolf Turski
Die Anasazi und der Krieg
Archäologische Geschichten über die „permanente Kriegführung“ im prähistorischen Südwesten von Nordamerika
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Einführung
Die verpalisadierten Weiler
Die Massaker-Höhle/Massacre Cave/Cave 7
Das Massaker von Sacred Ridge
Das Ende der Besiedlung des Castle Rock Pueblo
Die Vernichtung von Awatobi
Die Gallina-Massaker
Kritische Betrachtung der Artikel „Türme des Schweigens“ und „Mystery of the Stone Towers“ über die Gallina-Türme
Das gewaltabschreckende Niederlassungsmuster der Kayenta
Schlussbemerkungen
Impressum neobooks
Die Verbindung der beiden Begriffe Anansazi und Krieg ist an sich ein Widerspruch, da die Anasazi die patriarchal-gesellschaftliche Erscheinung des Krieges nicht kannten. Der bekannte US-Archäologe und Ethnologe Cosmos Mindeleff (1863–1938) stellte in den 1890er Jahren sinngemäß fest, dass viele Ruinen indigener Bauwerke im nordamerikanischen Südwesten als Festung angesehen oder sogar so bezeichnet werden. Dies sei aber völliger Unsinn, da die Anasazi, um deren architektonische Kultur-Überreste es ging, sich noch nicht so weit entwickelt hatten, um in den Zustand der Kriegsführung zu kommen, wofür befestigte Wohn- und Herrschaftsanlagen ein Indiz wären. Die sogenannten Festungen der prähistorischen indigenen Bevölkerung waren teilweise schwer zugänglich, vor allem für die „weißen“ Entdecker, waren aber in keiner Weise für eine militärische Verteidigung „befestigt“.
Auch ich bin der Ansicht, dass die Anasazi keinen Krieg kannten, denn ihr gesellschaftlicher Zustand war noch lebenserhaltend und weib-orientiert. Sie kannten noch kein Raub- und Mordgebaren, wie es das Gefolgschaftswesen der sogenannten „Militärischen Demokratie“ mit sich brachte. Ihre Arbeitsproduktivität und dementsprechend ihr Mehrprodukt waren nicht ausreichend, um ein Ausscheiden von Männergruppen aus dem Produktionsprozess zuzulassen, deren einzige gesellschaftliche Aktivität den Raub von Gütern/Objekten und die Tötung von deren Verteidigern beinhaltete.
Ich habe Cosmos Mindeleff hier nicht angeführt, um mich hinter seiner Autorität zu verstecken, sondern um zu zeigen, wie klar schon Ende des 19. Jahrhunderts einige Gelehrte die gesellschaftlichen Zustände bei den Anasazi erkannt hatten. In der Folgezeit gingen die Anasazi und auch ihre historischen Nachfolger, die Hopi und die Rio Grande Pueblo-Indianer, als friedliche Menschen in die Geschichtsschreibung ein. In den letzten Jahrzehnten arbeitete aber eine Reihe von US-Archäologen zunehmend daran, dieses „Friedensbild“ unter Hinweis auf unzweifelhafte neue Erkenntnisse zu revidieren. Das Friedensbild war alt und überholt. Neue Erkenntnisse würden dies widerlegen.
Krieg, Raub, Mord und Totschlag sind ausreichend gute Reizwörter, um sich - im Gegensatz zum unattraktiven, weil unprofitablen Frieden - medial zu profilieren.
Ich habe deshalb im Folgenden einige der „Kriegsbeweise“ bei den Anasazi offiziellen archäologischen US-Publikationen entnommen, schildere sie und kommentiere sie aus meiner(!) Sicht.
Auf die Kannibalismus-Diskussion zur Anasazi-Friedensdiskretitierung gehe ich nicht ein. Rituellen Kannibalismus schließe ich a priori nirgendwo im prähistorischen und urgesellschaftlichen Kontext aus. Seine Reste sind sogar noch im Christentum vertreten. (Man denke nur an den Hostienverzehr im christlichen Zeremonialismus. Der „Leib des Herren“ wurde in sich „aufgenommen“.) Inwieweit ritueller Kannibalismus aus archäologischen und ethnografischen Unterlagen nachweisbar ist, ist eine spezielle Frage, aber ein solcher Nachweis ist nie und nimmer eine Sensation. Hungerkannibalismus erscheint fallweise und ist zeitlos.
Nun zu den Anasazi und „ihren Kriegen“. Die Grundaussage von Mindeleff aus den 1890er Jahren steht nach meiner Meinung unverändert, nur eine gewisse Idealisierung ist zu beseitigen. Die Einschätzung der „Zivilisierten“ über die „Wilden“ schwankt je nach zeitlichen und örtlichen Kontexten und ihrer politischen Nutzung zwischen dem Edlen Wilden – wenn er seinem kolonialen „Entdecker“ und Unterdrücker keinen Widerstand leistet - und dem Blutrünstigen Wilden, der sich nicht dem Kolonialherren beugt und dessen Gewalt mit Waffen widersteht. Diese „Pendelbewegung“ betrifft auch die Einschätzung der Anasazi-Gesellschaft in der US-amerikansichen Archäologie. Dabei ist auch hier eine Schwarz-Weiß-Malerei zu vermeiden. Es gibt bei den Archäologen eine „Friedenspartei“ und eine „Kriegspartei“ und zwischen diesen die Undifferenzierten. Über die Größen dieser drei Gruppen kann ich keine Aussage treffen. Die Medien bestimmen ihr Bild entsprechned den „sensationellen“, auflagenerhöhenden Aussagen.
Die Anasazi waren Menschen wie „ICH und DU“, nur mit dem bereits genannten Unterschied: sie kannten keine patriarchalen Erscheinungen (siehe obige Ausführungen). Ihre Gesellschaft war lebenserhaltend und weiborientiert (Das Weib - nicht die Frau - ist biologisch für die Arterhaltung determiniert.) Die biologische Art erhält sich nur in der Gemeinschaft, die sich auf die Aufrechterhaltung einer harmonischen, lebensfreundlichen Tradition stützt (Kein Matriarchat!). Dieser Sachverhalt schließt eine Vielzahl möglicher persönlicher Konflikte keinesfalls aus, aber die Gemeinschaft hat Mechanismen und Regularien entwicktelt, um diese im Interesse des lebenserhaltenden Friedens zu minimieren, ihnen vorzubeugen und bei einem unvermeidlichen Ausbruch einen gemeinschaftlichen Konsens zu schaffen. Es gibt bei Regelverstößen keine Strafen, sondern nur eine Wiedergutmachung. Im Ernstfall erfolgt ein Ausschluss aus der Gemeinschaft, was einem wahrscheinlichen Todesurteil für Betroffene gleichkommt. Rache und Strafe sind eine patriarchale „Errungenschaft“.
Neben auch uns bekannten persönlichen Konflikten gibt es jedoch auch Umweltstress, der durch Mangel- und Überflusserscheinungen sonst „kleingehaltene“ Konflikte und deren sonst beherrschbares Potenzial extrem eskalieren lässt und bis zu einem Gewaltausbruch führen kann, der dann eine einmalige, fallweise Lösung des Konfliktes darstellt. Solche Erscheinungen, die auch heute auftreten, beschäftigen die Kriminalisten und werden anhand der Strafgesetze bewertet. Die Anasazi kannten weder Kriminalisten noch Strafgesetze. Die Archäologen und die Medien sind fallweise bei Erkennen „kriminalistischer“ Indizien an deren Stelle gerückt. Aber weder der Archäologe noch der Kriminalist erkennt die Wahrheit, sondern immer nur eine mehr oder minder plausible Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses in einem konkreten Kontext. Und einigen solcher Erscheinungen will ich mich im Folgenden widmen.
***
Im westlichen San Juan Gebiet, westlich von Mesa Verde, wurden bei ca. 18 Sätten aus der Zeit zwischen 600 und 700 u.Z. mit vertikalen Stämmen und Stangen umgebene Niederlassungsbereiche ermittelt. Diese stockades (deutsch: Palisade//Einfriedung//Palisadenzaun//Einzäunung) sind kreisförmig um meist ein bis zwei Wohnbauten, Vorratslageranlagen und Abfallhaufen angelegt und weisen meist Durchmesser zwischen 20 und 40 m auf. Die umgrenzten Flächen messen 400 bis 1.200 m². Von 10 dieser dokumentierten 18 Einfriedungen wird nur eine Wohnstätte (Grubenhaus) umschlossen, die anderen umgeben zwei Wohnstätten, zwei von ihnen sogar drei oder vier Bauten. Die Errichtung dieses Palisadenzaunes, der aus 45 bis 600 Stämmen/Pfosten bestand, erforderte einen hohen Arbeitsaufwand. Die Stamm- bezeihungsweise Stangendurchmessser variierten zwischen 6 und 20 cm Durchmesser, deren Maße nur über die verbliebenen freigelegten Postenlöcher ermittelt werden konnten. Die Pfosten waren ca. 30 cm tief in spezielle Löcher oder einen später wieder verfüllten Graben eingesetzt worden. Die Pfostenreihe wies Intervalle von 10 bis 30 cm auf, die vermutlich zu Sperrzwecken und zur Stabilisierung der Wand mit Zweigwerk (Nachweisproblem) verflochten waren. Die Höhe der Vertikalpfosten lag vermutlich unregelmäßig zwischen 2 und 3 m.
Über die Funktion dieser arbeitsaufwendigen Anlage rätselten oder spekulierten eine Vielzahl von Archäologen. Die Vermutungen reichten von einer einfachen Abgrenzung einer Gemeinschaft über einen Zaun zur Zurückhaltung von Kindern und Tieren bis zur (kollateralen) Nutzung als Windschutz. Die dominierende Meinung war aber, dass die Palisadenwand als Verteidigungsanlage gegenüber gewalttätigen Feinden errichtet worden war. Aus der dokumentierten Anzahl und noch weiteren vermuteten solchen Palisadenanlagen wurde dann auf einen permanenten Kriegszustand/gewaltsame Regelung von Konflikten bei den Gemeinschaften in dieser Region und bereits zu dieser Zeit extrapoliert.
Die hier als Musterbeispiel anzuführende archäologische Stätte Knobby Knee Site war ein verpalisadierter Weiler für ca. 3 Haushalte aus der Zeit von 608 bis 665 u.Z. Der Palisadenkreis hatte einen Durchmesser von 30 bis 32 m (= Länge von ca. 100 m) und umschloss eine Fläche von ca. 750 m². Auf dieser Fläche wurden Spuren von 13 Räumen (RM 1 - 13) und 7 Grubenbauten (PS 1 – 7) freigelegt, die als 4 Grubenhäuser, 6 Wohnräume und 5 Vorratsräume definiert wurden. Die Durchmesser der Räume lagen zwischen 1,5 m (RM11) bis 7 m (RM2). Es ist davon auszugehen, dass diese Bauten in dieser 60-Jahre-Spanne der Nutzung dieser Stätte nicht gleichzeitig erbaut und genutzt wurden. Die Anlagen PS6, PS2, PS5, RM2 und RM1 von dieser Stätte stammen aus der Besiedlung der Pueblo II Periode (900 bis 1100 u.Z.), lange nach der Palisaden-Episode um 650 u.Z. Ein Grubenbau lag auch direkt nördlich außerhalb des Palisadenkreises. Die als Räume bezeichneten 13 Anlagen befanden sich teilweise (RM5, RM7, RM9, RM11, RM12, RM13) direkt an der Innenseite der Palisade beziehungsweise die Linie der Pfostenlöcher führte über einige dieser Räume, was auf eine Errichtung der Palisade nach der Aufgabe dieser Räume verweist. Eine teilweise doppelte Spur der Palisadenlinie deutet auf Ausbesserungsarbeiten an der Umfriedung. Zwei im Nordwesten und Südosten als Halbkreis von ca. 10 m Durchmesser (Fläche ca. 35 bis 40 m²) erkannte innerhalb der Kreisfläche errichtete Pfostenabgrenzungen konnten zeitlich und funktional nicht eingeordnet werden.
Die meisten Gruben- und Oberflächenbauten der Knobby Knee Site sind zeitgleich mit der Palisade verbrannt (worden?), möglicherweise auch nur mit einem Teil der Palisade. Die Tatsache der arbeitsaufwändigen Verpalisadierung und der eines großen finalen Brandereignisses werden gern als Beispiel für eine kriegerische/gewaltsame Auseinandersetzung zwischen den urgesellschaftlichen Gemeinschaften dieser Zeit angenommen. Waldbrände, obwohl eine fast jährliche Erscheinung im Südosten der USA, werden grundsätzlich nicht beachtet! Sie sind jedoch nur in Ausnahmefällen als solche nachweisbar. Die Ursachen eines Brandes kann natürlich (z.B. Waldbrand), gewaltsam (Überfall mit zerstörerischer Brandlegung), unfallbedingt (durch Unachtsamkeit) oder rituell (rituelle „Tötung“ beim endgültigen Verlassen oder Aufgeben einer Anlage oder Stätte) sein. Dies archäologisch zu differenzieren ist nur in Ausnahmen möglich.
Die relativ große Anzahl von die mediale Aufmerksamkeit erregenden verpalisadierten frühen Stätten aus der Basketmaker III Periode (500 bis 700/750 u.Z.) führte zur Vermutung, dass viele solcher Stätten aus dieser Zeit von Palisaden umgeben waren. Die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte erbrachten jedoch, dass nur bei ca. 10% der Stätten aus der Basketmaker III Zeit solche Abgrenzungen nachzuweisen waren und noch weniger bei Stätten aus der Pueblo I und Pueblo II Periode. Das Erscheinen von verpalisadierten Niederlassungen auch in späterer Zeit (9. und 11. Jahrhundert u.Z.) deutet an, dass solche Anlagen nicht an die spezielle Zeit und auch nicht an die besondere Lokalität gebunden waren.
Archäologen schließen vom hohen Arbeitsaufwand für die Errichtung der Einfriedung auf die Erzielung eines hohen Nutzens für die errichtende kleine Gemeinschaft (Aufwand-Nutzen-Verhältnis). Für eine einfache Abgrenzung gegenüber anderen Gemeinschaften, für eine „Absperrung“ gegenüber ungehorsamen Kindern und fluchtwilligen oder aufdringlichen Tieren oder auch als Windschutz erscheint der Aufwand zu hoch und ungerechtfertigt und damit als unwahrscheinlich. Ich möchte hier von meiner Seite noch die Möglichkeit der Nutzung der Palisade als Horizontkalender zur Diskussion stellen. Diese nicht beweisbare Version hätte aber nach meiner Ansicht auch kein höheres Gewicht als die Version „Abgrenzung eines Haushaltrevieres“. Die Zuweisung einer kriegerisch defensiven Funktion für die Gemeinschaft wäre damit die von Aufwand her wichtigste mögliche Aufgabe der Palisadeneinfriedung.
Was spricht gegen die Version einer militärischen Defensivaufgabe der Palisadenwand bei den Basketmakern um 650 u.Z. im westlichen Northern San Juan Gebiet?
(1) Der apostrophierte permanente Kriegszustand ist bei einer Verpalisadierungsrate von nur 10% aller untersuchten Niederlassungen eine patriarchale Illusion. Er exitierte nicht.
(2) Diese Palisade hat keine nachweisbaren Verteidigungsmöglichkeiten von Innen. Die Palisade ließe sich zwar von der Mitte der Stätte mit Pfeil und Bogen oder mit dem Wurfspeer über die 15 bis 20 m messende Distanz verteidigen, aber die Länge der Palisade/Verteidigungslinie liegt bei 95 bis 125 m. So viele Verteidiger lebten nicht in der Niederlassung, um über diese Linienlänge ein Eindringen von Feinden zu unterbinden. Vom Überraschungseffekt eines möglichen bösartigen Überfalls ganz zu schweigen.
(3) Wer ernsthaft wegen gewalttätiger Absichten die Palisade überwinden will, kann dies bei dem trockenen Holz mit den Zweigverflechtungen in einer semiariden Gegend innerhalb einer Stunde mit einem oder mehreren brennenden Ästen an der Palisadenbasis erledigen. Bei den angegebenen Winden kann dies noch schneller gehen – und das alles ohne Gefahr für Leib und Leben der angreifenden Brandstifter.
(4) Die Zweigverflechtungen zwischen den Palisadenpfosten stellen eine Kletterhilfe für die ohnehin sehr steig- und klettergewandten Menschen in Südwesten dar. Die Palisade wäre kein Hindernis, sondern ein erhöhter Standplatz für einen Kämpfenden (Speerwerfer, Bogenschütze).
Damit ist die Palisadeneinfriedung als Schutzanlage gegenüber menschlichen Feinden und auch der permanente Kriegszustand ad absurdum geführt. Die Menschen hatten damit eine andere der vielleicht oben genannten Motivationen für die Errichtung der Einfriedung ihrer Wohn- und Lebensstätte.
Wer detailierter Angaben zu den oben genannten Palisadenstätten erhalten möchte, dem empfehle ich die über google erreichbare englischsprachige Literaturquelle „Basketmaker III synthesis“ by Paul F. Reed.
Doch nun weiter zu einem wichtigen Indiz der Vertreter einer permanenten Kriegsführung bei den Anasazi – und der Zerbröselung dieses Indizes durch die moderne Forschung. Wir betreten
***
In den Jahren 1890 bis 1900 leitete/führte Richard Wetherill einige wissenschaftliche Expeditionen ins Gebiet Grand Gulch (Große Schlucht), ein geografischer Bereich im Südwesten des Northern San Juan Gebietes, im erosiv zerfressenen Gebiet der Cedar Mesa, wo er und seine auch von akademischen Wissenschaftlern begleitete Expeditionsgruppe eine Vielzahl von Stätten in Höhlen entdeckte und mit seinem Team auch untersuchte und viele, auch verderbliche Artefakte freilegte. Dort formulierte er, ein wissenschfatlicher Amateur und Autodidakt, auch die Vorstellung von der Basketmaker-Kultur vor der nachfolgenden Anasazi/Pueblo-Kultur.
Zuerst einige Worte zu Richard Wetherill ((1858–1910):
1893 traf der Rancher und vom schwedischen Wissenschaftler Gustaf Nordenskiöld (29.06.1868 bis 06.06.1895) in Sachen Archäologie qualifizierte Richard Wetherill während einer Ausstellung von Artefakten aus der Mesa Verde in Chicago auf zwei interessierte Besucher, die Brüder Talbott und Fred Hyde. Sie waren die Erben eines großen Seifenfabrikationsunternehmens. Innerhalb der folgenden Wochen traf man sich mehrmals und Wetherill wurde schließlich von den Brüdern mit der Führung einer von ihnen finanzierten Expedition in die Grand Gulch Region beauftragt.
Richard Wetherill führte zwei Expeditionen zum Grand Gulch. Die erste erfolgte im Winter 1893-1894 und die zweite Ende Januar oder Anfang Februar 1897. Richard Wetherills erste Hyde-Erkundungsexpedition von 1893-1894 war signifikant und gut dokumentiert. Elf Höhlen wurden östlich vom Comb Ridge ausgegraben, danach begannen Ausgrabung im Grand Gulch. Etwa 22 weitere Höhlen und Felswohnstätten wurden dokumentiert und/oder von dieser Expedition im Grand Gulch und auch im Bereich des Butler Wash ausgegraben. Eine wichtige Entdeckung der Expedition war eine Höhle, in der 96 Skelette aus der Basketmaker II Periode (vor 500 u.Z.) mit Anzeichen einer gewaltsamen Tötung freigelegt wurden (die spätere Höhle 7/Cave 7 oder die sogenannte Massaker Höhle/massacre cave). Die Sammlung von dieser Expedition wurde finanziert durch B.T.B.Hyde und Fred Hyde und wurde nach New York City zum American Museum gebracht.
Die zweite Hyde-Expedition führte Wetherill im Winter 1896-1897, anders als die erste Hyde-Expedition, direkt zum Grand Gulch. Dort erfolgten Ausgrabungen in 12 separaten Höhlen, von denen jedoch die meisten schon von früheren Expeditionen und Relikt-Suchern durchwühlt worden waren und in denen deshalb nur noch wenig Material über die Basketmaker gefunden wurde. Die Expedition wurde vorzeitig beendet. Die Hyde-Brüder übergaben diese Sammlung im Jahr 1897 an das American Museum of Natural History. Obwohl eine Reihe von Originaldokumenten und Artefakten anschließend von den ursprünglichen Sammlungen getrennt wurden, wurden beide Wetherill Expeditionen gut dokumentiert und sogar fotografisch begleitet.
Bei den Grabungsarbeiten in der Cave 7 stieß man deutlich unterhalb der Mauern jüngerer/neuerer Bauwerke auf Grabstätten einer anderen früheren Kultur. Die gefundenen ca. 96 Skelette waren größer als die der früher entdeckten der Anasazi, auch die charakteristische Schädeldeformation der Anasazi war nicht vorhanden. Bei den Grabbeigaben wurden zwar besonders gut geflochtene Körbe, jedoch keine Keramikteile gefunden. Richard Wetherill hatte Spuren einer noch älteren keramikfreien Kultur entdeckt, welcher sein Auftraggeber Talbot Hyde nach Wetherills Anregung mit der Bezeichnung basket people etwas später den Namen Basketmaker gab. Lange Zeit wurde die Echtheit dieses Fundes von anderen Forschern bezweifelt. Erst 1914 gelang Alfred Vincent Kidder, einen weiterer Nachweis dieser Kultur zu erbringen.
Der Grand Gulch Expedition folgten weitere Expeditionen. Die Zusammenarbeit mit den Brüdern Hyde hielt bis zum Tod Richard Wetherills am 22.06.1910 an. Aus dem Rancher wurde mehr und mehr ein zumindest semi-professioneller Archäologe. Anfangs unternahm er nur während der Wintermonate Expeditionen und arbeitete im Sommer weiter auf der Alamo Ranch, doch nach einigen Jahren überließ er die Ranch seinem Bruder Al.
Im Winter 1894/95 entdeckte Richard Wetherill mit seinem Bruder Al und Charlie Mason im Gebiet der Kayenta Anasazi bei der Durchquerung des Tsegi Canyons Kiet Siel, das größte westliche Cliff Dwelling im Bereich der Anasazi. Sie führten in kurzer Zeit eine Untersuchung der großen Ruine durch und legten Stichgräben in dazugehörigen Abfallhaufen an. Bereits hier fielen Wetherill die architektonischen Unterschiede zwischen den westlichen Kayenta-Anasazi und den östlicheren Mesa Verde Anasazi auf. Speziell die rechteckige Bauweise der Kivas der Kayenta Anasazi stand im krassen Gegensatz zu den runden Kivas der weiter östlich gelegenen Siedlungen.
Richard Wetherill und der Archäologe und Ethnograf George H. Pepper (02.02.1873 bis 13.05.1924) führten auch von 1896 bis 1900 im Rahmen der Hyde Exploring Expedition erste Grabungen im Chaco Canyon und speziell beim Pueblo Bonito durch.
Nun zur Höhle Nr. 7 (Cave 7), der Massaker-Höhle:
Die Cave 7 ist eine niedrige Höhle mit einem sehr hohen Felsüberhang. Ihre Öffnung hat eine Breite von 32 m, eine Höhe von 3 m und weist eine Tiefe von 5 m auf. Die Höhlendecke fällt nach hinten auf eine Höhe von 2 m und weniger ab. Der Überhang ist ca. 150 m lang und 30 m hoch. Vor dem Überhang hat die Höhle ein Vorland von 2 bis 3 m. Die Höhlenöffnung weist nach West-Nordwest. Die Höhle Cave 7 befindet sich im First Valley des Cottonwood Creek, ca. 48 km nördlich von Bluff City am North Fork des Whiskers Draw.
Die Qualität dieser Ausgrabungen muss trotz der bestätigten guten Dokumentation unter Berücksichtigung der damaligen handwerklich-archäologischen und menschlichen Fertigkeiten von 1893 und dem Mangel an heute üblichen wissenschaftlichen Auswertungsmethoden gesehen werden. Die Grabungsergebnisse Wetherills führten zum Schluss, dass die knapp 100 Toten, deren Überreste ausgegraben und von den Ausgräbern archiviert wurden, das Ergebnis eines Massakers waren. Diese Annahme stärkt noch heute (2012) alle stets hervorgehobenen Vorstellungen von einer „Kriegsführung“ bei den Anasazi schon seit Basketmaker-Zeiten.
Bei der Ausgrabung in der Höhle 7 wurden knapp 100 Bestattungen aus der später als Basketmaker II Periode bezeichneten Zeit gefunden, von deren Skeletten viele(?) Spuren einer stumpfen Gewalteinwirkung/Traumata aufwiesen. Andere hatten Projektilspitzen in den Knochen stecken oder man fand die Skelette in einem Kontext mit Geschossspitzen oder Waffen. Dutzende von Körpern trugen deutliche Anzeichen von Mann-zu-Mann-Kämpfen: Schädel waren wie von Keulen eingeschlagen, Glieder waren zum Zeitpunkt des Todes gebrochen und die meisten vernichtenden Waffen lagen noch eingebettet im Rücken, in der Brust und in den Beckenknochen einiger Opfer. Sie umfassten Steinspitzen, Knochenahlen/-dolche und Messer aus Obsidian. Solche Gewaltanzeichen fand man damals bei 58 der etwa 90 Leichenüberresten in der Höhle. Die meisten der Opfer waren Männer, aber auch mindestens 16 Frauen waren unter den Getöteten, sowie fast 20 Kinder, einige nicht älter als drei Monate alt. Die Häufigkeit dieser Verletzungen wurde bestimmt, um festzustellen, ob diese Erscheinung das Ergebnis eines Einzelereignisses, eines Massakers, war, was zur damaligen Zeit der Untersuchungen bestätigt wurde. Es gab kaum Zweifel über den Gewaltexzess an den dort Bestatteten. Auch Wetherill konstatierte einen Gewaltexzess. So der ursprüngliche Erkenntnisstand von 1893/94.
Aber die Anthropologen diskutierten weiter, wie diese Gewalt zu verstehen ist. Speziell ging es um die Frage, ob die Cave 7 einfach eine Bestattungsstelle für Opfer einzelner Konflikte und kleiner gewaltgetragender Auseinandersetzungen über Jahrhunderte war oder ob es sich eher um einen Kriegsopferfriedhof handelte, wohin die Opfer nach einem einzigen katastrophalen Konflikt gebracht worden waren. Die Bedeutung von Wetherills „Entdeckung“ der Basketmaker wurde durch den Fund-Kontext überschattet.
Eine erneute Analyse der Skelett-Überreste von 1993 von Hurst und Turner stützte diese Auffassung und argumentierte, dass die meisten Reste von Männern stammten, die vermutlich einen Überfall zum Fang von Frauen unternommen hatten und deren Männer dabei massakriert wurden. Ein kannibalistisches Ereignis wurde ausgeschlossen.
Und diese Interpretation der Cave 7 als Massaker-Höhle hat sich für mehr als ein Jahrhundert gehalten, bis 2012, als eine neue Untersuchung der Skelettreste nach neuesten Erkenntnissen und mit neuesten wisssenschaftlichen Methoden durchführt wurde.
Welche Erkenntnisse brachte die neue Analyse, deren Ergebnisse in „A re-assessment of Basketmaker II cave 7: massacre site or cemetery context“ von Coltrain, J., Janetski, J., & Lewis, M. (2012) im Journal of Archaeological Science im Jahr 2012 publiziert wurden?
Coltrain et al.hatten den Untersuchungsauftrag, mittels Isotopenanalyse festzustellen, ob und in welchem Umfang die Menschen, die in der Cave 7 die Skelettreste von ca. 100 Personen hinterlassen hatten, Mais aßen und die ohne Altersanalyse den Basketmakern zugeordnet worden waren. Auf Maisverzehr konnte qualitativ und quantitativ aus bestimmten Isotopenansammlungen in den Knochen der potenziellen Mais-Esser geschlossen werden. Die an die Erscheinung von C14-Isotopen gebundene Radiocarbon-Altersbestimmung ließ sich wahrscheinlich an den durch die Untersuchung ungestört bleibenden Knochenproben unproblematisch und aufwandsarm anschließen (Synergie-Effekt). Der primäre Untersuchungsauftrag zur Feststellung von Mais in der Nahrung der Basketmaker favorisierte die archivierte Knochensammlung von Cave 7 wegen der großen potenziellen Probenmenge für eine statistische Sicherheit der Untersuchungsergebnisse.
Vor der Isotopenuntersuchung der Knochen wurde die Ablage und deren Personenzuordnung sowie erkennbare Verletzungs- und Traumataanzeichen sowie die mögliche skelettgebundene Geschlechtszuordnung überprüft und nach den neuesten Erkenntnissen und Erfahrungen aktualisiert. Auf diese Weise wurden gewisse Mängel der Ablage von 1893 korrigiert. Damit wurde die Grundlage für die Isotopenanalyse und die Auswertung deren Ergebnisse präzisiert. Insgesamt wurden von den Skelettüberresten von 100 Personen 98 einer Isotopenanalyse unterzogen. Der Mais-Test war in einem überraschenden Maß positiv. Diese Resultate sind aber für die „Massaker-Bewertung“ uninteressant. Mich interessieren die Altersangaben in Verbindung mit Geschlecht und möglicher Verletzung oder Todesursache.
Bei der Überprüfung des Skelett-Materials wurden 7 früher als peri-mortem (um den Todeszeitpunkt) Traumata klassifizierte Verletzungen in Frage gestellt, so dass der Anteil der Traumata von 48% der Personen auf nur 21% zurückging. Auch zahlreiche andere Unstimmigkeiten wurden bei den Originaldaten festgestellt. So waren unter einer einzigen Zugangsnummer mehrere Personen aufgelistet, es gab auch in den Listen fehlende Personen und auch Traumata waren aufgelistet, die es an den gefundenen Skeletten nicht gab. Eine erneute Analyse der Demographie ergab, dass 41% und nicht 66% der Probanden erwachsene Männern waren und nur 18 der 39 Personen Anzeichen von Traumata aufwiesen.
Die Cave 7 Begräbnisansammlung von 100 Skeletten/Skelettteilen, von denen 98 untersucht wurden, stammt aus der Zeit von ca. 74 v.d.Z. bis 362 u.Z., d.h. 100 Bestattete in 436 Jahren – durchschnittlich alle 4 Jahre eine Bestattung. Der Ablauf der kontinuierlichen Bestattungsabfolge hat keine Unterbrechung von mehr als 10 Jahren. Ein Vergleich von Personen mit einem klaren Trauma zeigte, dass das mittlere Sterbedatum nach den RC-Messungen mindestens zwei Generationen auseinander lag und es keine Überlappung der Standardabweichung gab. Eine Neubewertung der Traumamuster ergab, dass nicht mehr 48% der Traumata als Todes